Ehedrama Feldbusch / Bohlen: Bericht mit Ausriß
Gericht
KG Berlin
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
17. 08. 1999
Aktenzeichen
5 U 2833/98
Die Veröffentlichung einer dem Nutzungsrecht eines Dritten unterliegenden Fotographie in Zusammenhang mit der Berichterstattung über ein „Tagesereignis” i.S.d. § 50 UrhG ist zulässig, wenn dies für das Verständnis des Lesers erforderlich ist.
Die Veröffentlichung eines „wahrnehmbaren Werkes ” i.S.d. § 50 UrhG durch Dritte ist insbesondere dann zulässig, wenn dies nicht alleiniger Gegenstand des Tagesereignisses, sondern lediglich bei einem anderen Tagesereignis in Erscheinung getreten ist.
Die in § 50 UrhG aufgeführte Voraussetzung: „in einem durch den Zweck gebotenen Umfang” ist erfüllt, soweit die sachliche Berichterstattung und die Information des Lesers über das Tagesereignis im Vordergrund stehen.
Bei der eng vorzunehmenden Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 50 UrhG ist der sich aus Art. 5 Absatz 1 GG ergebenden Pressefreiheit in besonderem Umfange Rechnung zu tragen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. März 1998 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 22.500,- DM.
Die Revision wird zugelassen.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Veröffentlichung - Wiedergabe der Fotografie mit dem Abbild von Verona Feldbusch im Wege einer ausrißweisen Abbildung der Titelseite der Zeitung "Bild" - und auch kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Schutzrechtsverletzung zu, §§ 97 Abs. 1, 72, 17, 16 UrhG. Allerdings ist die Klägerin Inhaberin des Schutzrechts. Dass das Foto von dem Zeugen Blumenthal stammt, ist gemäß § 10 Abs. 1 UrhG zu vermuten. Gemäß § 8 Abs. 3 des Redakteurvertrages in Verbindung mit § 18 MTV für Redakteure hat er die Nutzungsrechte der Klägerin eingeräumt.
Es liegt kein Eingriff in die Nutzungsrechte der Klägerin an der Fotografie durch die ausrißweise Abbildung in der Zeitschrift "Focus" (Seite 58, Ausgabe 47/1996) vor.
Zur Bild- und Tonberichterstattung über Tagesereignisse durch Funk und Film sowie in Zeitungen oder Zeitschriften, die im Wesentlichen den Tagesereignissen Rechnung tragen, dürfen Werke, die im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden, § 50 UrhG.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
"Focus" genügt als Wochenzeitschrift, die im Wesentlichen Tagesereignissen Rechnung trägt, den Anforderungen des § 50 UrhG an die Berichterstattung (Schricker, Urheberrecht, 2. Auflage 1999, § 50 Rdnr. 13).
Sie hat auch über ein Tagesereignis berichtet. Der Artikel, überschrieben mit dem Titel "In die Hose gerutscht", informiert zu einen über das Beziehungsdrama Bohlen - Feldbusch, zum anderen darüber, dass Frau Feldbusch auf der Titelseite der Samstagsausgabe der Zeitschrift "Bild" vom 9. November 1996 mit blauem Auge zu sehen war und dass sie von ihrem Krankenbett aus geklagt habe: "So hat er mich zugerichtet". Darüber hinaus informiert der Artikel über das von Frau Feldbusch der Bild-Zeitung gegenüber abgegebene Interview zu dem besagten Vorfall. Dies erschließt sich bei einem inhaltlichen Vergleich beider Artikel. Der Vorfall lag erst einige Tage zurück, war somit noch aktuell und aufgrund der Medienpräsenz der Eheleute Bohlen - Feldbusch auch von allgemeinem Publikumsinteresse. Mithin handelt es sich um eine tatsächliche Begebenheit von allgemeinem Interesse (Schricker, a. a. O., § 50 Rdnr. 6, vgl. auch OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 220).
Die Fotografie war nicht alleiniger Gegenstand eines Tagesereignisses (vgl. BGH GRUR 1983, 25/27 Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe l"), sie ist lediglich bei einem anderen Tagesereignis in Erscheinung getreten. Die Beklagte hat nicht ausschließlich über die Fotografie berichtet, sondem darüber, dass in der Bild-Zeitung zu sehen und zu lesen war, wie Herr Bohlen Frau Feldbusch zugerichtet haben soll.
Das Werk - die Fotografie - ist auch im Verlaufe der Vorgänge, über die berichtet wurde, tatsächlich wahrnehmbar geworden. Es war neben dem Vorwurf "So hat er mich zugerichtet" in einer Größe von 10,5 x 17 cm abgedruckt.
Die Abbildung des Ausrisses des Titelblattes der Bild-Zeitung erfolgte in einem durch den Zweck gebotenen Umfang. Die Berichterstattung über den Vorwurf in der Bild-Zeitung stand sachlich im Vordergrund. Der in Rede stehende zweiseitige Artikel der Beklagten beinhaltete darüber hinaus auch ein Interview mit dem Ex-"Bild"-Chefredakteur HansHermann Tiedje, welcher dem in der Bild-Zeitung abgedruckten Vorwurf von seiten Frau Feldbusch als ehemaliger Freund des Herrn Bohlen keinen Glauben habe schenken wollen. Herr Bohlen dementierte ebenfalls den Vorwurf. "Focus" schreibt auf Seite 58: Doch können Veronas traurige Augen auf der Titelseite der Bild-Zeitung lügen? Vor allem das linke, blau verschwollene? 'So hat er mich zugerichtet', klagte die 28-Jährige Fernsehmoderatorin". Die Beklagte wollte ihre Leser damit auffordern, sich selbst eine Meinung über den Vorwurf zu bilden. Dazu gab sie den wesentlichen Inhalt des Krankenhaus-Interviews der "Bild" wieder und bildete den Vorwurf auf Seite 1 der Bild-Zeitung ausrißweise ab. Ein Weglassen der Fotografie, etwa durch Ausschneiden nur der Schlagzeile, kam nicht in Betracht. Die Fotografie macht den Vorwurf erst anschaulich. Würde die Fotografie fehlen, wüßte der Leser nicht, was mit "So hat er mich zugerichtet." gemeint ist. In diesem Zusammenhang ist auch das von der Beklagten verwendete Format nicht zu beanstanden. Die Fotografie hatte in der Abbildung eine Größe von 2 x 3,5 cm. Der Senat verkennt dabei nicht, dass § 50 UrhG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, wobei jedoch das Grundrecht der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG (Pressefreiheit) zu berücksichtigen ist. Vorliegend rechtfertigt das Interesse an einer anschaulichen und informativen Berichterstattung den Abdruck des Fotos, das den Text über das "Ehedrama" begleitet und veranschaulicht (vgl. BGH GRUR 1983, 25 (27) - "Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe l").
Die Revision hat der Senat gemäß § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, da die Auslegung des 50 UrhG von grundsätzlicher Bedeutung ist. Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Bornemann
Gröning
Crass
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