Weihnachtsgratifikation bei krankheitsbedingten Fehlzeiten

Gericht

ArbG Oldenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

16. 07. 1997


Aktenzeichen

2 Ca 762/96


Leitsatz des Gerichts

Zahlt ein Arbeitgeber unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt seinen Arbeitnehmern eine Weihnachtsgratifikation und werden die Auszahlungsbedingungen jedes Jahr am schwarzen Brett bekannt gemacht, so ist der Arbeitgeber berechtigt auf Grund krankheitsbedingte Fehlzeiten die Weihnachtsgratifikation zu schmälern.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld. Der Kl. steht seit dem 1. 8. 1977 bei der Bekl. als Maschinenschlosser bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden gegen einen Stundenlohn von zuletzt 23,45 DM brutto im Arbeitsverhältnis. Die Parteien sind nicht tarifgebunden. Seit vielen Jahren zahlte die Bekl. regelmäßig an ihre Arbeitnehmer Weihnachtsgeld. Die Bedingungen für die Weihnachtsgeldzahlung machte sie stets im Oktober eines jeden Jahres per Aushang bekannt. Der Kl. erhielt in den vergangenen Jahren das Weihnachtsgeld stets in voller Höhe. Im Jahre 1996 kürzte die Bekl. das Weihnachtsgeld des Kl. um einen Betrag von 455,84 DM brutto, wie sich aus der Abrechnung Oktober 1996 ergibt. Die Bekl. hatte mit Aushang vom 31. 10. 1996 die Voraussetzungen und Einschränkungen für die Zahlung des Weihnachtsgelds 1996 in Einzelheiten geregelt. In Nr. 5 dieser Bedingungen ist eine Kürzung des Weihnachtsgelds anteilig auch für Zeiten vorgesehen, in denen der Arbeitnehmer im Bezugsjahr arbeitsunfähig erkrankt war. Da der Kl. im Jahre 1996 insgesamt 296 Stunden arbeitsunfähig erkrankt war, zog die Bekl. ihm zunächst 12,32 DM pro Tag (= 1,54 DM pro Stunde) von dem Weihnachtsgeld ab. Der bei der Bekl. bestehende Betriebsrat wandte sich mit Schreiben vom 7. 11. 1996 an die Werksleitung und protestierte gegen die Kürzung des Weihnachtsgelds für 1996 unter Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Kl. forderte mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 25. 11. 1996 Nachzahlung des einbehaltenen Weihnachtsgeld-Teilbetrags. Hierauf antwortete die Bekl. mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 3. 12. 1996. Im Dezember 1996 wurde bei der Bekl. die Berechnungsgrundlage für die Bemessung des Kürzungsbeitrags für das Weihnachtsgeld 1996 allerdings geändert. Die Basis für den Kürzungsbetrag war nicht mehr das Weihnachtsgeld in voller Höhe, sondern nur noch der Grundbetrag von 50 % des Monatslohns. Der auf die Betriebszugehörigkeit und den Familienstand entfallende anteilige Betrag war von der Kürzung ausgenommen. Auf diese Weise ergab sich für den Kl. nur noch ein Kürzungsbetrag von 0,99 DM pro Stunde und in einer Gesamthöhe von 292,55 DM brutto. Die Bekl. zahlte an anteiligem Weihnachtsgeld für 1996 mit der Abrechnung Januar 1997 163,29 DM brutto nach. Mit seiner Klage begehrt der Kl. Nachzahlung des restlichen gekürzten Weihnachtsgeldbetrags mit dem Ziel, das Weihnachtsgeld auch im Jahre 1996 im Ergebnis in voller Höhe zu erhalten.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Dem Kl. steht aus dem Arbeitsverhältnis zur Bekl. kein weiterer Anspruch über das bereits für 1996 gezahlte Weihnachtsgeld hinaus zu. Das individualvertraglich geschuldete Weihnachtsgeld, welches in den jährlichen Aushängen im Monat Oktober jeweils näher geregelt wird, stellt nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Aushänge - sowohl im Jahre 1995 als auch im Jahre 1996 - eine Gratifikation dar und nicht eine aufgesparte Vergütung für die im Laufe des Kalenderjahres geleistete Arbeit. Hierauf wird in den Aushängen ausdrücklich hingewiesen. Es liegt eine Gratifikation mit Mischcharakter vor. Belohnt wird nicht nur die im Bezugsjahr erbrachte Arbeitsleistung, sondern auch die der Bekl. erbrachte Betriebstreue des Arbeitnehmers. Dies zeigt sich insbesondere in den Nrn. 3 und 4, die Stichtagsregelungen und Rückzahlungsklauseln enthalten, welche dem Arbeitnehmer einen Anreiz zum Verbleiben und zu weiterer Betriebstreue geben sollen.

In der neueren Rechtsprechung ist anerkannt, daß vertragliche Regelungen, welche den Rang einer Jahressonderzuwendung mit Mischcharakter unter anderem von ständiger Anwesenheit am Arbeitsplatz abhängig machen, nicht nichtig sind. Ein Verstoß gegen Bestimmungen des Lohn- und Gehaltsfortzahlungsrechts und gegen dessen Schutzzweck liegt nicht vor. Daß neben der geleisteten Arbeit auch die Betriebstreue belohnt wird, ändert sich nicht dadurch, daß der Weihnachtsgeldbezug von ständiger Betriebsanwesenheit abhängig ist und damit die Zuwendung teilweise den Charakter einer Anwesenheitsprämie erhält. Das Weihnachtsgeld ist kein fortzuzahlendes Arbeitsentgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Daher kann entweder im Einzelarbeitsvertrag oder in einer Gesamtzusage, durch die viele gleichgelagerte individualrechtliche Ansprüche der begünstigten Arbeitnehmer geschaffen werden, auch wirksam vereinbart werden, daß die Jahressonderzuwendung durch krankheitsbedingte Fehlzeiten geschmälert wird. Dies verstößt nicht gegen das Abdingungsverbot des § 12 EFZG.

Hinzu kommt im übrigen, daß das schon vor dem Aushang für 1996 vom 31. 10. 1996 in Kraft getretene neue Entgeltfortzahlungsgesetz in § 4b eine Kürzung auch von Weihnachtsgeldern ausdrücklich erlaubt. In § 4b EFZG heißt es, daß eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig ist. Die Kürzung darf allerdings für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten. Das Weihnachtsgeld stellt eine Sonderzuwendung i.S. des § 4b EFZG dar. Die Bekl. hat auch nicht die in § 4b S. 2 EFZG gesteckte Grenze überschritten, weil der Kürzungsbetrag unter Berücksichtigung des zuletzt geltenden Stundenlohns des Kl. ein Viertel des im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag für die Zeit der Krankheit entfallenden Lohns nicht überschreitet, sondern sogar deutlich darunter liegt. Die Kammer ist der Auffassung, daß das neue Entgeltfortzahlungsgesetz vom 25. 9. 1996, in Kraft getreten zum 1. 10. 1996, bereits auf die erst später im Betrieb geregelte Weihnachtszuwendung für 1996 Anwendung fand. Die Bekl. hat jährlich neue Bestimmungen für die Zahlung des Weihnachtsgelds aufgestellt und in Aushängen erst im Oktober eines jeden Jahres bekannt gegeben. Erst mit Aufstellung dieser Zahlungsgrundsätze waren die Leistungsvoraussetzungen und der Dotierungsrahmen - den die Bekl. auch jedes Jahr hätte verändern können - verbindlich festgelegt und konnten eine Grundlage für den Leistungsanspruch der Arbeitnehmer bilden. Da die Leistungsvoraussetzungen für 1996 von der Bekl. erst etwa einen Monat nach Inkrafttreten des neuen Entgeltfortzahlungsgesetzes bestimmt worden sind, liegt insoweit bei Anwendung des § 4b EFZG auch keine verbotene Rückwirkung zu Lasten von im Jahre 1996 erkrankten Arbeitnehmern vor, selbst wenn das Bezugsjahr zum 1. 1. 1996 schon begonnen hat. Unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung und der ab 1. 10. 1996 geltenden Gesetzeslage, welche eine Kürzung des Weihnachtsgelds auch für Krankheitszeiten ausdrücklich vorsieht, kann hier nicht angenommen werden, die Kürzung verstoße gegen die Grundsätze billigen Ermessens i.S. des § 315 BGB.

Hervorzuheben ist außerdem, daß die Bekl. jedes Jahr ausdrücklich in den Aushängen, die das Weihnachtsgeld näher regeln, zum Ausdruck gebracht hat, es handele sich um eine einmalige freiwillige Leistung, und auch aus einer wiederholten Zahlung entstehe kein Anspruch der Arbeitnehmer für die Zukunft. Wird das Weihnachtsgeld jedes Jahr unter einem solchen Freiwilligkeitsvorbehalt gezahlt, entsteht auch bei wiederholter und langjähriger Zahlung kein Anspruch etwa aufgrund betrieblicher. Der Arbeitgeber ist vielmehr in jedem Jahr frei, erneut darüber zu entscheiden, ob er überhaupt die Leistung gewähren will oder nicht und in welchem Umfang er dies im einzelnen tut. Auch dies entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG.

Die Bekl. war auch nicht verpflichtet, schon zu Beginn des Jahres 1996 dem Kl. und seinen Kollegen Hinweise zu geben, daß für das Jahr 1996 eine Kürzung des Weihnachtsgelds, wie in Nr. 5 des Aushangs vom 31. 10. 1996 geregelt, erfolgen würde. Insoweit kann der Kl. nicht einwenden, er habe im Vertrauen auf die volle Leistung im Jahre 1996 die Arbeitsleistung erbracht und entsprechend disponiert, und die Kürzung stelle eine erhebliche Vermögenseinbuße dar, mit der er nicht habe rechnen müssen. Die Aushänge, die die arbeitsvertraglichen Ansprüche der Arbeitnehmer auf Weihnachtsgratifikation näher regeln, wiesen gerade ausdrücklich darauf hin, daß es sich zum einen um Gratifikationsleistungen handele, und daß aus der wiederholten Zahlung kein Anspruch hergeleitet werden könne. Daher konnte der Kl. nicht auf volle Leistung auch für das Jahr 1996 vertrauen.

Die besondere Konstellation, daß trotz des Freiwilligkeitsvorbehalts aus Handlungen oder Erklärungen des Arbeitgebers dennoch ein Anspruch auf die Gratifikation in voller Höhe für das laufende Jahr entsteht, ist nicht gegeben. Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn der Arbeitgeber die Gratifikation in voller Höhe schon zugesagt hat oder diese tatsächlich an die Arbeitnehmer des Betriebs zahlt und nur einzelne Arbeitnehmer ausnimmt. Die Bekl. hat für 1996 vor der Bekanntmachung der Bestimmungen für die Auszahlung des Weihnachtsgelds 1996 vom 31. 10. 1996 keine Erklärungen abgegeben, die auf eine volle Leistung des Weihnachtsgelds unabhängig von Fehlzeiten hindeuteten. Solche Erklärungen behauptet der Kl. selbst nicht. Auch hat die Bekl. Arbeitnehmer, die im Sinne der Nr. 5 des Aushangs Fehlzeiten oder Ruhenszeiten während des Bezugsjahres 1996 hatten, nicht ungleich behandelt. Auch dies behauptet der Kl. nicht. Insoweit kann er nicht mit dem Argument gehört werden, er sei langjährig beschäftigt, und im Gegensatz zu ihm würden kürzer beschäftigte Arbeitnehmer bevorzugt, so daß eine Ungleichbehandlung vorliege. Es ist nicht ersichtlich, daß die Bekl. bestimmten Arbeitnehmern, die erkrankt waren wie der Kl., etwa das Weihnachtsgeld in voller Höhe gezahlt und nur den Kl. davon ausgenommen hat. Solche Fälle nennt der Kl. nicht. Arbeitnehmer, die erheblich kürzer als der Kl. im Betrieb beschäftigt waren, jedoch während des gesamten Bezugsjahres 1996 nicht erkrankt waren, und die infolgedessen entsprechend den von der Bekl. aufgestellten Richtlinien vom 31. 12. 1996 das Weihnachtsgeld in voller Höhe erhalten haben, wurden gegenüber dem Kl. nicht in sachlich ungerechtfertigter Weise bevorzugt. Vielmehr lag ein Fall sachfremder Ungleichbehandlung insoweit nicht vor, als die Mitarbeiter, die keine Krankheitszeiten aufwiesen, gar nicht erst unter die Kürzungsregelung der Nr. 5 des Aushangs vom 31. 10. 1996 fielen. Soweit andere Kollegen ebenso wie der Kl. vorübergehend während des Jahres 1996 ebenfalls erkrankt waren, ist nicht ersichtlich, daß eine Ungleichbehandlung vorlag, indem diese vergleichbaren Kollegen etwa zu Unrecht höheres Weihnachtsgeld erhalten hätte.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht