Rechtswidrige Zugabe bei Zeitschriftenabonnement

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

12. 02. 2002


Aktenzeichen

312 O 760/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Auch nach Abschaffung der Zugabeverordnung und des Rabattgesetzes gelten die kartellrechtlichen Grundsätze zur Preisbindung unverändert fort.

  2. Deshalb ist eine Zugabe rechtswidrig, wenn mit ihr ein wirtschaftlicher Vorteil eingeräumt wird, der 15% des gebundenen Einzelverkaufspreises überschreitet.

Tenor

Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens Euro 250.000,--; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gemeinsam mit einem Jahres- und/oder einem Geschenkabonnement der Zeitschrift ... dem Besteller eines der im folgenden genannten "wertvollen Geschenke" anzubieten oder zu gewähren und/oder anbieten oder gewähren zu lassen:

a) Siemens ID-Mouse (6717)
b) Logitech Mouse (6604)
c) Vivanco Voice Control Tastatur
d) Samex American Toaster
e) Classic Radio


Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von Euro 310.000,-- vorläufig vollstreckbar;

und beschließt:
Der Streitwert wird auf Euro 300.000,-- festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien konkurrieren auf dem Zeitschriftenmarkt. Die Klägerin gibt ... heraus. Die Beklagte verlegt den ... . Der Einzelverkaufspreis für den ... beträgt Euro 2,50 (vgl. Anl. B 1b).

Die Beklagte verspricht und gewährt denjenigen, die bei ihr für sich selbst oder für Dritte (Geschenkabonnement) ein Jahresabonnement des ... bestellen, die im Tenor bezeichneten "wertvollen Geschenke". Deren Wertanmutung für den Besteller ist zwischen den Parteien streitig. Der Einkaufspreis für die Siemens ID-Mouse beträgt Euro 50,60, der Verkaufspreis jedenfalls rund Euro 70,--. Der Einkaufspreis der Logitech Mouse beträgt jedenfalls Euro 23,--, der Verkaufspreis jedenfalls Euro 41,--. Als Einkaufspreis für die Vivanco Voice Control Tastatur gibt die Beklagte Euro 40,39 und als Verkaufspreis rund Euro 55,-- an. Der Samex American Toaster hat einen Verkaufspreis von rund Euro 40,--. Den Einkaufspreis des Classic Radios gibt die Beklagte mit Euro 15,-- an.

Der Einzelverkaufspreis des ... unterliegt einer Preisbindung im Sinne von §§ 14, 15 GWB.

Die Klägerin macht geltend, auch nach Aufhebung der Zugabeverordnung sei die Gewährung der hier streitgegenständlichen "wertvollen Geschenke" unzulässig und verstoße gegen § 1 UWG, und zwar unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens sowie der mißbräuchlichen Handhabung der Preisbindung.

Die Klägerin beantragt,

- wie erkannt -.

Die Beklagte beantragt,
Klagabweisung.

Die Beklagte macht geltend, die ausgelobten Zugaben würden keinen übertriebenen Anlockeffekt entfalten und seien auch unter dem Gesichtspunkt der Preisbindung nicht zu beanstanden, zumal sie in den entsprechenden Preisbindungsvereinbarungen mit den Einzelhändlern - was unstreitig ist - die Gewährung von Zugaben durch den Einzelhändler im Gegensatz zur Gewährung von Rabatten nicht ausschließe.

Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt des vorangegangenen Verfahrens der einstweiligen Verfügung zum Az.: 312 O 588/01 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Auslobung und Gewährung der streitgegenständlichen Zugaben für die Besteller eines Jahresabonnements des ... verstoßen gegen § 1 UWG. Insoweit kann offenbleiben, ob bei einigen oder bei allen der ausgelobten Zugaben auch ein Fall des sog. übertriebenen Anlockens vorliegt. Denn jedenfalls sind Ankündigung und Gewährung der "wertvollen Geschenke" im Hinblick auf die von Beklagtenseite praktizierte Preisbindung mißbräuchlich und damit unlauter im Sinne von § 1 UWG. Verpflichtet der Verleger eines Presseerzeugnisses die von ihm belieferten Händler, den Einzelverkauf zu einem bestimmten, gebundenen Preis vorzunehmen, so ist es mißbräuchlich und unlauter im Sinne von § 1 UWG, wenn der Zeitschriftenverleger beim Vertrieb von Abonnements die von ihm selbst den Einzelhändlern auferlegte Preisbindung signifikant unterbietet. Eine auch gegen § 1 UWG verstoßende mißbräuchliche Handhabung der Preisbindung im Sinne von §§ 14, 15 GWB liegt dabei jedenfalls dann vor, wenn die gebundenen Einzelverkaufspreise mehr als 15 % unterboten werden. Dies beschränkt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Gewährung von Preisnachlässen, sondern erstreckt sich auch auf die Einräumung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile, insbesondere die Gewährung von Zugaben, wenn dem Besteller dadurch ein wirtschaftlicher Vorteil eingeräumt wird, der 15 % des gebundenen Einzelverkaufspreises überschreitet. Daß nach den Preisbindungsvereinbarungen der Beklagten auch der Einzelhändler befugt ist, seinen Kunden beim Einzelverkauf Zugaben zu gewähren, ändert hieran nichts. Denn bereits in tatsächlicher Hinsicht scheidet die Gewährung attraktiver Zugaben angesichts der im Vergleich zum Wert eines Jahresabonnements geringen Einzelverkaufspreise faktisch aus. Im übrigen würde auch die Gewährung von Zugaben durch den Einzelhändler dem Sinn und Zweck der Preisbindung und ihrer ausnahmsweisen Zulässigkeit im Bereich des Verlagswesens zuwider laufen, da sie letztlich der Erzielung des gebundenen Preises im Interesse des Verlagswesens wirtschaftlich entgegensteht. Jedenfalls wäre es deshalb auch mißbräuchlich und unlauter, den Einzelhändler durch die hier streitige Praxis der Gewährung großzügiger Zugaben gleichfalls zu einer Umgehung der formal aufrechterhaltenen Preisbindung durch Zugabegewährungen zu veranlassen.

Die hier in Rede stehenden Zugaben für den Besteller eines Jahresabonnements übersteigen die zulässige Grenze von 15 % des Einzelverkaufspreises. Der Einzelverkaufspreis für 52 Hefte zu jeweils Euro 2,50 beträgt Euro 130,--. Bis auf das Classic Radio liegen die für den Bezug eines Jahresabonnements versprochenen Zugaben bereits im Einkaufspreis über Euro 19,50, also über 15 % von der Summe der Einzelverkaufspreise für 52 Ausgaben des ... . Entscheidend kommt es aber für den wirtschaftlichen Vorteil auf die Wertanmutung der Zugabe für den Besteller an, wie auch die Beklagte zu Recht nicht in Zweifel zieht. Diese Wertanmutung liegt auch bei dem aus Anl. K 10 ersichtlichen Classic Radio nach Ausstattung und Zubehör deutlich über Euro 20,--.

Auf die Differenz zwischen dem Einzelverkaufspreis und dem Abonnementpreis kommt es vorliegend nicht an, da der Preis für ein Jahresabonnement mit Euro 119,64 bereits unter der Summe der Einzelverkaufspreise für den Jahresbezug des ... liegt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Sievers Schmidt Dr. Kagelmacher

Rechtsgebiete

Kartellrecht; Wettbewerbsrecht