Feiertagsvergütung - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

16. 01. 2002


Aktenzeichen

5 AZR 303/00


Leitsatz des Gerichts

BAG Leitsätze:

  1. Erbringt ein Arbeitnehmer auf Grund einer besonderen Vereinbarung nach § 5 Nr. 3 II BRTV-Bau regelmäßig zusätzlich vergütete Arbeitsleistungen (hier: Fahrleistungen), hat der Arbeitgeber nach § 2 EFZG das hierfür vereinbarte Arbeitsentgelt zu bezahlen, wenn die Arbeit infolge eines Feiertags ausfällt. Gleiches gilt nach §§ 3 I, 4 I EFZG, wenn der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist.

  2. Die Arbeitsvertragsparteien können den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für regelmäßige zusätzliche Arbeitsleistungen nicht für Tage, an denen die Arbeit wegen eines Feiertags ausfällt oder an denen der Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung verhindert ist, ausschließen. Hierin läge eine nach § 12 EFZG unzulässige Abweichung von der Entgeltfortzahlungspflicht nach §§ 2 und 3 EFZG.

BAG Orientierungssätze:

  1. Arbeitszeit im Sinne von § 2 EFZG ist die für die Arbeit vorgesehene oder festgelegte Zeitspanne.

  2. Das Führen eines Kraftfahrzeugs zum Zwecke der Personenbeförderung im Auftrag eines Dritten ist Arbeit.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen. Der Kl. ist bei der Bekl. als Isolierer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Anwendung. Der Kl. fährt an jedem Arbeitstag Arbeitskollegen mit einem Firmenwagen zur Baustelle und wieder zurück. Die Bekl. zahlt ihm dafür zusätzlich zu seinem tariflichen Arbeitsverdienst für 3,25 Arbeitsstunden täglich eine Vergütung in Höhe von 27,03 DM brutto je Stunde. Der Kl. war am 29. und 30. 9. 1998 arbeitsunfähig krank. Für diese beiden Tage der Arbeitsunfähigkeit leistete die Bekl. Entgeltfortzahlung im Umfang der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit. Die Fahrertätigkeit berücksichtigte sie jedoch nicht. Mit seiner Klage fordert der Kl. für die zwei Tage der Arbeitsunfähigkeit zusätzliche Entgeltfortzahlung im Umfang von jeweils 3,25 Stunden zu 27,03 DM brutto. Weiterhin begehrt der Kl. in gleichem Umfang von der Bekl. Entgeltfortzahlung für die infolge der gesetzlichen Feiertage am 1. 5. 1998 (Freitag), 21. 5. 1998 (Donnerstag, Christi Himmelfahrt), 1. 6. 1998 (Pfingstmontag) und 11. 6. 1998 (Donnerstag, Fronleichnam) ausgefallene Fahrzeit sowie berichtigte Lohnabrechnungen für die Monate Mai, Juni und September 1998. Die Bekl. hält die Klage für unbegründet, weil Fahrertätigkeit keine Arbeitszeit im Sinne des BRTV-Bau sei und deshalb zur Ermittlung der Höhe der Entgeltfortzahlung nicht herangezogen werden könne.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Mit der vom LAG zugelassenen Revision beantragt die Bekl. die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

I. Die hinsichtlich der Zahlungsansprüche zulässige Revision der Bekl. ist nicht begründet. Das LAG hat die Bekl. zu Recht zur Entgeltfortzahlung verurteilt.

1. Gem. § 2 I EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.

a) Arbeitszeit i.S. von § 2 EFZG ist die für die Arbeit vorgesehene oder festgelegte Zeitspanne. Dem entspricht der arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeitbegriff in § 2 I ArbZG, wonach Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen ist. Arbeit wiederum ist jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (Senat [11. 10. 2000], NZA 2001, 458 = AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 20 = EzA BGB § 611 Nr. 30).

b) Zur Arbeitszeit des Kl. gehörte nicht nur die tarifliche Arbeitszeit i.S. des § 3 BRTV-Bau, sondern auch die Zeit, während der er Mitarbeiter mit dem firmeneigenen Fahrzeug zur Baustelle und zurück brachte. In dieser Zeit erbrachte der Kl. auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung für die Bekl. Arbeitsleistungen. Das Führen eines Kraftfahrzeugs zum Zwecke der Personenbeförderung im Auftrag eines Dritten ist Arbeit. Diese Arbeit entsprach zwar nicht seiner als Isolierer geschuldeten Tätigkeit. Das ist jedoch unerheblich, weil über diese Arbeitsleistung zwischen den Parteien nach Maßgabe von § 5 Nr. 3 II BRTV-Bau eine gesonderte vertragliche Vereinbarung getroffen wurde. Der Kl. sollte nach den gem. § 561 II ZPO bindenden Feststellungen des LAG für die Bekl. mit einem Firmenfahrzeug Arbeitskollegen zur Baustelle und zurück fahren. Für diese Fahrtätigkeit war eine Stundenvergütung in Höhe von 27,03 DM brutto vereinbart. Die Arbeitszeit betrug arbeitstäglich 3,25 Stunden. Die Parteien konnten den Vergütungsanspruch der Kl. auch nicht für Tage, an denen die Arbeit wegen eines Feiertags ausfällt oder an denen der Kl. wegen Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung verhindert ist, ausschließen. Hierin läge eine nach § 12 EFZG unzulässige Abweichung von der Entgeltfortzahlungspflicht nach §§ 2 und 3 EFZG.

c) Gem. § 2 I EFZG kann der Kl. daher von der Bekl. die weitere Bezahlung von je 3,25 Arbeitsstunden an den vier Feiertagen unter Zugrundelegung eines Stundenlohns von 27,03 DM brutto verlangen. Dies ergibt einen Betrag von 351,39 DM brutto.

2. Die Bekl. hat dem Kl.gem. §§ 3 I, 4 I EFZG für den 29. und 30. 9. 1998 weitere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für je 3,25 Stunden zu zahlen. Nach § 4 I EFZG in der 1998 geltenden Fassung hat der Arbeitgeber für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitnehmer 80% des ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts fortzuzahlen. Dem entspricht § 4 Nr. 2 BRTV-Bau in der zur Zeit der Arbeitsunfähigkeit geltenden Fassung für die ersten drei krankheitsbedingten Ausfalltage eines Krankheitsfalles. Für die Höhe der Entgeltfortzahlung ist die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers maßgeblich. Die betriebsübliche oder tarifliche Arbeitszeit ist nur dann von Bedeutung, wenn die regelmäßige individuelle Arbeitszeit hiervon nicht abweicht (vgl. Senat [15. 2. 1978], AP LohnFG § 2 Nr. 8 = EzA LohnFG § 12 sowie Senat [21. 11. 2001], NZA 2002, 439). Zur regelmäßigen individuellen Arbeitszeit des Kl. gehörte die Zeit, in der er für die Bekl. Arbeitskollegen mit dem Firmenfahrzeug beförderte. Der Kl. hat diese Arbeiten nach den Feststellungen des LAG in der Vergangenheit an jedem Arbeitstag und damit regelmäßig ausgeübt. Die Bekl. hat dem Kl. deshalb für jeweils 3,25 Arbeitsstunden an den beiden Tagen der Arbeitsunfähigkeit (29. und 30. 9. 1998) 80% des Stundenlohns von 27,03 DM, das heißt im Ergebnis 140,56 DM, zu zahlen.

II. Soweit die Bekl. sich mit ihrer Revision auch gegen die Verurteilung zur Erstellung berichtigter Lohnabrechnungen für die Monate Mai, Juni und September 1998 wendet, ist ihr Rechtsmittel gem. § 554 III Nr. 3 lit.a ZPO unzulässig. Denn in der Revisionsbegründung finden sich hierzu keine Ausführungen.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht