Anwaltsbestenliste - Die Besten II

Gericht

OLG München


Datum

09. 03. 1995


Aktenzeichen

29 U 4177/94


Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.04.1994 - Az: 1 HKO 23785/93 - wird zurückgewiesen.

II. Den Beklagten werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe u. a. in der Wahrnehmung der Belange der Rechtsanwaltschaft, die den Berufsstand im ganzen berühren, besteht.
Die Beklagte zu 1) (künftig: die Beklagte) ist ein Verlag, in dem wöchentlich das Nachrichtenmagazin FOCUS erscheint. Der Beklagte zu 2) ist Geschäftsführer der Beklagten und Chefredakteur der Zeitschrift FOCUS.

In den Heften Nr. 44/93 bis Nr. 49/93 erschien ein sechsteiliger Bericht "Die 500 besten Anwälte", gegliedert nach verschiedenen Rechtsgebieten. Die Serie wurde auf der Titelseite des Heftes Nr. 44 blickfangmäßig mit einem Bild, das fünf Personen in Anwaltsrobe zeigt, angekündigt. Auf den Seiten 186/187 begann Teil 1: Mietrecht. Der Artikel befaßt sich all gemein mit Problemen des Mietrechts. Auf den Seiten 190/192 ist ein vom Fließtext unabhängiger Kasten eingeschaltet, in dem, nach Regionen geordnet, eine Vielzahl von Anwälten unter Nennung des Namens, des Kanzleisitzes und der Telefonnummer genannt werden. In einem Begleittext wird mitgeteilt, wie die besten Anwälte ermittelt werden. Als Kriterien werden die "Reputation unter Kollegen" und die "Präsenz in Fachkreisen" genannt. Zwei Anwälte werden mit Bild vorgestellt. Die weiteren Folgen, die sich jeweils mit einem Fachgebiet befassen, sind vergleichbar aufgebaut. Wegen der Ausgestaltung der Beiträge im einzelnen wird auf die vorgelegten FOCUS-Hefte verwiesen.

Die Klägerin hat vorgetragen, die namentliche Nennung einzelner.Anwälte als "Beste Anwälte" bzw. "Spezialisten" verstoße gegen die §§ 1 und 3 UWG. Die Beklagte habe in Wettbewerbsabsicht gehandelt, wie sich aus der Angabe der Telefonnummern der empfohlenen Anwälte ergebe, die durch einen mühelosen Griff zum Telefon die sofortige Kontaktaufnahme ermögliche. Die sich wiederholende Überschrift "Die besten Anwälte", deren Hervorhebung als "Spezialisten" und "Experten" sei als Reklame für die genannten Anwälte zu werten. Es sei davon auszugehen, daß die empfohlenen Anwälte von der Veröffentlichung gewußt hätten. Zur Ermittlung der "Reputation unter Kollegen" seien Anwälte angerufen oder mit den Anl. K 1 und K 2 angeschrieben worden. Die Befragten seien um Selbstdarstellung und um Nennung kompetenter Fachkollegen gebeten worden, da FOCUS eine Geschichte über das jeweilige Spezialgebiet vorbereite. Aus den Anfragen hätten die kontaktierten Anwälte den Zweck und Inhalt der geplanten Veröffentlichungen erkennen müssen. Durch die Beantwortung der Anfragen hätten diese Anwälte an der Werbung für sich und ihre empfohlenen Kollegen mitgewirkt. Die Berichterstattung der Beklagten gehe über die notwendige informative Meinungsäußerung der Presse hinaus. Es liege eine bewußt rühmende Herausstellung mit der Absicht der Förderung des Wettbewerbs der genannten Anwälte vor. Die für die Auswahl genannten Kriterien beruhten auf einem subjektiven Urteil der Redaktion; nach außen werde aber der Anschein objektiver Beurteilung erweckt. Dieses Verhalten verstoße gegen § 1 UWG. Da es auf jedem Rechtsgebiet eine Vielzahl weiterer Anwälte gebe, die auf dem jeweiligen Spezialfach ebenso gut, oder besser seien, verstoße die Hervorhebung der empfohlenen Anwälte auch gegen § 3 UWG. Die herangezogenen Bewertungskriterien seien völlig unzureichend; sie ließen die. Erarbeitung einer zuverlässigen "Rangliste" nicht zu.

Die Klägerin hat beantragt:
1. Hauptantrag:

Den Beklagten wird es bei Meidung eines Ordnung sgeldes von 5,-- DM bis 500.000,--DM, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen im Falle der Beklagten zu 1) am Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, den Titel "Die 500 besten Anwälte" oder den Kurztitel "Die besten Anwälte" im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Druckschriften zu verwenden oder verwenden zu lassen, die durch folgende Elemente gekennzeichnet sind:

- Abhandlung abgegrenzter Rechtsgebiete unter wörtlicher oder sinngemäßer Bezeichnung der in diesem Zusammenhang genannten Rechtsanwälte als "Spezialisten";

- Namensnennung einer beschränkten Anzahl von Rechtsanwälten unter Beifügung von deren Kanzleisitz und/oder Telefonnummer;

- Bewertung der beruf1ichen Qualifikation der genannten Anwälte nach Anzahl von Benennungen durch andere befragte Anwälte und/oder nach der Anzahl der Fachveröffentlichungen;

- Wiedergabe von Abbildungen und wörtlichen Zitaten von Äußerungen einzelner Anwälte und/oder graphischen Schaubildern mit Darstellung der Entstehungsgeschichte überörtlicher Anwaltssozietäten.


2. Hilfsantrag:

Den Beklagten wird es bei Meidung der gleichen Ordnungsmittel verboten, den Titel "Die 500 besten Anwälte" oder den Kurztitel "Die besten Anwälte" im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer Serie in der Zeitschrift FOCUS zu benutzen, soweit darin Rechtsanwälte genannt werden, die ihre. Kanzlei im Oberlandesgerichtsbezirk München unterhalten und die einzelnen Folgen der Serie nach Art der in FOCUS Nr. 44 ? 49/93 unter dem Serientitel "Die 500 besten Anwälte" veröffentlichten Folgen gestaltet sind, gekennzeichnet namentlich durch folgende Elemente:

- Abhandlung je eines abgegrenzten Rechtsgebietes pro Folge unter wörtlicher oder sinngemäßer Bezeichnung der darin namentlich genannten Rechtsanwälte als "Spezialisten",

- Namensnennung von Rechtsanwälten unter Beifügung von deren Kanzleisitz und/oder Telefonnummer;

- Erläuterung der angewandten Bewertungsrichtlinien unter der Kolumnen-Überschrift: "Wie FOCUS die besten Anwälte ermittelt";

- Bewertung der beruflichen Qualifikation der genannten Anwälte nach Anzahl von Benennungen durch andere befragte Anwälte unter Benutzung von zwischen 1 - 4 "+"-Zeichen und nach Anzahl der Fachveröffentlichungen mit 1 - 2 "X"-Zeichen;

- starke Schwerpunktbildung der Kanzleisitze der in der Serie genannte Anwälte in wenigen Großstädten.


Die Beklagten haben
Klageabweisung

beantragt.


Sie haben vorgetragen, die Artikelserie sei objektiv nicht geeignet, den Wettbewerb der genannten Rechtsanwälte zu fördern. Diese Anwälte seien auch ohne ihre Artikelserie voll ausgelastet und damit nicht in der Lage, weitere Mandanten zu betreuen. Sie hätten nicht in der Absicht gehandelt, fremden Wettbewerb zu fördern. Es sei ihnen nur um die öffentliche Meinungsbildung und Information gegangen. Die befragten Rechtsanwälte seien mit den Schreiben gemäß Anl. K 1 und K 2 über den Zweck der Befragung bewußt im Unklaren gelassen worden. Für die Anwälte sei nicht erkennbar gewesen, daß eine "Bestenliste" erstellt werden sollte. Die Anwälte, die auf ihre Anfragen geantwortet hätten, hätten sich keinesfalls wettbewerbswidrig verhalten. Das Standesrecht der Rechtsanwälte sei nur eingeschränkt wirksam, wie das Bundesverfassungsgericht entschieden habe. Anwälte seien berechtigt, sich selbst z. B. als "Experten für Partnerschaftsfragen und Mietrecht" zu bezeichnen, wenn sie über entsprechende Spezialkenntnisse verfügten. Sie hätten sich daher auch dann nicht standeswidrig und damit wettbewerbswidrig verhalten, wenn sie den Zweck ihrer Befragung erkannt hätten. Die von ihnen, den Beklagten herangezogenen Kriterien für die Bewertung der Anwälte seien wissenschaftlich abgesichert; im übrigen beruhe die Bestenliste auf ihrer persönlichen subjektiven Auswahl. Da sie auf jede reißerische Darstellung verzichtet hätten, scheide unabhängig davon, daß ihnen eine Wettbewerbsförderungsabsicht fehle, ein Verstoß gegen die §§ 1 und 3 UWG aus.
Zur Anlage K 1 sei zu beachten, daß die eingegangenen Antworten für die Veröffentlichung zum Gebiet "Unternehmensrecht" nicht verwendet worden seien. Die Bitte um eine kurze Selbstdarstellung habe dazu geführt, daß die angesprochenen Kanzleien ihre "Hochglanzbroschüren" übersandt hätten, die wenig aussagekräftig gewesen seien. Man sei daher auch für das Gebiet "Unternehmeinsrecht" zur altbewährten Methode zurückgekehrt, die Kanzleien anzurufen und um Nennung erfolgreicher Kollegen zu bitten.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 27.4.1994 der Klage im Hauptantrag im wesentlichen stattgegeben. Lediglich im vorletzten Absatz wurde die Alternative "und/oder nach der Anzahl der Fachveröffentlichungen" ersetzt durch "allein oder zusätzlich nach der Anzahl der Fachveröffentlichungen". Wegen der Begründung wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 61/94 d.A.).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholen im wesentlichen ihren Vortrag vor dem Landgericht. Sie beanstanden insbesondere, daß das Landgericht eine Absicht, den Wettbewerb der namentlich genannten Rechtsanwälte zu fördern, bejaht habe. An die Förderungsabsicht bei Presseveröffentlichungen seien hohe Anforderungen zu stellen. Die Klägerin habe konkret nicht nachweisen können, daß sie diese Förderungsabsicht gehabt hätten. Die befragten Rechtsanwälte hätten den Zweck der erbetenen Namensnennung weder gekannt noch erkennen müssen. Von der Absicht, eine "Bestenliste" aufzustellen, sei nicht die Rede gewesen. Kein Anwalt habe sich im Rahmen seiner Antwort selbst als Spezialist genannt, woraus sich entnehmen lasse, daß sie mit der Erstellung einer "Bestenliste" nicht gerechnet hätten. Die Anwälte hätten weder für sich selbst noch für Kollegen werben wollen, weshalb sie sich auch nicht wettbewerbswidrig verhalten hätten. Bei der Prüfung des § 1 UWG sei auch zu beachten, daß sie keine unzulässige Superlativwerbung verbreitet hätten. Sie hätten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß "jeder in Deutschland zugelassene Anwalt im Mietrecht beraten und verhandeln kann". Damit komme hinreichend zum Ausdruck, daß sie ihre persönliche subjektive Auswahl getroffen hätten, wenn auch die Kriterien, nach denen sie vorgegangen seien, wissenschaftlich zuverlässig seien. Die Reputationsmethode sei wissenschaftlich anerkannt und gerade für die Bewertung von Dienstleistungen besonders geeignet, wofür Beweis durch Erholung eines Sachverständigengutachtens angeboten wird.


Die Beklagten beantragen,

Aufhebung des Urteils vom 27.4.1994 und Abweisung der Klage.

Die Klägerin beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Auch sie wiederholt im wesentlichen ihren Vortrag vor dem Landgericht. Die Beklagten hätten zunächst in der Absicht gehandelt, ihren eigenen Wettbewerb zu fördern. Die benannten Anwälte seien reklamehaft herausgestellt worden, obwohl ihre Hervorhebung nicht auf überprüfbaren Kriterien beruhe. Der Eindruck, die Artikelserie sei besonders sorgfältig recherchiert worden, sei unrichtig. Die Presseveröffentlichungen dienten daher nicht in erster Linie der öffentlichen Meinungsbildung und Information, sondern der Förderung des eigenen Wettbewerbs. Auch die Absicht der Förderung fremden Wettbewerbs sei gegeben. Die empfohlenen Rechtsanwälte seien in einer Form in den Vordergrund gestellt worden, die mit dem allgemeinen, durch die standesrechtlichen Beschränkungen anwaltlicher Werbung mitgeprägten sittlichen Empfinden unvereinbar sei. Das Landgericht habe auch zu Recht angenommen, daß die befragten Anwälte durch ihre Antworten gegen § 43 BRAO verstoßen hätten. Die Werbung für andere Anwälte sei ebenso unzulässig wie die Eigenwerbung. Die Reputationsmethode, auf der die Auswahl vorwiegend beruhe, sei für die Ermittlung der besten Anwälte ungeeignet. Ein Großteil der Leser betrachte die "Bestenliste" als nach objektiven Gesichtspunkten erstellte Rangliste, während lediglich eine subjektive Auswahl der Beklagten vorliege. Damit verstoße das Verhalten der Beklagten sowohl gegen § 1 UWG als auch gegen § 3 UWG. Da die Artikelserie der Sorgfaltspflicht der Journalisten nicht genüge, sei sie auch nicht vom Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt. Die gebotene Güter- und Interessenabwägung, die für eine verfassungskonforme Beurteilung erforderlich sei, ergebe den Vorrang wettbewerbsgerechten Verhaltens vor dem Recht aus Artikel 5 Abs. 1 GG.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze mit Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Veröffentlichung der Artikelserie mit dem Titel "Die 500 besten Anwälte" zu Recht untersagt. Das Verhalten der Beklagten verstößt in doppelter Hinsicht gegen § 1 UWG.

1.

Der Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG setzt ein Handeln der Beklagten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs voraus. Ein solches Handeln liegt vor, wenn das Verhalten objektiv geeignet ist, den Absatz oder den Bezug einer Person zum Nachteil einen anderen zu begünstigen, und wenn der Handelnde zusätzlich in subjektiver Hinsicht in der Absicht vorgegangen ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, wobei die Förderungsabsicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktreten darf (BGH GRUR 1990, 373, 374 - Schönheits-Chirurgie; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Einl. UWG Rdnr. 232).

Die Beklagten haben mit der Veröffentlichung der sechsteiligen Artikelserie "Die 500 besten Anwälte" zur Förderung des eigenen Wettbewerbs im aufgezeigten Sinn gehandelt. Hiervon geht der Senat aus, obwohl jede redaktionelle funktionsgerechte und erlaubte Berichterstattung eines Presseorgans objektiv auch die Wirkung haben kann, die eigene Wettbewerbslage im Verhältnis zu anderen Presseunternehmen zu verbessern oder zu behaupten und obwohl eine solche notwendige Begleiterscheinung funktionsgerechten Pressehandelns allein nicht ausreichen kann, hierin auch subjektiv ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs zu sehen. Insoweit ist nämlich zu beachten, daß auch bei Berichten, die objektiv zur Wettbewerbsförderung geeignet sind, der Grund für die Veröffentlichung in dem Anliegen bestehen kann, die Öffentlichkeit über eine Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung zu unterrichten. Es sind daher besondere Umstände erforderlich, aus denen sich ergibt, daß neben der Informationsabsicht der Zweck der Förderung des eigenen Wettbewerbs eine andere als nur untergeordnete, , weil notwendigerweise begleitende Rolle gespielt hat (BGH, a.a.O.). Solche Umstände liegen vor.

Zunächst ist festzustellen, daß die Artikelserie objektiv geeignet ist, den Wettbewerb der Beklagten im Vergleich zu anderen Zeitschriftenverlagen zu fördern.

Die Serie "Die 500 besten Anwälte" betrifft ein die Öffentlichkeit allgemein interessierendes Gebiet. Das Rechtswesen nimmt sowohl im Wirtschaftsleben als auch im privaten Bereich jedes Einzelnen eine gewichtige Stellung ein. Da sich Rechtsfragen nicht ohne weiteres der Allgemeinheit erschließen, bedarf es fachkundiger Aufklärung, die im Regelfall der Tätigkeit der Rechtsanwälte vorbehalten ist. Erläutert eine Artikelserie nicht nur die Kernprobleme bestimmter Rechtsgebiete, sondern nennt sie dem Leser darüber hinaus Anwälte, die auf dem jeweiligen Gebiet über besondere Erfahrung und Anerkennung verfügen, so kann das Presseorgan, das die Artikelserie veröffentlicht, mit einem gesteigerten Interesse der Öffentlichkeit rechnen. Die Veröffentlichung ist daher objektiv geeignet, die Nachfrage nach der betreffenden Zeitschrift nicht nur zu behaupten, sondern beachtlich zu steigern. Diese objektive Eignung begründet zwar noch keine Vermutung dafür, daß auch eine Wettbewerbsförderungsabsicht besteht (vgl. BGH, a.a.O.); diese Absicht ergibt sich aber aus der Art und Weise, wie die Artikelserie recherchiert und den Lesern dargeboten wurde.

Insoweit ist zu beachten, daß die Beklagten den Eindruck erwecken, die empfohlenen Anwälte seien durch ein zuverlässiges Verfahren als die besten Vertreter ihres Standes des ermittelt worden, wie sich aus den Darlegungen unter der Überschrift "Wie FOCUS die besten Anwälte ermittelt" auf Seite 190 des Hefts Nr. 44/93 ergibt. Damit wird der "Reputation unter Kollegen", also der Empfehlung anderer Anwälte, besonderes Gewicht beigemessen, obwohl dieses Kriterium, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht geeignet ist, eine zuverlässige Auswahl zu treffen. Die Gründe, warum ein Anwalt einen anderen Anwalt als besonders kompetent benennt - sei es aufgrund einer schriftlichen Anfrage, sei es ihm Rahmen einer telefonischen Befragung - können vielfältig sein. Der Grund kann in ständiger Zusammenarbeit, gemeinsamem Studium oder sonstiger persönlicher Bekanntschaft, liegen, ohne daß damit objektive Kriterien für besondere Fachkenntnisse verbunden sind. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob sich ein Anwalt selbst und damit auch einen Kollegen zu Recht als "Spezialisten" oder "Experten" bezeichnen darf, wenn die erforderlichen besonderen Fachkenntnisse gegeben sind. Vorliegend geht es lediglich um die Frage, ob die "Reputation unter Kollegen" ein zuverlässiges Kriterium für die Einstufung eines Anwalts als eines der besten seines Faches darstellt oder nicht. Dies ist, wie ausgeführt, nicht der Fall. Dem weiteren von der Beklagten herangezogenen Prüfungmaßstab der "Präsenz in Fachkreisen" kommt kkommt kaum Bedeutung zu, wie die sehr seltene Bejahung dieses Merkmals bei der Bewertung der Rechtsanwälte zeigt. insoweit ist vielmehr davon auszugehen,. daß die empfohlenen Anwälte in der überwiegenden Zahl keine Fachpublikationen nachweisen können und dennoch, also ausschließlich aufgrund der Empfehlung durch Kollegen, zu den besten ihres Faches gezählt werden.
Der Senat geht davon aus, daß den für die Artikelserie Verantwortlichen bekannt war, daß sich aufgrund der Nennung durch andere Anwälte nicht zuverlässig beurteilen läßt, ob ein Anwalt tatsächlich zu den besten seines Faches auf einem Rechtsgebiet zählt. Dies gilt umsomehr, als es in der Bundesrepublik viele tausende von Anwälten gibt, die - wie die Beklagte selbst ausführt - alle zur Beratung z. B. im Mietrecht zugelassen sind, denen nicht einmal 100 pro behandeltem Rechtsgebiet als die Besten ihres Faches gegenübergestellt werden.

Die unsachgemäße Auswahl der angeblich "500 besten Anwälte" und deren Benennung in den einzelnen Veröffentlichungen zeigt, daß es der Beklagten vorwiegend darauf ankam, ihren eigenen Wettbewerb zu fördern. Dieses Verhalten der Beklagten, mit dem den Lesern vorgetäuscht wird, die namentlich genannten Anwälte seien tatsächlich die besten ihres Fachs, ist sittenwidrig i. S. des § 1 UWG. Es verstößt gegen das allgemeine sittliche Empfinden, Lesern aufgrund unzureichender Recherchen ausgewählte Rechtsanwälte als die besten ihres Faches zu benennen und damit andere Anwälte, die nicht genannt werden, obwohl sie unter Umständen sogar leistungsstärker als ihre empfohlenen Kollegen sind, zu benachteiligen.

Der Umstand, daß die Beklagten durch die Auflistung der "besten Anwälte" ihren Lesern bei Kauf ihrer Zeitschrift die Möglichkeit bieten, im Bedarfsfall unschwer einen angeblich besonders befähigten Anwalt beauftragen zu können, zeigt wiederum ihre Absicht, den eigenen Wettbewerb zu fördern, weil diese Form der Veröffentlichung für die Leserschaft besonders attraktiv ist. Hieran ändert der ausdrückliche Hinweis z. B. in Heft Nr . 44/93 auf Seite 190, daß jeder in Deutschland zugelassene Anwalt im Mietrecht beraten und verhandeln kann, nichts.

Die Beklagten führen nämlich anschließend aus, was sie unternommen haben, um die Spezialisten herauszufinden. Damit wird der unrichtige Eindruck erweckt, die namentlich genannten Anwälte seien aus der Gesamtheit der der Rechtsanwaltschaft nach einem bestimmten, zuverlässigene Verfahren als die besten ihres Faches ermittelt worden. Es wird eine nach Qualitätsmerkmalen erstellte Rangfolge behauptet, die willkürlich ist und den Leser täuscht.

Die Klägerin ist berechtigt, die geltend gemachte Unterlassungsklage zu erheben. Sie ist zur Wahrung der Interessen der Anwaltschaft verpflichtet und damit gehalten, die unberechtigte Empfehlung namentlich genannter Anwälte zum Nachteil ihrer übrigen Mitglieder in Presseartikeln zu unterbinden.

2.

Die Beklagten sind auch aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung zur Unterlassung der beanstandeten Veröffentlichung verpflichtet.

Als Störer haftet jeder, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Eine eigene Wettbewerbsförderungsabsicht ist insoweit nicht erforderlich. Für die Inanspruchnahme des Störers kommt es nämlich nicht darauf an, wie sein eigener Tatbeitrag geartet ist und welches Interesse er selbst an der Verletzung hat. Es genügt, wenn der Störer auch ohne eigene Wettbeförderungsabsicht an der Schaffung oder Aufrechterhaltung eines wettbewerbswidrigen Zustands objektiv mitgewirkt hat (vgl. BGH GRUR 1990, 373, 374 - Schönheits-Chirurgie).

Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, daß sich die schriftlich oder telefonisch befragten Rechtsanwälte, aufgrund deren Antworten die Reputation der empfohlenen Anwälte festgestellt wurde, wettbewerbswidrig verhalten haben. Sie haben gegen § 43 BRAO verstoßen, indem sie Kollegen als Spezialisten auf dem jeweiligen Fachgebiet benannt haben. Aus § 43 BRAO in Verbindung mit dem gesetzlichen Berufsbild des Rechtsanwalts folgt nämlich ein über § 3 UWG hinausgehendes Verbot solcher Werbung, die das Berufsbild des Rechtsanwalts verfälscht. Darunter fällt jede Werbung, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, am Gewinn orientierten Verhaltens ist, wie z.B. das reklamehafte Herausstellen der eigenen Person oder eines anderen Rechtsanwalts. Ein solches reklamehaftes Herausstellen liegt vor, da die angegriffene Artikelserie die subjektive, mangels überprüfbarer Kriterien keiner vernünftigen Kontrolle zugängliche Bewertung der namentlich genannten Anwälte als die 500 besten ihres Faches enthält und diese Bewertung zu dem Zweck geschieht, die so Gelobten gegenüber anderen Rechtsanwälten hervorzuheben (vgl. BVerfGE, NJW 1994, 123, 124 = Anl. B 4).

Die befragten Rechtsanwälte mußten zumindest damit rechnen - was ausreicht (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einl. UWG, Rdnr. 127), - daß ihre Empfehlungen im Rahmen "einer Geschichte des jeweiligen Rechtsgebiets" verwertet werden, und zwar auch in Form der Veröffentlichung einer "Bestenliste". Es war ihnen nämlich mitgeteilt worden, daß "die bisherigen Ergebnisse weiter konkretisiert werden sollen, um einen möglichst guten Kreis von Anwälten zu erhalten". Die Verwertung der ausgesprochenen Empfehlungen in bevorstehenden Veröffentlichungen war damit mit Sicherheit vorgegeben. Damit haben
die befragten Anwälte für ihre empfohlenen Kollegen aber unzulässig geworben. Die ausgesprochenen Empfehlungen waren für die Beklagten unkontrollierbare Anpreisungen. Da sie diese Anpreisungen in ihre Veröffentlichungen übernommen haben, haben sie an einem wettbewerbswidrigen Verhalten objektiv mitgewirkt und haften als Störer auf Unterlassung.

Dabei verkennt der Senat nicht, daß das Werbeverbot aus § 43 BRAO nicht für die Beklagten gilt. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Insoweit genügt es, daß die Anwälte wettbewerbswidrig gehandelt und die Beklagten objektiv mitgewirkt haben. Dabei ist es unerheblich, ob die Beklagten das Verhalten der befragten Rechtsanwälte als wettbewerbswidrig erkannt haben oder nicht. Es reicht aus, daß ihnen alle Tatumstände, die die Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens begründet haben, bekannt waren.

Da es auf eine Wettbewerbsabsicht der Beklagten - wie dargelegt - bei der Störerhaftung nicht ankommt, kann dahingestellt bleiben, ob sie durch ihre Veröffentlichungen zumindest auch den Wettbewerb der empfohlenen Anwälte fördern wollten. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, daß er die Auffassung der Beklagten, ihr Verhalten sei objektiv nicht geeignet gewesen, den Wettbewerb der empfohlenen Rechtsanwälte zu fördern, nicht teilt. Unterstellt man, daß die empfohlenen Anwälte durchweg bereits vor Erscheinen der Artikelserie voll ausgelastet waren, so schließt dies nicht aus, daß sie ihre Kanzlei bei erhöhter Nachfrage vergrößern oder, falls sie dies nicht wollen, erhöhte Honorare für die Übernahme eines Mandats fordern werden.

3.

Die angegriffenen Veröffentlichungen sind nicht durch das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Dieses Grundrecht steht unter dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG, findet somit seine Schranken auch in den allgemeinen Vorschriften, zu denen § 1 UWG gehört. Die gebotene Güter- und Interessenabwägung, die für eine verfassungskonforme Entscheidung erforderlich ist (vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Allg., Rdnr. 63 a), führt zum Vorrang wettbewerbsgerechten Verhaltens vor dem Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG.

Da das Verhalten der Beklagten gegen 1 UWG verstößt, kann dahingestellt bleiben, ob auch ein Verstoß gegen § 3 UWG vorliegt.

Die Klägerin hat beantragt , die Beklagten zur Unterlassung bei Vorliegen bestimmter, kumulativ genannter Merkmale zu verurteilen. Dieser Antragstellung war bei der Tenorierung gemäß § 308 Abs. 1 ZPO zu entsprechen, ohne daß es darauf ankommt, ob die Klage auch ohne diese Einschränkungen Erfolg gehabt hätte.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistung auf den §§ 708 Nr. 10, 713, 108 ZPO.


Mangstl
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht

von Hunoltstein
Richter am Oberlandesgericht

Jackson
Richter am Oberlandesgericht

Vorinstanzen

LG München I, HKO 23785/93

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht