Bezeichnung eines Marketingprojekts als Forschungsvorhaben - Zur Frage der Irreführung durch Verwendung des Begriffs der Gesundheitsforschung im Firmennamen eines Unternehmens.

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

13. 07. 2000


Aktenzeichen

I ZR 203/97


Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. ist ein als Verein konstituierter Verband, in dem sich Markt- und Sozialforschungsunternehmen zusammengeschlossen haben. Gem. § 2 seiner Satzung gehört es zu den Aufgaben des KI., national und international die Belange der institutionellen Markt- und Sozialforschung zu wahren und zu fördern. In § 2 lit. f der Satzung ist bestimmt, dass als Maßnahme zur Erreichung der satzungsgemäßen Zielvorgabe die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, insbesondere durch Einschreiten gegen gezielte Verkaufsmaßnahmen Dritter unter Vorspiegelung markt- und sozialforscherischer Tätigkeit, dient. Dem Kl. gehören elf der fünfzehn größten Markt- und Meinungsforschungsinstitute Deutschlands an. Er beschäftigt einen hauptamtlichen Geschäftsführer und eine Assistentin der Geschäftsführung, die sich mit rechtlichen Problemen der Marktforschung befassen. Hierzu gehört u. a. die Beurteilung, ob das Wettbewerbsverhalten anderer, das dem Kl. durch seine Mitglieder mitgeteilt wurde, wettbewerbswidrig sein könne, um gegebenenfalls die Rechtsanwälte des Kl. zu beauftragen, dagegen vorzugehen. Zum 31. 12. 1995 hatte der Kl. ein Vermögen von mehr als 500 000 DM. Die Bekl. versandte - jedenfalls im Juni 1993 - an mehrere Unternehmen der pharmazeutischen Industrie eine von ihr erstellte Projektbeschreibung mit dem Titel "A-Erfolgsforschung im Apothekenmarkt", dem das Muster eines von Apotheken zu beantwortenden Fragebogens beigefügt war, an dessen Ende eine Einverständniserklärung folgenden Inhalts enthalten ist: "Der Speicherung meiner in diesem Fragebogen gemachten Angaben einschließlich meiner Adresse zur Weitergabe und Nutzung für Informationszwecke an pharmazeutische Firmen stimme ich zu". Der KI., der sich für prozessführungsbefugt hält, hat behauptet, die Bekl. habe auch tatsächlich Apotheken befragt. Er hat die Auffassung vertreten, die in der Projektbeschreibung verwendete Bezeichnung "Forschung" für das Vorgehen der Bekl. sei wettbewerbswidrig und für die tatsächliche, seriöse Marktforschung in höchstem Maße schädlich. Ebenso sei die Angabe "Zielgruppen-Selektion" zu beanstanden. Die Bekl. betreibe keine Forschung, sondern nur eine Form des Marketings, indem sie der Pharmaindustrie genaue Angaben über den Verkaufserfolg ihrer Präparate und Adressen von Apothekern liefere, die noch nicht zu den Kunden der angeschriebenen pharmazeutischen Unternehmen zählten. Darin liege eine Irreführung i. S. des § 3 UWG. Überdies sei das Vorgehen der Bekl. insbesondere wegen Verstoßes gegen Standesregeln der Marktforscher sowie das Bundesdatenschutzgesetz (bezogen auf die Einverständniserklärung) und wegen Rufausbeutung sittenwidrig i. S. von § 1 UWG. Die Bekl. nutze den gerade in Deutschland guten Ruf der Forschung und Marktforschung aus, um die Antwortbereitschaft der Befragten zu erhöhen oder erst herzustellen. Der Kl. hat beantragt, die Bekl. unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, (1) die Projektbeschreibung gem. Anlage K 1 zu verwenden, verwenden zu lassen bzw. deren Verwendung zu ermöglichen, wenn (a) darin der Begriff "Forschung" alleinstehend und/oder zusammengesetzt mit anderen Wortbestandteilen verwendet wird; (b) die Behauptung enthalten ist: "A-Daten ermöglichen Zielgruppen-Selektionen anhand vielfältiger untereinander verknüpfbarer Selektionskriterien"; (2) den Fragbogen gem. Anlage K 2 zu verwenden, verwenden zu lassen oder dessen Verwendung zu ermöglichen, wenn (a) darin der, Begriff "Forschung" einzeln und/oder zusammengesetzt mit anderen Wortbestandteilen verwendet wird und/oder (b) darauf die Erklärung enthalten ist: "Der Speicherung meiner in diesem Fragebogen gemachten Angaben einschließlich meiner Adresse zur Weitergabe und Nutzung für Informationszwecke an pharmazeutische Firmen stimme ich zu".

Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Berufung blieb, ebenso wie die Revision, erfolglos.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat die Prozessführungsbefugnis des Kl. bejaht und angenommen, dass das Vorgehen der Bekl. weder irreführend gem. § 3 UWG noch sittenwidrig i. S. von § 1 UWG sei. Dazu hat es ausgeführt:

Die Prozessführungsbefugnis des Kl. sei gegeben. Angesichts des Umstands, dass die Mitglieder des Kl. auf dem gleichen Markt tätig seien bzw. werden könnten, genügten die Ausführungen der Bekl. nicht, um diesen Streitpunkt in Frage zu stellen und näher zu prüfen.

Es fehle auch nicht an der Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Anlage K 1 und der Erstbegehungsgefahr bezüglich der Anlage K 2, da die Bekl. bis zuletzt geltend gemacht habe, in der beanstandeten Art verfahren zu dürfen. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung habe sie auch nach vier Jahren offenbar nicht abgeben wollen.

Streitgegenstand sei allein, ob die Anlagen K 1 und K 2 beim angesprochenen Verkehr falsch verstanden werden könnten. Dementsprechend komme es nicht darauf an, was die Mitglieder des Kl. unter "Forschung", "Wissenschaft" oder gar "Marktforschung" - die Bekl. habe diese Begriffe im Übrigen nicht verwendet - verstünden, was nach dem Grundgesetz hiernach geschützt sei oder welche Anforderungen im Steuerrecht diesbezüglich gestellt würden. Die Anlage K 1 sei an pharmazeutische Unternehmen übersandt worden und habe zur Auftragserteilung an die Bekl. führen sollen. Es komme mithin auf das Verständnis der Personen an, die sich in den angeschriebenen Unternehmen gegebenenfalls mit einer "Erfolgsforschung im Apothekenmarkt" bzw. entsprechenden Projekten zu befassen hätten. Eine Irreführung dieses Personenkreises könne nicht angenommen werden. In der Anlage K 2 werde der Begriff "Gesundheitsforschung" im Zusammenhang mit "M" und der Adresse verwendet. Hierbei handele es sich um die - nicht irreführende - Firmenbezeichnung der Bekl. Eine Verwendung des Begriffs "Forschung" isoliert oder in anderer Zusammensetzung sei nicht behauptet oder ersichtlich. Damit fehle es an der Darlegung einer Erstbegehungsgefahr. Die Einverständnisklausel (Gegenstand des Klageantrages [2 b]) sei unbedenklich. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass auf Grund des beanstandeten Verhaltens der Bekl. eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs i. S. von § 13 II Nr. 2 UWG zu befürchten sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

1. Die Prozessführungsbefugnis des KI., die in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 131, 90 [91] = NJW 1996, 391 = LM H. 5/1996 § 13 UWG Nr. 75 = GRUR 1996, 217 - Anonymisierte Mitgliederliste; BGH, NJW 1998, 1149 = LM H. 5/1998 § 13 UWG Nr. 89 = GRUR 1998, 417 = WRP 1998, 175 - Verbandsklage in Prozessstandschaft), ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung gegeben. Der Kl. ist ein rechtsfähiger Verband, der satzungsgemäß die Belange der institutionellen Markt- und Sozialforschung wahrt und fördert; zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört auch die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Seine Prozessführungsbefugnis erfordert nach § 13 II Nr. 2 UWG, dass er seine satzungsmäßige Zielsetzung auch durch eigene Aktivitäten selbst verfolgt (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 102 = LM § 13 UWG Nr. 48 = GRUR 1990, 282 [2841 = WRP 1990, 255 - Wettbewerbsverein IV; BGHZ 126, 145 [146] = NJW 1994, 2548 LM H. 12/1994 § 13 UWG Nr. 67 = GRUR 1994, 831 - Verbandsausstellung II). Dazu gehört, dass er über die erforderliche finanzielle, personelle und sachliche Ausstattung verfügt, um den Satzungszweck erfüllen zu können. Darüber hinaus muss dem Kl. gem. § 13 II Nr. 2 UWG eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden angehören, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Bekl. vertreiben.

Diesen Anforderungen wird der Kl. gerecht.

a) An einer ausreichenden Ausstattung des KI., die von der Bekl. im Übrigen auch nicht in Abrede gestellt wird, bestehen keine Zweifel. Es ist unstreitig, dass der Kl. zum 31. 12. 1995 über ein Vermögen von mehr als 500 000 DM verfügte.

b) Wie der Senat in seinem am 27. 4. 2000 verkündeten Urteil in dem Verfahren 1 ZR 287/97 (NJW-RR 2001, 36) im Einzelnen dargelegt hat, verfügt der Kl. auch über die notwendige personelle und sachliche Ausstattung zur Erfüllung seines satzungsgemäßen Zwecks.

Nach den im unstreitigen Teil des Tatbestandes enthaltenen Feststellungen des BerGer. beschäftigt der Kl. einen hauptamtlichen Geschäftsführer und eine Assistentin der Geschäftsführung, die sich mit zahlreichen rechtlichen Problemen der Marktforschung befassen. Dazu gehört unstreitig (vgl. Tatbestand BU 3) auch die Beurteilung, ob das Wettbewerbsverhalten anderer, das ihnen durch Mitglieder mitgeteilt wurde, wettbewerbswidrig sein könne, um gegebenenfalls die Rechtsanwälte des Kl. zu beauftragen, dagegen vorzugehen. Damit ist der Kl. in personeller Hinsicht grundsätzlich in der Lage, seinen satzungsgemäßen Zweck, die gemeinsamen Belange seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern, zu erfüllen. Dass der Geschäftsführer des Kl. und die Assistentin der Geschäftsführung nicht über eine juristische Ausbildung verfügen und keine eigenen Recherchen in Bezug auf etwaige Wettbewerbsverstöße anstellen, steht dieser Annahme ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass der Kl. selbst keine Abmahnungen vornimmt (vgl. näher BGH, NJW-RR 2001, 36 - Fachverband).

Die hinreichende sachliche Ausstattung des KI., der über eine eigene Geschäftsstelle verfügt und seine Betriebseinnahmen im Jahre 1995 zu ca. 79% durch Mitgliedsbeiträge erbracht hat, ist ebenfalls nicht zweifelhaft.

c) Es ist ferner entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung davon auszugehen, dass der Kl. seine satzungsmäßige Zielsetzung auch durch eigene Aktivitäten tatsächlich selbst verfolgt. Denn bei einem ordnungsgemäß gegründeten und aktiv tätigen Verband spricht eine tatsächliche Vermutung für die tatsächliche Zweckverfolgung, die der Gegner zu widerlegen hat (vgl. BGH, LM § 3 UWG Nr. 135 = GRUR 1975, 377 [378] = WRP 1975, 215 - Verleger von Tonträgern; NJW 1986, 1347 = LM § 13 UWG Nr. 41 = GRUR 1986, 320 13211 = WRP 1986, 201 - Wettbewerbsverein I; NJW-RR 1991, 1138 = LM H. 4/1992 § 13 UWG Nr. 58 = GRUR 1991, 684 -Verbandsausstattung I; BGHZ 126, 145 [1471 NJW 1994, 2548 LM H. 12/1994 § 13 UWG Nr. 67 GRUR 1994, 831 - Verbandsausstattung II; Erdmann, in: GroßKomm. z. UWG, § 13 Rdnr. 63; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 13 Rdnr. 27; Pastor/Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 24 Rdnr. 15).

Der Kl. ist im Jahre 1949 gegründet worden und seitdem auch tätig. Er verfügt - wie bereits dargelegt - über eine hinreichende finanzielle, personelle und sachliche Ausstattung, um seiner satzungsgemäßen Aufgabe, die gemeinsamen Belange seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern sowie den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen, nachkommen zu können. Auf dieser Grundlage ist dem Kl. bereits in der Vergangenheit die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen seiner Prozessführungsbefugnis zugebilligt worden. Dass er auch tatsächlich im Sinne seiner satzungsmäßigen Zielsetzung tätig wird, liegt zudem nach der allgemeinen Lebenserfahrung - insbesondere in Anbetracht der Größe und des wirtschaftlichen Gewichts seiner Mitglieder, zu denen nach den unbeanstandeten Feststellungen des BerGer. elf der fünfzehn größten Markt- und Meinungsforschungsinstitute in Deutschland gehören - nahe (vgl. BGH, NJW 1990, 3149 = LM § 13 UWG Nr. 55 = GRUR 1990, 1038 - Haustürgeschäft).

Entgegen der Ansicht des OLG Köln im Urteil vorn 7. 11. 1997 (6 U 188/95), auf das die Revisionserwiderung sich beruft, ist die zu Gunsten des Kl. sprechende Vermutung auch nicht erschüttert. Der Senat hat in seinem die Entscheidung des OLG Köln aufhebenden Urteil vom 27. 4. 2000 (NJW-RR 2001, 36 - Fachverband), näher ausgeführt, dass bei einem nur auf einem engen Sektor tätigen Fachverband, zu dessen Aufgaben vor allem die Wahrung aller branchen- bzw. berufsspezifischen Belange gehört, die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auch - anders als bei einem Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs eine nur untergeordnete Rolle spielen kann.

d) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung bestehen schließlich keine Bedenken gegen die Annahme, dass der Kl. das vom Gesetzgeber (neu) aufgestellte Erfordernis erfüllt, dass ihm eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Bekl. vertreiben.

Unstreitig gehören dem Kl. elf der fünfzehn größten Markt- und Meinungsforschungsinstitute in Deutschland an (vgl. Tatbestand BU 3). Dies hat das BerGer. ohne Rechtsverstoß als "erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden" i. S. von § 13 II Nr. 2 UWG ausreichen lassen. Der Revisionserwiderung kann nicht darin beigetreten werden, dass es für die Prozessführungsbefugnis des Kl. darauf ankomme, dass ihm eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehöre, die im Bereich der Gesundheitsforschung bzw. Pharma-Marktforschung tätig seien. Bei der Frage, ob dem Kl. eine "erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden" angehört, sind diejenigen Mitglieder zu berücksichtigen, die der Bekl. auf demselben räumlichen und sachlichen Markt als Wettbewerber begegnen, also mit ihr um Kunden konkurrieren können (vgl. BGH, NJW 1998, 76 = LM H. 3/1998 § 1 UWG Nr. 744 = GRUR 1997, 927 [928] = WRP 1997, 846 - Selbsthilfeeinrichtung der Beamten; NJW 1998, 815 = LM H. 5/1998 HeilmittelwerbeG Nr. 50 = GRUR 1998, 498 [499] = WRP 1998, 177 - Fachliche Empfehlung III). Danach sind abweichend von der Ansicht der Revisionserwiderung bei der Beurteilung der Prozessführungsbefugnis nach § 13 II Nr. 2 UWG nicht nur solche Mitgliedsunternehmen des Kl. zu berücksichtigen, die im Bereich der Gesundheitsforschung bzw. Pharma-Marktforschung tätig sind. Einzubeziehen sind vielmehr auch diejenigen Mitgliedsunternehmen, bei denen eine nicht gänzlich unbedeutende (potenzielle) Beeinträchtigung durch die beanstandete Werbemaßnahme mit einer gewissen - sei es auch nur geringen - Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (vgl. BGH, NJW 1998, 815 = LM H. 5/1998 HeilmittelwerbeG Nr. 50 = GRUR 1998, 498 [4991 - Fachliche Empfehlung III; NJW?RR 1999, 1418 = LM H. 11/1999 § 1 UWG Nr. 795 = GRUR 1999, 936 [937] = WRP 1999, 918 - Hypotonietee).

Das BerGer. hat in diesem Zusammenhang u. a. zutreffend darauf abgestellt, dass sich die bislang noch nicht im Bereich der Gesundheits- und Pharmaforschung tätigen Mitgliedsunternehmen des Kl. künftig auch auf diesem Gebiet betätigen könnten. Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Kl. sein Unterlassungsbegehren auch darauf gestützt hat, dass der Bekl. mit dem beanstandeten Vorgehen Standesregeln der Marktforscher missachte, die nur anonymisierte Erhebungen gestatten. Hiervon wären - sofern der Vorwurf zuträfe - alle Mitgliedsunternehmen des Kl. betroffen, weil dadurch der Ruf der Marktforscher in Deutschland beeinträchtigt werden könnte.

2. Dem Kl. steht gegenüber der Bekl. wegen der Versendung der Projektbeschreibung "A" an Unternehmen der pharmazeutischen Industrie (Klageanträge zu 1 a und 1 b) und der möglichen Verwendung des für eine Apothekerbefragung konzipierten Fragebogens (Klageanträge zu 2 a und 2 b) kein Unterlassungsanspruch aus § 1 oder § 3 UWG zu.

a) Das BerGer. hat das. mit dem Klageantrag zu 1 a verfolgte Unterlassungsbegehren für unbegründet erachtet, weil die Adressaten der Projektbeschreibung - Unternehmen der pharmazeutischen Industrie - durch die Verwendung der Begriffe "Gesundheitsforschung" und "Erfolgsforschung im Apothekenmarkt" auf dem Deckblatt nicht irregeführt würden. Die verwendeten Begriffe seien so allgemein, dass sich dem Leser nicht sofort ein konkretes Verständnis aufdränge; er werde sich vielmehr auf Grund des Hinweises "Projektbeschreibung" auf dem Deckblatt ohne genaue Vorstellung der Lektüre der nachfolgenden Blätter widmen. Diese enthielten jedoch, wie das LG, dessen Ausführungen sich das BerGer. gem. § 543 II ZPO zu Eigen gemacht hat, dargelegt hat, eine derart detaillierte Beschreibung des Angebots der Bekl., dass es unmöglich erscheine, jemand werde durch die beanstandete Verwendung des Begriffs "Forschung" auf den Gedanken gebracht, die Bekl. biete etwas anderes als eine Marketinghilfe an. Angesichts der Klarheit, mit der die Bekl. ihr Projekt "A" beschreibe, so hat das LG weiter ausgeführt, sei nicht zu erkennen, inwieweit die Verwendung der in Rede stehenden Begriffe mit dem Bestandteil "Forschung" eine das Angebot zusätzlich attraktiv machende Inanspruchnahme eines guten Rufs darstellen könnte.

aa) Die Revision rügt, das BerGer. hätte dem mit dem Klageantrag zu 1 a verfolgten Unterlassungsbegehren aus § 1 UWG stattgeben müssen, weil die Bekl. keine Forschungs-, sondern Marketingdienstleistungen anbiete. Durch die Verwendung von mit "Forschung" zusammengesetzten Begriffen nutze die Bekl. "den guten Ruf der Forschung", um damit zu suggerieren, ihre Leistung sei den Leistungen der Markt- und Sozialforscher gleichwertig und mit der Lieferung von Adressen biete sich noch eine darüber hinausgehende, zusätzliche Leistung an. Die Bekl. werbe insofern - unzutreffend - mit einem Begriff, mit dem der Verkehr konkrete Gütevorstellungen verbinde. Das sei unlauter und daher sittenwidrig i. S. von § 1 UWG. Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg.

bb) Nach der Rechtsprechung des Senats, auf die die Revision verweist, ist es mit den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs nicht zu vereinbaren, für eine Ware, die nicht mit einer Marke gekennzeichnet ist, mit der auf den Begriff der Markenware hinweisenden Bezeichnung "Markenqualität" zu werben und damit die Werbekraft des Begriffs "Markenware" in Anspruch zu nehmen, auch wenn die Ware aus der Produktion von Markenartikeln stammt oder solchen Artikeln qualitativ vergleichbar ist. Bei Verwendung des auf Markenware hinweisenden Begriffs "Markenqualität" für in Wirklichkeit markenlose (anonyme) Ware würde mit einer Bezeichnung geworben werden, mit der der Verbraucher eine andere, günstigere Vorstellung verbindet, als dies tatsächlich der Fall ist. Ein derartiges Vorgehen steht nicht mit § 1 UWG in Einklang (vgl. BGH, NJW 1965, 1963 = LM § 1 UWG Nr. 158 = GRUR 1966,45 [46] = WRP 1965,367 - Markenbenzin; LM § 1 UWG Nr. 178 = GRUR 1967, 360 [362] = WRP 1967,184 - Maßkleidung; NJW?RR 1989,1308 = LM § 1 UWG Nr. 524 = GRUR 1989, 754 [755 C] = WRP 1989, 794 - Markenqualität).

Diese Grundsätze können auf die hier gegebene Fallgestaltung nicht übertragen werden. Der maßgebliche Unterschied zu den genannten Entscheidungen, die insbesondere dadurch geprägt waren, dass sich der Werbende jeweils den großen Werbewert zu Nutze gemacht hatte, der dem Hinweis auf "Markenware" traditionell beigemessen wird, besteht darin, dass den von der Bekl. verwendeten Begriffen "Gesundheitsforschung", "Erfolgsforschung" und "Auftragsforschung" keine vergleichbar festgefügte Qualitätsvorstellung wie den Bezeichnungen "Markenware" oder "Markenqualität" zukommt. Der Kl. leitet sein Verständnis des Begriffs "Forschung" vor allem aus dem grundgesetzlich geschützten Bereich der Forschung und Lehre sowie den Standesregeln der Markt- und Sozialforschungsinstitute her. Das mag für den Bereich der demoskopisch-wissenschaftlichen Forschung zutreffend sein. Der Begriff der "Forschung" wird dadurch jedoch nicht hinreichend ausgeschöpft. Bei der im Streitfall zur Beurteilung anstehenden Sachverhaltsgestaltung kommt es maßgeblich darauf an, wie die mit dem Angebot der Bekl. befassten Mitarbeiter eines pharmazeutischen Unternehmens den von der Bekl. konkret benutzten Begriff der "Forschung" verstehen. Denn das BerGer. hat von der Revision unbeanstandet festgestellt, dass als angesprochene Verkehrskreise für die Projektbeschreibung "A" nur Pharma-Unternehmen in Betracht kommen. Einem wirtschaftlich orientierten Unternehmen kommt es aber vor allem auf die Betreibung von Markt- und Absatzforschung an, zu der auch die Werbeforschung gehört (vgl. Wöbe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 702). In diesem Sinne wird die Absatzchancenanalyse für einen Einzelbetrieb ebenfalls als Forschung bezeichnet. Sofern die insoweit erforderlichen Untersuchungen nicht vom produzierenden Unternehmen selbst durchgeführt, sondern als Dienstleistung von darauf spezialisierten Betrieben extern angeboten werden, ist kein Grund ersichtlich, für diese Tätigkeit den Begriff der "Forschung" zu sperren, und zwar auch nicht in Zusammensetzungen wie "Erfolgsforschung" oder "Auftragsforschung".

Von diesem Verständnis des Begriffs "Forschung" ist im Ergebnis auch das BerGer. ausgegangen. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg mit der Rüge, das BerGer. habe nicht selbst beurteilen dürfen, was sich die angesprochenen Pharma-Unternehmen unter den verwendeten "Forschungsbegriffen" vorstellten, weil die Richter den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht angehörten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die von der Bekl. versandte Projektbeschreibung an die für Absatz und Marketing zuständige Abteilung des jeweils angeschriebenen Pharma-Unternehmens gelangt ist, die erfahrungsgemäß mit Personen besetzt ist, die eine wirtschafts- und/oder sozialwissenschaftliche bzw. kaufmännische oder juristische Ausbildung genossen haben. Von deren Sprach- und Erfahrungsschatz sind die Richter eines Wettbewerbssenats nicht so weit entfernt, dass eine eigene Beurteilung der hier in Rede stehenden Begriffe ausgeschlossen wäre.

Der Begriff der "Forschung" wird in dem hier gegebenen Zusammenhang auch nicht durch die Standesregeln der Markt- und Sozialforschungsinstitute eingeengt, weil die Bekl. in derartige, allenfalls vertraglich bindende Regeln (vgl. BGHZ 124, 230 [2351 = NJW 1994, 730 = LM H. 5/1994 § 1 UWG Nr. 641 = GRUR 1994, 219 - Warnhinweis) unstreitig nicht einbezogen ist.

Die Benutzung des Begriffs "Forschung" ist der Bekl. entgegen der Auffassung des Kl. auch nicht deshalb verwehrt, weil sie nur Fragebögen auswertet, in denen einer nicht anonymisierten Weitergabe der erlangten Daten an ihre Anbieter zugestimmt wurde. Für die potenziellen Kunden der Bekl. ist die Werbeforschung - wie aus der Projektbeschreibung insgesamt deutlich hervorgeht - nur von Interesse, wenn die übermittelten Daten nicht anonymisiert sind. Ein Verwendungsverbot für die von dem Kl. beanstandeten "Forschungsbegriffe" kann daraus nicht hergeleitet werden.

Gegenüber der Abweisung des mit dem Klageantrag zu 1 b verfolgten Unterlassungsbegehrens macht die Revision insbesondere geltend, mit dem Begriff "Zielgruppen-Selektionen" verbinde der angesprochene Verkehr ebenfalls eine von der Marktforschung her geprägte günstigere Vorstellung, als sie vom BerGer. zu Grunde gelegt worden sei. Der Verkehr erwarte die Möglichkeit, anhand repräsentativer Daten die Gemeinsamkeiten von Gruppen von Händlern ermitteln zu können, was bei den Daten der Bekl. nicht möglich sei, da die zurückgesandten Fragebögen ohne die erbetene Einwilligung zur Weitergabe der erlangten Angaben in nicht anonymisierter Form unberücksichtigt blieben. Hiermit vermag die Revision ebenfalls nicht durchzudringen.

Das BerGer. hat - wie dargelegt - bei der revisionsrechtlich unbedenklichen eigenen Beurteilung des Angebots der Bekl. zutreffend auf das Verständnis der mit dem Angebot befassten Mitarbeiter in dem jeweiligen Pharma-Unternehmen abgestellt. Danach erscheint es nicht als erfahrungswidrig, dass aus den von der Bekl. ermittelten und ihren Abnehmern überlassenen Daten eine Auswahl von Werbezielgruppen für bestimmte Werbeaktionen oder Produkte möglich ist, und dass sich die Pharma-Unternehrhen dies auch unter dem beanstandeten Begriff der "Zielgruppen-Selektion" vorstellen.

c) Den Unterlassungsantrag zu 2 a hat das BerGer. mit der Begründung abgewiesen, der Begriff "Gesundheitsforschung" werde nur im Zusammenhang mit "M" und der Adresse der Bekl., mithin als deren - nicht irreführende - Firmenbezeichnung verwendet. Eine isolierte Verwendung des Begriffs "Forschung" im Fragebogen sei ebenso wenig behauptet oder ersichtlich wie eine Benutzung in anderer Zusammensetzung. Damit fehle es an der Darlegung einer Erstbegehungsgefahr.

aa) Die Revision rügt, die Vorinstanzen hätten verkannt, dass die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des Gebrauchs eines Firrnenbestandteils sich nach anderen Kriterien richte als die handelsrechtliche Zulässigkeit; letztere schließe eine wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit nicht aus. Das BerGer. habe insbesondere nicht beachtet, dass die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit nicht abstrakt, sondern auf den konkreten Fall bezogen zu beurteilen sei. Es komme darauf an, ob ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs den Firmenbestandteil mit der konkreten Tätigkeit des Verwenders ihm gegenüber in Verbindung bringe und daraus unrichtige Vorstellungen ableite. Im Streitfall begründe die Verwendung des Firmenbestandteils "Gesundheitsforschung" die Vorstellung, es mit einem besonderen Zweig der Marktund Sozialforschung zu tun zu haben. Dies führe dazu, dass sich ein Teil der potenziellen Adressaten - Apotheker - mit dem Fragebogen überhaupt erst beschäftige. Dieser Beurteilung vermag der Senat ebenfalls nicht beizutreten.

bb) Die Frage, ob die Verwendung des Begriffs "Gesundheitsforschung" im Firrnennamen der Bekl. wegen Irreführung gegen § 3 UWG verstößt und deshalb den mit dem Klageantrag zu 2 a geltend gemachten Unterlassungsanspruch rechtfertigt, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht an einer einzelnen Aktivität des handelnden Unternehmens zu messen. Erforderlich ist vielmehr die Vornahme einer Gesamtbetrachtung der unternehmerischen Tätigkeiten, um entscheiden zu können, ob eine Angabe zur Irreführung geeignet ist (vgl. BGH, NJW 1996, 3083 = LM H. 1/1997 § 3 UWG Nr. 385 = GRUR 1996, 802 [803] = WRP 1996, 1032 - Klinik). Dementsprechend hat das LG, auf dessen Ausführungen das BerGer. auch in diesem Zusammenhang gern. § 543 II ZPO in zulässiger Weise Bezug genommen hat, zu Recht darauf hingewiesen, dass es im Streitfall ohne Belang sei, welche Art von Tätigkeit die durch den Fragebogen (potenziell) angesprochenen Apotheker mit dem Begriff "Gesundheitsforschung" verbänden, solange der Kl. nicht dargelegt habe, welche Geschäftsaktivitäten die Bekl. neben der angegriffenen Befragung für das Projekt "A" betreibe. Denn selbst wenn eine bestimmte Verkehrsauffassung vom Inhalt des Begriffs "Gesundheitsforschung" festgestellt würde, wäre die Verwendung dieser Bezeichnung im Firmennamen der Bekl. nur dann irreführend, wenn die Bekl. einen diesen Erwartungen entsprechenden Geschäftszweig nicht oder jedenfalls nicht in erheblichem Umfang betriebe. Hierfür ergeben sich aus dem Sachvortrag der Parteien jedoch keinerlei konkrete Anhaltspunkte.

d) Das mit dem Klageantrag zu 2 b geltend gemachte Unterlassungsbegehren hat das BerGer. - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des LG - für unbegründet erachtet, weil die beanstandete Zustimmungsklausel nicht gegen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes verstoße. Insbesondere die Fragen 15, 16 und 17 vor der Klausel sowie der Hinweis, dass die Adresse des befragten Apothekers an Pharma-Unternehmen weitergegeben werden solle, ließen keine Zweifel daran aufkommen, dass die Daten von der Pharma-Industrie für gezielte Verkaufsförderungsmaßnahmen herangezogen werden würden.

aa) Die Revision rügt, die Formulierung "zur Weitergabe und Nutzung für Informationszwecke an pharmazeutische Firmen" sei nicht nur grammatikalisch fehlerhaft - der Bezug zwischen "Weitergabe" und "an pharmazeutische Firmen" werde getrennt -, sondern lasse vor allem nicht erkennen, dass den Pharma-Unternehmen auch die Nutzung der Adressen für eine unmittelbare Kontaktaufnahme erlaubt sein solle. Das BerGer. habe zudem unberücksichtigt gelassen, dass es an einer ausreichenden Aufklärung über den Zweck der Befragung auch deshalb fehle, weil der Fragebogen keinen Hinweis darauf enthalte, dass nur solche Fragebögen ausgewertet würden, bei denen die Einverständniserklärung unterschrieben sei. Diesen Rügen bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.

bb) Eine wettbewerbswidrige Irreführung gern. § 3 UWG ist schon deshalb nicht gegeben, weil es an der hierfür erforderlichen wettbewerblichen Relevanz fehlt. Die (potenziell) befragten Apotheker gehören nicht zu den Abnehmern der von der Bekl. angebotenen Leistungen. Ihre (mögliche) Irreführung hat mithin zur Folge, dass die an den Marktforschungsleistungen der Mitglieder des Kl. interessierten Verkehrskreise oder die an den Werbeforschungsleistungen der Bekl. interessierten Abnehmer in ihrer Entscheidung, mit welchem Unternehmen sie zusammenarbeiten wollen, beeinflusst werden könnten.

Ein Verstoß gegen § 1 UWG i. V. mit § 4 BDSG liegt ebenfalls nicht vor. Die in Rede stehende Zustimmungsklausel genügt dem Schriftformerfordernis des § 4 II 2 BDSG. Die tatrichterliche Würdigung, wonach die vorformulierte Einverständniserklärung den Zweck der Datenerhebung und die Abnehmer der erlangten Daten hinreichend erkennen lasse (§ 4 II 1 BDSG), lässt einen revisiblen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Auslegung der in Rede stehenden Erklärung durch den Tatrichter ist zumindest vertretbar. Auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung muss der Befragte nach § 4 I 1 BDSG nur hingewiesen werden, wenn er dies verlangt. Für die Annahme, dass die Bekl. dem nicht nachkommt, ist nichts ersichtlich.


(Die Entscheidung ist veröffentlicht in NJW-RR 2001, 32-36.)

Vorinstanzen

OLG München, 6 U 1617/97, 1997-06-19; LG München, 7 O 9690/95 I, 14. 11. 1996

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht; Markt- und Sozialforschung

Normen

UWG § 3