Sozialhilfe für Bestattungskosten

Gericht

VGH Mannheim


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

19. 12. 1990


Aktenzeichen

6 S 1639/90


Leitsatz des Gerichts

  1. Die erforderlichen Kosten der Bestattung i. S. von § 15 BSHG umfassen auch das erstmalige Herrichten des Grabes einschließlich eines ortsüblichen angemessenen Grabschmucks.

  2. Was ortsüblich und angemessen ist, bestimmt sich in erster Linie nach den einschlägigen friedhofsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere nach der jeweils maßgeblichen Friedhofssatzung.

  3. Enthält die maßgebliche Friedhofssatzung keine besonderen Gestaltungsvorschriften, ist in aller Regel ein einfaches Grabkreuz angemessen i. S. von § 15 BSHG; der Träger der Sozialhilfe braucht in solchen Fällen die Kosten eines steinernen Grabmals nicht zu übernehmen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. begehrt von der Bekl. Übernahme von Bestattungskosten, soweit diese nicht antragsgemäß bewilligt worden sind. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte vor dem VG teilweise Erfolg.

Auf die Berufung der Bekl. wurde die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... 1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 15 BSHG, wonach der Träger der Sozialhilfe die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen hat, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Der Begriff der "Erforderlichkeit" wird - in Anknüpfung an § 1 II BSHG - dahin konkretisiert, daß § 15 BSHG eine würdige Bestattung ermöglichen will; zu übernehmen sind die Kosten für ein ortsübliches, angemessenes Begräbnis (vgl. etwa Schellhorn-Jirasek-Seipp, BSHG, 13. Aufl. (1988), § 15 Rdnrn. 1 und 3). Dies schließt grundsätzlich das erstmalige Herrichten des Grabes einschließlich des Grabschmucks ein (vgl. dazu Schellhorn-Jirasek-Seipp, § 15 Rdnr. 3). Was angemessen und ortsüblich ist, bestimmt sich zuallererst nach den maßgeblichen friedhofsrechtlichen Vorschriften, insbesondere nach der jeweils einschlägigen Friedhofssatzung. Denn es liegt auf der Hand, daß das, was die Friedhofssatzung als Mindestmaß würdiger Ausstattung hinreichen läßt, in aller Regel auch angemessen im sozialhilferechtlichen Sinne sein wird; was darüber hinausgeht, wird typischerweise nicht mehr erforderlich sein. Hinzu kommt, daß sich der Nutzungsberechtigte friedhofsrechtlichen Mindestanforderungen nicht entziehen kann, so daß diese Anforderungen auch insoweit das sozialhilferechtliche Minimum markieren werden; schreibt etwa eine Friedhofssatzung Grabsteine, Grabplatten oder Grabeinfassungen vor, werden die hierfür erforderlichen Kosten grundsätzlich zu übernehmen sein. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Ehefrau des Kl. wurde unstreitig in einem Wahlgrab auf Urnenfeld 41 A des Hauptfriedhofs der Bekl. beigesetzt. Dieses Urnenfeld zählt nach Abschnitt I der Anlage zur Friedhofssatzung der Bekl. zu den Feldern mit allgemeinen Gestaltungsvorschriften, deren Grabmale in ihrer Gestaltung, Bearbeitung und Anpassung an die Umgebung keinen besonderen Anforderungen unterliegen; Mindestanforderungen werden lediglich insoweit aufgestellt, als Grabanlagen und Grabmale der Würde des Ortes entsprechend gestaltet und dauerhaft gegründet sein müssen (§ 21 der Friedhofssatzung). Hieraus folgt ohne weiteres, daß steinerne Grabmale, wie der Kl. eines begehrt, nicht vorgeschrieben sind; dem entspricht die Bestätigung des Friedhof- und Bestattungsamts vom 10. 10. 1990, wonach auf Reihengräbern keine festen Grabmale erstellt werden müssen und Holzkreuze auf solchen Gräbern während der gesetzlichen Ruhefrist von 20 Jahren dort belassen werden können. Daß die Ehefrau des Kl. nicht in einem Reihen-, sondern in einem Wahlgrab beigesetzt ist, rechtfertigt insoweit keine andere Beurteilung, denn zum einen bestehen auch für Wahlgrabstätten keine zusätzlichen Gestaltungsvorschriften (vgl. § 15 der Friedhofssatzung), und zum andern müßte sich der Kl., sollte ein Wahlgrab mit höherem Aufwand verbunden sein, entgegenhalten lassen, daß er - dies zeigt auch der Vergleich zwischen dem an den Kl. ergangenen Gebührenbescheid und dem von der Bekl. für ein Reihengrab vorgelegten Mustergebührenbescheid - aus freien Stücken die teurere Lösung gewählt hat; Deckung derartiger zusätzlicher Kosten kann jedoch nicht Aufgabe der Sozialhilfe sein. Einfassungen sind gleichfalls nicht vorgeschrieben; § 18 Nr. 1 der Friedhofssatzung sieht lediglich vor, daß alle Grabstätten der Würde des Ortes entsprechend hergerichtet sein müssen. Dementsprechend werden Gräber ohne Einfassung, wie die von der Bekl. vorgelegten Lichtbilder erweisen, vom Friedhof- und Bestattungsamt erkennbar nicht beanstandet.

Aus alldem folgt, daß jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art ein einfaches Holzkreuz hinreicht, das Grab angemessen herzurichten; ein steinernes Grabmal ist ebensowenig erforderlich wie eine Grabeinfassung (im gleichen Sinne Knopp-Fichtner, BSHG, 6. Aufl. (1988), § 15 Rdnr. 3; Mergler-Zink, BSHG, Stand 1988, § 15 Rdnr. 21; Sozialhilferichtlinien, Tz. 15.10). Allerdings wird in Literatur und Rechtsprechung zum Teil eine großzügigere Auffassung vertreten. So soll der Hilfeempfänger nach Auffassung des LPK-BSHG (2. Aufl. (1989), § 15 Rdnr. 4) nicht auf ein "für jeden ersichtliches Armengrab" verwiesen werden können; mithin bestehe Anspruch auf Übernahme der Kosten eines angemessenen Grabsteins. Ähnlich hat das VG Augsburg (ZfF 1971, 37, zit. bei Mergler-Zink, § 15 Rdnr. 21 und Gottschick-Giese, BSHG, 9. Aufl. (1985), § 15 Rdnr. 4) entschieden, daß unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen nicht mehr von einem einfachen Grabkreuz, sondern von einem einfachen, aber würdigen Grabstein auszugehen sei; dieser Auffassung schließen sich Gottschick-Giese (§ 15 Rdnr. 4) ohne Hinzufügung eigener Erwägungen an. Damit wird jedoch der bereits eingangs betonte Grundsatz verkannt, daß sich das, was der Würde eines Friedhofs entspricht und in diesem Sinne ortsüblich und angemessen ist, zuallererst aus der jeweils maßgeblichen Friedhofssatzung ergibt; soweit diese - wie hier - einfache Lösungen für ausreichend hält, muß sich der Hilfeempfänger grundsätzlich darauf verweisen lassen. Insoweit gilt im Zusammenhang des § 15 BSHG ungeachtet des Umstands, daß der Begriff des "Notwendigen" inzwischen durch den Begriff des "Erforderlichen" ersetzt wurde, nichts anderes als auch sonst im Sozialhilferecht. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, inwiefern ein schlichtes Grab allein aufgrund seiner Einfachheit den Eindruck eines "für jeden ersichtlichen Armengrabes" (LPK-BSHG, § 15 Rdnr. 4) vermitteln könnte mit der Folge, daß der Inhaber des Grabes dadurch "stigmatisiert" wäre. Dagegen sprechen bereits die von der Bekl. vorgelegten Lichtbilder. Im übrigen kann Schlichtheit auf den verschiedensten Motiven beruhen; sie kann ebenso von einer persönlichen Entscheidung zum Sparen wie auch von persönlicher Vorliebe für das Schlichte bestimmt sein und läßt für sich genommen keineswegs auf "Armut" schließen.

2. Bei Zugrundlegung dieser Erwägungen hätte der Kl. mithin Anspruch auf Übernahme der Kosten eines einfachen hölzernen Grabkreuzes; diese hat die Bekl. auf 71 DM beziffert. Im vorliegenden Falle scheitert dieser Anspruch jedoch daran, daß der geltend gemachte Bedarf bereits anderweitig gedeckt war. Werden die Leichenschaugebühren in Höhe von 60 DM außer acht gelassen, dann hat die Bekl. dem Kl. für die beim Friedhof- und Bestattungsamt und beim Bestattungsinstitut entstandenen Bestattungskosten bestandskräftig - der Kl. hat den insoweit klagabweisenden Gerichtsbescheid nicht mit der Berufung angegriffen - 1656 DM bewilligt; wird das von der AOK gezahlte Sterbegeld hinzugezählt, ergibt sich mithin ein Betrag von 2706 DM. Demgegenüber ergibt sich aus den von der Bekl. im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen des Friedhof- und Bestattungsamts und des Bestattungsinstituts (Mustergebührenbescheid und Musterrechnung), daß sich die notwendigen Kosten einer Bestattung in einem Reihengrab auf lediglich 2506 DM belaufen. Dem Kl. verbleiben mithin noch 200 DM, die bei weitem hinreichen, die Kosten eines einfachen Holzkreuzes in Höhe von 71 DM aufzubringen. Dagegen kann der Kl. nicht einwenden, die Bestattungskosten hätten in Wahrheit wesentlich höher gelegen, so daß ihm von dem bewilligten Betrag nichts mehr verblieben sei. Denn diese Mehrkosten hatten ihren Grund erkennbar darin, daß sich der Kl. aus freien Stücken für eine - um 780 DM teurere - Wahlgrabstätte entschieden und auch sonst - dies gilt namentlich für die Kondolenzliste sowie für die Zahl der Leuchter und Lorbeerbäume - zusätzliche Aufwendungen in Höhe von rund weiteren 250 DM für angemessen gehalten hat, deren Übernahme nicht Aufgabe der Sozialhilfe sein kann. Weitere Zusatzkosten sind dadurch entstanden, daß Feuerbestattung gewählt wurde, so daß - zum Preis von 190 DM - eine Urne gekauft werden mußte. Auch hierauf kann sich der Kl. jedoch nicht berufen. Denn wenn § 15 BSHG nur die erforderlichen Begräbniskosten abdeckt, dann muß sich der Hilfeempfänger grundsätzlich auf die einfachste Art der Bestattung - die Erdbestattung - verweisen lassen. Im vorliegenden Fall besteht kein Anlaß, der Frage nachzugehen, ob im Einzelfall - etwa aus religiösen Gründen - auch die aufwendigere Form der Urnenbestattung erforderlich sein kann, denn der Kl. hat für das Vorliegen besonderer Umstände nichts vorgetragen. Mithin verbleibt es dabei, daß der sozialhilferechtliche Bedarf aufgrund des Gebührenbescheids des Friedhof- und Bestattungsamts und der Rechnung des Bestattungsinstituts lediglich bei etwa 2500 DM lag, während die Bekl. dem Kl. einen Bedarf von 2706 DM zuerkannt hat. Die Differenz genügte bei weitem zur Beschaffung eines Holzkreuzes.

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

§ 15 BSHG