Vertragsstrafenabreden nach der Schuldrechtsreform
Gericht
ArbG Bochum
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
08. 07. 2002
Aktenzeichen
3 Ca 1287/02
Der bisherigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden im Arbeitsverhältnis (vgl. u.a. BAG [30. 11. 1994], NZA 1995, 695 = DB 1996, 432) ist wegen der mit Wirkung vom 1. 1. 2002 in Kraft getretenen §§ 305ff. BGB und der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Aufhebung des AGBG die wesentliche gesetzliche Grundlage entzogen, soweit die Vertragsstrafenabrede in allgemeinen Vertragsbedingungen enthalten ist. Dagegen verbleibt es bei den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung, wenn Vertragsstrafenabreden individuell außerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgehandelt und vereinbart werden.
Es fehlt an hinreichend gewichtigen arbeitsrechtlichen Besonderheiten im Sinne des § 310 IV 2 BGB, die es als angemessen erscheinen lassen würden, die als Regelfall angeordnete Anwendung des Klauselverbotes gem. § 309 Nr. 6 BGB auf Vertragsstrafenabreden in vorformulierten Arbeitsverträgen zu unterlassen. Derartige Klauseln sind damit unwirksam.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Vertragsstrafe. Am 23. 1. 2002 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, in dem die Einstellung der Bekl. als Verkäuferin bei der Kl. ab dem 1. 3. 2002 vereinbart wurde. Als monatliche Grundvergütung sieht der Vertrag 1840,65 Euro brutto vor. Eine Kündigung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist gem. § 12 II des Vertrags unzulässig. § 11 des Vertrags lautet:
§ 11. Tritt der/die Arbeitnehmer/in das Arbeitsverhältnis nicht an, löst er/sie das Arbeitsverhältnis unter Vertragsbruch oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst, so hat der/die Arbeitnehmer/in an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Brutto-Monatsgehalt/-lohn zu zahlen. Der Arbeitgeber kann einen weitergehenden Schaden geltend machen.
Weiter sieht § 2 des Arbeitsvertrags eine Befristung für die Dauer einer Probezeit, verbunden mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen, vor. Mit Schreiben vom 27. 1. 2002, bei der Kl. am 29. 1. 2002 eingegangen, kündigte die Bekl. das Arbeitsverhältnis bereits vor dem am 1. 3. 2002 vorgesehenen Arbeitsantritt. Die Kl. machte durch ihren jetzigen Prozessvertreter mit Schreiben vom 30. 1. 2002 wegen dieser Kündigung eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsverdienstes, 1840,65 Euro, geltend. Diese Forderung wies die Bekl. mit Schreiben vom 5. 2. 2002 zurück und ließ durch ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten den Arbeitsvertrag anfechten und vortragen, arbeitgeberseitig seien bezüglich der wöchentlichen Arbeitszeit nachträglich gegen gesetzliche und tarifliche Bestimmungen verstoßende Eintragungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden. Die Kl. trägt vor, die Bekl. habe durch ihre Kündigung vom 27. 1. 2002 gem. § 11 des unterzeichneten Arbeitsvertrags die Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts verwirkt. Die Parteien haben übereinstimmend die Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden beantragt. Die Kl. begehrt, die Bekl. zu verurteilen, an die Kl. 1840,65 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die Bekl. trägt vor, der Inhalt des Arbeitsvertrags sei, nachdem die Bekl. ihn unterzeichnet habe, durch den Inhaber der Kl. verändert worden. Durch die nachträglich vom Inhaber der Kl. eingetragene Wochenarbeitszeit von 50 bzw. 55 Stunden seien „die Kernbereiche des Arbeitsvertrags auf Unmöglichkeit gerichtet“. Dies führe dazu, dass die Nebenabreden nicht durchsetzbar seien. Weiter beruft sie sich auf eine mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 5. 2. 2002 erklärte Anfechtung des Vertrags. Hierzu trägt sie vor, Anlass der Anfechtung seien die eigenmächtigen Eintragungen und Änderungen durch den Inhaber der Kl. gewesen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
I. Die Kl. hat aus § 11 des Arbeitsvertrags gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe.
1. Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien ist durch Unterzeichnung am 23. 1. 2002 wirksam abgeschlossen worden. Das Vorbringen der Bekl., insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeit seien nachträglich seitens des Inhabers der Kl. nicht vereinbarte Veränderungen vorgenommen worden, ist unerheblich. Dieses Vorbringen berührt lediglich die Frage, mit welchem Inhalt die Parteien eine Vereinbarung bezüglich der Arbeitszeit getroffen haben. Dass sie insoweit eine Einigung erzielten, ist zwischen ihnen unstreitig. Welchen konkreten Inhalts die vertragliche Abrede der Arbeitszeit war, ist für den vorliegenden Rechtsstreit, in dem es nicht um die wöchentliche Arbeitszeit der Kl. geht, unerheblich.
2. Der Arbeitsvertrag ist auch nicht gem. § 142 I BGB nichtig. Danach führt die Anfechtung eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts zu seiner ursprünglichen Nichtigkeit. Im Streitfall greift die mit Schreiben vom 5. 2. 2002 seitens der Bekl. erklärte Anfechtung nicht durch. Ein Anfechtungsgrund ist weder gem. § 119 BGB im Rahmen der Irrtumsanfechtung noch gem. § 123 BGB gegeben. Die von der Bekl. vorgetragene Begründung der Anfechtung, sie sei durch die behaupteten eigenmächtigen Eintragungen und Änderungen des Arbeitsvertrags seitens des Inhabers der Kl. veranlasst gewesen, lässt sich weder als Inhalts- oder Erklärungsirrtum noch zum Vertragsschluss führende arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung einordnen.
3. Mit ihrer Kündigung vom 27. 1. 2002 erfüllte die Bekl. angesichts des vereinbarten Ausschlusses einer Kündigung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses trotz der geräumigen Einhaltung der für die Probezeit vereinbarten Kündigungsfrist den Tatbestand der in § 11 des Arbeitsvertrags enthaltenen Vertragsstrafenabrede.
4. Die Kl. kann ihren Anspruch gleichwohl nicht aus dieser Vertragsstrafenabrede herleiten.
a) Das BAG hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass gegen einzelvertragliche Strafabreden zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags keine rechtlichen Bedenken bestehen, wenn der Arbeitgeber mit ihnen die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen durch den Arbeitnehmer sichern will (vgl. u.a. BAG [30. 11. 1994], NZA 1995, 695 = DB 1996, 432; BAG [23. 5. 1984], BAGE 46, 50 [54] = NZA 1984, 255 = NJW 1985, 91 = AP BGB § 339 Nr. 9; BAG [5. 2. 1986], NZA 1986, 782 = AP BGB § 339 Nr. 12). Ebenso wenig hat das BAG Bedenken dagegen erhoben, dass die Vertragsstrafenabrede in einem formularmäßigen Arbeitsvertrag getroffen wurde. Dies hat es damit begründet, dass die Vorschrift des § 11 Nr. 6 AGBG, nach dem Vertragsstrafenklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, auf den Arbeitsvertrag nicht übertragbar sei und auch keine entsprechende Anwendung finde (BAGE 46, 50 [55] = NZA 1984, 255 = NJW 1985, 91 = AP BGB § 339 Nr. 9; BAG, NZA 1986, 782 = AP BGB § 339 Nr. 12). Weiter ist nach der vor der Schuldrechtsreform mit Wirkung vom 1. 1. 2002 ergangenen Rechtsprechung (vgl. nur BAGE 46, 50 = NZA 1984, 255 m.w. Nachw.) selbst dann, wenn man diese Vertragsstrafenregelung einer Billigkeitskontrolle unterwirft, weil sie in einer vertraglichen Einheitsregelung enthalten ist (vgl. BAGE 46, 50 [55] = NZA 1984, 255), die Abrede nicht zu beanstanden, weil der Arbeitgeber mit ihr berechtigterweise den Schadensnachweis ersetzen kann, der ihm bei einem Vertragsbruch und sonstigen schweren Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nur schwer oder überhaupt nicht möglich wäre, obwohl regelmäßig ein Vermögensschaden eingetreten ist.
Dieser Rechtsprechung ist wegen der mit Wirkung vom 1. 1. 2002 in Kraft getretenen §§ 305ff. BGB und der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Aufhebung des AGBG die wesentliche gesetzliche Grundlage entzogen, soweit die Vertragsstrafenabrede in allgemeinen Vertragsbedingungen enthalten ist. Sie kann in diesen Fällen allenfalls noch insoweit bedeutsam sein, als in ihr eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit i.S. des § 310 IV 2 BGB zum Ausdruck kommen kann. Dagegen verbleibt es bei den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung, wenn Vertragsstrafenabreden individuell außerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgehandelt und vereinbart werden. Dies trifft indes nicht auf den Streitfall zu.
b) In diesem ist die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Vertragsstrafenabrede gem. § 11 des Arbeitsvertrags gem. § 309 Nr. 6 BGB in der ab dem 1. 1. 2002 geltenden Fassung unwirksam.
aa) Die §§ 305 bis 310 BGB n.F. sind gem. Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB wegen des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach dem 1. 1. 2002, nämlich am 23. 1. 2002, im Streitfall anzuwenden.
bb) Bei der in § 11 des Arbeitsvertrags enthaltenen Vertragsstrafenabrede handelt es sich um eine wirksam in den Vertrag einbezogene, Allgemeine Geschäftsbedingung, wie unter anderem daraus deutlich wird, dass diese Bestimmung wie der ganze Vertrag ein vorgedrucktes Muster ist, welches offensichtlich - dies wird aus der Fußzeile der vierten Seite des Vordrucks deutlich - für „OT-Mitglieder der Einzelhandelsorganisationen“ vorbereitet wurde; auch die Parteien ziehen die Natur der Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 305 BGB und ihre Einbeziehung in den Vertrag nicht in Zweifel.
cc) Gem. § 309 Nr. 6 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die dem Verwender für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird.
(1) In der bisher zu §§ 305 bis 310 BGB n.F. erschienenen Literatur wird die Zulässigkeit einer Vertragsstrafe uneinheitlich beurteilt. Im Hinblick auf § 309 Nr. 6 BGB erachtet Reinecke (DB 2002, 585 [586]) Vertragsstrafen für den Fall der unberechtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers und des bloßen Wegbleibens vom Arbeitsplatz in vorformulierten Arbeitsverträgen als nicht mehr wirksam zu vereinbaren und hält es lediglich für nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung auf Grund des § 310 IV 2 Halbs. 1 BGB Vertragsstrafenklauseln bei hoch Besoldeten, besonders qualifizierten Arbeitnehmern für wirksam hält. Zum Ergebnis der Unzulässigkeit einer Vertragsstrafenklausel für den Fall des Vertragsbruchs gelangen auch von Koppenfels, NZA 2002, 598, Däubler, NZA 2001, 1329 [1336]; skeptisch mit der Wendung, die (bisherige) Rechtsprechung könne obsolet sein, Hümmerich/Holthausen, NZA 2002, 180.
Soweit im Hinblick auf billigenswerte Interessen des Arbeitgebers die Zulässigkeit von Vertragsstrafenklauseln auch weiterhin vertreten wird, kann dies nicht schlicht ohne eine Prüfung der rechtlichen Grundlage erfolgen (so jedoch teilweise die Lit., etwa Reichold, ZTR 2002, 207, der § 310 II 1 BGB in diesem Zusammenhang weder nennt noch tatbestandlich prüft). Ob derartige oder andere Besonderheiten des Arbeitsrechts zur Nichtanwendung des Klauselverbotes führen, ist nicht bei der Prüfung der Erfüllung des Tatbestands des Verbots, sondern allein im Rahmen der Anwendung des § 310 IV 2 BGB zu erörtern. Die Argumentation von Bartz, AuA 2002, 64, die bisherige, zu § 11 Nr. 6 AGBG ergangene, diesen nicht als geeigneten Kontrollmaßstab ansehende Rechtsprechung müsse für den jetzigen § 309 Nr. 6 BGB an sich weiter gelten, weil letztere Norm sonst zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung führen würde, geht aus diesem Grunde fehl. Sie ist zudem zirkelschlüssig und nimmt die Aufhebung der Bereichsausnahme sowie § 310 IV 2 BGB als Norm, an der eventuelle Ausnahmen zu messen sind, nicht ernsthaft zur Kenntnis.
Im Streitfall erfüllt die Vertragsstrafenabrede den Tatbestand des Klauselverbotes ohne Wertungsmöglichkeit gem. § 309 Nr. 6 BGB. Die Bekl. hat darin für den Fall der Lösung vom Vertrag die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen.
(2) Der Anwendung dieses Klauselverbotes auf das Vertragsverhältnis der Partein steht § 310 IV 2 BGB nicht entgegen. Danach sind bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Welchen Inhalt der unbestimmte Begriff der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten hat, der seinerseits aus mehreren unbestimmten Begriffen zusammengesetzt ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. In der Begründung der Bundesregierung für die Streichung der zunächst noch vorgesehenen arbeitsrechtlichen Bereichsausnahme heißt es hierzu, die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit sollten im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Vielmehr sollten hier die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können (BT-Dr 14/6857, S. 54). Dabei verband der Rechtsausschuss (BT-Dr 14/7052, S. 189) mit dieser Formulierung die Erwartung, dass den Besonderheiten spezifischer Bereiche des Arbeitsrechts wie z.B. des kirchlichen Arbeitsrechts angemessen Rechnung getragen werden kann. Hieraus wird deutlich, dass bisherige bloße Üblichkeiten im Arbeitsrecht nicht zur Rechtfertigung einer Nichtanwendung des Klauselverbots führen können (so eingehend Thüsing, NZA 2002, 593), vielmehr darüber hinausgehende, im Arbeitsrecht gegenüber sonstigen Rechtsgebieten besondere, die Ausnahme von der Anwendung des Klauselverbots begründende Umstände vorliegen müssen.
Derartige rechtliche Besonderheiten sind jedoch nicht festzustellen. Sowohl unter der bisherigen wie auch teilweise der neuen Rechtslage wird im Hinblick auf § 310 IV 2 BGB auch trotz des § 309 Nr. 6 BGB die wirksame Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Hinblick auf spezifisch bei Arbeitsverhältnissen auftretende Gründe, nämlich die Tatsache, dass die Vertragsstrafe das einzig taugliche Mittel sei, um den Arbeitnehmer, der vertragsbrüchig werden will, an den Vertrag zu binden und den Ausfall regelmäßig entstandenen Schadens auch zu liquidieren, für zulässig gehalten von Lingemann, NZA 2002, 191 (192); Gotthardt, ZIP 2002, 383 und wortgleich in Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, S. 111 Rdnr. 250 sowie Annuß, BB 2002, 463. Dem ist indes für die jetzige Rechtslage nicht zu folgen. Denn Besonderheiten des Arbeitsrechts, deren angemessene Berücksichtigung gem. § 310 IV 2 BGB die Nichtanwendung des Klauselverbots ohne Wertungsmöglichkeit des § 309 I Nr. 6 BGB erfordern würden, sind nicht bereits auf Grund der arbeitgeberseitigen tatsächlichen Schwierigkeiten, den Eintritt eines Schadens darzulegen und zu beweisen, wie auch in der mangelnden Vollstreckbarkeit des Anspruchs auf Erbringung von Arbeitsleistung, anzunehmen. Nach dem Wortlaut der Norm, § 310 IV 2 BGB, sind nur die rechtlichen Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses, nicht seine tatsächlichen, zu berücksichtigen (eingehend Thüsing, NZA 2002, 592). Die bisherige Üblichkeit wie auch die besondere Situation der Vertragsparteien sind kein hinreichendes Argument für eine von den sonstigen Bereichen des Schuldrechts abweichende Handhabung (Thüsing, NZA 2002, 592 [593]). Gerade § 309 Nr. 6 BGB mit seinem Verbot einer formularvertraglichen Vereinbarung einer Vertragsstrafe gilt sowohl für Arbeitsverträge wie auch für Dienstverträge, die nicht Arbeitsverträge sind und bereits nach bisheriger Gesetzeslage der AGB-Kontrolle unterfielen. Bei einer Herausnahme der Arbeitsverträge aus der Kontrolle gem. § 309 Nr. 6 BGB würde man sich nicht auf eine Besonderheit des Arbeitsrechts stützen und eine Begründung, andere Dienstverträge nicht ebenfalls von dieser Kontrolle freizustellen, scheint kaum zur Hand (Thüsing, NZA 2002, 592). Ein nachvollziehbares, verständliches Interesse an der Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Hinblick auf sonstige Nachweisprobleme kann nicht nur im Arbeitsverhältnis bestehen, es wird auch in anderen, von § 309 Nr. 6 BGB erfassten Vertragsverhältnissen der Fall sein. Warum nun gerade im Arbeitsverhältnis im Gegensatz zu sonstigen Vertragsverhältnissen die Anwendung dieses Klauselverbots ausgeschlossen sein, ist durch über diese allgemeinen, auch in sonstigen Rechtsverhältnissen auftretenden Schwierigkeiten hinausgehende Besonderheiten nicht begründet. Solche Besonderheiten sind nicht ersichtlich (ebenso Thüsing, NZA 2002, 592 [insb. 594]).
Sie liegen nicht darin begründet, dass in § 75c HGB Beschränkungen für und in § 5 II Nr. 2 BBiG die Nichtigkeit von Vertragstrafen angeordnet ist. Hieraus wird nicht durch einen Umkehrschluss eine gesetzgeberische Entscheidung deutlich, in allen anderen Fällen seien Vertragsstrafen im Arbeitsrecht zulässig (so aber Gotthardt, ZIP 2002, 383 und wortgleich in Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, S. 111 Rdnr. 250). Allein aus der gesetzgeberischen Regelung der genannten Teilbereiche wird keine Entscheidung im Übrigen deutlich. Denn es fehlt an einer Kodifikation des gesamten Arbeitsrechts, deren Existenz notwendige Bedingung für die Tragfähigkeit des obigen Umkehrschlusses ist.
Die bisherige Rechtsprechung des BAG zur Zulässigkeit der Vertragsstrafe steht auch nicht wegen der Natur auch des Richterrechts als Arbeitsrecht als dessen Besonderheit einer Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB auf die Vertragsstrafenabrede entgegen. Zwar wird insoweit ein Kontinuitätsgebot zu Gunsten der bisherigen Rechtsprechung anzunehmen sein, dies jedoch nur, soweit nicht gerade die durch den Fortfall der Bereichsausnahme bewirkte Erstreckung des Rechts der AGB-Kontrolle auf vorformulierte Arbeitsverträge dem entgegen steht (Thüsing, NZA 2002, 593). Bei der Rechtsanwendung muss sowohl die grundsätzliche gesetzgeberische Anordnung einer Erstreckung der Inhaltskontrolle von AGB auch auf das Arbeitsrecht zur Erreichung einer gegenüber dem sonstigen Zivilrecht nicht verminderten Schutzniveau als auch das Gebot der angemessenen Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten angemessen berücksichtigt werden. Dabei ist weiter festzuhalten, dass § 310 IV 2 Halbs. 1 BGB eine Ausnahme von der grundsätzlich vollen Anwendung der AGB-Kontrolle formuliert. Ausnahmevorschriften sind jedoch im Regelfall eng auszulegen (BAG [29. 10. 1998], BAGE 90, 91 = NZA 1999, 429 = AP BPersVG § 79 Nr. 13 = DB 1999, 856 unter Hinw. auf BAG [10. 12. 1992], NZA 1993, 593 = AP GG Art. 140 Nr. 41 [zu III 2a] m.w. Nachw.). Es können daher nur gewichtige, arbeitsrechtliche Besonderheiten bei ihrer im Licht der grundsätzlich angeordneten AGB-Kontrolle angemessenen Berücksichtigung zur Nichtanwendung der AGB-Kontrolle, hier des Klauselverbots gem. § 309 Nr. 6 BGB, führen.
Eine derartige Besonderheit stellt die bisherige Rechtsprechung des BAG jedoch nicht dar. Für eine Wertung im Rangkonflikt zwischen dem Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB und § 310 IV 2 BGB kann sie keinen Beitrag leisten. Denn sie ist noch unter der Geltung der Bereichsausnahme des § 23 AGBG ergangen. Soweit sie die Zulässigkeit der Vertragsstrafe auf das Bedürfnis an einer Veranlassung zu vertragstreuem Verhalten und eines leicht durchsetzbaren Schadensersatzes stützt, kann dies lediglich die Angemessenheit von Vertragsstrafenabreden in Einzelvereinbarungen begründen. Denn ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit kann jedenfalls dann nicht unangewendet bleiben, wenn in nicht unerheblichem Umfang Sachverhalte der Klausel unterliegen, bei denen der für die Nichtanwendung angeführte Grund gerade nicht vorliegt. So verhält es sich jedoch gerade im Streitfall. Gerade dieser zeigt, dass es keineswegs in nahezu allen Arbeitsverhältnissen bei einem Vertragsbruch des Arbeitnehmers typischerweise zu Schäden des Arbeitgebers kommt, deren Nachweis dem Arbeitgeber unzumutbar erschwert wäre. Die Bekl. kündigte bei einer Probezeitkündigungsfrist von zwei Wochen bereits mehr als einen Monat vor Vertragsbeginn, was lediglich wegen des vereinbarten Ausschlusses einer Kündigung vor der Arbeitsaufnahme zur tatbestandlichen Verwirkung der Strafe führt. Angesichts des seit längerer Zeit zu beobachtenden Personalabbaus im Einzelhandel und des Umstands, dass die Bekl. als Verkäuferin nicht eine besonders qualifizierte Fachkraft ist, deren Ersatz trotz des durch Arbeitslosigkeit geprägten Arbeitsmarkts besonders schwierig und langwierig wäre, kann der Eintritt eines Schadens vorliegend nur als fernliegend angenommen werden, ein solcher ist auch nicht vorgetragen. Ohnehin ist zu beachten, dass der Arbeitgeber etwa Ersatz für die Kosten von Stellenanzeigen bei einem durch den Arbeitnehmer begangenen Vertragsbruch nur dann verlangen kann, wenn diese Kosten bei ordnungsmäßiger Einhaltung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist vermeidbar gewesen wären (BAG [26. 3. 1981], AP BGB § 276 Nr. 7 Vertragsbruch [Beitzke] = DB 1981, 1832). Es kann daher nicht angenommen werden, dass gleichartige Verhältnisse wie im Streitfall die seltene Ausnahme bilden würden und der Eintritt gewichtiger, nur äußerst schwer nachweisbarer Schäden den nahezu ausnahmslos eintretenden Regelfall darstellen würde. Damit fehlt es an hinreichend gewichtigen arbeitsrechtlichen Besonderheiten, die es als angemessen erscheinen lassen würden, die als Regelfall angeordnete Anwendung des Klauselverbotes gem. § 309 Nr. 6 BGB auf Vertragsstrafenabreden in vorformulierten Arbeitsverträgen zu unterlassen.
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