Presseberichte über Risiko-Kapitalanlagegeschäfte
Gericht
LG Frankfurt
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
11. 07. 2002
Aktenzeichen
2/3 O 142/02
Bestimmte Risikokapitalanlagegeschäfte gefährden geschäftlich unerfahrene Personen. Bei diesen Geschäften besteht für die Presse ein berechtigtes Interesse, zur Vorsicht zu raten.
Über Vorstrafen wegen Urheberdelikten und wegen Betrugs darf aus Resozialisierungsgründen grundsätzlich nicht mit Namensnennung berichtet werden, soweit nur wegen dieser Vorstrafen der Verdacht bestehen soll, der Betroffene könne Anleger prellen.
Wer sich in einem Emissionsprospekt für ein Risikokapitalanlagegeschäft als Funktionsträger ausweisen lässt, muss es sich gefallen lassen, dass die Presse über seine unternehmerische Tätigkeiten bildlich und mit Nennung des Namens berichtet.
Auf Innenverhältnisse des Funktionsträgers zur Firma kommt es nicht an.
Der Funktionsträger muss sich einer öffentlichen Kritik seiner beruflichen Tätigkeit stellen. Eine solche Kritik findet ihre Grenze erst in polemischen Ausfällen, die nicht mehr der Auseinandersetzung in der Sache dienen, sondern beleidigend wirken.
Zu diesen Risikokapitalanlagegeschäften darf über laufende strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Funktionsträger ermittelt werden.
...
Im übrigen wird die vorgenannte Beschluß-Verfügung aufgehoben und der Antrag
auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vom 11.03.2002 zu Ziffer 1.a.
zurückgewiesen.
Die Kosten des Anordnungsverfahrens werden zu 9/10 dem
Verfügungskläger und zu 1/10 der Verfügungsbeklagten, die Kosten des
Widerspruchsverfahrens zu 3/4 dem Verfügungskläger und zu 1/4 der
Verfügungsbeklagten auferlegt.
...
Der Streitwert für das Widerspruchsverfahren wird auf € 83.333,33 festgesetzt.
...
Auf den Widerspruch der Beklagten war die einstweilige Verfügung der Kammer vom 12.03.2002 auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Diese Überprüfung führte dazu, sie nur noch in dem aus dem Urtelistenor heraus ersichtlichen Umfang zu bestätigen.
Die Berichterstattung der Beklagten bezüglich des gegen den Kläger ergangenen
Strafurteils wegen Verletzung von urheberrechtlichen Bestimmungen sowie die
Erwähnung seiner Vorstrafen war rechtswidrig und deshalb zu unterlassen ( § 1004
BGB analog ).
Die von der Beklagten vorgenommene Verbindung zwischen der
Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht und dem eigentlichen
Gegenstand des Artikels - unseriöse Kapitalanlagegeschäfte - als Indikator für
die Vertrauenswürdigkeit einer der beteiligten Personen hält einer Abwägung
zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und dem
Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht stand. Ein derart loser
Zusammenhang zwischen Kapitalanlagen in der Unterhaltungsindustrie und
Urheberrechtsdelikten kann kein überwiegendes Informationsinteresse der
Allgemeinheit begründen.
Die Berichterstattung der Beklagten über die
zurückliegenden Verurteilungen des Klägers wegen Betrugs war ebenfalls
rechtswidrig. Zur Warnung der Anleger hätte es genügt, ohne namentliche
Erwähnung des Klägers auf den einschlägig vorbestraften Geschäftsführer zu
verweisen. Es bliebe der Beklagten unbenommen, für den Fall, daß - wie sie
befürchtet - unseriöse geschäftliche Aktivitäten vom Kläger aus dem Hintergrund
lanciert werden, erneut einen warnenden Bericht zu verfassen. Der bloße
Verdacht, der Kläger könne aufgrund seines bisherigen Verhaltens oder gar
aufgrund der einschlägigen Vorstrafen Anleger prellen, wiegt den durch das
Resozialisierungsinteresse begründeten Persönlichkeitsschutz nicht auf ( OLG
Frankfurt a.M., Beschl. v. 20.09.1994, Az. 16 W 20/94).
...
Die übrigen streitbefangenen Äußerungen in dem Artikel vom 06.03.2002 sind hingegen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Dies gilt zum einen, soweit der Kläger überhaupt Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung über sich verlangt. Der Kläger muß seine bildliche und namensmäßige Nennung dulden, soweit sich die Berichterstattung der Beklagten auf die unternehmerischen Aktivitäten des Klägers bezieht. Insoweit hat sich der Kläger mit diversen Beteiligungsangeboten bewußt und freiwillig an die Öffentlichkeit gewandt. Die insoweit von der Beklagten vorgelegten Schriftstücke, wie etwa der Emissionsprospekt der Firma ... , belegen das. Dabei ist es irrelevant, welche Befugnisse dem Kläger im Innenverhältnis mit der ... zustanden. Der Ernissionsprospekt, auf den sich die Berichterstattung der Beklagten bezieht, nennt den Kläger als Funktionsträger der Gesellschaft. Der Kläger hat einer Veröffentlichung seines Namens im Emissionsprospekt einer Aktiengesellschaft unter der Rubrik Funktionsträger zum damaligen Zeitpunkt trotz Kenntnis nicht widersprochen und sich somit bewußt an die Öffentlichkeit gewandt. Im Emissionsprospekt wird die Gesellschaft detailliert beschrieben, um dem potentiellen Anleger ein Bild vom Gegenstand der Gesellschaft sowie von den beteiligten Personen zu vermitteln. Auch im Emissionsprospekt der Firma ... werden die beteiligten Personen bezüglich ihrer Kompetenz auf dem Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft ausführlicher dargestellt. Mit Nennung des Namens des Klägers als Funktionsträger in einem solchen Prospekt kann, unabhängig von der eventuellen Einschränkung seiner Befugnisse im Innenverhältnis, nicht schlechterdings davon ausgegangen werden, der Kläger böte die im Emissionsprospekt bezeichneten Aktien der Gesellschaft im Gegensatz zu den anderen Funktionsträgern gerade nicht an. Es stellt sich die Frage, warum der Kläger ansonsten überhaupt im Emissionsprospekt als Funktionsträger aufgeführt sein sollte.
Weiterhin ist der Kläger in der Presseveröffentlichung der ... als Geschäftsführer (CEO) sowie Ansprechpartner der ... angegeben. Aus dem Strukturdiagramm der Gesellschaft ... geht hervor, daß diese Beteiligungen an diversen, im Artikel der Beklagten genannten Gesellschaften hält. Auch geht aus der vom Kläger beigebrachten eidesstattlichen Versicherung des ... hervor, daß der KIäger mehrere Führungspositionen in der ebenfalls im Artikel der Beklagten genannten ... innehatte. Der Kläger, der insoweit in seiner Sozialsphäre getroffen wird, muß sich als Geschäftsmann einer öffentlichen Kritik an seiner beruflichen Tätigkeit stellen. Eine scharfe, unter Umständen sogar übersteigerte Kritik ist dabei noch vom Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 Grundgesetz gedeckt. Eine solche Kritik findet ihre Grenze erst in polemischen Ausfällen, die nicht mehr der Auseinandersetzung in der Sache dienen, sondern beleidigend wirken, ihre Grenze (OLG Brandenburg NJW 1995, 886 ). Diese Grenze ist hier noch nicht überschritten. Die Beklagte besaß ein berechtigtes Interesse daran, das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit über die Gefahren einer Kapitalanlage im Zusammenhang mit den im Artikel genannten Personen zu bedienen und insoweit zur Vorsicht zu raten. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Ehrenschutz des Klägers und der Freiheit der Berichterstattung der Beklagten überwiegt das Interesse der Beklagten. Die Berichterstattung betraf ein Thema, das die Öffentlichkeit erheblich interessiert und bei dem es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage geht. Bei den thematisierten Risikokapitalanlagegeschäften ist eine erhebliche Gefährdung geschäftlich unerfahrener Personen gegeben. Die öffentliche Information durch die Beklagte ist geeignet, eine große Anzahl gutgläubiger potentieller Anleger zu warnen und diesen den Verlust erheblicher Geldmengen zu ersparen. In diesem Zusammenhang muß sich der Kläger auch die Verwendung seines Bildes durch die Beklagte gefallen lassen. Zwar hat der Kläger nicht die grundsätzlich hierfür erforderliche Einwilligung gemäß § 22 KUG nicht erteilt. Der Kläger ist aber aufgrund seiner Aktivitäten auf dem Gebiet der Risikokapitalanlagen eine relative Person der Zeitgeschichte im Sinne von § .23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, so daß sein Bildnis auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durfte.
Ferner ist die Berichterstattung der Beklagten über laufende Ermittlungen gegen den Kläger zulässig. In diesem Zusammenhang überwiegt ebenfalls das besondere öffentliche Informationsinteresse gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers. In dem sensiblen Bereich der Kapitalanlagegeschäfte kommt es nicht nur auf Tatsachen, sondern auch auf Erwartungen und Einschätzungen an. Letztere können bereits durch bloße Vorwürfe beeinflußt werden. Es ist davon auszugehen, daß tatsächlich strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagegeschäften gegen den Kläger laufen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß insoweit etwa ein kollusives Zusammenwirken zwischen ermittelnden Staatsanwälten und der Beklagten zu Lasten des Klägers gegeben ist. Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erhobenen Vorwürfe sind geeignet, die Einschätzung von Anlegern bezüglich des Risikos eines Kapitalanlageangebots, in das der Kläger - sei es auch nur als ein Hintermann involviert ist, zu beeinflussen. Es besteht auch insoweit ein Informationsinteresse der Anleger auch an den personellen Hintergründen der fraglichen Kapitalanlage. Der Kläger muß es sich deshalb gefallen lassen, daß auch sein eigenes Verhalten nicht erst nach einem tatsächlichen Nachweis seiner Schuld Gegenstand der öffentlichen Diskussion ist. Vielmehr darf die Presse in einem solchen Falle bereits den Vorwurf erörtern und damit publik machen ( OLG Düsseldorf AfP 1995, 500 ).
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Dr. Schartl
Holuschek
David
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