Operation durch Arzt in Fachausbildung

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

31. 01. 2002


Aktenzeichen

1 U 3145/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Übernimmt ein noch in der Facharztausbildung befindlicher Arzt eine Operation, so muss bei der Behandlung des Patienten der Facharztstandard stets gewährleistet sein. Dies geschieht in der Regel dadurch, dass ein Facharzt ständig anwesend ist, den Operierenden überwacht und bei Komplikationen zum Eingreifen bereit ist.

  2. Einem noch in der Facharztausbildung befindlichen Arzt darf die Durchführung einer Operation übertragen werden. Voraussetzung dafür ist, dass keine Bedenken gegen die Qualifikation des Operierenden bestehen und die Überwachung durch einen vorgesetzten Facharzt stets gewährleistet ist.

  3. Das gilt auch für schwierige Operationen. Dies rechtfertigt sich aus dem Ausbildungszweck, da ein Facharzt schwierige Operationen nicht eigenverantwortlich durchführen kann, ohne diese zuvor in der Facharztausbildung unter Aufsicht geübt zu haben.

  4. Wird eine Operation von einem in Ausbildung befindlichen Arzt unter fachärztlicher Aufsicht durchgeführt, so muss der Patient darüber nicht aufgeklärt werden, da der Facharztstandard bei der Operation durch die fachärztliche Aufsicht über den Operierenden gewährleistet ist.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

… 2. a) Die Behandlungsseite muss, wenn die Operation wie hier durch einen noch in der Facharztausbildung befindlichen Arzt durchgeführt wird, durch Überwachung seitens eines Facharztes sicherstellen, dass bei der Behandlung des Patienten der Facharztstandard stets gewährleistet ist.

b) Der vom LG einvernommene Zeuge …, der Oberarzt und HNO-Facharzt ist, hat glaubwürdig angegeben, dass er während des Eingriffs ständig anwesend war und er und die operierende Ärztin … jeweils abwechselnd durch das Okular des HNO-Endoskopes hindurchgesehen haben. Sobald Komplikationen aufgetreten sind, hat er die weitere Durchführung der Operation übernommen.

c) Während der Operation war der Facharztstandard im Rahmen des Möglichen stets gewährleistet. Die Durchführung der Operation durfte unter den vorgenannten Bedingungen einem noch in der Ausbildung befindlichen Arzt übertragen werden.

Frau … befand sich zeitlich bereits in der Mitte der Facharztausbildung, sie hatte das dritte medizinische Staatsexamen mit der Note 1 abgelegt und ist zwischenzeitlich als Oberärztin und Privatdozentin tätig. Gegen die Kompetenz von … bestehen im Hinblick auf ihren beruflichen Werdegang folglich keine Bedenken.

Im Übrigen kann und darf, wie der Sachverständige im Termin vom 13.12.2001 überzeugend erläutert hat, einem in Ausbildung befindlichen Arzt die Durchführung einer Operation unter Aufsicht dann übertragen werden, wenn dieser nach der Beurteilung seiner Vorgesetzten für die Operation ausreichend geschickt und verantwortungsbewusst erscheint. Abgesehen davon, dass gegen die Kompetenz der Operateurin …, wie ausgeführt, keine Bedenken bestehen, sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Einschätzung der vorgesetzten Ärzte, die … für hinreichend qualifiziert angesehen haben, fehlerhaft gewesen sein könnte. Der Umstand, dass es bei der Operation zu einer Verletzung des Gehirnes des Klägers gekommen ist, lässt aus den unter 1. a) genannten Gründen keinen Rückschluss auf einen Behandlungsfehler bzw. eine unzureichende Qualifikation von … zu.

d) Da 1993 nach Auskunft des Sachverständigen die Möglichkeit einer Monitorüberwachung des Operationsgebietes noch nicht möglich bzw. jedenfalls nicht fachärztlicher Standard war, ist auch nicht zu beanstanden, dass … die Operation dadurch überwacht hat, dass er abwechselnd mit … in das Okular des HNO-Endoskopes gesehen hat. Vielmehr war dies nach Einschätzung des Sachverständigen die seinerzeit beste Lösung zur Operationsüberwachung.

e) Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist es auch unzutreffend, dass die unstreitig schwierige Operation generell, auch nicht unter fachärztlicher Überwachung, von einem noch in der Ausbildung befindlichen Arzt durchgeführt werden durfte. Vielmehr kann das Facharztniveau, wenn der Arzt in der Ausbildung lediglich leichte oder Routineoperationen durchführt, nicht erreicht werden. Voraussetzung für die Ablegung der Facharztprüfung ist, wie der Sachverständige erläutert hat, dass der Kandidat auch an Eingriffen höheren Schwierigkeitsgrades unter Aufsicht mitgewirkt hat. Es liegt auf der Hand, dass der Facharzt schwierige Operationen nicht eigenverantwortlich durchführen kann, ohne diese zuvor in der Facharztausbildung unter Aufsicht geübt zu haben. Dieser Ausbildungszweck, der auch und gerade im Interesse der Patienten liegt, rechtfertigt i.V.m. dem Umstand, dass bei gehöriger Aufsicht durch einen Facharzt der Facharztstandard gewahrt wird, auch die Durchführung schwieriger Operationen durch den in Ausbildung befindlichen Arzt.

3. a) Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des vom LG vernommenen Zeugen … geht der Senat davon aus, dass der Kläger davon unterrichtet und damit einverstanden war, dass die Operation von einer in Ausbildung befindlichen Ärztin unter fachärztlicher Aufsicht durchgeführt wird.

Im Übrigen muss der Patient von Rechts wegen nicht darüber aufgeklärt werden, dass eine Operation von einem in Ausbildung befindlichen Arzt unter fachärztlicher Aufsicht durchgeführt wird, da bei zureichender fachärztlicher Aufsicht der Facharztstandard bei der Operation gewahrt ist (Streffen, 8. Aufl., Rz. B 254 m.w.N.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rz. 180). …

Vorinstanzen

LG München I, 9 O 12355/96

Rechtsgebiete

Arzt-, Patienten- und Medizinrecht