Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten bei Anwälten

Gericht

BVerfG


Art der Entscheidung

Beschluss über Verfassungsbeschwerde


Datum

16. 05. 2001


Aktenzeichen

1 BvR 2252/00


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

Gründe:

I.

Die beschwerdeführenden Rechtsanwälte wenden sich gegen einen wegen unzulässiger Angabe von "Schwerpunkten" erteilten belehrenden Hinweis.

1. Die Beschwerdeführer sind Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät. Auf den von ihnen verwendeten Kanzleibriefbögen waren die in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälte wie folgt aufgelistet:

H... und P...
RECHTSANWÄLTE UND NOTARE

DR. H...1 NOTAR

DR. S...2 NOTAR

B...1 NOTAR

P...3 NOTAR

K...4 NOTAR

P...5

Z...6

T...1

DR. B...7

S...


1 = ZUGLEICH FACHANWALT FÜR STEUERRECHT
2 = SCHWERPUNKT GESELLSCHAFTS- UND INSOLVENZRECHT
3 = ZUGLEICH LEGAL CONSULTANT N.Y SCHWERPUNKT BAURECHT
4 = ZUGLEICH FACHANWALT FÜR ARBEITSRECHT
5 = ZUGLEICH FACHANWALT FÜR VERWALTUNGSRECHT
6 = ZUGLEICH FACHANWALT FÜR FAMILIENRECHT
7 = SCHWERPUNKT FAMILIENRECHT


...
...
...
...
P auf unserem Grundstück

Die Rechtsanwaltskammer hielt diese Briefkopfgestaltung für unzulässig und erteilte den Beschwerdeführern daher gleichlautende belehrende Hinweise. Der Antrag, durch gerichtliche Entscheidung diese Bescheide aufzuheben, hatte beim Anwaltsgerichtshof keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof (NJW 2001, S. 1138) hat die dagegen erhobene sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte vom 29. November 1996 (BRAK-Mitt 1996, S. 241 - im Folgenden: BORA) dürften, unabhängig von der Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen, als Teilbereiche der Berufstätigkeit des Rechtsanwalts "nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden". Dem entspreche die von den Beschwerdeführern gewählte Teilbereichsbezeichnung mit der Benennung eines "Schwerpunkts" ohne den geforderten erläuternden Zusatz nicht. § 7 BORA sei durch die gesetzliche Ermächtigung in § 59 b Abs. 2 Nr. 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: BRAO) gedeckt. Während es für die Benennung eines Interessenschwerpunkts genüge, dass der Rechtsanwalt beabsichtige, sich mit dem angegebenen Interessengebiet näher zu befassen, setze die Benennung eines Tätigkeitsschwerpunkts nach § 7 Abs. 2 BORA voraus, dass der Rechtsanwalt auf dem angegebenen Tätigkeitsgebiet nach der Zulassung zwei Jahre nachhaltig tätig gewesen sei. Mit dieser Unterscheidung trage der Satzungsgeber dem berechtigten Informationsinteresse der Rechtsuchenden daran Rechnung, mit der Hervorhebung eines Teilbereichs anwaltlicher Berufsausübung auch darüber unterrichtet zu werden, ob der Rechtsanwalt sich im wesentlichen Umfang bereits mit dem Rechtsgebiet befasst habe, auf dem sie rechtskundige Hilfe suchten, oder ob sich sein Interesse lediglich auf die Wahrnehmung eines bestimmten Bereichs richte. Die Unterscheidung diene der Verhinderung einer Irreführung der Rechtsuchenden.

2. Mit ihrer fristgemäß erhobenen Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Rechtsanwaltskammer und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs und rügen die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie des Rechtsstaatsprinzips im Hinblick auf die fehlende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des § 7 BORA und wegen der Unverhältnismäßigkeit dieser Regelung. § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO ermächtige nur zur Regelung von Angaben über "selbstbenannte Interessenschwerpunkte", nicht jedoch zur Regelung von Tätigkeitsschwerpunkten. Die angegriffene Vorschrift verstoße gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit, indem sie es nicht zulasse, einen "Tätigkeitsbereich", "Schwerpunkt" oder eine ähnliche, auf eine besondere Befassung mit einem bestimmten Rechtsgebiet hindeutende Bezeichnung zu wählen.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor.

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum anwaltlichen Werberecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 57, 121 <133 f.>; 76, 196 <205 ff.>; 82, 18 <28> m.w.N.). Den Angehörigen freier Berufe muss für interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, AnwBl 1995, S. 96).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Anwendung der Grundsätze des anwaltlichen Werberechts auf den Einzelfall ist Sache der zuständigen Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt nachprüfbar (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 85, 248 <257 f.>; 87, 287 <323>; 98, 17 <48>). Der angegriffene Bescheid und der Beschluss des Bundesgerichtshofs sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof in § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für § 7 BORA sieht. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2001 - 1 BvR 494/00 -).

b) Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer durch § 7 BORA an einem ihrer Situation angemessenen Werbeverhalten gehindert werden. Solange nicht deutlich wird, welchen berechtigten beruflichen Belangen die von den Beschwerdeführern bevorzugte Abweichung von der gesetzlichen Terminologie dienen könnte, welche Informationen ihnen verwehrt und dem rechtsuchenden Publikum vorenthalten werden, ist eine verfassungsrechtliche Prüfung nicht angezeigt.

Es kann hier offen bleiben, ob der Satzungsgeber mit der Unterscheidung zwischen Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkten dem Informationsinteresse der Rechtsuchenden ausreichend Rechnung trägt. Zwar erlaubt die Angabe eines Tätigkeitsschwerpunktes den Schluss, dass sich der Rechtsanwalt in gewissem Umfang bereits mit einem Rechtsgebiet befasst hat. Ob den Mandanten, die kundige Hilfe suchen, jedoch deutlich ist, dass ein Interessenschwerpunkt keinerlei Kompetenz voraussetzt, sondern nur auf ein subjektives Interesse aufmerksam macht, Mandate in einem bestimmten Rechtsgebiet wahrzunehmen, ist zweifelhaft. Hierauf kommt es bei dem zur Prüfung gestellten Sachverhalt indessen nicht an.

Die Beschwerdeführer haben für sich "Schwerpunkte" angegeben und damit einen dritten Begriff gewählt, ohne darzulegen, dass hierdurch eine wahrheitsgemäße Information der Rechtsuchenden erreicht werden könnte oder auch nur beabsichtigt ist. Vielmehr ist die Wertung in den angegriffenen Entscheidungen gut nachvollziehbar, wenn die Kurzbezeichnung "Schwerpunkt" als irreführend bezeichnet wird. Denn die Beschwerdeführer haben nicht behauptet, dass sie die Voraussetzungen dafür erfüllen, die genannten Schwerpunkte "Gesellschafts- und Insolvenzrecht" oder "Baurecht" als Tätigkeitsschwerpunkte aufzuführen, weil sie auf den angegebenen Gebieten nach ihrer Zulassung zwei Jahre nachhaltig tätig gewesen sind. Es kann auch sein, dass die Beschwerdeführer letztlich nur auf Interessenschwerpunkte hinweisen wollen. Diese Unklarheit ist auch durch die Verfassungsbeschwerde nicht beseitigt worden, so dass hier nicht darüber zu befinden ist, ob Rechtsanwälte mit langjähriger Praxis, die berechtigt wären, Tätigkeitsschwerpunkte zu benennen, sich stattdessen der kürzeren Bezeichnung "Schwerpunkt" bedienen dürften.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Jaeger Hömig Bryde

Vorinstanzen

BGH, AnwZ (B) 65/99, 16. 10. 2000

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht