Fotografenvergütung für die Werbung einer Zeitschrift mit Fotos von Barbara und Boris Becker

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

28. 11. 2002


Aktenzeichen

3 U 26/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Vertrag zwischen einem People-Magazin und einer Berufsphotographin deckt grundsätzlich die Verwendung des Titelblattes in der Heftwerbung.

  2. Im Werbefernsehen ist es absolut unüblich, Urheberrechtsvermerke anzubringen.

  3. Ein Bild, das der Betrachter im Werbefernsehen nur eine halbe Sekunde sieht, kann er nicht ästhetisch würdigen. Deshalb muss ein etwaiger künstlerischer Wert bei einer Vergütung nicht berücksichtigt werden.

  4. Auch wenn jedes Bild einzeln kaum wahrnehmbar ist, kann der Betrachter die Vielfalt erkennen. Deshalb ist es für eine Vergütung erheblich, dass es sich um mehrere Bilder handelt.

  5. Wenn das Bild kaum wahrnehmbar ist und deshalb in der konkreten Werbung keine besondere Wirkung entwickelt, greift der Grundsatz nicht, dem einzelnen Bild einen hohen Werbewert zuzusprechen und es höher als bei einer redaktionellen Verwendung zu vergüten.

  6. Kein Abschlag in der Vergütung lässt sich daraus ableiten, dass die Bilder im Rahmen einer Werbung für die Zeitschrift verwendet wurden, die die Aufnahmen erlaubterweise enthielt.

  7. Die Exklusivität gewährt allein keine Wertbeständigkeit. Mindestens so wichtig wie die Exklusivität ist die Aktualität.

  8. Häufige Verbreitung rechtfertigt, auf die Honorar-Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM-Empfehlungen) 75 % aufzuschlagen.

  9. Etwa 30 % sind auf die MFM-Empfehlungen abzuschlagen, wenn nur regional geworben wird.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 8. Dezember 2000 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, über die bereits zugesprochenen 25.600 DM (13.089,07 €) nebst 4 % Zinsen seit dem 17.09.1998 hinaus weitere 23.200 DM (11.861,97 €) nebst 4 % Zinsen seit dem 17.09.1998, also insgesamt 24,951,04 € (48.800 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 17.09.1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Es tragen von den Kosten das Rechtsstreits erster Instanz die Klägerin 85 % und die Beklagte 15 % und von den Kosten zweiter Instanz die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 28.000 €, die Klägerin durch eine solche von 4.000 € abwenden, wann nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Das Ehepaar Boris und Barbara Becker reiste Anfang 1995 mit dem kleinen Sohn Noah nach Australien zu einem Tennisturnier. Die Klägerin ist Berufsphotographin und mit der Familie Becker befreundet. Sie begleitete sie und machte im Auftrage der Beklagten, die auch die Spesen trug, für ... Aufnahmen von der Familie für einen exklusiven Bericht in der Nummer 4/1995 (Januar) der Zeitschrift ... . Für die Zweitverwertung von 15 Aufnahmen in der Zeitschrift "Freizeitrevue" wurden ... DM gezahlt.

Wegen dreier ein Jahr später ungenehmigt veröffentlichter Aufnahmen erkannte das Landgericht Hamburg der Klägerin einen Schadensersatz von je 3.000 DM zu, versagte hingegen einen "Veletzeraufschlag" von 100 %. Die Berufung der Klägerin wies der Senat zurück (3 U 17/97). Während des Berufungsverfahrens stellte sich heraus, daß die Beklagte vier Aufnahmen in einem Werbespot für die ... verwendet hatte, und der Senat verurteilte nach einer Klageerweiterung zur Auskunft, wann und wie lange die vier Aufnahmen in Femseh-Spots ausgestrahlt worden seien, und stellte die Schadensersatzpflicht der Beklagten fest.

In einem Werbespot von 20 sec., der am 17./18.01.1995 insgesamt dreizehnmal bei RTL, SAT1 und ZDF ausgesendet wurde, waren sechs Aufnahmen der Klägerinin sehr schneller Einblendung und das Titelblatt des Heftes 4/95 mit einer solchen Aufnahme verwendet worden (Heftwerbung).

Außerdem warb ein zweiter Spot ganz allgemein für die ... (Abonnentenwerbung). In ebenfalls schneller Bildfolge wurden unterschiedliche Themen angesprochen und unter anderem vier Aufnahmen der Klägerin von der Familie Becker verwendet (hierauf bezog sich die Feststellung des Senats). Diese Werbung wurde im Mai bis Juli 1996 528 mal vom Regionalsender Hamburg 1 und im November 1996 68 mal vom Regionalsender TV München ausgestrahlt.

Die Klägerin, die von der Beklagten nur 1.200 DM als Entschädigung erhalten hatte, hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 148.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird, hat das Gutachten eines Sachverständigen für Fotodesign eingeholt und die Beklagte unter Berücksichtigung der erhaltenen 1.200 DM zur Zahlung von 25.600 DM verurteilt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit Ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

das Urteil das Landgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die bereits zugesprochenen 25.600 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17.09.1998 hinaus weitere 122.400 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17.09.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuwelsen,

und verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsgründen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre vorbereitenden Schriftsätze mit Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat nur zum Teil Erfolg.

1. Im Hinblick auf die Anspruchsgrundlagen kann auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Darum wird in zweiter Instanz nicht gestritten.

Es geht den Parteien darum, wie der der Klägerin entstandene Schaden nach § 287 ZPO zu bemessen ist. Dabei folgt der Senat dem Landgericht darin, daß die Verwendung des Titelsblattes der Zeitschrift ... in der überregionalen Heftwerbung für die Ausgabe 4/1995 von den vertraglichen Abreden der Parteien gedeckt war und nicht zu Schadensersatzforderungen berechtigt. Er ist gleichermaßen der Meinung, daß ein genereller 100%iger "Verletzeraufschlag" nicht in die Berechnung der Lizenz einfließen kann, weil es dafür keine Anspruchsgrundlage gibt. Auch insoweit wird ergänzend auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

Der Senat teilt schließlich die Auffassung, daß der fehlende Urhebervermerk für einen materiellen Schaden nicht kausal geworden ist, weil es - wie seine Mitglieder aus eigener Sachkunde beurteilen können und wie es von dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Schmitz bestätigt worden ist - im Werbefernsehen absolut unüblich ist, Urheberrechtsvermerke anzubringen, die im Regelfall ohnehin unerkennbar bleiben würden.

Gegenstand der Berufung ist hingegen nicht der der Klägerin zugesprochene Ersatz immateriellen Schadens von 10.000 DM, denn die hierdurch beschwerte Beklagte hat keine Berufung eingelegt.

2. Demnach ist nach § 287 ZPO zu beurteilen, ob und inwieweit der materielle Schaden, der der Klägerin durch die Verwendung der sechs Aufnahmen in der Heftwerbung und der vier Aufnahmen in der Abonnentenwerbung erwachsen ist, nach den verbleibenden Erkenntnismöglichkeiten über dem vom Landgericht zugesprochenen Betrag liegt. Dabei sind die in die Honorar-Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM-Empfehlungen) eingeflossenen Erfahrungswerte ein wertvoller Anhaltspunkt. Der Sachverständige hat sie herangezogen, und die Klägerin beruft sich ebenfalls auf sie.

Der Senat schätzt den Gesamtschaden auf 40.000 DM, also 20.452 €. Dabei haben ihn folgende Überlegungen geleitet:

a. Die sechs Aufnahmen sind an zwei Tagen insgesamt 13 mal im Fernsehen ausgestrahlt worden. Die MFM-Empfehlungen '95 sahen für "TV (Werbespots) pro Einblendung (10 Sek.) 3500" DM vor. Daß damit nicht jede einzelne Einblendung gemeint war, ergibt sich aus der Erläuterung: "Die Nutzungsübertragung gilt für einen Monat und pro Sprache. Jeder weitere Monat: 1500". Sie zeigt, daß mit dem jeweiligen Betrag eine Nutzung von einem Monat abgegolten worden sollte. Erst im Jahre darauf stellen die MFM-Empfehlungen auf die Anzahl der Ausstrahlungen ab. Selbst wenn man diesen Gesichtspunkt auf das Vorjahr übertragen wollte, ergäbe sich kein höherer Wert, denn mit dem Mindesthonorar sind dort bis zu 15 Ausstrahlungen abgegolten.

Die Klägerin macht geltend, ihre Aufnahmen seien von hoher Exklusivität, in ihrem künstlerischen Wort seien sie mit gewöhnlichen Aufnahmen, an die bei den MFM-Empfehlungen gedacht werde, nicht zu vergleichen. Zum künstlerischen Wert braucht sich der Senat nicht zu äußern, denn ein Bild, das der Betrachter nur eine halbe Sekunde sieht, kann er ohnehin nicht ästhetisch würdigen. Dieser Gesichtspunkt läßt sich für eine Wertsteigerung nicht ins Feld führen können. Anders steht es mit der Exklusivität. Sie ist für den Marktwert entscheidend. Das zeigt sich darin, daß die Beklagte für die Aufnahmen 75.000 DM zuzüglich Spesen und für eine Zweitverwertung von 15 Aufnahmen Im Februar 1995 100.000 DM, also je Bild nicht ganz 7.000 DM, erhalten hat.

Dieser Wert läßt sich aber nicht unbesehen übernehmen oder gar unter dem Gesichtspunkt erhöhen, daß eine Nutzung in der Werbung höher vergütet werde als in redaktionellen Beiträgen. Zwar hat auch der Sachverständige bestätigt, daß Bilder in der Werbung höher vergütet werden, aber die MFM-Empfehlungen sehen ihre Honorare bereits für eine Verwendung in der Werbung vor, und die konkrete Nutzung der Bilder verbietet es, hier schematisch eine Bemessung vorzunehmen, die im Regelfall zu angemessenen Ergebnissen führen mag, den Besonderheiten des vorliegenden Falles aber nicht Rechnung trägt.

Der Sachverständige ist der Auffassung, die Sequenz der sechs Bilder in der Heftwerbung, die insgesamt nur 3 Sekunden zu sehen sei und deshalb nicht differenziert aufgenommen werden könne, sei wie ein "Gesamtbild Familie Becker" anzusehen. Dem kann sich der Senat ebensowenig wie das Landgericht anschließen. Zwar ist jedes Bild einzeln kaum wahrnehmbar, trotzdem kann der Betrachter erkennen, daß es sich um verschiedene Aufnahmen handelt, zumal er bei mehrfacher Ausstrahlung die Werbung wiederholt sehen wird. Sein Eindruck von der Vielfalt, die die beworbenen Illustrierte bietet, wäre ein anderer, wenn er wirklich drei Sekunden lang nur ein Bild sähe. Deshalb kommt es durchaus darauf an, daß es um mehrere Bilder geht.

Andrerseits kann nicht außer Betracht bleiben, daß sich der Zuschauer wegen der kurzen Dauer von nur einer halben Sekunde je Bild der einzelnen Aufnahme nicht näher widmen kann. Für ihn bleibt es nur als Motiv faßbar. Das einzelne Bild entwickelt in der konkreten Werbung keine besondere Wirkung. Es ist nur Teil der dem Zuschauer vermittelten Werbebotschaft, er könne in dem beworbenen Zeitschriftenheft die exklusiven Aufnahmen der Familie Becker sehen, während er die einzelne Aufnahme nicht betrachten kann. Was es im Regelfall rechtfertigt, dem einzelnen Bild einen hohen Werbewert zuzusprechen und es höher als bei einer redaktionellen Verwendung zu vergüten, kommt hier überhaupt nicht zum Tragen.

In Abwägung dieser Umstände schätzt der Senat den Wert des einzelnen Bildes wegen seiner Exklusivität zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in der konkreten Verwendung auf 5.000 DM. Demnach beträgt der der Klägerin erwachsene Schaden 30.000 DM.

Hingegen erscheint es nicht gerechtfertigt, einen weiteren Abschlag vorzunehmen, weil die Bilder im Rahmen einer Werbung für die Zeitschrift verwendet wurden, die die Aufnahmen erlaubterweise enthielt. Die Beklagte hat ja gerade auf die Möglichkeit verzichtet, mit der Klägerin eine entsprechende Honorarvereinbarung zu treffen. Sie kann nicht erwarten, so gestellt zu werden, als habe sie es getan.

b. Auf die regionale Werbung mit vier Bildern für die Zeitschrift ... allgemein lassen sich diese Überlegungen nur bedingt übertragen. Die Bilder sind unter ähnlichen Modalitäten im Mai bis Juli 1996 528 mal vom Regionalsender Hamburg 1 und im November 1996 68 mal vom Regionalsender TV München ausgestrahlt worden.

Exklusivität ist nur ein wertbildender Faktor. Mindestens so wichtig ist die Aktualität, so daß Exklusivität allein keine Wertbeständigkeit gewährleistet. Das zeigt das eigene Verhalten der Klägerin. Sie hat sich für eine redaktionelle Verwendung der Bilder Anfang 1996, also nur ein Jahr später, mit einem Nutzungsentgelt von 3.000 DM, also weniger als der Hälfte des Wertes im Jahre zuvor, zufrieden gegeben, denn ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts, das diesen Betrag zugesprochen hatte, richtete sich nur dagegen, daß ihr ein "Verletzerzuschlag" von 100 % versagt worden war. Dem entspricht es, daß die Klägerin im Jahre 2000 für einzelne Bilder bei redaktioneller Verwendung nur noch etwa 1.500 DM erhalten hat, denn sie trägt vor, sie habe im Zusammenhang mit der Scheidung des Ehepaares Becker von den Zeitungen in den meisten Fällen für ein Bild diesen Betrag bekommen.

Das rechtfertigt es, den Ausgangswert je Bild bei Verwendung in der Werbung der Beklagten entsprechend von 5.000 DM auf 2.000 DM zu reduzieren. Innerhalb eines Jahres war der Wert auf weniger als die Hälfte gesunken. Inzwischen war ein weiteres halbes Jahr vergangen, für die Aussendung im November sogar noch mehr, und auch der Regelvergütungssatz der MFM-Empfehlungen hatte sich für 1996 bei üblicher Verwendung von 3.500 DM auf 3.000 DM verringert.

In Anlehnung an die Erfahrungswerte, die sich in den MFM-Empfehlungen niedergeschlagen haben, erscheint es auch dem Senat angemessen, auf den Ausgangsbetrag von 2.000 DM etwa 75 % aufzuschlagen, weil die Werbung so häufig verbreitet wurde, andrerseits einen Abschlag von etwa 30 % vorzunehmen, weil dies nur in Regionalsendern geschehen ist, so daß der Senat den Wert auf 2.500 DM schätzt. Das ergibt einen Gesamtschaden wegen der Abonnentenwerbung von 10.000 DM.

Damit beläuft sich der materielle Schaden der Klägerin auf insgesamt 40.000 DM, von denen sie bereits 1.200 DM von der Beklagten erhalten hat. Von den verbleibenden 38.800 DM hat das Landgericht ihr (neben dem immateriellen Schadensersatz von 10.000 DM) 15.600 DM zugesprochen, so daß sie noch 23.200 DM zu erhalten hat.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 288, 291 BGB, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 a. F. und § 543 Abs. 2 n. F. ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weit es Aufgabe des Tatrichters ist, einen Schaden nach § 287 ZPO zu bemessen.


Brüning

von Framqué

Spannuth

Vorinstanzen

LG Hamburg, 308 O 286/98, 8. 12. 2000

Rechtsgebiete

Urheberrecht