Anwendung strafbewehrter Unterlassungserklärungen

Gericht

OLG Frankfurt


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

08. 03. 2002


Aktenzeichen

13 U 19/00


Leitsatz des Gerichts

  1. Wettbewerbsrechtliche Verpflichtungen zur Zahlung einer Vertragsstrafe dürfen über ihren Wortlaut hinaus angewandt werden.

  2. 2. Erfaßt sind von derartigen Verpflichtungen auch dem Sinn nach gleiche Handlungen.

  3. 3. Wer sich verpflichtet hatte, nicht mehr zu erklären "509 Frisuren für Sie", wenn er lediglich 437 Frisuren im Heftinneren abgebildet hat, der verstößt dementsprechend gegen diese Verpflichtung, wenn er das nächste Mal übertrieben, wahrheitswidrig titelt: "514 Frisuren für Sie".

  4. 4. Nicht die Anzahl der Abbildungen, sondern nur das verwertbare Unikat zählt, wenn die "Frisuren für Sie" zu addieren sind.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe:

(Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.)

Auf die zulässige Berufung war das Urteil des Landgerichtes abzuändern, denn die Beklagte hat die vertraglich versprochene Strafe verwirkt.

1. Die mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 26. März 1998 abgegebene Verpflichtung, keine Frisurenmagazine zu vertreiben, bei denen entgegen der Titelankündigung "509 Frisuren für Sie" lediglich 437 Frisuren im Heftinneren abgebildet wurden (Bl. 9 d. A.) ist - unter Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln für vertragliche Willenserklärungen - dain zu verstehen, dass nicht nur eine Wiederholung der konkret genannten Verletzungsform "437 statt 509 Frisuren" zur Zahlung der Vertragstrafe verpflichtet. Vielmehr sind auch dem Sinn nach gleiche Handlungen erfasst. Diesem in der Rechtsprechung herrschenden Standpunkt zu den für die Auslegung wettbewerbsrechtlicher Vertragsstrafenverpflichtungen geltenden Grundsätzen (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.10.1995, OLGR München 1996, 192 f.; Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10.03.1993, 6 U 145/92 [Quelle: Juris-Datenbank]; Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.12.1991, veröffentlicht ZIP 1992, 722 ff.; Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.06.1991, veröffentlicht MDR 1991, 953 f.) folgt der Senat. Im vorliegenden Fall liegt es auf der Hand, dass - angesichts einer im streitgegenständlichen Periodikum von Ausgabe zu Ausgabe wechselnden Anzahl sowohl der auf dem Titel angekündigten, als auch im Heftinneren abgebildeten Frisuren - das streitgegenständliche Vertragsstrafeversprechen für die Klägerin bei einer am Wortlaut haftenden Auslegung, wie die Beklagte sie vornimmt, vollkommen nutzlos wäre. Denn es ist nicht zu erwarten, dass sich das Verhältnis "509 zu 437" wiederholt. Zudem wäre durch eine bewusste geringfügige Abänderung des Zahlenverhältnisses eine jederzeit zugängliche Umgehungsmöglichkeit geschaffen. Es ist daher nicht anzunehmen, dass die von der Beklagten abgegebene Vertragsstrafenverpflichtung von der Klägerin so, wie von der Beklagten vorgetragen, verstanden werden musste. Auch die Vorgeschichte der streitgegenständlichen Unterwerfungserklärung gibt dafür keinen Anhalt: Die von der Beklagten gegenüber der Forderung der Klägerin vorgenommene Änderung betraf nicht die Formulierung hinsichtlich der Zahl der Frisuren, sondern war lediglich unter Berücksichtigung der Tatsache eingefügt worden, dass die Beklagte derartige Presseerzeugnisse nur vertreibt, nicht aber herstellt.

2. Dass die auf dem Titelblatt der Septemberausgabe 1998 genannte Zahl von "514 Frisuren für Sie" nicht erreicht wird, steht zur Überzeugung des Senates fest.

Der Senat hält sich vor Augen, dass die Zeitschrift "Haar scharf" sich an Friseure richtet, und dass deswegen als "Frisur für Sie" jeweils nur dsa zählen kann, was als Vorbild brauchbar ist. Brauchbar in diesem Sinn sind nicht: Bei "vorher/nachher Aufnahmen" die "alte" Frisur; unscharfe Bilder; im Hintergrund undeutlich abgebildete Frisuren. Mehrere Aufnahmen der selben Frisur aus verschiedenen Winkeln zählen, schon dem Wortlaut nach, nur als eine "Frisur", da jede Frisur den ganzen Kopf umfasst.

Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Zahl von 514 Frisuren nur dann errreicht wird, wenn auch Frisuren mitgezählt werden, die, wie vorstehend ausgeführt, nicht mitzuzählen sind.

3. Der Verstoß gegen das Vertragsstrafversprechen ist auch nicht unerheblich. War bei dem zur Abgabe der Vertragsstraferklärung maßgebenden Fall (Ausgabe März/April 1998) ein Zahlenverhältnis von im Heftinneren enthaltenen Frisuren zu den angekündigten Frisuren von 437 zu 509 (= 0.86) vorhanden, so liegt das Verhältnis bei dem jetzigen Verstoß mit 453 zu 514 (=0,88) bis auf eine geringfügige Abweichung in den Hunderstelstellen in derselben Höhe.

Die ebenfalls zuzsprechenden DM 60,00 schuldet die Beklagte der Klägerin als Schadensersatz infolge positiver Forderungsverletzung: Die Beklagte hat schuldhaft, zumindest fahrlässig, gegen ihre vertragliche Verpflichtung zur Unterlassung verstoßen und als adäquat-kausale Folge die Kosten in Höhe von DM 60,00 (Handelsregisterauszüge) ausgelöst.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus § 284 Abs. 1 BGB a.F.; seit einer entsprechenden Mahnung befand die Beklagte sich im Verzug.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO a.F.

Dr. Gebhardt

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht