Verkauf eines Hauses mit ohne Baugenehmigung ausgebautem Speicher

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

26. 04. 1991


Aktenzeichen

V ZR 73/90


Leitsatz des Gerichts

Ist in einem verkauften Hausgrundstück ein Trockenspeicher ohne erforderliche Baugenehmigung zu Wohnraum umgebaut worden, so liegt unabhängig von der Frage, ob die Umgestaltung nachträglich genehmigungsfähig ist, ein Sachmangel schon deshalb vor, weil bis zur Genehmigung die Baubehörde die Nutzung des Wohnraumes untersagen kann.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit notariellem Vertrag vom 30. 4. 1985 kauften die Kl. vom Bekl. das Hausgrundstück D-Weg 2 in H. Nr. (7) a des Vertrages enthält eine Gewährleistungsausschlußklausel. Nach Abschnitt (7) b sollen Erschließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge, die bis zum Tag des Vertragsschlusses durch Zustellung eines Bescheides geltend gemacht worden sind, dem Verkäufer und später geltend gemachte den Käufern zur Last fallen. Der Verkäufer versichert zugleich, daß ihm durchgeführte, aber noch nicht abgerechnete Erschließungsmaßnahmen sowie unbezahlt gebliebene Kostenbescheide nicht bekannt seien. Der Bekl., der den Grundbesitz im Jahre 1978 gekauft hatte, ließ 1979/1980 u. a. im Dachgeschoß des Hauses statt eines früher vorhandenen Trockenspeichers Wohnraum schaffen. Eine Baugenehmigung für den Ausbau des Dachgeschosses hatte er nicht eingeholt. Am 26. 11. 1986 erließ die Stadt H. gegen den Kl. Heranziehungsbescheide zu Erschließungsbeiträgen nach §§ 127-135 BBauG im Erschließungsgebiet „D“ in Höhe von 1551 DM und zu Beiträgen nach § 8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen in Höhe von 11687,95 DM. Die Kl. haben den Bekl. u. a. auf Erstattung der von ihnen nach erfolglosem Widerspruch gezahlten Beträge in Anspruch genommen. Der Klage auf Zahlung von 11687,95 DM hat das LG stattgegeben. Hinsichtlich des ebenso geltend gemachten Betrages von 1551 DM hat das LG nach Aufhebung des Heranziehungsbescheides und Rückerstattung des Betrages seitens der Stadt H. an die Kl. den Rechtsstreit auf deren Antrag in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Berufung des Bekl. hiergegen ist erfolglos geblieben. Mit der Behauptung, die Beseitigung des den Käufern arglistig verschwiegenen baurechtswidrigen Zustandes des Dachgeschosses habe Aufwendungen in Höhe von insgesamt 27012 DM erfordert, und durch die damit verbundene Verkleinerung der Wohnfläche des Dachgeschosses und den Wegfall eines Fensters im Treppenhaus sei eine Wertminderung des Grundstückes in Höhe von 11500 DM eingetreten, haben die Kl. den Bekl. weiter auf Zahlung von 38512 DM in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage insoweit abgewiesen. Auf die Anschlußberufung der Kl. hat das OLG sie insoweit dem Grunde nach als Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung für gerechtfertigt erklärt.

Mit seiner Revision beantragt der Bekl., die Klage hinsichtlich der Feststellung der Erledigung (Betrag von 1551 DM) sowie des Grundurteils (Betrag von 38512 DM) abzuweisen. Das Rechtsmittel führte bezüglich der 1551 DM zur Klagabweisung, im übrigen zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Hinsichtlich des in der Revisionsinstanz noch anhängigen Teils des Rechtsstreites hat das BerGer. ausgeführt:

1. Ein auf § 463 S. 2 BGB gestützter Schadensersatzanspruch gegen den Bekl. auf Erstattung der von den Kl. an die Stadt H. gezahlten Beiträge in Höhe von 1551 DM sei bis zur Rücknahme des Bescheides und der Rückzahlung des Betrages an die Kl. begründet gewesen. Der Rechtsstreit habe daher auf die einseitige Erklärung der Kl. insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt werden müssen.

2. Ein Anspruch auf Zahlung von 38512 DM sei dem Grunde nach als Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gem. § 463 S. 2 BGB gerechtfertigt. Der Bekl. habe die Kl. bei Vertragsschluß arglistig darüber getäuscht, daß der durch den Ausbau des Dachgeschosses geschaffene Zustand baurechtswidrig gewesen sei. Für die Umgestaltung des früheren Trockenspeichers in Wohnraum sei nach §§ 80 , 81 der NRWBauO a. F. (§§ 60-62n. F.) die Genehmigung durch die Baubehörde erforderlich gewesen. Der Bekl. habe sowohl gewußt, daß die Arbeiten ohne Baugenehmigung ausgeführt worden seien, als auch, daß für sie eine Baugenehmigung erforderlich gewesen sei. Die Notwendigkeit einer behördlichen Genehmigung für die Umgestaltung eines Trockenspeichers in Wohnraum sei jedem - auch nicht fachkundigen - Bauherrn bekannt. Die Möglichkeit, daß der Bekl., wie er geltend mache, von der Vorstellung ausgegangen sei, eine Genehmigung sei nicht erforderlich gewesen, könne und müsse hier außer Betracht bleiben.

II. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg:

1. Der Annahme der Vorinstanzen, die Klage auf Erstattung von Beiträgen in Höhe von 1551 DM sei bis zur Rücknahme des einschlägigen Heranziehungsbescheides unter Rückzahlung des Betrages durch die Stadt H. begründet gewesen, der Rechtsstreit habe dementsprechend auf die einseitige Erklärung der Kl. als in der Hauptsache erledigt erklärt werden müssen, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Stadt H. hat den auch nach Auffassung des Kl. unberechtigten Heranziehungsbescheid für das Erschließungsgebiet „D“ (zu dem das von den Kl. erworbene Grundstück nicht gehört) nach Rechtshängigkeit des Klageanspruchs aufgehoben und den bezahlten Betrag erstattet. Eine auf § 463 S. 2 BGB oder auf Verschulden bei Vertragsschluß beruhende Ersatzpflicht des Bekl. wegen arglistiger Täuschung über die Heranziehung der Käufer zu Anlieger- oder Erschließungsbeiträgen kann sich grundsätzlich nur auf solche Beiträge erstecken, die von der zuständigen Kommune zu Recht gegen den Grundstückseigentümer geltend gemacht werden. Unberechtigterweise festgesetzte und erhobene Beiträge könnten bis zur Rückzahlung allenfalls dann zu Lasten eines arglistig täuschenden Verkäufers gehen, wenn die Heranziehung eine Folge des Fehlverhaltens des Verkäufers gewesen wäre, die Gemeinde also wegen der Täuschung der Käufer durch den Verkäufer den Heranziehungsbescheid erlassen hätte. Hierfür bestehen nach den Feststellungen des BerGer. und dem sonstigen Parteivortrag keine Anhaltspunkte. War die Klage mithin von Anfang an unbegründet, so mußte sie nach der einseitigen Erledigungserklärung durch die Kl. als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen werden.

2. Soweit das BerGer. im Zusammenhang mit dem auf § 463 S. 2 BGB gestützten Anspruch auf Zahlung von 38512 DM angenommen hat, der Bekl. habe die Kl. arglistig darüber getäuscht, daß der genehmigungspflichtige Ausbau des Dachgeschosses ohne Baugenehmigung durchgeführt worden sei, beruht die Annahme auf einem Rechtsfehler:

a) Zutreffend geht das BerGer. zunächst davon aus, daß die Umgestaltung des nur als solchen genehmigten Trockenspeichers zu Wohnzwecken genehmigungspflichtig war. Nach § 60 I NRWBauO (und den im Zeitpunkt des Ausbaues geltenden früheren Vorschriften) bedarf u. a. die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Baugenehmigung, soweit nicht in der Bauordnung für bestimmte - hier nicht einschlägige - Fälle (vgl. §§ 61, 62, 74 u. 75) etwas anderes bestimmt ist. Eine Nutzungsänderung vom Trockenspeicher zum Wohnraum entfällt vorliegend nicht deshalb, weil im Speicher eine Wasserleitung mit Waschbecken installiert ist. Vor dem Ausbau des Dachgeschosses durch den Bekl. befand sich im Trockenspeicher nach den Feststellungen des BerGer. kein Wohnraum. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge des Revisionsklägers hat der Senat geprüft. Er hält sie für unbegründet (§ 565a ZPO).

b) Das Fehlen der notwendigen Baugenehmigung für den Ausbau des Dachgeschosses stellt - wie das BerGer. jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen hat - einen Sachmangel des verkauften Grundstücks dar. Unabhängig von der Frage, ob eine Genehmigung unter Zulassung z. B. einer Ausnahme vom Erfordernis einer bestimmten lichten Höhe hätte erteilt werden können, war die Baubehörde bis zur Erteilung der Baugenehmigung und der Durchführung der Bauzustandsbesichtigung berechtigt, die Nutzung der ohne Baugenehmigung veränderten Anlage zu untersagen. Die unberechtigte vorzeitige Benutzung stellt überdies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeld geahndet werden kann (vgl. § 79 I Nr. 7 u. 13 NRWBauO). Ob die Baubehörde - wie das BerGer. meint - auch berechtigt war, die Rückgängigmachung der ohne Genehmigung durchgeführten Baumaßnahmen zu verlangen, bedarf keiner Klärung. Jedenfalls war im Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Nutzung des Trockenspeichers zu Wohnzwecken nicht zulässig.

c) Fehlerhaft hat das BerGer. jedoch eine Arglist des Bekl. bejaht. Arglistig handelt der offenbarungspflichtige Verkäufer, der weiß, daß der von ihm ohne Baugenehmigung durchgeführte Ausbau eines Dachgeschosses bauordnungswidrig ist, und dieses Wissen nicht an den Käufer weitergibt (direkter Vorsatz) oder der wenigstens mit der Möglichkeit einer Unzulässigkeit der Nutzung der Räumlichkeiten zu Wohnzwecken rechnete und dies in Kauf nahm (bedingter Vorsatz).

Der Bekl. hat vorgetragen, er sei von der Vorstellung ausgegangen, eine baubehördliche Genehmigung für den von ihm veranlaßten Ausbau des Dachgeschosses sei nicht erforderlich gewesen. Traf diese Vorstellung zu, so würde der Bekl. die Kl. weder mit direktem noch indirektem Vorsatz über die Bauordnungswidrigkeit des Dachgeschoßausbaus getäuscht haben. Das BerGer. hat nun ohne Durchführung einer Beweisaufnahme die Arglist des Bekl. nur damit begründet, auch ein Laie wisse um die Notwendigkeit einer behördlichen Genehmigung für die Umgestaltung eines Trockenspeichers zu Wohnzwecken. Ein solcher Satz der Lebenserfahrung ist in dem vom BerGer. zitierten Urteil des Senats vom 10. 6. 1983 (WM 1983, 990) nicht aufgestellt worden. Er findet sich auch nicht in anderen Senatsentscheidungen und läßt sich in dieser Allgemeinheit nicht halten. Es mag sein, daß auch ein nicht fachkundiger Bauherr im allgemeinen weiß, daß in die Bausubstanz nachhaltig einwirkende Umbaumaßnahmen genehmigungspflichtig sind. Das Wissen um die Genehmigungsbedürftigkeit kann aber nicht schon ohne weiteres dann bejaht werden, wenn ein Hauseigentümer in einem Dachgeschoß, in welchem nach seinem Vortrag bereits Wasserleitungen und ein Wasserbecken vorhanden sind, nur Spanplatten verlegt, um ein Gästezimmer herzurichten.

Das auf der fehlerhaften Bejahung der Arglist beruhende Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur weiteren tatrichterlichen Aufklärung an das BerGer. zurückzuverweisen.

Rechtsgebiete

Baurecht; Schadensersatzrecht

Normen

BGB § 459