Zum Beweis für die Anschauungen eines unbefangenen Durchschnittslesers

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

19. 06. 1997


Aktenzeichen

29 U 5606/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Grundsätzlich kann der Tatrichter die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise aufgrund seiner eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung hinreichend zuverlässig beurteilen, sofern die Anschauungen eines unbefangenen Durchschnittslesers zu ermitteln sind und die Richter des zur Entscheidung berufenen Kollegiums selbst diesem Personenkreis angehören.

  2. Liegen jedoch etwa in Form eines Parteigutachtens zur Verkehrsauffassung Umstände vor, die die richterliche Einschätzung als bedenklich erscheinen lassen, sind gleichwohl alle Beweismittel zu erschöpfen.

Tatbestand

Sachverhalt

Die Beklagte verlegt die Illustrierte "A.". Auf S. 12 des Heftes 3/95 dieser Zeitschrift war eine ganzseitige Wirtschaftswerbung der Bio Trade GmbH für das Fat-Blocker-Produkt F.I.T.tabs abgedruckt.

Der Kläger, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, dem alle Industrie- und Handelskammern der Bundesrepublik Deutschland angehören, hat vor dem Landgericht die Auffassung vertreten, daß für den flüchtigen Leser nicht ausreichend erkennbar gemacht sei, daß es sich bei dem Inhalt dieser Seite um Wirtschaftswerbung handele.

Die Beklagte wandte dagegen ein, die streitgegenständliche Anzeige sei durch die Elemente ihrer Gestaltung und durch die doppelte Kennzeichnung mit dem Wort "Anzeige" eindeutig als Wirtschaftswerbung gekennzeichnet, was auch für den flüchtigen Betrachter erkennbar sei.

Das Landgericht hat entsprechend dem Antrag des Klägers die Beklagte zur Zahlung von Aufwendungsersatz in Höhe von 267,50 DM verurteilt und ihr geboten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der Zeitschrift "A." redaktionell gestaltete Wirtschaftswerbung zu veröffentlichen, die weder durch ihre Anordnung und Gestaltung noch durch den Hinweis "Anzeige" für den flüchtigen Leser als Wirtschaftswerbung erkennbar ist.

Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, für Druckschriften, die redaktionelle Berichte und Werbung enthielten, gelte das Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellem Text. Eine Anzeige in einer Zeitung oder einer Zeitschrift, die durch ihre Anordnung, Gestaltung oder Formulierung wie ein Beitrag des redaktionellen Teils erscheine, ohne den Anzeigencharakter für den flüchtigen Leser erkennen zu lassen, sei diesem gegenüber irreführend und unlauter gegenüber Mitbewerbern. Weder die Gestaltungsmerkmale der Anzeige auf S. 12 des Heftes 3/95 der "A." noch der zweimalige Hinweis "Anzeige" ließen den Anzeigencharakter für den flüchtigen Durchschnittsleser ohne längere und genauere Beschäftigung erkennbar werden. Die vom Kläger beanstandete Wirtschaftswerbung trete nicht schon durch ihre Gestaltung als Anzeige in Erscheinung. Sie nehme eine gesamte Seite ein. Auf der ihr gegenüberliegenden Seite sei ein "Cartoon" abgedruckt, so daß auf den ersten Blick keine Gestaltungsdifferenz zu einem redaktionellen Beitrag auffalle. Es gebe keine mehrfache und durch Fettdruck deutliche Erwähnung des Produktnamens "F.I.T.tabs". Die Abbildung der Produktpackung sei unauffällig. Der Text der Anzeige sei wie ein redaktioneller Beitrag gestaltet. Zwar sei die Veröffentlichung mit dem Wort "Anzeige" gekennzeichnet. Gemessen an dem Gesamterscheinungsbild der Anzeige sei jedoch die für das Wort "Anzeige" gewählte Schriftart, Schriftgröße und Schriftstärke nicht ausreichend. Sie verfehle im vorliegenden Fall ihren Kennzeichnungszweck. Ihre Anordnung bewirke, daß es jedenfalls möglich sei, daß sie vom flüchtigen Durchschnittsleser nicht (als erstes) zur Kenntnis genommen werde. Dies könne das Landgericht, deren Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, selbst beurteilen. Es bedürfe hierfür keiner "Rechtstatsachenermittlung".

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung der Beklagten. Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen ihren Vortrag erster Instanz. Ergänzend legt sie eine von ihr in Auftrag gegebene Meinungsumfrage eines Meinungsforschungsinstituts vor und weist darauf hin, daß sich aus der Umfrage ergebe, daß 92 % der Leser eindeutig erklärt hätten, es handle sich um eine Anzeige. Die restlichen 8 % der befragten Personen hätten sich nicht einmal klar gegenteilig geäußert. Es sei deshalb, falls der Kläger einen entsprechenden Beweisantrag stelle, die Erholung eines Gutachtens geboten.

Der Kläger verteidigt demgegenüber die angefochtene Entscheidung. Zu der von der Beklagten vorgelegten Untersuchung meint er, sie hätte zwingend von dem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz - Eindruck des unbefangenen und flüchtigen Durchschnittslesers - ausgehen müssen. Dies sei ersichtlich nicht geschehen. Die Umfrage sei daher nicht verwertbar. Auch sei bei der Umfrage keine Lese-Situation geschaffen worden. Durch den den Befragten vorgelegten Fragebogen sei vielmehr eine selektive und intensive Beschäftigung mit der betreffenden Seite erreicht worden. Aufgrund der Anlage der Untersuchung hätten im Grunde 100 % der Befragten den Anzeigencharakter erkennen müssen.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg, weil der Kläger nicht bewiesen hat, daß ein nicht unerheblicher Teil der flüchtigen Durchschnittsleser über den Anzeigencharakter der streitgegenständlichen Veröffentlichung durch deren konkreten Gestaltung irregeführt wird (§ 3 UWG).

1.
In Übereinstimmung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, ist eine Anzeige in einer Zeitung oder einer Zeitschrift, die durch ihre Anordnung, Gestaltung oder Formulierung für den flüchtigen Durchschnittsleser wie ein Beitrag des redaktionellen Teils erscheint, irreführend gegenüber den Lesern und unlauter gegenüber Mitbewerbern (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Rd.-Nr. 30 zu § 1 UWG). Das Landgericht hat auf der Grundlage des von ihm zu beurteilenden Sachstandes überzeugend dargelegt, daß für den flüchtigen Durchschnittsleser der Charakter des Beitrags als werbliche Anzeige nicht bereits aus deren Gestaltung entnehmbar ist. Es hat dies zutreffend darauf zurückgeführt, daß in der Zeitschrift "A." auch die redaktionellen Beiträge sehr stark variieren, so daß der flüchtige Leser nicht aufgrund der Gestaltung des Beitrags auf den ersten Blick eine entsprechende Einordnung vornehmen kann. Zwar ist in dem Beitrag der Produktname "F.I.T.tabs" mehrfach erwähnt. Eine solche Bezeichnung ist jedoch nicht typisch für einen "Produktnamen". Sie kann ohne weiteres auch als gebräuchliche Abkürzung für die in der Überschrift des Beitrages angekündigte "Fat-Blocker-Formel" verstanden werden. Die "lobenden Stellungnahmen unter Abdruck von Fotos angeblicher Verwender des beworbenen Mittels" sind in den Text eingebettet, was auch sonst bei redaktionellen Beiträgen nicht unüblich ist. Fraglich erscheint jedoch, ob der Beitrag, gemessen an seinem Gesamterscheinungsbild, nicht doch ausreichend deutlich mit dem Wort "Anzeige" gekennzeichnet worden ist. Der Beitrag ist zweifach, nämlich links oben und rechts oben auf der Textseite mit "Anzeige" gekennzeichnet. Der Anzeigenhinweis, der sich links oben auf der Textseite befindet, ist auf gelbem Feld mit der ersten Textzeile "ab sofort in Deutschland und Österreich" verbunden. Gerade diese farblich abgesetzte Eingangszeile mit dem Anzeigenhinweis zieht den ersten Blick des flüchtigen Lesers auf diese Textseite an.

2.
Das Landgericht konnte die Frage, ob der in der Zeitschrift der Beklagten veröffentlichte streitgegenständliche Beitrag zur Irreführung geeignet ist, aus eigener Sachkunde beurteilen. Grundsätzlich kann der Tatrichter die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise aufgrund seiner eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung hinreichend zuverlässig beurteilen, sofern wie hier die Anschauungen eines unbefangenen Durchschnittslesers zu ermitteln sind und die Richter des zur Entscheidung berufenen Kollegiums selbst diesem Personenkreis angehören. Dieser Grundsatz gilt namentlich in den Fällen, in denen die Richter für sich selbst eine Irreführung bejahen, da es für die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs aus § 3 UWG nur auf die Anschauungen eines nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs ankommt (BGH GRUR 1992, 450, 452 - Beitragsrechnung). Liegen aber Umstände vor, die auch aufgrund in der Berufung neu vorgebrachter Gesichtspunkte die vom Landgericht seiner Beurteilung zugrundegelegte Auffassung als bedenklich erscheinen lassen, sind gleichwohl alle Beweismittel zu erschöpfen (BGH GRUR 1984, 465 - Natursaft; GRUR 1984, 467, 468 - Das unmögliche Möbelhaus aus Schweden; Köhler/Piper, UWG, Rd.-Nr. 90 zu § 3 m. w. N.). Bedenken gegen die Auffassung des Landgerichts ergeben sich einerseits durch den bereits erwähnten Anzeigenhinweis auf gelbem Feld zu Beginn der Textseite. Zusätzliche Bedenken ergeben sich aufgrund des von der Beklagten in der Berufung vorgelegten Umfrageergebnisses. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, daß die durchgeführten Interviews für die befragten Personen eine Entscheidungs-Situation geschaffen haben, die mit der Lesesituation beim Durchblättern einer Zeitschrift nicht unmittelbar vergleichbar ist. Auch ist die Befragung von 300 Personen bundesweit zahlenmäßig kaum ausreichend. Das Ergebnis dieser Umfrage, nach der 92 % der A.-Leser (89 % der Gesamtbevölkerung) unzweideutig erklärten, daß es sich um eine Anzeige handelt, begründet jedoch nicht zu vernachlässigende Bedenken, ob tatsächlich ein nicht unerheblicher Teil der flüchtigen Leser durch die Gestaltung des streitgegenständlichen Beitrags über dessen Charakter als Anzeige in die Irre geführt werden kann. Dem Kläger hätte es deshalb oblegen, wozu er von der Beklagten schriftsätzlich aufgefordert wurde, für die anspruchbegründende Voraussetzung einer bestehenden Irreführungsgefahr Beweis anzutreten. Dies hat der Kläger auch nach Erörterung dieser Frage in der mündlichen Verhandlung nicht getan. Da er mithin den ihm obliegenden Beweis nicht geführt hat, war das Urteil des Landgerichts München I aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Anmerkung Schweizer zu diesem Urteil (in: AfP 1997, 931-935)

a) Erstmals auf dem Gebiet des Presserechts im engeren Sinne: Berufungsgericht berücksichtigt demoskopisches Parteigutachten und hebt erstinstanzliches Urteil auf

Dieses Urteil des Oberlandesgerichts München kann im Presserecht[1] Bahnen brechen; Bahnen zur methodenehrlichen Feststellung der Leserauffassungen. Zum ersten Mal[2] hat ein Berufungsgericht ein erstinstanzliches Urteil zur Auffassung "des Durchschnittslesers" aufgrund eines demoskopischen Parteigutachtens[3] aufgehoben. Die Gerichte entschieden bislang im Presserecht generell ohne Repräsentativ-Umfragen zur Auffassung des Durchschnittslesers. Die presserechtliche Literatur befindet sich - wie oft im Presserecht[4] - grundsätzlich nur auf der Höhe der (bisherigen) Rechtsprechung. Es gilt, Neuland zu entdecken und nutzbar zu machen[5].

Konsequent angewandt, wird dieses Urteil das Presserecht grundlegend verändern; nicht das Gesetz, sondern die Anwendung des Gesetzes und das Gesetzes-Verständnis[6].

Nutznießen können alle. Das OLG München hat zugunsten eines Verlages entschieden. Profitieren können aber genausogut, wenn nicht besser, die Leser, Konkurrenten und vor allem die Rechtsanwälte. Die Rechtsanwälte deshalb, weil sie bei Meinungsverschiedenheiten gegenüber dem Gericht ihre entgegengesetzten Vorstellungen methodengerecht belegen können. Rechtsstreitigkeiten können mit Umfragen vermieden oder schnell abgebrochen werden[7]. Jeder Presserechtler weiß, daß oft und von einer Instanz zur anderen nur deshalb gestritten wird, weil der eine so über "die Auffassung des Durchschnittslesers" spekuliert und der andere gerade anders[8]. Der Rechtsanwalt kann bei ungünstigem Sachverhalt seinem Mandanten verständlich machen, daß nicht der Rechtsanwalt versagt hat, sondern daß die Leser anders auffassen, als es sich der Mandant vorstellt. Die Gerichte müssen zum Durchschnittsleser keine Verlierer zurücklassen, die sich ungerecht behandelt fühlen und den Richtern nachtragen, sie hätten "vom Leben keine Ahnung". Wenn hohe Investitionen anstehen und durch eine mit den Leserauffassungen begründete gerichtliche Verfügung zunichte gemacht werden können, läßt sich im vorhinein das Risiko beherrschen[9]. Die Hellseherei hat insoweit ein Ende[10].

Die Nachteile und (angeblichen) Gefahren solcher Umfragen werden im Wettbewerbsrecht seit langem diskutiert: Kosten, Zeitverlust, Gefährdung richterlicher Entscheidungskompetenzen, Präzisierungsbedarf, Umgewöhnung, Gefahr einer Befangenheit der Markt- und Sozialforschungsinstitute, Schwierigkeit der Konzeption und Durchführung solcher Studien bis hin zu dem Vorwurf der Untauglichkeit solcher Studien sowie der Kleinlichkeit und dem Perfektionismus der auf Umfragen beruhenden Entscheidungen. Diese Diskussionen haben die Entwicklung aber nicht aufhalten können[11]. Oft handelt es sich sogar nur um Scheinprobleme oder um Probleme, wie sie bei anderen Beweisführungen ohne weiteres in Kauf genommen werden[12]. Es besteht kein Grund, für das Presserecht etwas anderes zu erwarten. Im Presserecht herrschen letztlich, soweit es hier interessiert, keine anderen Verhältnisse. Zudem ist ohnehin absehbar, daß Rechtsprechung und Schrifttum die Wirklichkeit stärker als bisher beachten müssen[13], und daß die technische Entwicklung die Ermittlung der Wirklichkeit umfassend erleichtern wird.

Die Problematik ist international. Die ausländische Rechtsprechung und die ausländische Literatur sind jedoch nicht weiter fortgeschritten als die deutsche[14].

b) Der Gegenstand des Streites im konkreten Fall: Die deutliche Kennzeichnung entgeltlicher Werbung nach Wettbewerbs-, aber auch nach Presserecht

In einer Publikumszeitschrift wurde entgeltlich für ein Produkt geworben. Diese Werbung war links und rechts oben mit "Anzeige" gekennzeichnet worden. Umstritten war, soweit es hier interessiert, ob diese Kennzeichnung deutlich war oder nicht.

Als Anspruchsgrundlage gibt das Urteil ausdrücklich nur § 3 UWG an. Es nennt nicht die Landespressegesetze und auch nicht das Presse-Standesrecht. Incidenter handelt das Urteil jedoch auch das Presserecht mit ab. Was das Gericht zu § 3 UWG ausführt, steht genauso für § 9 des bayerischen Landespressegesetzes und ebenso für die entsprechenden Bestimmungen der anderen Landespressegesetze. Diese Ausführungen erfassen darüber hinaus sinngemäß die ZAW-Richtlinien für redaktionell gestaltete Anzeigen[15] sowie Ziff. 7 des Pressekodex[16] und die Nrn. 34, 35 der Richtlinien für die redaktionelle Arbeit nach den Einpfehlungen des Deutschen Presserats[17]. Die presserechtlichen Grundlagen entsprechen, soweit es hier interessiert, § 3 UWG. Sie werden auch über § 1 UWG berücksichtigt, Hätte das Gericht § 9 bay. LPG und die standesrechtlichen Bestimmungen anders ausgelegt, hätte es das erstinstanzliche Urteil nicht aufheben dürfen, ohne auf die presserechtlichen Grundlagen einzugehen[18]. Und vor allem:

Das Urteil baut - wie die erstinstanzliche Entscheidung ausdrücklich auf einer Literaturstelle[19] auf, welche die presserechtlichen Grundlagen mit einbezieht. Außerdem befaßt sich das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich mit den ZAW-Richtlinien für redaktionell gestaltete Anzeigen, welche die Landespressegesetze berücksichtigen. Zudem argumentierte der beklagte Verlag in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung stets betont presserechtlich, vor allem auch mit presserechtlichem Schrifttum - die (bis jetzt einzige) spezielle Schrift zur Berücksichtigung von Umfragen im Presserecht[20] eingeschlossen.

Es wird deshalb auch derjenige, der Umfragen im Presserecht ablehnt, nicht die Ansicht vertreten können, das Oberlandesgericht habe das Presserecht überhaupt außer acht gelassen.

Das Oberlandesgericht München legte dar:

- Zwar würde das Gericht ohne die Umfrage genauso einen Verstoß bejahen wie das erstinstanzliche Gericht[21].

- Außerdem läßt sich befragungstechnisch einiges gegen die Studie einwenden.

- Aber dennoch: "Das Ergebnis dieser Umfrage ... begründet jedoch nicht zu vernachlässigende Bedenken, ob tatsächlich ein nicht unerheblicher Teil der flüchtigen Leser durch die Gestaltung des streitgegenständlichen Beitrags über dessen Charakter als Anzeige in die Irre geführt werden kann[22]".

- Liegen Umstände vor, die eine Auffassung als bedenklich erscheinen lassen, sind alle Beweismittel auszuschöpfen.

- Der beweispflichtige Kläger hätte deshalb Beweis antreten müssen. Darauf wurde er vom Gericht (und zuvor von der Gegenpartei) hingewiesen. Trotzdem hat er keinen Beweis angetreten.

- Folglich ist das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

c) Rechtsauslegungs-Konsequenz: Abrücken vom "Durchschnittsleser"

Der Begriff: "der Durchschnittsleser", der zur Zeit noch die gesamte presserechtliche Rechtsprechung und Literatur beherrscht[23], muß nach dem Urteil des OLG München der Vergangenheit angehören. Das OLG verwendet diesen Begriff zwar noch, widerlegt ihn aber mittelbar. Entgegen der bisherigen allgemeinen Meinung muß an die Stelle "des Durchschnittslesers" als Kriterium "ein erheblicher Teil der Leserinnen und Leser" treten[24].

d) Beweis-Erkenntnis: Vollbeweis läßt sich nur bedingt führen

Zudem muß nach dem Urteil zur Kenntnis genommen werden, daß der einzelne Jurist in der Regel nicht von sich aus mit der zum Vollbeweis erforderlichen Gewißheit weiß, wie und mit welcher Verteilung die Leserinnen und Leser auffassen[25].

Auch nach den subjektiven Beweismaßtheorien muß der Richter seine Beweisentscheidung sachlich begründen, und diese Begründung muß auch nach diesen Theorien mit den Denkgesetzen, mit den Naturgesetzen und mit den Erfahrungssätzen übereinstimmen. Der Richter darf also selbst nach den subjektiven Beweismaßtheorien Erfahrungssätze nicht durch persönlichen Glauben ersetzen[26].

Die Gerichte dürfen zwar dennoch nach bestimmten Grundsätzen ohne repräsentative Umfragen zu den Auffassungen der Leserinnen und Leser entscheiden. Der Grund: Das Recht darf und muß wirklichkeitsgerecht behutsam entwickelt werden[27]. Zur Zeit läßt sich nicht rechtfertigen, laufend Umfragen durchzuführen. Wer auf dieser Basis wie bisher ohne Umfrage entscheidet, ist jedoch nach allgemeinen Grundsätzen[28] in der Regel verpflichtet, methodenehrlich darzulegen: Er unterstellt Erfahrungssätze, die er nicht mit der zum Vollbeweis erforderlichen Gewißheit kennt. Außerdem muß er weiter vertiefen.

Er kann dabei auf den Grundsätzen aufbauen, die zum Wettbewerbsrecht bereits entwickelt wurden[29]. Zu diesen Grundsätzen wird eine Zeitlang der Leitsatz gehören, daß sich der Richter eher auf seine Sachkunde verlassen darf, wenn für eine Alternative nur ein verhältnismäßig geringer Prozentsatz verlangt wird und seine Auffassung mit dieser Alternative übereinstimmt. Wer behutsam entwickelt, muß in seine Begründung aber auch einbeziehen, daß jedes gute Lehrbuch aufzeigt: Beweiserhebungen zu Erfahrungssätzen sind heute eine Selbstverständlichkeit[30].

Können Betroffene mit einer repräsentativen Sachverhaltsermittlung Erfahrungssätze erschüttern, verbieten alle zur Zeit beachtlichen Beweistheorien, doch mit diesen Erfahrungssätzen zu entscheiden[31]. Diese Konsequenz läßt sich nicht allein dadurch umgehen, daß einzelne befragungstechnische Mängel festgestellt werden. Auch Studien mit befragungstechnischen Mängeln können (vermeintliche) Erfahrungssätze so weitgehend erschüttern, daß sich mit einer zum Vollbeweis erforderlichen Gewißheit nicht mehr argumentieren läßt. Deshalb hat eben das Oberlandesgericbt München mit Recht das Parteigutachten berücksichtigt und das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, obwohl das Gericht annahm, das Parteigutachten weise Schwächen auf[32].

Nebenbei: Muß der Sachverhalt nur glaubhaft gemacht werden, wird bekanntlich von der h. M. kein Vollbeweis verlangt, sondern nur überwiegende Wahrscheinlichkeit[33]. Aber auch in diesem Rahmen kann sich auswirken, daß die pluralistische Wirklichkeit mit Erfahrungssätzen festgestellt werden muß[34]. Auch wenn der Sachverhalt nur glaubhaft gemacht werden muß, darf der Richter - wie beim Vollbeweis - Erfahrungssätze nicht durch persönlichen Glauben ersetzen[35].

e) Richtungsbestimmung für andere Rechtsgebiete sowie für die Auseinandersetzung mit ausländischem und mit EU-Recht

Das Urteil kann dazu beitragen, auf allen Rechtsgebieten[36] der Bedeutung der Wirklichkeit für das Recht besser gerecht zu werden. Die bei diesem Urteil relevanten Themen stellen sich, wie oben in Abschnitt I schon erwähnt, genauso für die ausländischen Rechte und für das EU-Recht[37]. Die deutsche Rechtsprechung ist wohl weltweit auf dem Gebiet der Sachverhaltsbeurteilung bei pluralistischer Wirklichkeit am weitesten fortgeschritten[38]. Zudem führt die Rechtsprechung auf diesem Gebiet das Schrifttum, wie man es im mitteleuropäischen Rechtskreis kaum kennt. Mit diesem Urteil des OLG München baut die Rechtsprechung diese Position aus; vor allem, weil es die richtige Sachverhaltsfeststellung bei pluralistischer Wirklichkeit für ein neues Rechtsgebiet erschließt.

f) Urteil des OLG München zum "europäischen Verbraucherleitbild" nicht kontraproduktiv, sondern aufklärend

Nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion zur Harmonisierung des nationalen Rechts in den EU-Ländern wird voraussichtlich gegen das Urteil eingewandt werden, es führe in die falsche Richtung:

Anzustreben sei das europäische Leitbild des verständigen Verbrauchers. Entscheidungen auf der Basis von Umfragen würden dagegen zu einem Leitbild des völlig unmündigen Verbrauchers führen; - zu einem deutschen Perfektionismus, der den Wettbewerb übermäßig behindere[39].

Tatsächlich aber bildet das Urteil ein Musterbeispiel dafür, wie falsch die übliche Argumentation mit "dem europäischen Verbraucherbild" ist; - auch wenn man unzutreffend unterstellt, daß ein "europäisches Verbraucherleitbild" immerhin existiert. Im konkreten Fall wurde aufgrund einer Umfrage ein den Wettbewerb behinderndes Urteil aufgehoben! Von einem den Wettbewerb behindernden Perfektionismus also keine Spur.

Das Urteil zeigt nicht nur, daß der Wettbewerb durch Umfragen nicht behindert wird. Es veranschaulicht darüber hinaus, daß die vom OLG München eingeschlagene Rechtsentwicklung den Wettbewerbern hilft. Sie können vor großen Werbekampagnen und vor anderen teueren Investitionen ermitteln, von welchem Sachverhalt auszugehen ist. Richterlicher Dezisionismus[40] bei der Sachverhaltsfeststellung läßt sich so besser ausschließen. Die Investoren können mit größerer Sicherheit planen[41].

Wenn zum europäischen Verbraucherleitbild diskutiert wird, müssen, soweit es hier interessiert, vier Fragen unterschieden werden:[42]

Die erste: Welche Einstellung und welches Verhalten der Verbraucher sollen erheblich sein? Soll also abgestellt werden auf flüchtige, sorgfältige, überaus kritische, realistische oder welche Verbraucher auch immer? Die zweite Frage: Wie läßt sich der Sachverhalt, der nach der Antwort auf den ersten Fragenkomplex rechtserheblich ist, feststellen; und wie ist dieser rechtserhebliche Sachverhalt zu würdigen? Die dritte Frage: Sind die Fragen eins und zwei unerheblich, weil die Richter insoweit zum Sachverhalt nach eigenem Ermessen entscheiden und sich nach eigenen Vorstellungen über bestimmte Vorgaben orientieren sollen? Die vierte Frage: Ist von einem "Rechtsbegriff" auszugehen, der nur Rechts-, aber keine Sachverhaltsprobleme aufwirft?

Diese Fragen lassen sich, soweit es hier interessiert, weit einfacher beantworten, als die komplizierten Auseinandersetzungen vermuten lassen. Man braucht nur zu bedenken:[43]

aa. Man kann (in der Definitionsphase) Rechtsbegriffe drehen und wenden, wie man will, stets ist Sachverhalt rechtserheblich. Noch nie ist eine gegenteilige Ansicht vertreten worden[44]. Diese Feststellung, daß Sachverhalt beurteilt wird, ist eine Binsenweisheit. Sie dürfte gar nicht erwähnt werden, gäbe es da nicht diese Versuche, mit einer normativen Auffassung die empirisch zu ermittelnde Verkehrsauffassung abzulösen.

bb. Wenn nach der Auslegung im Sinne des europäischen Verbraucherleitbildes die "Auffassung des verständigen Verbrauchers" rechtserheblich ist und dieser Sachverhalt festgestellt wird, bleibt gar nichts anderes übrig als einzugestehen:

Es gibt nicht nur einen verständigen Verbraucher, sondern viele verständige Verbraucher; und diese vielen Verbraucher fassen unterschiedlich auf. Auf diese Tatsache ist bis jetzt, soweit ersichtlich, noch niemand eingegangen; insbesondere noch nicht in der Diskussion um das europäische Verbraucherleitbild.

Folglich ist, auch wenn man von einem europäischen Verbraucherleitbild ausgeht, pluralistischer Sachverhalt erheblich. Wer Umfragen ablehnt, gerät mit dem europäischen Verbraucherleitbild also nur vom Regen in die Traufe. Auch beim europäischen Verbraucherleitbild lassen sich auf Dauer repräsentative Sachverhaltsermittlungen nicht als rechtsunerheblich negieren. Somit muß, selbst wenn man zu einem "europäischen Verbraucherleitbild" wechseln möchte, der Weg eingeschlagen werden, den das hier besprochene Urteil weist. Insofern muß nicht die deutsche Rechtsprechung von der Rechtsanwendung in den anderen Ländern lernen, sondern umgekehrt[45].

Eine andere Frage ist, auf welche Einstellung und auf welches Verhalten der Verbraucher abgestellt werden soll: Auf die Verbraucher, wie sie sich im Einzelfall verhalten oder nach einem anderen Leitbild.

g) Keine Möglichkeit, doch mit dem Begriff "der Durchschnittsleser" Umfragen zu negieren

Mit diesen Überlegungen zum europäischen Verbraucherleitbild ist auch schon die Frage beantwortet, ob nicht doch Umfragen mit einem Kriterium "Durchschnittsleser" oder mit anderen Kriterien als rechtsunerheblich negiert werden dürfen: Es geht nicht.

Der Begriff "Durchschnittsleser" läßt sich eben nicht so auslegen, daß überhaupt kein Sachverhalt rechtserheblich wäre oder nur Sachverhalt, bei dem es auf die Auffassung des jeweils entscheidenden Gerichts ankäme. Eklatant wird der Trugschluß der Gegenmeinung, wenn ein Anhänger der sog. normativen Verkehrsauffassung oder "Soll-Verkehrsauffassung" den Rechtsbegriff wirklich definiert. Zum "Durchschnittsleser" speziell fehlt noch ein Beispiel, weil zu ihm noch kein Streit entfacht wurde. Das beste Beispiel bietet Spliethoff[46]. Nach seiner Definition ist zur Irreführung als "normative Verkehrsauffassung" maßgeblich:

"Die Auffassung des Verbrauchers, der sich bei durchaus durchschnittlicher Verhaltensweise an dem allerdings normativen Bild des Rationalverbrauchers orientiert. Dieses Bild des Rationalverbrauchers geht von einem mündigen Durchschnittsverbraucher aus, der seine wirtschaftlichen Angelegenheiten zu regeln selbst in der Lage ist, und der dies im Einklang mit der geltenden Wirtschaftsverfassung tut. "

Selbst wenn man dieser Auslegung folgen wollte: Es kommt also doch auf Sachverhalt an, und zwar auf pluralistischen Sachverhalt. Es gibt viele "Verbraucher, die sich bei durchaus durchschnittlicher Verhaltensweise an dem allerdings normativen Bild des Rationalverbrauchers orientieren"; und schon gar nicht kann der einzelne Richter von sich aus mit der für den Vollbeweis erforderlichen Gewißheit diesen Sachverhalt feststellen. Der eine Verbraucher dieser Art sieht gleich die Kennzeichnung als Anzeige, der andere nicht. Mit der Vorstellung, Umfragen durch Definition verhindern und doch die Aufgaben des Rechts erfüllen zu können, täuschen die Juristen nur sich selbst[47].

Aus der Erkenntnis, daß Sachverhalt festzustellen ist, ergibt sich weiter: Es läßt sich nicht sinnvoll gegenargumentieren, mit "dem Durchschnittsleser" sei kein konkretes Geschehnis gemeint, das dem Beweis zugänglich wäre.

Ausführlicher: Entweder ist mit einer solchen Äußerung gemeint, es sei zwar Sachverhalt rechtserheblich, aber dieser Sachverhalt lasse sich nicht beweisen. Bei dieser Interpretation könnte der rechtserhebliche Sachverhalt nie bewiesen werden. Ein absurdes Ergebnis. Oder eine solche Äußerung will besagen, daß kein Sachverhalt rechtserheblich ist. Eine solche Interpretation läßt sich mit der oben beschriebenen Binsenweisheit nicht vereinbaren, daß stets Sachverhalt rechtserheblich ist.

Aus dieser Erkenntnis ergibt sich ebenso, daß der Begriff "Durchschnittsleser" nicht mit der Begründung gehalten werden kann, er sei nur ein Symbol oder eine rhetorische Figur: Wie der Blick auch von der Norm zum Sachverhalt und zurück wandert, irgendwann muß festgestellt werden, welcher Sachverhalt erheblich ist. Daran ändern auch Symbole und rhetorische Figuren nichts. Solche Kunstgriffe verstecken nur, was der Sinn und Zweck der Normen, wie ausgeführt, gerade nicht will: die Entscheidung nach den Vorstellungen des einzelnen Richters. Die Auffassung allein des Richters ist nicht der rechtserhebliche Sachverhalt.

h) Vermengung der Begriffe im Urteil des OLG München

Das Oberlandesgericht formuliert in den Entscheidungsgründen unterschiedlich. Maßgeblich ist nach dem einleitenden Absatz: "ein nicht unerheblicher Teil der flüchtigen Durchschnittsleser". Dann folgen: "flüchtiger Durchschnittsleser", "gegenüber den Lesern", "flüchtiger Durchschnittsleser", "der flüchtige Leser", "Blick des flüchtigen Lesers", "Anschauungen eines unbefangenen Durchschnittslesers", "Anschauungen eines nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs", "ein nicht unerheblicher Teil der flüchtigen Leser".

"Der Durchschnittsleser" ist aber etwas anderes als "ein nicht unerheblicher Teil der Durchschnittsleser"[48]. Und: "Ein nicht unerheblicher Teil der Durchschnittsleser" unterscheidet sich wiederum von "einem nicht ganz unerheblichen Teil des Verkehrs" und "einem nicht unerheblichen Teil der Leser".

Diese Formulierungsvielfalt darf nicht überraschen. Sie findet sich auch in allen Lehrbüchern und Kommentaren[49]. Zurückzuführen ist diese Formulierungsvielfalt darauf, daß mit Ausdrücken verschiedener Entwicklungsstufen formuliert wird. Jede Entwicklungsstufe hat ihre Begriffe. In den fortgeschrittenen Phasen wird teilweise auf ältere Urteile und damit auch auf unter Umständen nicht mehr ganz passende Begriffe zurückgegriffen. Der Begriff "Durchschnittsleser" ist ein "Relikt aus der Zeit, in der der Richter noch darauf angewiesen war, sich ohne empirische Rückversicherung ein Urteil über die Verkehrsauffassung zu bilden"[50].

Im konkreten Fall kommt hinzu, daß zwei Rechtsgebiete betroffen sind: das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das Presserecht. Das Recht des unlauteren Wettbewerbs wird zur Verkehrsauffassung seit Jahrzehnten entwickelt. Diese Entwicklung ließ das Presserecht bislang unberührt. Die Entwicklung im Presserecht beginnt nun erst[51]. Dementsprechend wird im Presserecht noch auf "die Durchschnittsleser" abgestellt und im Recht des unlauteren Wettbewerbs dagegen, wenn richtig formuliert wird, auf "einen nicht unerheblichen Teil" der rechtserheblichen Verkehrskreise. Gewinnen beide Rechtsgebiete zusammen Bedeutung, kann es vorkommen, daß die Begriffe mehrerer Entwicklungsstufen sogar widersprüchlich zusammengefügt werden. So hat das Oberlandesgericht zu Beginn der Entscheidungsgründe, wie erwähnt, darauf abgestellt, ob "ein nicht unerheblicher Teil der flüchtigen Durchschnittsleser irregeführt wird".

i) Die nächsten Schritte in der Entwicklung: Aufgabe des Begriffes "der Durchschnittsleser" und behutsame Entwicklung bei der Zuziehung von Umfragen

Aus dem Urteil des OLG München folgt, wie oben [52] schon erwähnt: An die Stelle "des Durchschnittslesers" tritt nach der Auslegung der presserechtlichen Normen: "ein nicht unerheblicher Teil der Leserinnen und Leser" oder formulierungstechnisch besser: "ein erheblicher Teil der Leserinnen und Leser".

Der Begriff: "der Durchschnittsleser" muß, soweit es hier interessiert, konsequenterweise im Presserecht allgemein[53] aufgegeben werden. Er gehört der Epoche an, in der sich Rechtsprechung und Schrifttum dem Sinn und Zweck der Normen bei der Sachverhaltsfeststellung erst näherten[54].

Was die Feststellung des Sachverhaltes betrifft, sind nun keine Umfrageorgien zu erwarten. Es darf und muß behutsam entwickelt werden[55]. Zur behutsamen Entwicklung gehört auch, methodenehrlich darzulegen, inwiefern und warum Erfahrungsgrundsätze unterstellt werden[56].

Zur behutsamen Entwicklung gehört insbesondere auch, Parteigutachten zum Sachverhalt als grundsätzlich rechtserheblich zu beachten. Hinter das Urteil des Oberlandesgerichts München dürfen Rechtsprechung und Literatur, wenn sie methodengerecht urteilen, nicht zurückfallen.

RA Prof. Dr. Robert Schweizer, München


Fußnoten:

[1] Gemeint ist hier vor allem das Presserecht im engeren Sinne. Zum Presserecht im weiteren Sinne wurde bereits auf der Basis repräsentativer Umfragen gerichtlich entschieden. Die jüngste Veröffentlichung zum Begriff des Presserechts: Bullinger in Löffler, Presserecht - Kommentar zu den Landespressegesetzen der Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage, München 1997, Einl. Rd.-Nr. 5-7.
Damit von vornherein zum Presserecht als Gegenstand des Urteils keine Mißverständnisse entstehen können: Soweit sich erkennen läßt, ist das Gericht vom Wettbewerbsrecht ausgegangen. Das Gericht hat das Presserecht jedoch eingeschlossen. Ausführlich dazu unten Abschnitt 2. Daß beide Rechtsgebiete zusammen erheblich waren, ändert aber an der Bedeutung des Urteils für das Presserecht im engeren Sinne nichts. Das Neben- und Miteinander beider Rechtsgebiete im konkreten Fall ist für die Zukunft sogar vorteilhaft. Es erleichtert zu verstehen, daß die im Wettbewerbsrecht bereits gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich auch für das Presserecht gelten.

[2] Gröning berichtet in WRP 1993, 685 ff. (687 re. Sp.), daß das Kammergericht zu einer nicht gekennzeichneten Anzeige ein demoskopisches Gutachten eingeholt hat. Dieses Gutachten ergab, daß die meisten Leser die Publikation als Anzeige erkannten. Richter am Kammergericht Gröning hat dem Verf. freundlicherweise mitgeteilt, daß das Kammergericht angesichts des klaren Umfrageergebnisses gar nicht mehr entscheiden mußte. - Zu erwähnen ist hier ferner der Beschluß des BVerfG vom 13 11. 1992; NJW 1993, 1461 f. - Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, hat wohl als erster in der 4. Aufl. auf diesen Beschluß (kurz) aufmerksam gemacht. Das BVerfG beanstandete, daß ein Oberlandesgericht den von einer Partei vorgelegten Studienbericht zu einer repräsentativen Erhebung schlechthin übergangen hatte. Das BVerfG konnte sich darauf beschränken, zu kritisieren, daß diese Studie ohne Begründung außer acht gelassen worden war. Es hatte, anders als das OLG München in dem hier besprochenen Urteil, nicht darüber zu befinden, ob die Befragungsergebnisse rechtserheblich waren. Der BVerfG-Fall betraf übrigens nicht die Kennzeichnung einer Anzeige, sondern die Abgrenzung Tatsachenbehauptung/Meinungsäußerung. - Theoretisch ist selbstverständlich möglich, daß das Urteil des OLG München doch schon Vorgänger hat. Diese Urteile sind jedoch nicht bekannt geworden. Zumindest sind sie ohne Widerhall geblieben.

[3] Quitt, Infratest Burke - Bereich Empirische Rechtsforschung, 1997. Auftraggeber: BURDA. Der Fragebogen und die zu beurteilende Anzeige sind abgedruckt in: Verf., Die Entdeckung der pluralistischen Wirklichkeit - Durchschnittsleser, Presserecht, Verständiger Verbraucher, Wettbewerbsrecht, Wertvorstellungen, Grundnorm, 2. - erweiterte - Auflage, Berlin 1998, Seiten IX-XII. Im folgenden wird diese Schrift nur kurz bezeichnet mit: Entdeckung.

[4] Es gibt hoch gelobte presserechtliche Literatur, in welcher der Verfasser auf 600 Seiten zu allen Fragen des Presserechts die Rechtsprechung nur in "wenigen Punkten für falsch hält", so eine Buchbesprechung in AfP 1996, 413 f. (413 1i. Sp. unten).

[5] Vgl. Entdeckung (FN 3).

[6] Zur Objektivität dieser Anmerkung wird erwähnt werden müssen: Der Verf. hat in diesem Verfahren mit Mitarbeitern den beklagten Verlag vertreten, und er hat an der Ausarbeitung des Fragebogens mitgewirkt. Die Pflicht, sich wissenschaftlich objektiv zu äußern, wird selbstverständlich gewahrt.

[7] Siehe dazu das von Gröning geschilderte Beispiel, FN 2.

[8] Die Rechtsprechung bietet eindrucksvolle Beispiele dafür, wie auch Richterinnen und Richter bei der Sachverhaltsfrage, wie der Durchschnittsleser auffaßt, von Instanz zu Instanz unterschiedlich denken. Eingehend Entdeckung (FN 3), Seiten XIV-XVI, XXI-XXII, 29-31.

[9] Ausführlicher: Entdeckung (FN 3), Seite 69.

[10] Lerche, Massenmedien und Persönlichkeitsschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Universitas 1990 (45. Jahrg.), Seiten 670 ff. (672 li. Sp.), in etwas anderem Zusammenhang, aber ebenfalls zu den Unsicherheiten im Presserecht und hier wie dort genau treffend: Der Pluralismus "bringt jeden Rechtsberater deutscher Medienunternehmen in die Zwangsrolle eines Hellsehers". Ausführlicher zum Problem der Rechtsunsicherheit speziell im Presserecht sowie allgemein im Recht: Entdeckung (FN 3), Seiten XL ff., LXI f. und Verf., Jahrbuch 1996 des Deutschen Presserats, Seiten 7 ff. (10 ff.).


[11] Siehe zum Beispiel die 2. Auflage Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, München 1997, insbesondere die Ausführungen von Ohde § 18, von Kraft/Gloy, § 17, Helm § 49.

[12] Am ausführlichsten dazu wohl Arbeiten des Verf.: in Chiotellis/Fikentscher, Rechtstatsachenforschung, Köln 1985, Seiten 54-59, 20 f., 34; erschienen auch als Sonderdruck mit einem ausführlichen Vorwort: Schweizer/Quitt, Rechtstatsachenermittlung durch Befragung. Band 1: Die Definitionsphase, dort ebenfalls Seiten 54-59, 20 f., 34 sowie Seite 6. Ferner Verf. in WRP 1975, 408 ff. (409-411), sowie in Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 1976, Seiten 386 ff. (392-404), und Entdeckung (FN 3), Seiten 58-60.

[13] Siehe Entdeckung (FN 3), Seiten 49-58, 63-7l. Die Wirklichkeit muß insbesondere dann künftig stärker berücksichtigt werden, wenn die Problematik noch weiter vertieft wird. Man gelangt dann nämlich zu einer Grundnorm, nach der sich die Normen grundsätzlich nach der Wirklichkeit richten. Veröffentlicht ist diese Grundnorm im Jahrbuch des Deutschen Presserats 1996, Seiten 314 ff., sowie - mit einer ersten Begründung und Erläuterung - in: Entdeckung (FN 3), Seiten XXXII-LXII. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob sich hinter dieser Grundnorm noch eine andere Norm oder eine andere Grundlage verbirgt. Die Frage, ob es eine weitere Norm oder Grundlage gibt, stellt sich insbesondere, wenn eventuell nach Satz 2 der Grundnorm Abweichungen von der Wirklichkeit festgelegt werden sollen.

[14] Siehe dazu noch unten Abschnitt 5. Auf den ersten Blick wird man vermuten, daß das Recht der USA schon erheblich weiter fortgeschritten ist. In den USA werden "Tests" zur Abgrenzung der Tatsachenbehauptungen von den Meinungsäußerungen durchgeführt. Vgl. Timm, Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen - Eine vergleichende Darstellung des deutschen und US-amerikanischen Rechts der Haftung für ehrverletzende Äußerungen, Frankfurt a. M. 1996, Seiten 80 ff. Mit diesen Tests werden jedoch die Auffassungen der Leserinnen und Leser nicht repräsentativ ermittelt.

[15] Abgedruckt u. a. bei Löffler a. a. O., Anh. § 10 LPG in Ziff. II (Seiten 589 f.) - Diese ZAW-Richtlinie muß teilweise überarbeitet werden; vgl. Entdeckung (FN 3) Seite 68.

[16] Abgedruckt bei Löffler a. a. O. BT StandesR Anhang A, Seiten 1072 f. - Die juristische Literatur bezieht sich durchweg auf eine nicht mehr aktuelle Fassung des Pressekodex. Der Pressekodex wurde 1995 insgesamt systematisch überarbeitet. Er liegt jetzt in einer vom Plenum des Deutschen Presserats am 14. 2. 1996 beschlossenen Fassung vor. Ziff. 7 blieb in dem hier interessierenden Teil unverändert. Der Pressekodex kann beim Deutschen Presserat abgerufen werden (Tel. 02 28/98 57 20, Fax 02 28/9 85 72 99). Der Pressekodex und die Richtlinien des Pressekodex werden auch stets in den Jahrbüchern des Deutschen Presserats veröffentlicht.

[17] Abgedruckt bei Löffler a. a. O. Anh. § 10 LPG in Ziff. III (Seiten 590 f.).

[18] Zur Rechtslage - die Kennzeichnung von Anzeigen betreffend u. a.: Sedelmeier in Löffler a. a. O., § 10 LPG Rd.-Nr. 1 ff.; Gloy/Ahrens, Hdb. WettbewerbsR § 59 Rd.-Nr36-39; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 3. Aufl. München 1994, 14. Kap, Rd.-Nr. 1 ff., 4, 13-20; Gröning (vgl schon FN 2): Hintertüren für redaktionelle Werbung? - Aufdeckung und Bekämpfung redaktioneller Werbung nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in: WRP 1993, 685 ff (687 f.); Rath-Glawatz, Das Recht der Anzeige, Stuttgart 1989, Rd.-Nr. 234, 298-308; Ochs in Amann, RWW, Nr. 5.6 Rd.-Nr. 15-18. Zur Vermeidung von Mißverständnissen: Die Landespressegtsetze erfassen nicht nur den Fall, daß überhaupt jede Kennzeichnung fehlt. Gloy/Ahrens will a. a. O. in Rd.-Nr. 39 nichts anderes zum Ausdruck bringen, wie H.-J. Ahrens frdlw. mit Schreiben vom 29. 10. 97 bestätigt hat.

[19] Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., München 1996, § 1 UWG Rd.-Nr. 30. Unerheblich, aber doch zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang: Das erstinstanzliche Urteil bezieht sich auf die 18. Aufl. Rd.-Nr. 30, das zweitinstanzliche Urteil dagegen auf die 19. Auflage. Die 19. Aufl .führt Rd.-Nr. 30 alte Fassung als Rd.-Nr. 31 auf. Sowohl Rd.-Nr. 30 als auch Rd.-Nr. 31 der 19. Aufl. beziehen das Presserecht mit ein.

[20] Gemeint ist die Entdeckung (FN 3). Zur Zeit des Verfahrens lag die erste Auflage vor; noch nicht die zweite Auflage.

[21] So in der mündlichen Verhandlung. In der Urteilsbegründung geht der Senat nicht darauf ein, wie er ohne die Umfrage entschieden hätte.

[22] Zuvor betont das Urteil an erster Stelle einen anderen Aspekt: "Bedenken ... ergeben sich einerseits durch den ... Anzeigenhinweis auf gelbem Feld zu Beginn der Textseite." Die Anzeige ist, wie erwähnt, abgebildet in Entdeckung Seite IX.

[23] Entdeckung (FN 3), Seiten 13, 21-26.

[24] Gloy/Ohde, Hdb. WettbewerbsR § 18 Rd.-Nr. 56 auf Entdeckung (FN 3) verweisend, dort ausführlich Seiten 14, 27-33. A. a. O. wird auf Seiten 32 f. dargelegt, daß die Formulierung "ein erheblicher Teil" sprachlich gegenüber "ein nicht unerheblicher Teil" (Ohde mit dem allgemeinen Sprachgebrauch im Wettbewerbsrecht) vorzuziehen ist.

[25] Entdeckung (FN 3), Seiten V-XXIII, 13 f., 40-47.

[26] Siehe z. B. neben den Kommentaren und Lehrbücher zu §§ 284, 286 ZPO die klaren, zusammenfassenden Ausführungen von Rommé, Der Anscheinsbeweis im Gefüge von Beweiswürdigung, Beweismaß und Beweislast, Köln u. a. Seiten 65 ff. - Zu dem hier noch speziell interessierenden Beweis auf erste Sicht auch kurz: Entdeckung Seiten XXVII f.

[27] Entdeckung, Seiten LXI f., 66-71.

[28] Zur Begründungspflicht siehe GG Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 103 Abs. 1; ZPO §§ 193 Satz 2, 313 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3, 286 Abs. 1, 495. Aus dem Schrifttum - neben den Kommentaren und Lehrbüchern - vor allem: Lücke, Begründungszwang und Verfassung. Tübingen 1987, Seiten 1 ff., 22 ff., 37 ff., 104 ff. (Zusammenfassung); Brüggemann, Die richterliche Begründungspflicht, Berlin 1971, Seiten 22 ff., 91 ff. (§§ 8-11). Beachte auch die Arbeiten von Kirchhof zur Begründung als zentraler Begriff der Rechtskultur: Die kulturellen Voraussetzungen der Freiheit, Heidelberg 1995, und zuletzt F.A.Z. vom 18. 9. 1997, Seite 11.

[29] Entdeckung, Seite 70 bei Anmerkung 250 und 251 und in analoger Anwendung der Ausführungen Seite 31. Zu den im Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätzen vgl. zum Beispiel, besonders aufschlußreich: Großkomm./Lindacher § 3 UWG Rd.-Nr. 984 ff.

[30] Siehe z. B. Schlosser, Zivilprozeßrecht I Erkenntnisverfahren, 2. Aufl., München 1991, Rd.-Nr. 338 (S. 291): "Neben Tatsachen können auch Erfahrungssätze Beweisgegenstand sein, denn oftmals muß das Gericht auf Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung oder auf Regeln einer besonderen Sach- und Fachkunde zurückgreifen. Fehlen dem Gericht ... selbst die verkehrstechnischen Kenntnisse, um aus der Länge der mitgeteilten Bremsspur nähere Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit der Fahrzeuge ziehen zu können, so muß es sich durch Beweiserhebung die entsprechenden verkehrstechnischen Erfahrungssätze zu eigen machen. In den beiden genannten BGH-Entscheidungen mußte natürlich ein medizinischer Sachverständiger eingeschaltet werden." Hervorhebungen vom Verf. - Wenn die Auffassungen der Leserinnen und Leser rechtserheblich sind, muß in der Regel sogar auf mehr Erfahrungssatze abgestellt werden als in den von Schlosser aufgeführten Beispielen; vgl. Entdeckung (FN 3), Seiten 40 f.

[31] Entdeckung, Seite 40.

[32] Zu anderen Ergebnissen würde man generell allenfalls dann gelangen, wenn sich übergeordnete Gründe finden ließen, die in bestimmten Fällen verlangten, bessere Sachverhaltskenntnisse zu negieren. Ein solcher Grund kann sich letztlich aus einer oder aus "der" Grundnorm ergeben. Siehe Entdeckung Seite XXXV-XXXVII, dort Abs. (4) Satz b sowie Abs. 6 Satz 11 und Verf., Jahrbuch 1996 des Deutschen Presserats, Seiten 314 ff. (316 linke Spalte oben Satz 8).

[33] Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung, Seiten 19 ff., 39 ff.

[34] Entdeckung, Seite 40 mit Anmerkung 121 (S. 84).

[35] Scherer a. a. O. S. 74.

[36] Man braucht nur zu bedenken, daß nahezu auf allen Rechtsgebieten auf "den Durchschnittsverbraucher", "den Durchschnittsgewerbetreibenden" und andere Durchschnittspersonen und auf Durchschnittsverhältnisse abgestellt wird; vgl. Entdeckung, Seiten 17 f.

[37] Vgl. die Länderübersicht von Scaratia bei Löffler a. a. O. LPG § 10 Rd.-Nr. 85 ff.

[38] Entdeckung (siehe FN 3), Anmerkung 160 (Seiten 88-92).

[39] Aus der jüngsten Literatur vermitteln einen Einblick in die Diskussion bspw.: Dreher, Der Verbraucher - Das Phantom in der opera des europäischen und deutschen Rechts? JZ 1977, 167 ff.; Deutsch, Das Verbraucherleitbild des EuGH und das "Nissan"-Urteil, GRUR 1996, 541 ff., und 197, 44 f.

[40] Zum richterlichen Dezisionismus: Entdeckung Seiten XL-XLII, LXI f. sowie Verf, Jahrbuch des Deutschen Presserats 1996, Seiten 7 ff. (11-13), 314 ff. (315 f.).

[41] Auf diesen Aspekt der Prognosesicherheit mit Meinungsumfragen haben mit Recht einige Mitglieder der Arbeitsgruppe "Überprüfung des Wettbewerbsrechts" hingewiesen. Wörtlich erklärt der Bericht der Arbeitsgruppe vorn 17. 12. 1996, Seite 12, zu Ausführungen "anderer Mitglieder der Arbeitsgruppe": "Der normative Begriff des verständigen Verbrauchers werde zu unterschiedlichen Auslegungen führen, während das bisherige Abstellen auf die Ergebnisse von Meinungsumfragen willkürlichen Entscheidungen der Gerichte vorbeuge."

[42] Entdeckung (FN 3), Seiten 33-39.

[43] Eingehend zu den Arbeitsschritten bei juristischen Entscheidungen: Chiotellis/Fikentscher (FN 11), Seiten 11, 41, 59 ff., 66 f., 71, sowie Entdeckung (FN 3), Sachverzeichnis: Stichworte: Definitionsphase (Auslegung), Durchführungsphase (Ermittlung des nach der Definition rechtserheblichen Sachverhalts), Analyse- und Entscheidungsphase, Disseminationsphase (Darstellung der Entscheidung und ihrer Entstehung).

[44] Rechtsnormen werden bekanntlich konkretisiert, um zu ermitteln, ob ein Sachverhalt von einer Norm erfaßt wird oder nicht. Siehe zum Beispiel: Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, Tübingen 1977, Seiten 180 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., Berlin u. a. 1995, Seiten 99 ff. - Speziell zu der Meinung, die Sichtweise des Durchschnittslesers sei kein dem Beweis zugängliches konkretes Geschehnis: Entdeckung Seiten XXV-XXIX.

[45] Entdeckung, Seite 34.

[46] Spliethoff, Verkehrsauffassung und Wettbewerbsrecht, Baden-Baden 1992, Seite 265. Siehe bspw. auch Großkomm/Schünemann Einl. UWG Rd.-Nr. D 269 (im Gegensatz zu Großkomm./Lindacher § 3 UWG): "Der verständige, kritische, wache Rechtsgenosse, der 'reasonable man', der mit jenem Mindestmaß an intellektueller Kompetenz und Rationalität ausgestattet ist, dessen eine Rechtsordnung und ein funktionierender Markt nun einmal bedürfen."

[47] Entdeckung, Seiten 27 f., 27-35, 95 f. Anmerkung 174.

[48] Entdeckung, Seiten 14, 33.

[49] Entdeckung, S. 17 f.

[50] Gloy/Ohde a. a. O. (FN 11), Rd.-Nr. 56.

[51] Entdeckung, S. 17: Zeitversetzte Entwicklungen.

[52] Abschnitt 3.

[53] Das OLG München hat beispielsweise - mit Rechtsprechung und Schrifttum übereinstimmend - in einem Urteil vom 13. 2. 1987 ausdrücklich hervorgehoben, es sei im gesamten Bereich des Presserechts auf das Verständnis des Durchschnittslesers abzustellen; vgl. NJW 1988, 349 f. Entsprechend muß insgesamt dieses Kriterium verlassen werden. Der Grund trifft für alle Fälle gleichermaßen zu. Er gilt insbesondere auch für die vom BVerfG schon ausdrücklich in Zusammenhang mit einer Umfrage diskutierte Abgrenzung: Tatsachenbehauptung/Meinungsäußerung, oben FN 2. Bei ihr stellt sich zunächst die sog. Interpretationsfrage: "Wie verstehen die Leserinnen und Leser die Äußerung?" Dann folgt die Qualifikationsfrage: "Entnehmen die Leserinnen und Leser der so verstandenen Äußerung den Sinn, daß es sich um eine feststehende Tatsache handelt, oder fassen sie die Äußerung als Mittel der Wahrheitssuche auf?" Man sieht wie bei der Frage nach der Kennzeichnung der Anzeige: Stets sind in gleicher Weise die Auffassungen der Leserinnen und Leser erheblich. - In Entdeckung (FN 3) werden auf den Seiten 21-26 mit den Anmerkungen 22 bis 69 sowie auf den Seiten 74 bis 76 zahlreiche Gerichtsentscheidungen und Literaturstellen aufgeführt, die einhellig auf den "Durchschnittsleser" abstellen.

[54] Oben Abschnitt 8.

[55] Siehe oben Abschnitt 1.

[56] Oben Abschnitt 4 bei FN 28.

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht; Markt- und Sozialforschung

Normen

UWG § 1; UWG § 3