Zumutbare Ersatztätigkeit einer schwangeren Flugbegleiterin

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

21. 04. 1999


Aktenzeichen

5 AZR 174/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Zuweisung einer Ersatztätigkeit an eine schwangere Arbeitnehmerin, die aufgrund eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen darf, kommt erst für die Zeit nach dem Beginn des gesetzlichen Verbots in Betracht.

  2. Die Zuweisung einer Ersatztätigkeit an einem auswärtigen Arbeitsort entspricht jedenfalls nach Beginn des sechsten Schwangerschaftsmonats im Regelfall nichtbilligem Ermessen, wenn dieser Arbeitsort nur nach mehrstündiger Bahn- oder Flugreise erreicht werden kann (im Anschluss an Senat, NZA 1998, 936 = AP Nr. 4 zu § 4 MuSchG1968).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Kl. für die Zeit vom 4. 9. 1995 bis 8. 6. 1996. Die Kl. hat in diesem Zeitraum überwiegend aus mutterschutzrechtlichen Gründen nicht gearbeitet. Die Bekl. betreibt eine Fluggesellschaft. Auf der Grundlage des von ihr dazu verwendeten „befristeten Anstellungsvertrags für Flugbegleiter„ stellte sie die Kl. für die Zeit vom 11. 3. 1995 bis 10. 9. 1996 als Flugbegleiterin ein. § 3 S. 1 des Vertrags sah als sogenannten Haupteinsatzort Leipzig vor. Noch vor Aufnahme ihrer Tätigkeit verzog die Kl. von Dresden nach München. Die Parteien vereinbarten daraufhin als Haupteinsatzort für die Zeit vom 11. 3. 1995 bis 15. 11. 1995 München, für die Zeit danach Nürnberg. Nach dem Vertrag war die Bekl. berechtigt, den Einsatzort mit einer Frist von drei Monaten jederzeit abzuändern. Mitte August 1995 teilte die Kl. der Bekl. mit, dass sie in der sechsten Woche schwanger sei. Laut ärztlicher Bescheinigung war voraussichtlicher Geburtstermin der 11. 4. 1996. Am 16. 8. 1995 richtete die Bekl. an die Kl. ein Schreiben folgenden Wortlauts: „... aufgrund der eingetretenen Schwangerschaft ... dürfen Sie nach Ablauf des dritten Monats der Schwangerschaft auf Beförderungsmitteln, d.h. auch auf Flugzeugen, nicht mehr beschäftigt werden. Eine Kündigung während ihrer Probezeit ... als Crew-Mitglied, die wir heute hätten aussprechen wollen, ist nach Bekannt werden Ihrer Schwangerschaft ... nicht mehr möglich. Wir bieten Ihnen daher ... eine Tätigkeit in unserer Verwaltung in Berlin-Tegel - andere Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung bestehen nicht - bis sechs Wochen vor Ihrer Entbindung an zu folgenden Bedingungen, bei denen wir berücksichtigen, dass Sie zur Zeit in München wohnen:

(1) Dienstzeit montags 12 bis 17 Uhr, dienstags, mittwochs und donnerstags 8 bis 17 Uhr sowie freitags von 8 bis 12 Uhr in unseren Büros in Berlin-Tegel unter Zugrundelegung Ihres Grundgehalts (ohne Flugzulage).

(2) Wir stellen Ihnen Tickets für die Flüge ... München-Tegel-München einmal wöchentlich zur Verfügung. Sollte Ihnen ärztlicherseits die Flugreise verboten werden, übernimmt (die Bekl.) die Kosten der Bahnfahrt.

(3) Wir werden Sie während Ihrer Tätigkeit in Tegel im Hotel ... unterbringen und Ihnen die üblichen Spesen auszahlen.

Wir bitten Sie, ... nach Beendigung Ihres Urlaubs Ihren Bürodienst am 4. 9. 1995 aufzunehmen. Nehmen Sie Ihren Bürodienst nach dem Urlaub nicht auf, verlieren Sie mit diesem Datum Ihre Gehaltsansprüche.„ Die Kl. lehnte eine Tätigkeit in Berlin unter Hinweis auf ihre Schwangerschaft und die weite Entfernung zu ihrem Wohnort ab. Daraufhin stellte die Bekl. ab dem 4. 9. 1995 die Gehaltszahlungen ein. Mit ihrer Klage macht die Kl. Ansprüche aus Annahmeverzug für die Zeit bis zum 7. 10. 1995 - dem Ende des dritten Schwangerschaftsmonats - in Höhe von 2960,54 DM brutto, Ansprüche auf Mutterschutzlohn für die Zeit bis zum Beginn der Mutterschutzfristen am 1. 3. 1996 in Höhe von 13746,28 DM brutto und Ansprüche auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für die Zeit bis zum 8. 6. 1996 in Höhe von 4398 DM netto geltend. Die Kl. hat die Ansicht vertreten, als Schwangere sei ihr die angebotene Tätigkeit in Berlin wegen der weiten Entfernung und wegen des damit verbundenen Hotelaufenthalts nicht zuzumuten gewesen. Auch hätte sie sich aus der Fürsorge ihres Ehemanns begeben müssen, und es wäre ihr nicht möglich gewesen, regelmäßige Untersuchungen durch den Arzt ihres Vertrauens durchführen zu lassen. Im übrigen habe die Bekl. die dreimonatige Ankündigungsfrist für den Wechsel des Einsatzorts nicht eingehalten.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat ihr stattgegeben mit Ausnahme der für den vierten und fünften Schwangerschaftsmonat erhobenen Ansprüche auf Mutterschaftslohn. Mit der Revision verfolgt die Bekl. ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Mit ihrer Anschlussrevision begehrt die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Gehaltszahlung auch für den vierten und fünften Schwangerschaftsmonat. Beide Parteien blieben mit ihren Anträgen erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

A. Zu Recht hat das LAG der Klage für den Zeitraum bis zum 7. 10. 1995 und für die Zeit ab dem 8. 12. 1995 stattgegeben.

I. Der Vergütungsanspruch der Kl. für die Zeit vom 4. 9. bis zum 7. 10. 1995 folgt aus § 615 S. 1 BGB i.V. mit § 611 BGB. Nach § 615 S. 1 BGB kann der Arbeitnehmer, kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug, für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Diese Voraussetzungen liegen vor.

1. Gem. § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung des Schuldners nicht annimmt. § 294 BGB verlangt dafür, dass der Schuldner seine Leistung tatsächlich angeboten hat. Dies hat die Kl. für die Zeit ab dem 4. 9. 1995 unstreitig nicht getan. Sie hat ihre Arbeitskraft weder für eine Bürotätigkeit in Berlin noch für eine Tätigkeit als Flugbegleiterin in München tatsächlich angeboten.

2. Nach § 295 BGB ist statt des tatsächlichen Angebots einwörtliches Angebot des Schuldners ausreichend, wenn der Gläubiger erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen. Die entsprechende Ablehnungserklärung muss bestimmt und eindeutig sein (BGH, NJW 1997, 581).

a) Die Bekl. hat der Kl. im Schreiben vom 16. 8. 1995 unter Hinweis auf das gesetzliche Verbot einer weiteren Beschäftigung als Flugbegleiterin eine Bürotätigkeit in Berlin angeboten und sie aufgefordert, dort am 4. 9. 1995 ihren Dienst aufzunehmen. Komme sie dem nicht nach, verliere sie mit diesem Datum ihre Gehaltsansprüche. Das LAG hat angenommen, auf diese Weise habe die Bekl. die Annahme eines Arbeitsangebots der Kl. als Flugbegleiterin klar und unmissverständlich abgelehnt. Die Auslegung des LAG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie betrifft eine individuelle Erklärung und ist deshalb vom RevGer. nur daraufhin überprüfbar, ob sie allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze verletzt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat (st. Rspr., vgl. BAGE 27, 218 [227] = AP Nr. 1 zu § 105 BetrVG1972). Einem solchen Maßstab hält sie ohne weiteres stand.

b) Mit dem Schreiben vom 16. 8. 1995 hat die Bekl. zugleich eine Versetzung der Kl. nach Berlin zur Aufnahme von Büroarbeit ausgesprochen. Auf die Ablehnungserklärung vermag sich die Kl. deshalb nur zu berufen, wenn die ausgesprochene Versetzung unwirksam ist. Anderenfalls hätte sie ihre Arbeitskraft in Berlin tatsächlich anbieten müssen. Die Bekl. hat die Kl. nicht wirksam versetzt. Vom allgemeinen Direktionsrecht des Arbeitgebers ist ihre Maßnahme nicht gedeckt. Die Kl. wurde als Flugbegleiterin eingestellt. Eine Arbeit als Bürokraft ist von diesem Berufsbild nicht erfasst. Die Versetzung ist auch nicht von einem mit Rücksicht auf die Verpflichtung aus § 11 I MuSchG erweiterten Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Zwar kann ein solches gegeben sein, wenn die Arbeitnehmerin auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz wegen eines mutterschutzrechtlichen Verbots nicht mehr beschäftigt werden darf. Ein gesetzliches Beschäftigungsverbot hat aber für die Kl. im September1995 noch nicht bestanden. Anders als die Bekl. in ihrem Schreiben ausgeführt hat, galt das Beschäftigungsverbot nach § 4 II Nr. 7 MuSchG für die Kl. erst ab dem 8. 10.1995. Erst am 7. 10. 1995 war der dritte Kalendermonat ihrer Schwangerschaft abgelaufen. Bis dahin hätte sie als Flugbegleiterin tätig sein dürfen und hätte die Bekl. sie als solche einsetzen müssen. Bis dahin brauchte die Kl. darum ihre Arbeitskraft nicht für Bürotätigkeit in Berlin anzubieten.

c) Nach § 295 BGB ist trotz Ablehnungserklärung durch den Gläubiger ein anschließendes wörtliches Angebot des Schuldners erforderlich. Dass sie nach Erhalt des Schreibens vom 16. 8. 1995 ihre Tätigkeit als Flugbegleiterin der Bekl. jedenfalls wörtlich angeboten habe, hat die Kl. nicht behauptet. Auch des wörtlichen Angebots bedarf es allerdings nicht, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Ablehnung beharren wird. In einem solchen Fall wäre selbst ein wörtliches Angebot reine Förmelei. Auf sein Fehlen vermag der Gläubiger sich dann nicht zu berufen, § 242 BGB (BAG,EzA § 615 BGB Nr. 48; BAGE 46, 234; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 295 Rdnr. 4 m.w. Nachw.).

Das LAG hat in dem Schreiben vom 16. 8. 1995 offensichtlich eine in diesem Sinne beharrliche und unumstößliche Weigerung der Bekl. erblickt, ein Arbeitsangebot der Kl. als Flugbegleiterin anzunehmen. Auch darin ist ihm zu folgen. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Würdigung durch das LAG. Da die maßgeblichen Umstände aber feststehen, kann der Senat diese Bewertung selbst vornehmen. Die Unumstößlichkeit der Ablehnung wird daran erkennbar, dass die Bekl. zu Beginn ihres Schreibens ausgeführt hat, eigentlich habe sie gegenüber der Kl. während der noch laufenden Probezeit eine „Kündigung als Crew-Mitglied„ aussprechen wollen. Die Kl. sei dem mit der Mitteilung von ihrer Schwangerschaft zuvorgekommen. Angesichts dieser Äußerung, verbunden mit der Aufforderung, in Berlin Bürotätigkeiten aufzunehmen, und der Androhung des Gehaltsverlusts für den Fall der Nichtbefolgung konnte die Kl. das Schreiben vom 16. 8. 1995 so verstehen, dass die Bekl. sie in keinem Fall mehr als Flugbegleiterin einsetzen wolle. Sie durfte annehmen, dass auch ein entsprechendes wörtliches Arbeitsangebot die Bekl. nicht mehr würde umstimmen können. Die Bekl. ist deshalb trotz Fehlens eines solchen Angebots in Annahmeverzug geraten. Der Kl. steht für die Zeit vom 4. 9. bis zum 7. 10. 1995 ein Gehaltsanspruch in rechnerisch unstreitiger Höhe von 2960,54 DM brutto zu. Das LAG hat die Bekl. offenbar versehentlich zur Zahlung eines gleichlautenden Nettobetrags verurteilt. Die Revision hat dies nicht angegriffen.

II. Die Kl. hat ferner Anspruch auf Zahlung von Mutterschaftslohn für die Zeit vom 8. 12. 1995 bis zum 29. 2. 1996 gem. § 11 I MuSchG. Nach dieser Vorschrift ist Arbeitnehmerinnen, die wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 3 I MuSchG oder nach § 4 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen, mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in welchem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu zahlen. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind erfüllt.

1. Die Kl. unterlag ab dem 8. 10. 1995 dem Beschäftigungsverbot nach § 4 II Nr. 7 MuSchG. Nach dieser Regelung dürfen werdende Mütter nach Ablauf des dritten Monats der Schwangerschaft auf „Beförderungsmitteln„ nicht mehr beschäftigt werden. Mit diesem Begriff sind alle Arten von Fahrzeugen erfasst, die zu Land, zu Wasser oder in der Luft der Beförderung von Personen oder Sachen dienen. Es kommt nicht darauf an, ob die Arbeitnehmerin das Fahrzeugselbst führt oder ob sie während der Beförderung einer anderen Tätigkeit nachgeht. Das Verbot gilt damit auch für Stewardessen (Senat, NZA 1998, 936 = AP Nr. 4 zu § 4 MuSchG1968 m.w. Nachw.).

2. Der Arbeitgeber darf allerdings der von einem Beschäftigungsverbot betroffenen schwangeren Arbeitnehmerin eine zumutbare Ersatztätigkeit zuweisen. Lehnt diese eine solche zumutbare Arbeit ab, geht sie ihres Anspruchs aus § 11 I MuSchG verlustig (Senat, AP Nr. 4 zu § 4 MuSchG1968, m.w. Nachw.). Bei der Zuweisung einer Ersatztätigkeit hat der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 315 BGB). Dabei ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Einerseits gebietet die vertragliche Treuepflicht der Arbeitnehmerin, daran mitzuwirken, die finanziell nicht unerheblichen Folgen eines Beschäftigungsverbots für den Arbeitgeber möglichst gering zu halten. Sie muss deshalb für die absehbare Zeit bis zum Beginn der Mutterschutzfrist des § 3 II MuSchG unter Umständen auch solche - mutterschutzrechtlich erlaubten und zumutbaren -Tätigkeiten ausüben, zu denen sie im Wege des Direktionsrechts nicht angewiesen werden könnte (BAGE 21, 370 = NJW 1969, 1454 = AP Nr. 2 zu § 11 MuSchG1968). Andererseits muss die angebotene Ersatzarbeit auf den besonderen Zustand der Schwangeren und deren berechtigte persönliche Belange auch außerhalb der unmittelbaren Arbeitsbeziehung Rücksicht nehmen. Dies kann im Einzelfall bedeuten, dass sogar eine aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers an sich zulässige Zuweisung veränderter Arbeitsaufgaben für die schwangere Arbeitnehmerin unzumutbar ist (BAGE 21, 370 ; BAG,AP Nr. 6 zu § 11 MuSchG1968). Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die beiderseitigen Interessen unter Abwägung der wesentlichen Umstände des Falls angemessen berücksichtigt worden sind (Senat, NZA1999, 384). Ob dies geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Das RevGer. hat ein unbeschränktes Überprüfungsrecht. Allerdings ist die Billigkeitskontrolle zunächst und in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Ihnen obliegt es, die tatsächlichen Gegebenheiten eines Falls festzustellen und zu würdigen.

3. Von diesen Grundsätzen ist auch das LAG ausgegangen. Es hat angenommen, zwar ergäben sich Zumutbarkeitsbedenken aus der Art und dem Inhalt der von der Kl. verlangten Ersatztätigkeit nicht. Vom Beginn des sechsten Schwangerschaftsmonats an sei der Kl. aber die wöchentlich anfallende Fahrt von München nach Berlin und zurück, sei es per Bahn oder sei es per Flugzeug, nicht mehr zumutbar gewesen. Eine solche Reise sei in jedem Fall mit physischen und psychischen Belastungen und mit Risiken für die Gesundheit von Mutter und Kind verbunden. Sie widerspreche der Zielsetzung des § 4 II Nr. 7 MuSchG und sei einer Schwangeren in diesem fortgeschrittenen Zustand der Schwangerschaft nicht mehr zumutbar. Der Senat schließt sich der Würdigung des LAG an. Die Bekl. ist ihr mit Verfahrensrügen nicht entgegengekommen. Es widerspräche billigem Ermessen, von der Kl. auch noch nach dem fünften Monat der Schwangerschaft Ersatztätigkeiten in Berlin zu verlangen. Der damit für die Bekl. verbundene Vorteil, soweit er nicht durch die anfallenden Mehraufwendungen ohnehin ausgeglichen wird, wiegt auch mit Blick auf die finanzielle Belastung aus § 11 I MuSchG die für die Kl. damit verbundenen Beschwernisse nicht auf. Es ist Sache der Partei, der das Recht zur Leistungsbestimmung nach § 315 I, III BGB zusteht, im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass ihre Bestimmung der Billigkeit entspricht (Senat, NZA-RR 1996, 313 = AP Nr. 45 zu § 611 BGB Direktionsrecht).Dies hat die Bekl. nicht vermocht. Für die Zeit vom 8. 12. 1995 bis zum 29. 2. 1996 - dem letzten Tag vor Beginn der Mutterschutzfrist des § 3 II MuSchG - steht der Kl. somit Mutterschaftslohn nach § 11 I MuSchG in Höhe von 7855,04 DM brutto zu. Das LAG hat der Kl. statt dessen 5173,68 DM netto zugesprochen. Die Bekl. hat auch dagegen nichts vorgebracht.

III. Die Kl. hat ebenso Anspruch auf Zahlung des Zuschusses zum Muterschaftsgeld für die Zeit vom 1. 3. bis zum 8. 6. 1996. Der Anspruch folgt aus § 14 I MuSchG. Die Voraussetzung des § 14 I 1 MuSchG liegt vor. Ferner hat die Kl. seit Anfang Dezember 1995 Anspruch auf Mutterschaftslohn nach § 11 I MuSchG. Damit ist der Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld entstanden. Seiner von der Kl. vorgenommenen und vom LAG zugrunde gelegten Berechnung mit 4398 DM netto ist die Bekl. nicht entgegengetreten. Die Revision der Bekl. ist insgesamt nicht begründet.

B. Die Anschlussrevision der Kl. hat ebenfalls keinen Erfolg. Für die Zeit vom 8. 10. bis zum 7. 12. 1995, d.h. für den vierten und fünften Schwangerschaftsmonat, stehen der Kl. Ansprüche auf Mutterschaftslohn nach § 11 I MuSchG nicht zu. Sie hätte in dieser Zeit im Berliner Büro der Bekl. arbeiten müssen.

I. Die schwangere Arbeitnehmerin muss aufgrund der vertraglichen Treuepflicht daran mitwirken, die Auswirkungen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots für den Arbeitgeber möglichst gering zu halten. Sie muss gegebenenfalls auch solche Tätigkeiten ausführen, zu denen sie im Wege des allgemeinen Direktionsrechts nicht angewiesen werden könnte. Danach ist die der Kl. angesonnene Ersatztätigkeit als solche unbedenklich. Sie ist in ihrer sozialen Wertigkeit mit der einer Flugbegleiterin vergleichbar, sie ist weder maßregelnd noch kränkend. Auch die vorgesehenen Arbeitszeiten unterliegen keinem mutterschutzrechtlichen Verbot.

II. Einer Versetzung der Kl. aus Gründen des Mutterschutzes steht die dreimonatige Ankündigungsfrist in § 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Der Einsatzort nach § 3 S. 1 des Vertrags betrifft lediglich die Tätigkeit als Flugbegleiterin. Er wird durch eine mutterschutzrechtlich bedingte Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz nicht berührt und nicht geändert. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 22. 4. 1998 (NZA 1998, 936 = AP Nr. 4 zu § 4 MuSchG1968), das einen wortgleichen Vertrag der Bekl. mit einer anderen Mitarbeiterin betraf, bereits entschieden.

III. Das LAG hat die Frage, ob es der Kl. jedenfalls im vierten und fünften Schwangerschaftsmonat zumutbar war, die angebotene Tätigkeit in Berlin aufzunehmen, bejaht. Es hat angenommen, die Kl. sei es aufgrund ihres Berufs gewohnt zu reisen und in Hotels zu übernachten. Sie hätte ihren Lebensstil für die Arbeit in Berlin folglich nicht völlig ändern müssen. Im vierten und fünften Schwangerschaftsmonat stelle auch das Reisen als solches im Regelfall keine besondere Belastung und Gefährdung dar. Zu besonderen Risiken ihrer Schwangerschaft, die zu einer anderen Beurteilung hätten Anlass geben können, habe die Kl. nichts vorgetragen.

Der Senat folgt der Würdigung und Interessenabwägung des LAG auch insoweit. Zwar hat das LAG keine Feststellungen überdies Dauer und die sonstigen tatsächlichen Umstände einer Flug- oder Bahnreise der Kl. von München nach Berlin getroffen. Die tatsächlichen Grundlagen für eine Interessenbewertung im Rahmen des § 315 BGB sind daher möglicherweise nicht umfassend aufgeklärt. Verfahrensrügen hat die Kl. aber nicht erhoben und schon die feststehenden Tatsachen lassen eine abschließende Bewertung zu.

Zur Benutzung der Bahn hat die Kl. allerdings unwidersprochen vorgetragen, die Fahrtzeit für die einfache Strecke betrage etwa sieben Stunden. Ob ihr zweimal wöchentlich eine solche Bahnreise zwei Monate lang zumutbar war, erscheint zweifelhaft. Warum ihr aber auch die zeitlich wesentlich kürzere Flugreise unzumutbar gewesen sein sollte, hat die Kl. nicht dargelegt. Sie hat vorgebracht, dadurch werde das Beschäftigungsverbot des § 4 II Nr. 7 MuSchG umgangen. Im übrigen wäre sie gezwungen gewesen, schweres Gepäck zu tragen. Beides trifft nicht zu. Ein wöchentlich zweimaliger Flug von München nach Berlin als Passagier ist mit einer durchgehenden Arbeit als Flugbegleiterin nicht zu vergleichen. Die Belastung durch zu schweres Gepäck hätte sich unter Zuhilfenahme entsprechender Hilfsgeräte oder Dienstleistungen auf Kosten der Bekl. vermeiden lassen. Die Auffassung des LAG, in der Zeit vom 8. 10. bis zum 7. 12. 1995 sei der Kl. die Arbeitsaufnahme in Berlin zumutbar gewesen, hält der rechtlichen Überprüfung stand. Die Anschlussrevision der Kl. ist nicht begründet.

Vorinstanzen

LAG Köln, 9 Sa 449/97, 18.11.1997

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht