Vertragsdissens und § 97 UrhG als Auffangtatbestand
Gericht
LG München I
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
04. 09. 2002
Aktenzeichen
21 S 3867/02
Übermittelt ein Journalist einen von ihm gefertigten Reisebericht sowie dazugehöriges Fotomaterial zur Veröffentlichung an einen Verlag mit dem Vermerk "exklusiv" auf dem Reisebericht, obwohl die Redaktion nur Fotos zur Veröffentlichung einer Aufnahme oder von zwei Aufnahmen angefordert hatte, kommt kein Vertrag zustande.
Veröffentlicht die Zeitschrift in diesem Falle lediglich ein Foto, so steht dem Journalisten kein Schadenersatzanspruch wegen "Verlustes der Exklusivität" zu. Dies gilt auch dann, wenn der entsprechende Bericht der Illustrierten mit der Überschrift "exklusiv" versehen war.
Die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr i.S.d. § 97 UrhG wegen der Erstveröffentlichung des betreffenden Fotos beschränkt sich auf das übliche sog. "Anstrichhonorar".
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß 5 543 Abs. 1 ZPO a.F. (vgl. § 26 Nr.. 5 EGZPO - Zeitpunkt gemäß § 128 Abs. 2, Satz 2 ZPO: 28.12.2001) abgesehen.
Die zulässigen Berufungen (§§ 518, 519 a.F.) erweisen sich nur hinsichtlich der von der Beklagten eingelegten Berufung als begründet.
1. Die Kammer folgt dem Amtsgericht dahingehend, dass ein Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Zeugin für die Beklagte von vornherein darauf hingewiesen hat, dass nur ein bis zwei der Fotos des Klägers im Rahmen einer Notiz in der Rubrik "Leute" veröffentlicht werden sollten. Der Kläger dagegen hat nach Auffassung der Kammer nicht bewiesen, dass er die Zeugin darauf hingewiesen hat, dass für ihn ausschließlich eine Exklusiv-Verwertung in Frage käme; unabhängig davon ob er tatsächlich darüber mit der Zeugin gesprochen hat, was diese energisch in Abrede stellt, ist der Erklärungswert, der in der Zusendung der Dias trotz der von der Zeugin betonten Erklärung, es sei nur die Veröffentlichung eines oder zweier Fotos beabsichtigt, liegt jedenfalls nicht dahingehend zu verstehen, dass der Kläger unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hätte, nur mit einer Exklusiv-Verwertung einverstanden zu sein.
Ein Vertrag ist aber schon mangels Einigung über ein Honorar jedenfalls bei der streitgegenständlichen Konstellation nicht zustande gekommen, sodaß sich der Anspruch des Klägers nach 97 UrhG bestimmt.
Dabei ist für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch, der nicht mit der Lizenzgebühr für die Veröffentlichung, sondern mit dem Verlust der Exklusivität begründet wird, keine deliktrechtliche Anspruchsgrundlage zu erkennen, da es sich um einen Vermögensschaden handelt. Allenfalls könnte ein Anspruch aus culpa in contrahendo in Frage kommen, bei dem nach dem oben gesagten aber ein weit überwiegendes Mitverschulden des Klägers vorläge.
Auch bei der Schadensberechnung kann die Kammer dem Amtsgericht aber nicht folgen:
a) Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger angesichts der Erklärungen der Zeugin nicht davon ausgehen konnte, die von ihm gewünschte Exklusiv-Veröffentlichung mit einer entsprechenden Honorierung werde von Seiten der Beklagten vorgenommen werden. Wenn er dennoch die streitgegenständlichen Dias und den Bericht übersandte, war für die Beklagte jedenfalls nicht erkennbar, dass er mit einer Veröffentlichung nur eines Bildes wegen Verlusts der Exklusivität nicht einverstanden wäre. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift über den von ihm gefertigten Bericht über die Reise als "exklusiv"; die Bedeutung des Wortes "exklusiv" in diesem Zusammenhang lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht ohne weiteres dahingehend verstehen, dass es eben auf eine Exklusivität der Veröffentlichung ankam.
b) Darüber hinaus ist nach Auffassung der Kammer die Kausalität der Verletzungshandlung der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden nicht schlüssig dargelegt und der Beweisantritt durch Erholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht geeignet, einen Beweis zu erbringen:
aa) Der Kläger macht geltend, er wäre in der Lage gewesen, den Bericht bei einer anderen Zeitschrift zu einem Honorar von 8.000,-- DM "exklusiv" unterzubringen. Die Kammer ist der Auffassung, dass dies zwar möglicherweise nicht unwahrscheinlich, jedoch nicht sicher ist, sodaß nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Kläger tatsächlich ein derartiges Honorar durch die Handlung der Beklagten entgangen ist, wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine weitere Verwertung, wie vom Amtsgericht angenommen, in nicht exklusiver oder exklusiver Form möglich gewesen wäre.
bb) Einen derartigen Beweis hätte der Kläger nur dann führen können, wenn er konkret die Bereitschaft einer Zeitschrift, eine derartige Exklusiv-Veröffentlichung vorzunehmen, hätte belegen können; der Kläger hätte sich also unmittelbar nach der streitgegenständlichen Veröffentlichung durch die Beklagte bei anderen Zeitschriften erkundigen müssen, ob diese für den Fall der Exklusivität eine solche Veröffentlichung vorgenommen hätten und gegebenenfalls entsprechende Zeugen benennen müssen.
Dies ist heute nicht mehr möglich und die Kammer ist der Auffassung, dass eine nunmehrige derartige Recherche des Klägers nicht geeignet wäre, zuverlässig Beweis für die von ihm behaupteten Tatsachen zu erbringen, sodaß auch entsprechende Hinweise nicht erfolgversprechend gewesen wären.
cc) Der Fall liegt hier anders als bei der Schätzung eines Schadens beim Verlust einer größeren Anzahl von Bildern, etwa auf dem Weg zurück von einer Zeitschrift zu einer Fotoagentur, bei dem zwar nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein bestimmtes Bild hätte vermarktet werden können, aber mit Sicherheit angenommen werden kann, dass von der Vielzahl von Bildern eine gewisse Anzahl gebührenpflichtig durch entsprechende Verwender (Zeitschriften, Werbeagenturen etc.) verwendet worden wäre. Nur in einem solchen Fall ist aber nach Auffassung der Kammer der Verlust einer Vermarktungschance schadensersatzpflichtig, während es bei einer möglichen, aber unsicheren Vermarktungschance hinsichtlich eines einzelnen Bildes oder einer einzelnen Reportage, die, mag diese auch aus vielen Bildern bestehen, wie hier, nur aus aktuellem Anlass erfolgen kann, nicht möglich ist, eine prozentuale Schadensberechnung vorzunehmen. In einem derartigen Fall muss immer die konkrete Verwertungsmöglichkeit zu dem höheren Preis, die durch die Verletzungshandlung gestört sein soll, bewiesen werden.
3. Die angemessene Lizenzgebühr hinsichtlich der streitgegenständlichen Veröffentlichung schätzt die Kammer entsprechend der von der Beklagten im vorliegenden Fall geübten Praxis mit 250,--DM, sodaß die Klage insgesamt abzuweisen war, da die nach § 97 UrhG geschuldete Schadensersatzforderung bereits bezahlt ist. Insoweit kann die Kammer auch keinen Unterschied zwischen einer Erst- oder Zweitverwertung sehen, nachdem das Bild eher beiläufig in einer Sammelrubrik abgedruckt war. Die Kammer sieht sich aufgrund ihrer ständigen Befassung mit derartigen Rechtsstreitigkeiten auch in der Lage, diese Schätzung ohne Zuhilfenahme eines Sachverständigen durchzuführen.
4. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen, die der Beklagten war erfolgreich. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1, 91 ZPO. Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. - vgl. § 26 Nr. 7 EGZPO). Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst, da das Urteil aufgrund von § 26 Nr. 8 EG ZPO unzweifelhaft keinem Rechtsmittel unterliegt.
Kaess
Vors. Richter am Landgericht
Meyberg
Richter am Landgericht
Müller
Richter am Landgericht
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