Rechtsberatungsgesetz und Wettbewerb
Gericht
LG München I
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
20. 11. 2001
Aktenzeichen
9HK O 13365/01
Eine Zeitschrift verstößt nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz, wenn sie gemeinsam mit einem Rechtsportal kostenlos Rechtsauskünfte erteilt und die Anwälte die Rechtsauskünfte auf allgemeine Hinweise zu einem bestimmten Fall beschränken.
Die Kläger machen gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen
Unterlassungsanspruch geltend.
Die Kläger sind im Landgerichtsbezirk Wuppertal als Rechtsanwälte zugelassen,
die Beklagte ist die Verlegerin der Zeitschrift "freundin". In der Ausgabe
Februar 2001 dieser Zeitschrift erschien auf Seite 128 ein Beitrag mit der
Überschrift:
"freundin-Service", in dem auf eine kostenlose Rechtsauskunft im
Internet hingewiesen wurde, die die Zeitschrift "freundin" gemeinsam mit dem
Rechtsportal www.webjur.de betreibt. Wegen der Einzelheiten dieses
streitgegenständlichen Hinweises wird auf die Anlage K 1 hingewiesen.
Die Kläger sind der Meinung, dass die Beklagte wegen dieser angebotenen Aktion gegen Artikel 1 § 1 RBerG verstoßen würde, weil sie keine Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten hätte. Soweit eine kostenlose Rechtsberatung durch angeschlossene Anwälte erfolgt sei, sei dies für diese Rechtsanwälte standeswidrig gewesen. Dieses standeswidrige Verhalten sei durch das gemeinsame Auftreten bzw. die Unterstützung der Beklagten gefördert worden. Die Beklagte sei deshalb selbst für den Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht verantwortlich. Dieser Verstoß liege darin, dass sich die Beklagte gegenüber den Klägern einen Vorsprung durch Rechtsbruch verschaffe, was den §§ 1, 3 UWG zuwiderlaufe.
Ein von der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf bei der Staatsanwaltschaft München I initiiertes Ordnungswidrigkeitsverfahren sei von der Staatsanwaltschaft ohne nähere Überprüfung eingestellt worden.
Wegen des dargestellten Sachverhalts hätten die Kläger jedoch gegen die Beklagte einen zivilrechtlichen Anspruch auf Unterlassung.
Die Kläger beantragten deshalb:
Dagegen beantragte die Beklagte,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Zur Begründung trugen sie vor, dass der Klageanspruch bereits zu 75 % deshalb abzuweisen sei, weil er zu weit gefasst sei. Die Beklagte habe niemals alleine Rechtsauskunft angeboten und sie habe auch niemals "im Rahmen ihrer Werbung" auf die streitgegenständlichen Rechtauskünfte hingewiesen.
Die Kläger hätten es unterlassen, konkret vorzutragen, dass tatsächlich Rechtsauskünfte erteilt worden seien, und dass diese, wenn sie erteilt wurden, eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetz gewesen sein sollen.
Außerdem liege auch eine Kostenlosigkeit der erteilten Auskünfte nicht vor.
Ein eigener Tatbeitrag der Beklagten sei nicht gegeben.
Letztlich bestehe auch überhaupt kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien.
Wegen der Einzelheiten der Begründung der Beklagten wird auf deren Schriftsätze vom 24.8.2001 und 25.10.2001 hingewiesen.
Eine Beweisaufnahme fand nicht statt.
Die Parteien erklärten ihre Zustimmung gemäß § 349 Abs. 3 ZPO.
Die zulässige Klage erwies sich in vollem Umfang als unbegründet. Im einzelnen ist hierzu auszuführen:
1.
Die Kläger konnten in keiner Weise substantiiert darlegen, dass im
Rahmen des streitgegenständlichen Hinweises (Anlage K 1) eine Rechtsberatung im
Sinne von Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG erteilt wurde. Unter der Besorgung einer
fremden Rechtsangelegenheit im Sinne dieser Vorschrift versteht die
höchstrichterliche Rechtsprechung alleine die unmittelbare Förderung konkreter
fremder Rechtsangelegenheiten (vgl. BGH in NJW 56/592). Ob von einer
unmittelbaren Förderung fremder Rechtsangelegenheit oder von einer nur
mittelbaren und damit zulässigen Förderung auszugehen ist, hängt von den
Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt darauf an, ob die rechtliche Erörterung
der individuellen Angelegenheit im Vordergrund steht oder ob es im Kern um eine
an die gesamte Leserschaft gerichtete allgemeine Belehrung über juristische
Fragen geht. Im letzteren Fall ist auch dann nur eine mittelbare und somit
zulässige Förderung anzunehmen, wenn die "Antwort auf eine Anfrage" der Sache
nach lediglich ein stilistisches Mittel darstellt. Von einer unzulässigen
unmittel baren Förderung der Rechtsangelegenheit ist dagegen dann auszugehen,
wenn die Angelegenheit durch die Beratung einem gewissen Abschluss zugeführt
wird (vgl. jeweils BGH a.a. O.).
Die abstrakte Belehrung über rechtliche Fragen durch eine Zeitschrift ist dann keine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes, wenn sie in Form einer Antwort auf eine fingierte Frage erfolgt. Rechtsberatung erfordert die individuelle Förderung einer konkreten Rechtsangelegenheit (vgl. BGH in NJW 81/1616).
Im streitgegenständlichen Fall legten die Kläger als einzigen Beleg für den von ihnen behaupteten Umstand, die Beklagte habe eine unzulässige Rechtsberatung erteilt, die Anlage K 4 vor. Gemäß dieser Anlage stellte offenbar eine Person namens Relling aus Hamburg eine Frage zu einem "unbefristeten Vertrag". Auf diese allgemeine Frage erfolgte durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht namens Greeve aus Hamburg eine ebenso allgemein gehaltene und ausdrücklich als generell bezeichnete Antwort im Umfang von 17 Zeilen.
Unter den von der Beklagten gegebenen Hinweisen zur Benutzung der angebotenen Rechtsbörse steht unter anderem:
"Wir weisen darauf hin, dass eine über dieses Forum hinausgehende Rechtsberatung in der Regel kostenpflichtig ist. Hier können nur erste und allgemeine Hinweise der Anwälte zu Ihrem Fall erfragt werden".
Unter Berücksichtigung dieses dem Gericht alleine vorliegenden Dokuments über eine behauptete "Rechtsberatung" durch die Beklagte ist auszuführen, dass bei Beachtung der oben dargestellten Grundsätze des BGH eine unmittelbare Förderung einer konkreten fremden Rechtsangelegenheit nicht gegeben ist.
Die vorliegende Aktion stellt keine eigene Rechtsberatungstätigkeit der Beklagten dar. Sie hat sich darauf beschränkt, auf die Möglichkeit von Auskünften im Internet hinzuweisen, wobei dann im Internet ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass eine über die erteilten ersten und allgemeinen Hinweise hinausgehende Rechtsberatung kostenpflichtig ist.
Außerdem scheidet ein eigener Tatbeitrag der zur Rechtsberatung nicht befugten Beklagten auch deshalb aus, weil ein unmittelbarer Kontakt nur zwischen dem Internet-Benutzer und dem dann mit der Sache befassten Rechtsanwalt stattgefunden hat, ohne dass die Beklagte dabei mit in Erscheinung getreten ist (vgl. z.B. auch Urteile des OLG Stuttgart in NJW-RR 95/1269 und des OLG Köln in NJW 99/504).
Zusammenfassend ergibt sich deshalb, dass entgegen der Behauptung der Kläger der Beklagten keine gemäß Artikel 1 § 1 des RBerG verbotene unzulässige Rechtsberatung anzulasten war, weshalb mangels Bestehens einer insoweit notwendigen Wiederholungsgefahr die Klage bereits aus diesem Grunde als unbegründet abzuweisen war.
2.
Da die Klage, wie oben unter Nummer 1 ausgeführt, abzuweisen war, waren
weitere Erörterungen, insbesondere zum Vortrag der Beklagten, die Klage sei zu
75 % schon deshalb abzuweisen, weil der Klageantrag viel zu weit gefasst sei,
nicht mehr veranlasst.
3.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO, die
über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Schott
Vors. Richter
am Landgericht
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