"MICRO FOCUS"

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

08. 11. 2001


Aktenzeichen

7 O 7726/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Mit der (nicht besonders bekannten Marke) "MICRO FOCUS" kann nicht wegen Verwechslungsgefahr erfolgreich gegen die Marke FOCUS vorgegangen werden.

  2. Bei Wortzeichen beachtet der Verkehr in der Regel den Wortanfang stärker als nachfolgende Wortteile (Übernahme der BGH-Rechtsprechung).

  3. Die Benutzungsfrist, die bei einem Löschungsantrag wegen Verfalls einer Marke zu beachten ist, beginnt erst mit dem Ablauf etwaiger Widerspruchsverfahren zu laufen. Dabei ist es unerheblich, wenn die Widersprüche nur gegen einzelne Waren/Dienstleistungen der jüngeren Marke gerichtet sind.

Tenor


  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist für die Beklagte hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 17.000,-- vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche auf Löschung einer eingetragenen Marke geltend ...

Entscheidungsgründe

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1 ) Mit ihrem Klageantrag I. begehrt die Klägerin die Teillöschung der angegriffenen Wortmarke der Beklagten Nr. 394 075 641 "FOCUS" im Hinblick auf die prioritätsältere Klagemarke 1 077 386 "MICRO FOCUS" aus dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr gemäß §§ 51 Abs. 1, 9 Abs. 1 Ziff. 2 MarkenG. Die Klage war diesbezüglich abzuweisen, weil keine Verwechslungsgefahr besteht.

a) Beim Zeichenvergleich ist zunächst die Kennzeichnungskraft der Klagemarke festzustellen. Je größer nämlich die Kennzeichnungskraft eines Zeichens ist, desto größer ist der ihm zuzubilligende Schutzumfang gegen Verwechslungsgefahr (BGH, GRUR 95, 50 ff. - Indorektal/Indohexal).

Bei zusammengesetzten Zeichen wie "MICRO FOCUS" ist dabei die Kennzeichnungskraft für das Zeichen als Ganzes, d. h. nach dessen Gesamteindruck, nicht isoliert für die einzelnen Zeichenbestandteile zu bestimmen (BGH, GRUR 96, 198/199 - Springende Raubkatze -, BGH, GRUR 95, 50 ff. - Indorektal/Indohexal). B

Wenn, wie im streitgegenständlichen Fall, eine Übereinstimmung nur in Bestandteilen der sich gegenüberstehenden Zeichen ("FOCUS" und "MICRO FOCUS") vorliegt, ist die Kennzeichnungskraft des kollisionsbegründenden Bestandteils nach den Regeln der Prägetheorie des BGH zu ermitteln. Hierbei ist auf den Gesamteindruck des Zeichens abzustellen. Unter Umständen kann danach einem einzelnen Bestandteil einer Marke eine besondere, das gesamte Zeichen "prägende" Kennzeichnungskraft beizumessen sein mit der Folge, daß im Einzelfall bereits bei einer Übereinstimmung der angegriffenen Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen Verwechslungsgefahr bejaht werden kann (GRUR 96, 977 - Drano/P 3 drano -, GRUR 90, 367 ff. - alpi/Alba Moda -, GRUR 96, 775 f. - Sali Toft -). Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß der übereinstimmende Teil in dem Gesamtzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung hat und dort nicht derart untergeht oder in den Hintergrund tritt, daß er durch die Einfügung in das Gesamtzeichen seine Eignung verliert, die Erinnerung an dieses wachzurufen (BGH, GRUR 96, 198/199 - Springende Raubkatze -). Wird der Gesamteindruck durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, ist kein Bestandteil prägend in diesem Sinne (BGH GRUR 96, 777/778 - Joy -, GRUR, 96, 775 f. - Sali Toft -, GRUR 91, 319/320 - Hurricane -, GRUR 90, 367/369 - alpi/Alba Moda -).

Im Streitfall ist festzustellen, daß sich das Zeichen "MICRO FOCUS" aus zwei im wesentlichen beschreibenden Bestandteilen zusammensetzt, nämlich zum einen aus "MICRO" als gängige Umschreibung des Begriffs "klein" und "FOCUS" als anderweitige Bezeichnung für "Brennpunkt". Keiner der Markenbestandteile ist prägend, vielmehr ist von einem Gleichgewicht der Elemente in ihrer Kennzeichnungskraft auszugehen. Der jeweils beschreibende Kern bewirkt, daß die Marke "MICRO FOCUS" insgesamt mit eher schwacher, allenfalls durchschnittlicher Kennzeichnungskraft ausgestattet ist. Während aber starke Marken über einen erheblich erweiterten Schutzumfang verfügen, der nur bei deutlichen Unterschieden eine Verneinung der Zeichenähnlichkeit erlaubt, kann diese bei schwachen Marken schon bei geringen Unterschieden zu verneinen sein (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14, 194 m.w.N.).

b) Vor dem Hintergrund, daß der Gesamteindruck der Klagemarke durch gleichgewichtige Elemente bestimmt und der Bestandteil "FOCUS" nicht prägend ist, gilt für die Frage der Verwechslungsgefahr folgendes:

Der BGH hat wiederholt betont, daß der Verkehr in der Regel bei Wortzeichen den Wortanfang stärker beachtet als nachfolgende Wortteile (z. B. BGH GRUR 95, 50 ff. - Indorektal/Indohexal -, siehe auch Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14, S. 328 m.w.N.). Nach Ansicht der Kammer wahrt bereits insoweit das angegriffene Zeichen "FOCUS" einen ausreichenden Abstand zur Klagemarke, die angesprochenen Verkehrskreise setzen "MICRO FOCUS" nicht gleich mit "FOCUS".

Dies unterstreicht auch die Feststellung, daß weder das Schriftbild Ähnlichkeiten aufweist, noch klangliche oder begriffliche Zeichenähnlichkeit besteht.

Während nämlich "FOCUS" sich aus lediglich einem Wort mit zwei Silben zusammensetzt, besteht "MICRO FOCUS" letztlich aus zwei Wörtern mit 4 Silben, wodurch ein grundsätzlicher Unterschied in der Schreibweise hervorgerufen wird.

Eine phonetische Ähnlichkeit besteht ebenfalls nicht. Nach Ansicht der Kammer kann der Verkehr zwischen "FOCUS" einerseits und "MICRO FOCUS" andererseits in klanglicher Hinsicht eindeutig unterscheiden. Zur höchstrichterlichen Rechtsprechung in Bezug auf die Wahrnehmung des Wortanfangs (siehe oben) wird Bezug genommen.

Schließlich liegt auch keine begriffliche Zeichenähnlichkeit vor. Zwischen dem Wortsinn von "FOCUS" und "MICRO FOCUS" besteht ein deutlicher Unterschied, den der Verkehr ohne weiteres schon dadurch wahrnimmt, weil er mit dem Begriff "MICRO" die Vorstellung "klein" verbindet. Eine solche Assoziation wird bei "FOCUS" nicht hervorgerufen.

Im Ergebnis ist somit festzuhalten, daß die Marke "FOCUS" nicht mit dem Zeichen "MICRO FOCUS" verwechselbar ist. "FOCUS" hält ausreichenden Abstand zur Klagemarke. "FOCUS" ist nicht prägender Bestandteil von "MICRO FOCUS", beide Wortelemente sind gleichwertig. Angesichts der allenfalls durchschnittlichen Kennzeichnungskraft von "MICRO FOCUS" und des damit verbundenen normalen Schutzumfangs besteht nach Ansicht der Kammer, die sich zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählt, nicht die Gefahr von Verwechslungen. Der Verkehr bringt mit der Verwendung der angegriffenen Marke "FOCUS" im geschäftlichen Verkehr nicht das Unternehmen der Klägerin bzw. deren Produkte in gedankliche Verbindung. Auf einen erweiterten Schutzumfang wegen besonderer Bekanntheit der Marke kann sich die Klägerin nicht berufen (allenfalls gälte dies für die Beklagte hinsichtlich "FOCUS", was aber unbeachtlich ist, da der Schutzumfang der Klagemarke durch nachträglich erfolgte intensive Bewerbung von "FOCUS" durch die Beklagte nicht eingeschränkt werden kann). Auf die Frage der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit kam es angesichts des vorhandenen ausreichenden Zeichenabstands nicht an. Auch bei der Bewerbung ähnlicher Waren/Dienstleistungen für "FOCUS" im Vergleich zu den nach der Klagemarke geschützten Waren/Dienstleistungen wird der Verkehr nicht an das klägerische Unternehmen bzw. die Marke "MICRO FOCUS" denken.

2) Auch aus dem klageerweiternden Antrag I. a. kann die Klägerin die begehrten Unterlassungsansprüche nicht herleiten.

Sie stützt sich diesbezüglich ausschließlich auf den Löschungsanspruch des Verfalls einer Marke nach § 49 Abs. 1 MarkenG. Danach wird die Eintragung einer Marke auf Antrag wegen Verfalls gelöscht, wenn die Marke nach dem Tag der Eintragung innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von 5 Jahren nicht gemäß § 26 MarkenG benutzt worden ist.

Die angegriffene Marke der Beklagten wurde ausweislich der Anlage K 1 am 23. Mai 1996 in das Markenregister eingetragen. Die Beklagte selbst beruft sich nicht auf rechtserhaltende Benutzung. Gleichwohl kommt eine Markenlöschung nicht in Betracht. Unstreitig sind derzeit mehrere Widerspruchsverfahren. in Richtung auf die angegriffene Marke "FOCUS" beim Bundespatentgericht anhängig (Anlage B 14). Dies hat nach § 26 Abs. 5 MarkenG zur Folge, daß die Marke "FOCUS" noch nicht rechtskräftig eingetragen ist. In Richtung auf die Benutzungsschonfrist gilt in diesen Fällen, daß diese nicht ab dem Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke zu laufen beginnt, sondern erst mit Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Dabei spielt es keine, Rolle, ob der Widerspruch nur gegen einzelne Waren/Dienstleistungen der jüngeren Marke gerichtet ist. Der Benutzungszwang beginnt auch in solchen Fällen hinsichtlich der Marke insgesamt und aller ihrer Waren/Dienstleistungen erst mit Beendigung der Widerspruchsverfahren (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 26, Rn. 130/131).

3) Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.


Rabl Hübner Lehner
Vorsitzender Richter Richterin Richter
am Landgericht am Landgericht am Landgericht

Rechtsgebiete

Markenrecht