Presseprivileg im Bereich der Anzeigen für Schlankheitsmittel

Gericht

LG Offenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 01. 2003


Aktenzeichen

5 O 145/02 KfH


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Pflicht eines Verlages, den Inhalt eines von ihm veröffentlichten Werbeinserates rechtlich zu überprüfen, beschränkt sich auf grobe und eindeutig erkennbare Wettbewerbsverstöße.

  2. Ein grober und eindeutig erkennbarer Wettbewerbsverstoß liegt nicht vor, wenn eine abschließende wissenschaftliche Bewertung der behaupteten Wirkungsweise des beworbenen Präparates nur durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden kann.

  3. Die arzneimittelrechtliche Zulassungspflichtigkeit eines beworbenen Präparates ist für den Verlag ohne näheres wettbewerbsrechtliches Wissen nicht erkennbar. Eine Überprüfung der Zulassungssituation ist diesem unter Berücksichtigung des Gebotes der raschen Entscheidung bei der Annahme von Anzeigenaufträgen auch nicht zumutbar.

  4. Eine eingehendere Prüfungspflicht besteht für den Verlag nur dann, wenn dieser aufgrund der Kenntnis einer gerichtlichen Verbotsentscheidung für dasselbe oder ein vergleichbares Präparat mit der rechtlichen Problematik vorbefaßt ist.

  5. Einer früheren Abmahnung durch einen gewerblichen Verband kommt eine solche „Warnfunktion“ in der Regel auch dann nicht zu, wenn sie ein gleichartiges Produkt betraf.

  6. Dies gilt insbesondere, wenn die Abmahnung inhaltlich nicht geeignet ist, mit der gebotenen Deutlichkeit auf die behauptete Wettbewerbswidrigkeit hinzuweisen oder die in ihr angeführte Rechtsvorschrift keine taugliche Grundlage für das Unterlassungsbegehren darstellt.

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Verfügungskläger ist ein Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Die Verfügungsbeklagte ist Herausgeberin der Zeitschriften "Glücks Revue" und "Freizeit Revue".

In der Ausgabe 28/02 der "Glücks Revue" vom 03.07.2002 druckte die Verfügungsbeklagte folgendes Inserat ab:

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Der Verfügungskläger nahm diese Anzeige zum Anlass, die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 09.07.2002 (Anl. ASt 4) abzumahnen. Zur Begründung führte der Verfügungskläger damals aus:

"Diese Werbung ist grob täuschend, denn diese Anbieter bewerben Kapseln dahin, dass diese brustvergrößernd wirken sollen. Das ist zum einen eine Täuschung des Publikums, denn eine solche Wirkung ist nicht gegeben, zum anderen verstößt eine solche Ankündigung gegen § 4 Abs. 2 LMBG, denn derartige Mittel, die der Veränderung der Körperformen dienen, sind gemäß gesetzlicher Definition Arzneimittel und damit nur unter Zulassung als Arzneimittel verkehrsfähig".

Die Verfügungsklägerin lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab, erklärte aber, dass sie "die beanstandete Werbung nicht erneut veröffentlichen wird".

In der Ausgabe 44/02 der "Freizeit Revue" vom 23.10.2002 druckte die Verfügungsbeklagte folgende Anzeige ab (Anl. Ast 6):

"International Herbal Products cv
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Der Verfügungskläger sieht in dieser Anzeige eine irreführende, gesetzwidrige Werbung, zum einen deshalb, weil das beworbene Mittel die versprochene brustvergrößernde Wirkung nicht habe, zum anderen deshalb, weil es sich bei diesem Mittel um ein Arzneimittel handle, für das ohne Zulassung, die hier - unstreitig - fehlt, nicht geworben werden dürfe. Die Verfügungsbeklagte hat die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt.

Der Verfügungskläger beantragt,

der Verfügungsbeklagten im Wege einstweiliger Verfügung zu untersagen, die oben dargestellte, in der "Freizeit Revue" vom 23.10.2002 veröffentlichte Anzeige "Beautiful Breasts" im geschäftlichen Verkehr zu veröffentlichen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die Grundsätze über die eingeschränkte Prüfungspflicht des Verlegers im Hinblick auf die Wettbewerbswidrigkeit der von ihm veröffentlichten Werbung seiner Anzeigenkunden. Nach diesen Grundsätzen hafte die Verfügungsbeklagte nur bei groben und eindeutig erkennbaren Wettbewerbsverstößen. Auch aus der mit Schreiben vom 11.07.2002 abgegebenen - nicht strafbewehrten - Unterlassungserklärung könne der Verfügungskläger nichts für sich herleiten, weil sich diese Erklärung auf ein anderes Produkt bezogen habe. Im übrigen handele der Verfügungskläger missbräuchlich, weil er vergleichbare Werbung - in Presseprodukten des Bauer Verlages, eines Mitgliedes des Verfügungsklägers - unbeanstandet lasse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht begründet. Dem Verfügungskläger steht ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1, 3 UWG nicht zu.

Zwar stellt die beanstandete Werbung einen Wettbewerbsverstoß durch den Auftraggeber der Werbeanzeige dar (1.); wegen dieses Verstoßes kann die Verfügungsbeklagte aber nicht in Anspruch genommen werden, weil sich ihre Prüfungspflicht lediglich auf grobe und eindeutige Wettbewerbsverstöße erstreckt (vgl. z. B. BGH NJW-RR 1994, 874). Ein solch grober Verstoß durch den Anzeigenkunden liegt hier jedoch nicht vor (2.). Entgegen der Ansicht des Verfügungsklägers ist es der Verfügungsbeklagten auch nicht wegen "Vorbefassung mit der Materie" verwehrt, sich auf das Presseprivileg zu berufen (3.).

1. Nach dem Inhalt der beanstandeten Werbung handelt es sich bei dem Mittel "Beautiful Breasts" um ein Arzneimittel i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG; denn das Mittel ist dazu bestimmt, durch Anwendung am (Creme) oder im (Kapseln) menschlichen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers zu beeinflussen. Das Mittel bedarf deshalb der Zulassung nach § 21 AMG. Für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind, darf nicht geworben werden (§ 3 a Heilmittelwerbegesetz). Nach diesem rechtlichen Maßstab stellt sich die vom Antragsteller beanstandete Werbung als gesetzeswidrig und damit als wettbewerbswidrig i. S. von § 1 UWG dar.

Es kann deshalb dahinstehen, ob die Werbung auch nach § 3 UWG wegen Irreführung zu beanstanden ist, weil das angebotene Mittel die versprochene Wirkung nicht entfaltet. Vorsorglich sei hierzu aber folgendes angemerkt:

Ob mit dem angebotenen Mittel eine Brustvergrößerung erreicht werden kann, ist nach Ansicht der Kammer ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht abschließend zu beurteilen. Das ergibt sich im übrigen auch aus den vom Verfügungskläger vorgelegten Gutachten, die in früheren gerichtlichen Verfahren eingeholt wurden. Die seinerzeit mit der Beurteilung des behaupteten Wettbewerbsverstoßes befassten Gerichte haben sich ersichtlich ohne die Einholung eines Sachveständigengutachtens nicht in der Lage gesehen, die Wirkungslosigkeit der beworbenen Mittel zu bejahen. Im vorliegenden Fall dürfte nichts anderes gelten. Ausweislich der von der Verfügungsbeklagten - mit der Schutzschrift 2 OH 82/02 - vorgelegten Internetwerbung der Fa. International Herbal Products enthalten sowohl die Beautiful Breasts-Kapseln als auch die Beautiful Breasts-Cremes pflanzliche weibliche Östrogene. Ohne die Einholung eines medizinischen Gutachtens sieht sich das Gericht nicht in der Lage, ohne weiteres von der Wirkungslosigkeit dieser Inhaltsstoffe auszugehen. Immerhin wird selbst in dem vom Verfügungskläger vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. Plewig angedeutet, dass solche hormonellen Substanzen körperliche Auswirkungen haben können.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Verleger bei der Entgegennahme von Anzeigenaufträgen zwar grundsätzlich zur Prüfung verpflichtet, ob die Veröffentlichung der Anzeige gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Diese Prüfungspflicht erstreckt sich jedoch nur auf grobe und eindeutige Wettbewerbsverstöße. Der Auffassung des Verfügungsklägers, dass es sich bei der hier in Frage stehenden Anzeigenwerbung um einen derartigen groben und eindeutigen Wettbewerbsverstoß handele, kann nicht beigetreten werden. Die Wettbewerbswidrigkeit ergibt sich - nach Auffassung des Verfügungsklägers - aus zwei Gesichtspunkten, zum einen aus der fehlenden arzneimittelrechtlichen Zulassung und zum anderen aus der - behaupteten - Untauglichkeit des Mittels, die versprochene Wirkung zu erzielen. Was den letztgenannten Aspekt betrifft, setzt eine abschließende Bewertung der Werbung als irreführend und damit als wettbewerbswidrig die Einholung eines Sachverständigengutachtens voraus. Dass eine derartige Aufklärung von einem Verleger nicht verlangt werden kann, liegt auf der Hand. Aber auch die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige im Hinblick auf § 1 UWG, § 3 a Heilmittelwerbegesetz ist nicht derart grob und eindeutig und damit für den Verleger oder seine Redakteure unschwer erkennbar, dass die Verfügungsbeklagte aus diesem Grunde als Störerin in Anspruch genommen werden könnte. Die Beurteilung der Anzeige als wettbewerbswidrig im Hinblick auf § 3 a Heilmittelwerbegesetz setzt nicht lediglich ein Durchlesen des Textes voraus, sondern erfordert eine inhaltliche Analyse der in der Anzeige gemachten Angaben. Der Verleger muss erkennen, dass es sich bei dem angepriesenen Mittel um ein Arzneimittel i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG handelt, welches der Zulassung nach § 21 AMG bedarf. Er müsste des weiteren wissen, dass für nicht zugelassene Arzneimittel grundsätzlich nach § 3 a Heilmittelwerbegesetz nicht geworben werden darf. Im Anschluss an diese Prüfungsschritte müssten Erkundigungen entweder bei dem Anzeigenkunden oder der Zulassungsbehörde darüber eingeholt werden, ob das Arzneimittel zugelassen ist. Unter Berücksichtigung der Eigenart der Tätigkeit von Verlegern und Redakteuren und der Anforderungen, die an diese zu stellen sind, kann eine derart umfangreiche Prüfung im Regelfall nicht verlangt werden, zumal die Annahme von Anzeigenaufträgen unter dem Gebot einer raschen Entscheidung steht (vgl. BGH a.a.O.).

3. In Betracht kommt deshalb allenfalls, dass die Verfügungsbeklagte hier wegen Vorbefassung mit der wettbewerbsrechtlichen Problematik zu einer eingehenderen Prüfung verpflichtet gewesen wäre. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keinen Erfolg.

Der Verfügungskläger beruft sich für seine Rechtsauffassung auf ein von ihm erstrittenes Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 05.09.2002 - 6 U 105/02-. In diesem Urteil wird ausgeführt, dass sich das Haftungsprivileg von Presseuntemehmen nicht nach objektiven, sondern nach subjektiven Maßstäben richtet. Die Umstände des Einzelfalles sollen demnach darüber entscheiden, welche Prüfungspflichten dem Anzeigenredakteur zugemutet werden können (unter Hinweis auf BGH WRP 2001, 531, 533). Dies könne dazu führen, dass sich ein Verlag mit schwieriger zu beurteilenden Wettbewerbsfragen auseinandersetzen müsse, wenn er auf Grund seiner Vorbefassung hinlänglich vertraut mit der Materie gewesen sei. In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall war die Verfügungsbeklagte durch eine frühere einstweilige Verfügung darüber informiert, dass die Werbung mit "Schlankheitskapseln" gegen das Irreführungsverbot verstoßen kann. Durch diese "Warnung" sei - so das OLG Frankfurt - der verantwortliche Anzeigenredakteur für die Rechtsprobleme der Schlankheitswerbung "sensibilisiert" gewesen, weshalb an die Prüfungspflicht ein strengerer Maßstab anzulegen sei.

Auch bei Zugrundelegung dieser Grundsätze, ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Erfolg zu versagen. Zum einen fehlt es an einer "Warnung" der Verfügungsbeklagten durch ein gerichtliches Verfahren oder gar eine gerichtliche Entscheidung. Warnsignal kann hier allenfalls die Abmahnung des Verfügungsklägers vom 09.07.2002 sein. Eine solche Abmahnung bleibt aber, was ihre Warnfunktion angeht, hinter den Wirkungen einer gerichtlichen Verfügung zurück. Zum anderen war die Abmahnung vom 09.07.2002 auch inhaltlich nicht geeignet, die Verfügungsbeklagte mit der gebotenen Deutlichkeit auf die Wettbewerbswidrigkeit der damals geschalteten Anzeige hinzuweisen. Abgesehen davon, dass es sich um die Werbung für ein anderes, möglicherweise allerdings gleichartiges Produkt handelte, stellte die seinerzeitige Abmahnung in erster Linie darauf ab, die Werbung sei "grob täuschend", weil die beworbenen Kapseln keine brustvergrößernde Wirkung hätten. Dieser Gesichtspunkt lässt sich aber im vorliegenden Fall, wie oben ausgeführt, abschließend erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilen. Der andere vom Verfügungskläger angenommene Grund für das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes, die fehlende Zulassung als Arzneimittel, spielte in der Abmahnung vom 09.07.2002 nur am Rande eine Rolle. Eher beiläufig wird unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 LMBG ausgeführt, dass "derartige Mittel, die der Veränderung der Körperformen dienen, ... gemäß gesetzlicher Definition Arzneimittel und damit nur unter Zulassung als Arzneimittel verkehrsfähig" seien. Diesem rechtlichen Hinweis kann schon deshalb nicht die notwendige warnende Wirkung zugemessen werden, weil die in dem Abmahnschreiben zitierte Rechtsvorschrift (§ 4 Abs. 2 LMBG) offensichtlich einen anderen Sachverhalt regelt und keine taugliche Rechtsgrundlage für das Unterlassungsbegehren des Verfügungsklägers darstellt. Eine derart oberflächliche und dann auch nicht - gerichtlich - weiter verfolgte Abmahnung reicht nach Auffassung der Kammer nicht aus, um einen strengeren Maßstab für die Prüfungspflicht des Verlegers zu begründen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Dr. Schilling
Vizepräsident des Landgerichts

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht