Irreführende Werbung des STERN

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

23. 04. 2002


Aktenzeichen

7 O 3275/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine Werbeanzeige, in der die Reichweiten verschiedener Zeitschriftentitel durch bildliche Symbolisierung dargestellt werden, ist irreführend i.S.d. § 3 UWG, wenn die räumlichen Grössenunterschiede der Symbole in grobem Missverhältnis zu den tatsächlichen Reichweitenunterschieden stehen und dadurch eine überragende eigene Marktposition suggeriert wird.

  2. Wird mit der bildlich-ironisierenden Darstellung der Vergleichssymbole auf hämische und verzerrende Weise der Eindruck mangelnder Leistungsfähigkeit des Mitbewerbers erzeugt, so liegt hierin eine wegen Herabwürdigens unzulässige vergleichende Werbung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG.

  3. Mit Humor allein lässt sich eine ansonsten rechtswidrige Werbung nicht rechtfertigen.

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 21.02.2002, Az. 7 O 3275/02, wird bestätigt.

II. Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

T A T B E S T A N D

Die Parteien, Konkurrenten auf dem Markt für Wochenmagazine, streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Anzeige, die die Verfügungsbeklagte (im folgenden: die Beklagte) im sog. KRESSREPORT geschaltet hat.

Die Verfügungsklägerin (im folgenden: die Klägerin) gibt das Nachrichtenmagazin FOCUS heraus; die Beklagte verlegt die ebenfalls wöchentlich erscheinende Illustrierte STERN.

In der Ausgabe Nr. 5 vom 01.02.2002 des KRESSREPORTS - einem Fachinformationsdienst, der sich primär an Medien- und Werbefachleute wendet - bewarb die Beklagte ihr Blatt in einer doppelseitigen Anzeige mit den in der Medienanalyse 2002/I ermittelten Reichweitedaten wie folgt:

...

Sie wurde deswegen mit Anwältsschreiben vom 08.02.2002 (Anlage Ast. 2) vergebens abgemahnt.

Gestützt auf die Erwägung, die Anzeige sei angesichts der (um ein Vielfaches überzeichneten) Größenverhältnisse zwischen den die Reichweite der einzelnen Wettbewerber symbolisierenden Hunden, die darauf abzielten, die (zutreffenden) Zahlenangaben in der Wahrnehmung des Adressaten zu überdecken, irreführend (§ 3 UWG) und im übrigen wegen des die Mitbewerber herabsetzenden Charakters als vergleichende Werbung (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 1 UWG) unzulässig, hat die Klägerin am 21.02.2002 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung der Kammer (zugestellt am 27. 02.2002, nach Bl. 14 d.A.) erwirkt, wonach der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln antragsgemäß verboten wurde,

für das Magazin "Stern" wie in "kressreport" Nr. 5 vom 01.02.2002, S. 12 f. geschehen und verkleinert wiedergegeben, zu werben oder werben zu lassen.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Beklagten vom 19.03.2002.

Sie macht unter Berufung auf die Entscheidungen OLG Hamburg, ZUM-RD 2001, 557 und EuGH, WRP 1995, 677 geltend, angesichts des spezifischen Adressatenkreises, nämlich Medienfachleuten, welche Werbeaussagen im allgemeinen kritisch prüften, scheide eine Irreführung aus. Denn der angesprochene Verkehr, unbeeinflusst von flüchtigen, emotionalen Eindrücken, orientiere sich hinsichtlich der Kernaussage der Anzeige, nämlich den Reichweiten von SPIEGEL, FOCUS und STERN, in erster Linie an den in deutlichem Druck gehaltenen und unstreitig zutreffenden Zahlen. Diese Form der vergleichenden Werbung sei auch nicht herabsetzend. vielmehr werde der für Anzeigenentscheider wichtige Parameter der verschiedenen Reichweiten durch eine originelle Metapher in anschaulicher weise gegenüber gestellt. Soweit man die Darstellungsform unterschiedlich großer Hunde gewählt habe, läge hierin noch keine Verunglimpfung. Auch aus der jeweiligen Blickrichtung der Tiere lasse sich insoweit nichts herleiten, ergebe sie sich doch zwangsläufig aus den Größenverhältnissen. Schließlich begründe auch die gegenüber dem sonstigen Bildmotiv ohnehin in den Hintergrund tretende - Kopfzeile "Sitz! Platz! Fass! Die Ergebnisse der MA 2002" keine abweichende Beurteilung. Die Kommandos seien keineswegs an die darunter abgebildeten Hunde gerichtet, vielmehr an den Leser der Werbung, der nicht weiterblättern, sondern innehalten, die Zahlen vergleichen und sodann in Form einer Anzeigenschaltung im STERN zuschlagen solle. Nur so ergäbe nämlich der Zusatz "Die Ergebnisse der MA 2002" Sinn. Im Übrigen zeuge die Beanstandung solch witzig gestalteter Aussagen als herabwürdigend von wenig Humor. Selbst der Bundesgerichtshof habe in zwei jüngeren Entscheidungen (GRUR 2002, S. 72, 75 - Ironisierender zulässiger Preisvergleich; WRP 1999, S. 414, 416) festgestellt, dass die Unzulässigkeit solcher vergleichender Werbung, die mit den Mitteln der Ironie arbeite, nicht aus der damit eo ipso verbundenen Herabsetzung des Mitbewerbers abgeleitet werden könne, zumal Reklame zu einem Großteil von humoristischer Pointierung lebe. vielmehr bedürfe es zusätzlich besonderer Umstände, die hier jedoch nicht vorlägen, zumal die Beklagte nicht nur die Konkurrenz, sondern auch ihr eigenes Blatt mit der Darstellung als Hund leicht ironisiere. Ohnehin verbiete sich hier eine sezierende Betrachtung, orientiere sich doch auch der Leser am Gesamteindruck: das Hunde-Diagramm bringe ihn zum Lachen und wecke so seine Aufmerksamkeit, so dass er sich der eigentlichen Aussage, nämlich den Reichweitezahlen, zuwende.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:

Auf den Widerspruch der Beklagten hin war die Beschlussverfügung der Kammer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dies führte zu ihrer Bestätigung in vollem Umfang.

I. Die Zulässigkeit des Antrags begegnet keinen Bedenken. Insbesondere ist das Landgericht München I örtlich zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen, insofern das Magazin KRESSREPORT auch im hiesigen Gerichtsbezirk verbreitet wird. An die Beschränkungen des § 24 Abs. 1, 2 UWG ist die Klägerin als unmittelbar Betroffene nicht gebunden, nimmt die angegriffene Werbung doch direkt auf sie Bezug.

II. Der Antrag ist auch in vollem Umfang begründet: Nach Auffassung der Kammer stellt sich die im Tatbestand wiedergegebene Anzeige sowohl als irreführend, § 3 UWG, als auch als herabwürdigende und damit sittenwidrige vergleichende Werbung, § 1 UWG i.V.m. 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 UWG, dar:

1. mit der Klägerin hält die Kammer zunächst die bildliche Einkleidung der gegenübergestellten Reichweiten betreffend die Magazine SPIEGEL, FOCUS und STERN, wie sie die Beklagte gewählt hat, für irreführend: Dabei ist unbehelflich, dass die Zahlen für sich genommen dort zutreffend wiedergegeben werden. Denn diese Angabe erfasst selbst der aufmerksame Leser schon angesichts der dafür verwendeten kleinen Schrifttype, die - wie sogar die Beklagte für die in identischer Größe gehaltene Kopfzeile ausführt - völlig in den Hintergrund tritt, erst dann, wenn sich bei ihm anhand des (erfahrungsgemäß besser als Worte einprägsamen) Bildes ein Gesamteindruck verfestigt hat, der mit den Zahlen selbst nicht in Einklang steht und durch diese nicht mehr relativiert und korrigiert werden kann. So fällt zunächst ins Auge, dass die Größenverhältnisse der die Reichweite (gleich Säulen in einem Diagramm) symbolisierenden Hunde nicht nur nach der Körperhöhe, sondern in Potenz auch nach der von den Tieren beanspruchten Fläche in grobem Missverhältnis zu den tatsächlichen Zahlen stehen, wenn die den STERN repräsentierende Dogge auf der parallel zum linken Bildrand gedachten Y-Achse doppelt bzw. mehr als doppelt so groß wie die den Magazinen der Mitbewerber zugeordneten Tiere erscheint, während die Beklagte mit ihrem Blatt lediglich einen Bruchteil mehr an Reichweite, nämlich 7,77 Mio., erzielt als dies für SPIEGEL (5,63 Mio.) und FOCUS (6,19 Mio.) der Fall ist. Auch die Zahlen selbst sind auf der Y-Achse nicht etwa in der zutreffenden Relation angeordnet; vielmehr erscheint die Angabe für den STERN unverhältnismäßig weit oben, so dass der bereits erweckte unzutreffende Eindruck zusätzlich verstärkt und verfestigt wird. Schließlich fügt sich auch die angedeutete Interaktion der Hunde, bei der die Konkurrenten der Beklagten ängstlich gebannt auf ein bedrohlich raumfüllendes Gegenüber starren, in diese Linie ein, so dass sich dem Leser unmittelbar der Eindruck einer geballten Übermacht des Magazins der Beklagten aufdrängt, die durch die Reichweiten nicht untermauert werden. Enthält die beanstandete Darstellung mithin - anders als die der Entscheidung OLG Hamburg, ZUM-RD 2001, 557 zugrundeliegende Fallkonstellation - nicht nur einen einzelnen die tatsächlichen Gegebenheiten zugunsten der Beklagten verzerrend wiedergebenden Parameter, wird durch das zusammenwirken der verschiedenen dargelegten Faktoren, zumal angesichts ihrer bildlichen Kraft, der irreführende Gesamteindruck einer überragenden Marktposition hervorgerufen, der auch durch die zutreffenden Zahlenangaben nicht mehr revidiert werden kann. Auch der Rekurs der Beklagten auf die Entscheidung des EuGH (WRP 1995, S. 677 - Mars) ist in diesem Kontext unbehelflich: Ging es dort um die Frage, ob der verständige Verbraucher naheliegender Weise einen Zusammenhang zwischen der Größe von Werbeaufdrucken, die auf eine Erhöhung der Warenmenge hinweisen, und dem Ausmaß dieser Erhöhung selbst erwartet, stellt die Beklagte in ihrer Anzeige diesen Zusammenhang selbst her, indem sie zwischen den Tieren und den die Reichweite nennenden Zahlen jeweils Verbindungslinien anbringt. Soweit im Übrigen die Beklagte die Anfälligkeit der Adressaten für solches Raffinement in Abrede stellt und meint, der primär angesprochene Verkehr, nämlich Unternehmensmitarbeiter, die über die Platzierung von Anzeigen entscheiden, orientierten sich emotionslos kühl an den schlichten Zahlen, vermag die Kammer dem nicht zu folgen; denn die damit implizit verbundene Behauptung, dass die Beklagte teuer für eine werbepsychologisch ausgefeilte Anzeige bezahle, obwohl sie eine Reklame mit nackten Zahlen für ebenso wirksam hält, erscheint unter kaufmännischen Gesichtspunkten als wenig plausibel.

Bei dieser Sachlage hat es bei dem konstatierten irreführenden Charakter der streitgegenständlichen Werbung sein Bewenden, so dass das mit der Beschlussverfügung ausgesprochene verbot unter dem Gesichtspunkt des § 3 UWG zu bestätigen war.

2. Darüber hinaus erachtet die Kammer diese Form der vergleichenden Werbung (§ 2 Abs. 1 UWG) auch als die unmittelbar in Bezug genommenen Konkurrenten herabwürdigend, § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG und daher sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG:

Zwar kann der hinsichtlich der Reichweiten der verschiedenen Magazine angestellte vergleich als solcher eine Wettbewerbswidrigkeit nicht begründen. Denn es ist jeder Gegenüberstellung immanent, dass einer der in Bezug genommenen Marktteilnehmer schlechter abschneidet als andere (BGH GRUR 2002, 72, 73 - Zulässiger ironisierender Preisvergleich). Die mit zutreffenden Vergleichen verbundenen Nachteile muss der Wettbewerber vielmehr hinnehmen, sofern die Angaben nicht über das Maß hinausgehen, das nötig ist, um die Vorzüge der eigenen Leistungsfähigkeit ins rechte Licht zu rücken (vgl. BGH GRUR 1998, S. 824 - Testpreisangebot). Zwar bedürfte es hierzu einer Darstellung der Mitbewerber als Hunde nicht. Auf eine solche Visualisierung lässt sich jedoch nicht eo ipso das Verdikt der Unlauterkeit gründen, bezieht sich die Beklagte insoweit doch selbst ein; im Übrigen ist der Verkehr durchaus an - auch ironische Pointierungen - gewöhnt (vgl. Köhner/Piper, UWG, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 51), so dass ein übermäßig strenger Maßstab nicht angezeigt erscheint.

Mit der angegriffenen Werbung hat die Beklagte jedoch die Grenzen der Lauterkeit deutlich überschritten: Dabei ist zunächst zu sehen, dass bereits die die wahren Reichweitenverhältnisse grob zugunsten der Beklagten verzerrende, falsche Bildaussage den Mitbewerbern eine über das sachlich-zutreffende Maß hinausgehende Verringerung der Wertschätzung beim angesprochenen Verkehr beschert. Hierbei lässt es die Beklagte jedoch nicht bewenden, wenn sie darüber hinaus die Konkurrenten als hündisch-zahnlose Pinscher darstellt, die, gleichsam mit eingezogenem Schwanz, ängstlich lauernd auf eine herrisch auftretende Übermacht starren. Diese bildliche Charakterisierung wird in der Kopfzeile auch verbal aufgegriffen; denn die an die beiden Mitbewerber gerichteten Kommandos "Sitz!" und "Platz!" wird der Leser mit der Konnotation des Zurechtweisens und, auf Seiten der Hunde, der Unterordnung verbinden, während das Magazin der Beklagten mit der Order "Fass!", die die Assoziation von "Biss" und Effizienz erweckt, als zupackend-kämpferisch geschildert wird. Soweit die Beklagte die Befehle dahingehend deuten möchte, dass sie sich an den Leser der Anzeige richten, nimmt die Kammer zwar mit Interesse zur Kenntnis, dass der STERN den angesprochenen Verkehr, den er mit dem streitgegenständlichen Inserat als Anzeigenkunden zu gewinnen trachtet, auf eine Stufe mit dressierten Hunden stellt. Dass jedoch auch die Adressaten das Selbstbild eines Befehlsempfängers hätten und, ausgerüstet mit solchem Vorverständnis, die Zeile "Sitz! Platz! Fass!" als Anweisung an sich auffassten, hat die Beklagte jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. Dessen hätte es jedoch bedurft, widerspricht eine solche Annahme doch jeder Lebenserfahrung.

Wird dem Adressaten mithin in der Gesamtschau die Botschaft vermittelt, dass ein Inserat bei der schwächelnden Konkurrenz nutzlos sei, während allein der STERN die Plattform für kraftvolles Marketing biete - eine Aussage, die die beiden Mitbewerber in unsachlicher Weise abqualifiziert, stellt sich die angegriffene Anzeige auch als herabwürdigend i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG dar. Insbesondere kann die Beklagte aus der Entscheidung BGH GRUR 2002, S. 72 "Zulässiger ironisierender Preisvergleich", keine für sich günstigere rechtliche Beurteilung herleiten: Denn die Beklagte begegnet ihren Mitbewerbern nicht mit einer "leisen Ironie", wie sie der Bundesgerichtshof in der damals zu beurteilenden Werbung ausgemacht hat, d. h. mit einem verhaltenen Hinweis auf die Diskrepanz zwischen Sein und Sollen, sondern mit unverhohlener Häme, wenn sie sich selbst als beherrschendes Medium darstellt, vor dem die Konkurrenz "kuscht". Mag es auch zutreffen, dass die Unlauterkeit einer vergleichenden Werbeaussage nicht allein auf die Verwendung des Stilmittels der Ironie gestützt werden kann, so lässt die zitierte Entscheidung den von der Beklagten gezogenen Umkehrschluss dahingehend, dass "Humor" nunmehr als Rechtfertigungsgrund für herabwürdigende Werbevergleiche anzuerkennen sei, jedenfalls nicht zu.

III. Als unterlegene Partei hat die Beklagte auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung ist auch ohne gesonderten Ausspruch vorläufig vollstreckbar.


Rabl
VorsRiLG

Lehner
RiLG

Hübner
RinLG

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht