Schutz, jedoch nur schwacher Schutz für "Investor"
Gericht
LG Köln
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
29. 11. 2001
Aktenzeichen
31 O 453/01
Der Titel "Investor" genießt aufgrund originärer Kennzeichnungskraft Schutz nach § 5 Abs. 1, 3 MarkenG.
Die ursprüngliche Unterscheidungskraft des Titels "Investor" ist nicht nachträglich aufgehoben worden; denn die Bezeichnung ist bislang sonst nicht in Alleinstellung benutzt worden.
Wenn Rubriktitel in unterschiedlichen Publikationen eingebettet sind, kann auch dann nicht von einer Verwechslungsgefahr ausgegangen werden, wenn im Kern gleichlautende Titel gebraucht werden. Fortsetzung der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung "SZENE" und "Modern Living".
Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 DM, die auch durch selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft einer deutschen Groß-, Volks- oder Raiffeisenbank oder einer öffentlichen Sparkasse erbracht werden kann, vorläufig vollstreckbar.
Die der Verlagsgruppe Handelsblatt zugehörige Klägerin gibt die Wirtschafts- und Finanzzeitung "Handelsblatt" heraus. Deren Freitagsausgabe enthält seit Anfang Juni 1999 eine mehrseitige Beilage, die sich unter dem Titel "Investor für den privaten Anleger" mit Finanzanlageformen vielfältigster Art nebst ergänzenden Informationen und Empfehlungen befasst. Diese Beilage wird außerdem der Freitagsausgabe der - gleichfalls von der Verlagsgruppe der Klägerin herausgegebenen - Tageszeitung "Der Tagesspiegel" beigefügt. Wegen der optischen Gestaltung des Titels "Investor für den privaten Anleger" wird auf die vorgelegten Ablichtungen von Titelseiten verwiesen. Die Klägerin bezeichnet mit dem Begriff "Investor" ferner unter der Domain "handelsblatt.com" seit September 1998 eine Rubrik für Informationen rund um den Kapitalanlagemarkt. Wegen der näheren Ausgestaltung des Internetauftritts wird auf die zu den Akten gereichten Ausdrucke Bezug genommen.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Frankfurter Allgemeine Zeitung. Unter der Internetadresse "faz-net.de" veröffentlicht sie neben Nachrichten zum aktuellen Tagesgeschehen Meldungen zu speziellen Themengebieten. Bei Eingabe der Domain gelangt der User über einen Button "Investor" auf der mit "FAZ.NET" überschriebenen Homepage auf die nachgeordnete Website "FAZ.NET Investor", auf der unter der Überschrift "Investor" Informationen und Analysen für die private Finanzplanung vermittelt werden. Wegen der konkreten Aufmachung der Internetseiten wird auf die eingereichten Ausdrucke Bezug genommen. Die Sparte "Investor" stellte die Beklagte ihren Werbekunden in einer Preisliste aus Januar 2001, wegen deren Inhalt auf die vorgelegten Ablichtungen verwiesen wird, näher vor.
Die Klägerin beanstandet die von der Beklagten gewählte Bezeichnung "Investor" wegen Übereinstimmungen in Titel und darunter gebotenem Inhalt als Verletzung eigener Werktitelrechte.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung
eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder der
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
die Bezeichnung
Investor im geschäftlichen Verkehr wie nachstehend wiedergegeben
titelmäßig zu verwenden und/oder zu bewerben und/oder verwenden und/oder
bewerben zu lassen:
wie erkannt.
Sie meint, der Bezeichnung "Investor" komme, da sie aus Sicht des Verkehrs lediglich die darunter dargebotenen Kapitalanlagemöglichkeiten umschreibe, keine Kennzeichnungskraft zu. Dies gelte um so mehr, als der Begriff von zahlreichen anderen Anbietern für Informationen im Bereich der Investitionen auf dem Finanzmarkt verwendet werde. Demgemäß verwende auch sie, die Beklagte, die Bezeichnung "Investor" in den konkret beanstandeten Formen nicht titelmäßig, sondern rein beschreibend. Zudem seien Verwechslungen zwischen den Werken der Parteien wegen der übergeordneten Hinweise auf die zugehörigen Zeitungen "Handelsblatt" bzw. "Tagesspiegel" einerseits und "Frankfurter Allgemeine Zeitung" andererseits nicht zu befürchten. Mangels Bekanntheit der Beilage "Investor für den privaten Anleger" stehe auch nicht zu befürchten, dass der Verkehr die angegriffene Publikation "Investor" irrig der Verlagsgruppe der Klägerin zurechnen oder auf geschäftliche Beziehungen zwischen den Parteien schließen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann aus § 15 Abs. 4, 2 MarkenG nicht zur Unterlassung verlangen, dass sich die Beklagte der Bezeichnung "Investor" zur Betitelung einer Finanzanlagesparte im Rahmen ihrer Publikation "FAZ.NET" bedient.
Der Beklagten kann allerdings nicht darin gefolgt werden, dass der von der Klägerin benutzte Begriff "Investor" zur Betitelung ihrer Zeitungsbeilage sowie einer Rubrik der Internetpräsentation schon mangels originärer Kennzeichnungskraft keinen Schutz nach § 5 Abs. 1, 3 MarkenG genießt. Hierzu hat die Kammer bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren (31 O 39/01) ausgeführt:
"Nicht nur im Internet, wo die Bezeichnung "Investor" isoliert verwendet wird, sondern auch im Rahmen der Beilage "Investor für den privaten Anleger" ist der fragliche Begriff aufgrund seiner optischen Hervorhebung und der demgegenüber zurückhaltenden Umschreibung der angesprochenen Adressaten maßgeblich prägend.
Die Bezeichnung "Investor" ist als originär kennzeichnungskräftiger Titel bestimmt und geeignet, die Publikation der Klägerin von anderen Werken zu unterscheiden. Sie erschöpft sich nicht in einer bloßen Beschreibung der darunter gebotenen Informationen, sondern verfügt über das erforderliche Mindestmaß an Originalität. Gegen eine reine Inhaltsangabe spricht vorab, dass "Investor" keine Zusammenfassung von Sachgebieten darstellt, sondern in personifizierter Form auf einen in einem bestimmten Wirtschaftsbereich tätigen Menschen hinweist. Insofern enthält der Titel zwar vordergründig Hinweise auf die behandelte Thematik der Investitionen. Das damit angesprochene Geschäftsfeld ist indes denkbar weit gefasst und kann auf die vielfältigsten Arten von Kapitalanlagen bezogen werden, so dass sich den angesprochenen Verkehrskreisen mangels näheren Bezugs zu einer abgegrenzten Materie der genaue Inhalt des Werks nicht abschließend und zwingend erschließt. Gegen einen ausschließlich beschreibenden Gehalt spricht vielmehr die Fülle an Themengebieten, die sich unter den allgemeinen Ausdruck "Investitionen" fassen lassen und weiche von der Klägerin darunter behandelt werden. So befasst sich deren Publikation nicht nur unmittelbar mit einzelnen Anlageformen, sondern liefert daneben ergänzende Zusatzinformationen beispielsweise zu Rechts? und Steuerfragen.
Die ursprüngliche Unterscheidungskraft des von der Klägerin gebrauchten Titels "Investor" ist nicht nachträglich aufgehoben worden. Dass der Verkehr aufgrund einer Vielzahl gleichlautender, in erheblichem Umfang verbreiteter Publikationen mit übereinstimmendem Inhalt die Bezeichnung "Investor" nicht mehr als werkkennzeichnend ansieht, hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht. Bei keinem der von ihr vorgelegten Internetpräsentationen wird die Bezeichnung "Investor" in Alleinstellung benutzt. Vielmehr wird dieser Begriff durch zusätzlich charakterisierende Adjektive (z.B. "interactive", "digital") oder eine - die behandelte Thematik einschränkende - Sachangabe (wie "Oil and Gas", "Net") ergänzt oder als Vorspann für einen Sachbegriff (etwa "Investorscreen", "Investorvillage") mit der Folge einer Schwerpunktverlagerung verwendet. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die von der Beklagte angeführten Dritttitel bereits seit längerer Zeit in größerem Umfang auf dem deutschen Markt angeboten werden. So sind einige Internetseiten nicht mit Inhalten hinterlegt, andere in englischer Sprache gehalten."
An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage fest.
Der Beklagten kann auch nach wie vor nicht darin beigetreten werden, dass sie die Bezeichnung "Investor" lediglich beschreibend verwendet. Vielmehr benutzt sie diesen Begriff sowohl im Internet als auch in der Preisliste in Alleinstellung nach Art eines Rubrikentitels für verschiedenste Informationen zum Sachbereich der Kapitalanlagen. Dies gilt zunächst für den Internetauftrift, wo "Investor" auf der Homepage in einer Reihe mit weiteren allgemeinen Sparten herausgestellt wird und auf der zugehörigen Website die konkret behandelten Sachthemen und inhaltlichen Angebote prominent überschreibt. Gleichermaßen optisch hervorgehoben wird der Begriff "Investor" in der Preisliste, wobei das darunter abgehandelte Sachgebiet der privaten Finanzplanung erst im nachfolgenden Fließtext als eines der "Kurzprofile der Special-Interest-Bereiche" erläutert wird.
Im Hinblick auf die obergerichtliche (OLG Köln vom 11.04.2001 - 6 U 150/00 -, S. 12 -"Modern Living") und höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH WRP 1999, 1279, 1280/1282 -"SZENE") kann indes nicht mehr davon ausgegangen werden, dass es infolge des Gebrauchs im Kern gleichlautender Titel zu rechtlich relevanten Verwechslungen zwischen den Veröffentlichungen der Parteien kommt.
Gegen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne spricht, dass sich der Leser bei der Befassung mit den jeweiligen Publikationen nicht direkt mit der Beilage der Klägerin und der Rubrik der Beklagten konfrontiert sieht, sondern zunächst die mit "Handelsblatt" bzw. "Der Tagesspiegel" - gegebenenfalls auch mit der eigenständigen Beilagenbezeichnung "Investor für den privaten Anleger" - einerseits und "FAZ.NET" andererseits betitelten einheitlichen Publikationen wahrnimmt. Sind die sich gegenüber stehenden Titel aber derart in Gesamtveröffentlichungen mit gänzlich unterschiedlichen Titeln eingebettet, so sind die Werke hinreichend zu unterscheiden und stehen unmittelbare Verwechslungen der Publikationen selbst nicht zu befürchten.
Vor weitergehenden Verwechslungen ist der Titel der Klägerin nicht geschützt. Dass ein nicht unerheblicher Anteil der angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der übereinstimmenden titelmäßigen Verwendung der Bezeichnung "Investor" irrig die Veröffentlichung der Beklagten der Verlagsgruppe der Klägerin zurechnen (unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne) oder auf eine Zusammenarbeit der jeweiligen Verlagshäuser schließen wird (mittelbare Verwechslungsgefahr), kann nicht angenommen werden. Dafür, dass der periodisch erscheinende Titel "Investor für den privaten Anleger" über die Unterscheidung von anderen Werken hinaus einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft aus dem Verlagshaus der Klägerin enthält, fehlen hinreichende Anhaltspunkte. Hiervon kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig nur bei bekannten Titeln oder bekanntermaßen engen Zusammenhängen zwischen verschiedenen Werken oder Unternehmen ausgegangen werden (vgl. BGH WRP 1999, 1279, 1282 -"SZENE"; WRP 1999, 186, 188 - "Wheels Magazine").
Dass die - erst seit etwa zweieinhalb Jahren publizierte - Beilage "Investor für den privaten Anleger" über eine gesteigerte Bekanntheit verfügt, hat die Klägerin nicht ansatzweise dargetan. Auch wenn die Beilage bereits zwei verschiedenen Publikationen beigefügt ist, lässt dies noch nicht den Schluss darauf zu, dass der Leser die Veröffentlichung "Investor" der Beklagten als weitere Ausgabe der Klägerin selbst oder in Zusammenarbeit mit dieser auffassen wird. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass dem Verkehr die Publikation "Investor für den privaten Anleger" als inhaltlich identische Beilage einer Mehrzahl von Veröffentlichungen der Klägerin geläufig ist und er deshalb die angegriffene Rubrik als drittes Serienwerk in deren Einvernehmen auffassen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
Streitwert: 200.000,00 DM
Kehl | Dr. Kreß | Wille |
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