"netnight": Kennzeichnungsfähigkeit und Titelaufgabe
Gericht
LG Köln
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
08. 03. 2002
Aktenzeichen
81 O 77/01
Für die endgültige Titelaufgabe im Rechtssinn kommt es auf die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise an. Dies sind praktisch alle Verbraucher, wenn die ursprüngliche Titelführung gegenüber dem Fernsehzuschauer erfolgt ist.
Aus der Sicht der Fernsehzuschauer endet die Nutzung des Titels einer Serie von Fernsehsendungen dann, wenn die Serie nicht fortgesetzt wird und sich nicht aus der Gesamtheit der Umstände heraus ergibt, dass es sich nur um eine Unterbrechung handelt und die Reihe später fortgesetzt wird.
Wie lange nach dem rein tatsächlichen Ende des Erscheinens eines Werkes von Endgültigkeit ausgegangen wird, hängt von der Art des Werkes ab und insbesondere von der Art und dem Takt, in dem es bislang erschienen ist.
Die Bezeichnung "netnight" ist kennzeichnungskräftig
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,- zu unterlassen, die Bezeichnungen "netnight" und/oder "netnite" als Titel für eine Fernsehproduktion und/oder für deren Bewerbung zu verwenden und/oder verwenden zu lassen.II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringende Sicherheitsleistung in Höhe von € 50.000,-.
Die Klägerin veröffentlichte in der 20. Kalenderwoche 2000 eine
Titelschutzanzeige betreffend die Bezeichnung "netnight" in allen Schreibweisen
u.a. für Fernsehen. Daraufhin wurde sie von der Beklagten abgemahnt mit der
Begründung, die Beklagte habe 20 Folgen einer Fernsehsendung produziert, die in
der Zeit zwischen Juni 1996 und Dezember 1997 unter dem Titel "Netnite" im ZDF
gesendet worden ist, und verfüge deshalb über die älteren Rechte an dem Titel.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe den Titelgebrauch endgültig aufgegeben, sodass ihr keine Priorität zukomme. Sie hat mit dieser Begründung am 23.6.2000 bei der Kammer zu Aktenzeichen 81 O 139/00 eine einstweilige Verfügung im Beschlusswege erwirkt, durch die der Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld verboten worden ist, "netnite" zu verwenden wie dies im Tenor dieses Urteils beschrieben ist.
Ebenfalls am 23.6.2000 meldete die Klägerin eine Wortmarke 300 46 907.1 "netnite" und eine am 24.10.2000 u.a. für die Klasse 41 eingetragene Wort/Bildmarke 300 46 850 "netnight" an; wegen der grafischen Ausgestaltung wird auf die Anlage K3 Bezug genommen. Ihre Klage stützt sie auch auf die eingetragene Marke.
In der 37.KW des Jahres 2001 schaltete die Klägerin eine neue Titelschutzanzeige für "netnight" und "netnite".
Sie trägt vor, sie habe sich intensiv und letztlich auch erfolgreich um eine Benutzung des Titels bemüht, denn es gebe ein "Cross-Media-Projekt", welches "auch ein TV-Format ... in Zusammenarbeit mit den Fernsehsendern RTL und VIVA" beinhalte; dies werde belegt durch die Internet-Darstellung auf der Homepage "www.netnight.de" (Anlage K20). Die dort angekündigte Galaveranstaltung sei am 13.12.2001 aufgezeichnet worden.
Sie beantragt, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie habe die Titelnutzung zu keinem Zeitpunkt aufgegeben, denn zunächst habe bis zum 31.7.1999 eine Karenzzeit zugunsten des ZDF gegolten, deretwegen sie - die Beklagte - noch nicht einmal auf ihrer Website auf die Themen der alten "netNite" - Sendungen haben verweisen dürfen. In der Folgezeit habe sie dann ihre Rechte gegen Dritte verteidigt (außer gegen die Holding der Klägerin noch gegen ein Hannoveraner Unternehmen) und seit Ablauf der Karenzzeit bis zuletzt noch ganz konkrete Gespräche mit dem TV-Sender tm3 geführt. Auch trage ihr Online - Nachrichtenangebot nach wie vor den Titel "Der wöchentliche netNite Newsletter". Mehr sei - da bislang eben kein Produktionsauftrag erteilt worden sei - nicht möglich gewesen, denn insbesondere sei es nicht möglich gewesen, mit den Plänen und/oder sogar mit den Gesprächen in der Öffentlichkeit "hausieren" zu gehen.
Womögliche Rechte aus der Titelschutzanzeige aus dem Jahre 2000 habe die Klägerin mittlerweile verloren, weil auch sie keine TV-Sendung produziert habe; die neuerliche Anmeldung sei rechtsmissbräuchlich. Aus der eingetragenen Marke schliesslich könne sie nicht vorgehen, da deren Wortbestandteil für sich allein nicht schutzfähig sei, wie die Nichteintragung der reinen Wortmarke belege.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten Unterlassung nach Maßgabe des Tenors auf der Grund der für sie eingetragenen Wort-/Bildmarke verlangen, §§ 4, 14 MarkenG, denn die Beklagte verfügt entgegen ihrer Auffassung nicht über die älteren Rechte und eine Fernsehsendung mit dem Titel (phonetisch) "netnait" kollidiert mit dem Wortbestandteil der eingetragenen Marke.
Zur Frage des Rechtsverlustes des ursprünglich der Beklagten zustehenden Titels hat die Kammer im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Folgendes ausgeführt:
Die einstweilige Verfügung ist auch unter Berücksichtigung des Vortrages in der Widerspruchsbegründung aufrecht zu erhalten, denn für die Entscheidung ist davon auszugehen, dass die Titelnutzung seitens der Antragsgegnerin endgültig aufgegeben ist.Ein Titelrecht gemäß §§ 5, 15 MarkenG entsteht durch Benutzung und bleibt so lange bestehen, solange der Titel genutzt wird. Wird er - endgültig - aufgegeben erlischt das Recht (vgl. Fezer, Markenrecht 2. Auflage, § 15 MarkenG, Rdn. 169). Insoweit besteht zwischen den Parteien Einigkeit, sodass nähere Darlegungen entbehrlich sind.
Vorliegend ist für die Entscheidung davon auszugehen, dass die Titelaufgabe im Rechtssinn endgültig erfolgt ist, denn für diese Beurteilung kommt es auf die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise an (vgl. Fezer a.a.O.) Dies sind nicht etwa die Brancheninsider, namentlich die Fernsehanstalten, sondern praktisch alle Verbraucher, denn die ursprüngliche Titelführung ist entsprechend der Zweckbestimmung seitens der Antragsgegnerin gegenüber dem Fernsehzuschauer erfolgt. Aus der Sicht der Fernsehzuschauer - zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, die deshalb das Verbraucherverständnis aus eigener Sachkunde feststellen können - endet die Nutzung des Titels einer Serie von Fernsehsendungen dann, wenn die Serie nicht fortgesetzt wird und sich nicht aus der Gesamtheit der Umstände heraus ergibt, dass es sich nur um eine Unterbrechung handelt und die Reihe später fortgesetzt wird.
Vorliegend hat es für den Zuschauer seit Ende Dezember 1997 bis heute nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die Serie irgendwann einmal fortgesetzt wird, sodass für ihn gar nichts anderes als die Annahme eines endgültigen Endes des konkreten, mit "netNite" betitelten Werkes übrig geblieben ist. Die in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Ereignisse um die TV-Sendung "Was bin ich?" bestätigen - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - die Wertung seitens der Antragstellerin, denn niemand von den Zuschauern wird annehmen, die altbekannte Sendung werde nunmehr - wenn auch mit anderen Darstellern - fortgesetzt; die aktuelle Produktion wird vielmehr als der Nachbau der alten Idee verstanden und das auch nur, weil die damalige Sendung eine ganz außerordentliche Bekanntheit erlangt hat: diese bloße Erinnerung aber ist nicht gleichzusetzen mit der Annahme, das ursprüngliche Werk lebe fort, sodass die Antragsgegnerin nichts aus dem seinerzeitigen Erfolg ihrer Sendung herleiten kann. Folgerichtig spricht die Presseveröffentlichung in Bezug auf die Sendung "Canale Grande" von "wiederbeleben" und nicht von "fortsetzen".
Wie lange nach dem rein tatsächlichen Ende des Erscheinens eines Werkes von Endgültigkeit ausgegangen wird, hängt von der Art des Werkes ab und insbesondere von der Art und dem Takt, in dem es bislang erschienen ist. "netNite" ist monatlich gesendet worden, sodass schon eine Pause von mehreren Monaten, die nicht z.B. jahreszeitlich zu begründen ist (und dann auch so angekündigt wird), im Hinblick auf den Fortbestand des Rechtes bedenklich sein kann. Auch die vertraglichen Regelungen, die die Antragsgegnerin und das ZDF getroffen haben, können einen Anhaltspunkt bieten; danach wäre nach Ablauf etwa eines Jahres die Zäsur anzunehmen, denn die Karenzzeit hat ja gerade dazu gedient, die Fortsetzung der Sendung auf einem anderen Sender zu unterbinden.
Letztlich kann dies offenbleiben, denn vorliegend hat der Titel nicht nur ein Jahr brachgelegen, sondern wird von der Antragsgegnerin seit Dezember 1997 nicht genutzt: für den Fernsehzuschauer ist der Titel damit bis heute seit knapp 3 Jahren nicht mehr existent.
Zugunsten der Antragsgegnerin kann davon ausgegangen werden, dass sie sich um einen Produktionsauftrag bei einer Fernsehanstalt bemüht hat; entgegen ihrer Auffassung genügt das aber nicht, denn für den Zuschauer ist dies nicht erkennbar. Die Kammer verkennt dabei keineswegs, dass es aus vielerlei Gründen nicht möglich ist, mit den Plänen und/oder sogar den konkreten Verhandlungen an die Öffentlichkeit zu gehen; auch wenn die jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, führt dies nicht dazu, dass für die Branche der Antragsgegnerin andere Regeln gelten: auch für sie ist es nämlich problemlos möglich gewesen, sich entweder eine Marke zu sichern oder aber - um im Bereich des Titels zu bleiben - eine Titelschutzanzeige zu schalten. Zu dem vorliegenden Verfahren ist es nur gekommen, weil letzteres versäumt worden ist.
Auf alle weiteren Aspekte kommt es für die Entscheidung nicht an: weder müssen die brancheninternen Veröffentlichungen im Hinblick auf Endgültigkeit oder Vorläufigkeit der Einstellung ausgelegt werden (weil diese nicht die Auffassung der Verkehrskreise zum heutigen Zeitpunkt belegen) noch kann sich die Antragsgegnerin auf ihre mit "netNews" benannten Online - Nachrichten berufen, denn auch wenn der Untertitel lautet "DER WÖCHENTLICHE netNite NEWSLETTER" hat das keinen Einfluss auf die Annahme des Zuschauers, die Fernsehproduktion "netNite" gebe es nicht mehr. Nur eine solche Fernsehproduktion aber und solche Handlungen, die sich auf deren Fortbestand beziehen, ist Gegenstand des Verfahrens.
Aus diesem Grund führen auch die außergerichtlichen Erfolge gegen andere Interessenten an dem Titel nicht weiter, denn diese belegen nur die - ohnehin glaubhaften gemachten - Pläne im Hinblick auf eine zukünftige Nutzung.
An dieser Beurteilung hält die Kammer nach erneuter Beratung fest und die Darlegungen bedürfen auch keiner Ergänzung, denn der maßgebliche Sachverhalt hat sich nicht geändert.
Die Ausführungen gelten aber auch für die Klägerin und deren Versuche, ein TV-Format unter der streitgegenständlichen Bezeichnung zu verbreiten; mehr als - erfolglose - Versuche vermag die Kammer auch in dem, diesbezüglichen Vortrag der Klägerin nicht zu erkennen, sodass zu dem für diese Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt auch für die Klägerin von einer Nichtbenutzung auszugehen ist; daran ändert insbesondere die Preisverleihung nichts, auch wenn sie irgendwann einmal im Fernsehen ausgestrahlt worden sein sollte oder womöglich noch wird. Vor diesem Hintergrund spricht Einiges dafür, die neuerliche Anmeldung für rechtsmissbräuchlich zu halten, denn die Beklagte ist seit Juni 2000 durch das gerichtliche Verbot rechtlich an einer Verwendung des Titels gehindert, hat also bisher gar keine "Chance" für eine eigene, neue Nutzungsaufnahme.
Alles das kann aber letztlich dahinstehen, denn die Klage ist aus der eingetragenen Marke begründet, die in Folge des Rechtsverlustes der Beklagten über die bessere Priorität verfügt.
Ausgangspunkt der Prüfung ist die Gesamtwirkung der sich gegenüber stehenden Zeichen; vorliegend handelt es sich auf Seiten der Beklagten um ein reines Wortzeichen mit dem Klang "netnait" und auf Seiten der Klägerin um das identische Zeichen, dem eine, entfernt vielleicht an einen Saturnring erinnernde Ellipse hinzugefügt ist. Ganz gleich, ob der Verkehr mit diesem grafischen Element überhaupt eine Assoziation verbindet oder nicht: es ist in jeder Hinsicht unspezifisch und wirkt ausschließlich als Verzierung. Allein prägend für die Wort-/Bildmarke ist deren Wortbestandteil, weicher für eine Fernsehsendung und/oder eine Reihe von Fernsehsendungen deutlich über eine reine Beschreibung hinausgeht und damit von Hause aus kennzeichnungskräftig ist. Eine "Netz-" oder eine "Internet-" Nacht beschreibt unmittelbar nur einen Sachverhalt, der zum Gegenstand hat, dass eine oder mehrere Personen einen erheblichen Teil der Nacht vor einem Computer verbringen und aktuelle Internet - Inhalte verfolgen oder auch interaktiv gestalten; ein "netnight" genanntes Unterhaltungsprogramm wird sich zwar erwartungsgemäß ebenfalls mit diesem Themenkomplex befassen, es bleibt aber offen, was genau dort abläuft. Wie kennzeichnungskräftig der fragliche Titel ist, zeigt sich nicht zuletzt an der Intensität, mit der die Parteien um ihn kämpfen. Die klangliche Bezeichnung "netnait" sind in beiden Zeichen identisch; eine von der Beklagten als jetzt jüngere Verwenderin verletzt deshalb die ältere Marke der Klägerin, weil die Dienstleistungen ebenfalls identisch sind.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: € 125.000,-.
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