Kaufpreisanpassungsklauseln der Treuhandanstalt

Gericht

KG Berlin


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

13. 09. 2002


Aktenzeichen

14 U 96/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Wird - hier: in einem Vertrag mit der ehemaligen Treuhandanstalt - in einer Kaufpreisanpassungsklausel auf eine nachträgliche Ermittlung des Verkehrswerts der verkauften Grundstücke abgestellt, setzt die Verkehrswertermittlung das Bestehen eines funktionsfähigen Grundstücksmarktes mit einem zusammenhängenden Preisgefüge im Gebiet der betreffenden Grundstücke zum Ermittlungsstichtag voraus.

  2. Kann ein solcher funktionsfähiger Grundstücksmarkt zum vereinbarten Ermittlungsstichtag nicht festgestellt werden, kann der Verkehrswert nicht allein anhand der Ermittlungsmethoden nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WertVO (Ertragswert-, Sachwert, Vergleichswertverfahren) hergeleitet werden.

  3. Sind auch weder hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Parteien dem Begriff "Verkehrswert" im Vertrag eine andere Bedeutung beigemessen haben, noch dafür, was die Parteien in Kenntnis der Unmöglichkeit der Verkehrswertermittlung bei angemessener Interessenabwägung vereinbart hätten, so verbleibt es bei der ursprünglichen Kaufpreisvereinbarung ohne Anpassung.

  4. Lassen sich Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen etwa wegen verschiedener gleichwertiger Auslegungsmöglichkeiten nicht finden, dann scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus.

  5. An einer ausfüllungsfähigen Regelungslücke - als Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung - fehlt es, wenn eine in den Risikobereich einer Vertragspartei fallende Unklarheit über den zutreffenden Inhalt des Begriffes des Verkehrswertes ähnlich einem einseitigen Kalkulationsirrtum vorliegt.

  6. Eine Vertragslücke lässt sich nicht schliessen, wenn wegen der Vielzahl von denkbaren Berechnungsarten und Vorgehensweisen nicht festgestellt werden kann, welche hypothetische Lösung die Parteien übereinstimmend gewählt hätten.

  7. Eine Verschiebung des vereinbarten Ermittlungsstichtages auf den Zeitraum des Vorhandenseins eines funktionsfähigen Grundstücksmarktes als Vertragsanpassung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist nicht möglich, wenn die beschleunigte Abwicklung des Kaufvertrages im Vordergrund steht. Das ist in der Regel der Fall, wenn enge Fristen und ein zeitnaher Ermittlungsstichtag für die vereinbarte Verkehrswertermittlung vereinbart waren.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 01. Februar 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 01. März 2001 - 9 O 523/96 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, eine Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils vollsteckbaren Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die früher als Treuhandanstalt bezeichnete Klägerin und die Beklagte schlossen am 12. August 1991 einen notariellen Kaufvertrag über die von der Klägerin gehaltenen Anteile an der Landesverlags- und Druckgesellschaft mbH Mecklenburg & Co. KG und deren Komplementärin. Im Vertrag trafen die Parteien im Rahmen der Preisbestimmung Regelungen zur Bewertung von Grundstücken; wegen des Vertrages wird auf die Anlagen zur Klageschrift K 1 und zum Schriftsatz vom 18. Mai 1999 (K 33) Bezug genommen.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug nach Erlass eines klageabweisenden Versäumnisurteils von der Beklagten aufgrund der Grundstücksbewertungsregelung in § 3 Abs. 6 des Kaufvertrages in der Hauptsache Nachzahlung von 9.379.962,00 DM verlangt und weiter hilfsweise beantragt, festzustellen, dass der Verkehrswert der Grundstücke und Gebäude zum 31. 05. 1991 zur Berechnung des für die Immobilien zu zahlenden Kaufpreises aus dem Vertrag vom 12. 08. 1991, öffentliche Urkunde des Notars des Kantons Zug, Helmut Groner, UR-Nr. 32/91, aufgrund der anerkannten Bewertungsmethoden, insbesondere auf der Grundlage der Wertermittlungsverordnung, zu ermitteln ist.

Die Klägerin hat zuletzt nach gerichtlicher Beweiserhebung durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Keunecke, auf das Bezug genommen wird, beantragt,

  1. die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 10. Juni 1997 zu verurteilen, an sie 9.379.962,00 DM nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank bzw. Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 1.000.000,00 DM seit Rechtshängigkeit und aus 8.379.962,00 DM seit dem 22. Februar 2000 zu zahlen.

  2. festzustellen, dass der Rechtsstreit im Umfang des Hilfsantrages in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 10. Juni 1997 aufrechtzuerhalten und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des am 01. Februar 2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin verwiesen. Das Landgericht hat mit diesem Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe ebenso Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Gegen das ihr am 15. März 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 17. April 2001 (Dienstag nach Ostern) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Aufgrund eines am 05. Mai 2001 eingegangenen Antrags ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Juni 2001 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 13. Juni 2001 bei Gericht eingegangen.

Die Klägerin wendet sich gegen die erstinstanzliche Klageabweisung insgesamt und erstrebt unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen Verurteilung der Beklagten gemäß ihren letzten Anträgen aus dem ersten Rechtszug.

Sie meint, selbst wenn für den hier fraglichen Zeitraum ein nicht funktionsfähiger Grundstücksmarkt vorgelegen hätte, dann würde dies nur bedeuten, dass ein Vergleichswert für den Grund und Boden im betroffenen Gebiet nicht ermittelt werden könne. Es gäbe aber gleichwohl objektivierbare Möglichkeiten einer Verkehrswertermittlung, auch ohne Rückgriff auf die Wertermittlungsverordnung. Insbesondere wegen der hier gerade maßgeblichen Grundstücksbebauungen könne etwa auf Kaufpreissammlungen der alten Bundesländer im Wege der Äquivalenzmethode zurückgegriffen werden. Eine objektive Verkehrswertermittlung setze die Existenz von Bodenrichtwerten mit einem "einheitlichen" Preisgefüge nicht voraus.

Im Übrigen hätten die Parteien ausweislich der Regelung des § 5 des Kaufvertrages mit dem Fehlen eines funktionsfähigen Grundstücksmarktes gerechnet. Die Annahme einer Unmöglichkeit der Preisermittlung wegen eines nichtfunktionsfähigen Grundstücksmarktes widerspreche daher dem nach § 17 des Vertrages zu ermittelnden Parteiwillen, der einen offenen Dissens wegen der Werte der Grundstücke ausweise und auch nicht einen subsidiären Konsens zu Gunsten des Preises auf der Grundlage von Buchwerten enthalte. Dem Vertragswillen sei daher teilweise durch eine Bewertung der Gebäude und ergänzend durch eine Wertermittlung zum Zeitpunkt des Entstehens eines funktionsfähigen Grundstücksmarktes zu entsprechen.

Die Klägerin trägt weiter vor, zum Stichtag habe es hier mit Rücksicht auf die zum 31. Dezember 1991 vorliegenden Bodenrichtwerte für die Grundstücke "Großer Dreesch" und "Sebastian-Bach-Straße" in Schwerin einen funktionsfähigen Grundstücksmarkt gegeben. Der Gutachterausschuss der Stadt Schwerin sei in der Lage, für den Stichtag 31. Mai 1991 Verkehrswertgutachten für in Schwerin gelegene Grundstücke zu erstatten.

Die Klägerin trägt mit der Berufungsbegründung weiter vor, auf den ursprünglich im ersten Rechtszug gestellten Hilfsantrag sei es nicht mehr angekommen, da dem Hauptantrag zu entsprechen gewesen wäre, der Hilfsantrag habe sich durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erledigt und sei auch nicht nur auf die Feststellung einer abstrakten Rechtsfrage gerichtet gewesen.

Die Klägerin beantragt,

  1. das Urteil des Landgerichts Berlin vom 01. 02. 2002, Az.: 9 O 523/96 abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 10. 06.1997 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.795.898,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz bzw. Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 511.291,89 Euro seit Rechtshängigkeit und 4.284.606,53 Euro seit dem 22. Februar 2000 zu zahlen.

  2. unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Rechtsstreit im Umfang des Hilfsantrags in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend hält. Ein vertragsgemäßer Verkehrswert der verkauften Grundstücke sei ausgehend von der Definition des § 194 BauGB mangels eines funktionsfähigen Grundstücksmarkts zum vereinbarten Stichtag nicht zu ermitteln gewesen. Entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen Keunecke müsse davon ausgegangen werden, dass sich ein einheitliches Preisgefüge nicht herausgebildet hatte, so dass ein im Geschäftsverkehr erzielbarer Preis nicht in hinreichend objektivierbarer Weise habe festgestellt werden können.

Ein Anspruch der Klägerin scheide hier auch wegen der Grundsätze aus dem in VIZ 1999, S. 421 veröffentlichten Urteil des BGH aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

Die im Rahmen des § 26 Ziff. 5 S. 1 EGZPO nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Verfahrensrecht zu beurteilende Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber zunächst bereits aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug nimmt, keinen Erfolg.

Ergänzend ist anzuführen:

Das klageabweisende Versäumnisurteil des Landgerichts Berlin ist aufrechtzuerhalten, weil der Klägerin der geltend gemachte Anspruch aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 3 Abs. 6 des zwischen ihnen abgeschlossenen Kaufvertrages vom 12. August 1991 nicht zusteht.

Das im Zusammenhang mit dieser Vertragsbestimmung von der Klägerin und der Landesverlags- und Druckgesellschaft m.b.H. Mecklenburg und Co. KG in Auftrag gegebene und vom Gutachter Sube mit Datum vom 18. Dezember 1993 erstellte Gutachten kann die Klageforderung nicht stützen, obwohl dort für die zu begutachtenden Grundstücke ein "Zeitwert" von über 19.000.000,00 DM angegeben ist. Denn das Gutachten entspricht, wie bereits vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht hervorgehoben, jedenfalls nicht der Billigkeit, weil es für die Bestimmung des Verkehrswertes in methodisch unzureichender Weise von zum Teil auch nicht weiter erläuterten Angaben ausgeht. Durch den Schriftwechsel der Parteien nach Vorlage des Gutachtens sind im Übrigen auch beide Parteien in der Sache übereingekommen, das Gutachten nicht zur Grundlage der ggfls. nach § 3 Abs. 6 des Kaufvertrages vorzunehmenden Kaufpreisabänderung wegen der Grundstücke der Landesverlags- und Druckgesellschaft m.b.H. Mecklenburg und Co. KG zu machen. Das trägt die Klägerin selbst eindeutig in der Klageschrift (S. 7) vor. Die Parteien waren sich darüber einig ein neues Gutachten einzuholen.

Wegen der jedenfalls dieses Ergebnis zeitigenden Verhandlungen kommt es deshalb auch nicht darauf an, dass nach dem Kaufvertrag der Parteien für die Einholung des Verkehrswertgutachtens eine Frist bis zum 31. Dezember 1991 vorgesehen war (BGH NJW 2001, S. 2399/2401 sub 3. a) ), wobei nach Lage der Dinge ohnehin keine Umstände ersichtlich sind, die insoweit für die Vereinbarung einer gewollten Ausschlussfrist sprechen (vgl. ähnlich OLG Dresden OLG-NL 2000, S. 73/74).

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung weiter zu Recht eine eigene Entscheidungskompetenz entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB angenommen, ohne auf die Frage einzugehen, wer eine Verzögerung der in § 3 Abs. 6 des Kaufvertrages vorgesehenen Gutachtenerstellung zu vertreten hat. Eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach Zahlungsantrag gemäß § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB kann selbst die Vertragspartei beantragen, die die Nichtdurchführbarkeit der in erster Linie gewollten Bestimmung durch einen Dritten verursacht hat (BGH NJW 2000, S. 2986f.).

Der Klägerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass ihre Klage deshalb zur Zeit unbegründet ist, weil der im Kaufvertrag der Parteien vorgesehene Verfahrensweg für die Feststellung des Verkehrswertes der Grundstücke nicht erschöpft ist, da § 3 Abs. 6 des Kaufvertrages die Sachverständigenbenennung durch die IHK vorsieht (vgl. BGH NJW 2001, S. 2399/2401f.). Die IHK hat die Benennung eines Sachverständigen durch Schreiben vom 08. Juli 1997 und 01. Oktober 1997 eindeutig abgelehnt. Die Ablehnung mag in der Sache nach dem Vertrag der Parteien unberechtigt erscheinen, ist jedoch hinzunehmen, da die Parteien die Sachverständigenbenennung durch die IHK nicht erzwingen können.

Auf der Grundlage der im ersten Rechtszug eingeholten Gutachten des Sachverständigen Keunecke und unter Berücksichtigung seiner weiteren Erläuterungen zum Gutachtenkomplex kann aber in der Sache ein Zahlungsanspruch der Klägerin wegen eines größeren Verkehrswertes der Grundstücke als bei der Kaufpreisbemessung angenommen, nicht festgestellt werden.

Der Verkehrswert eines Grundstücks, auf den hier in der Anpassungsklausel des § 3 Abs. 6 ohne weitere Präzisierung abgestellt wird, wird generell durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre (§ 194 BBauG); dabei enthält die Wertermittlungsverordnung 1988 allgemein anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken, ihre Anwendbarkeit ist nicht auf die Wertermittlung durch Gutachterausschüsse beschränkt (vgl. BGH NJW 1989, S. 2129, NJW-RR 2001, S. 732/733 m. w. Nachw., Thüringer OLG OLG-NL 1996, S. 80/83). Nach § 7 Abs. 1 S. 1 WertV stehen zur Ermittlung des Verkehrswertes das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren zur Verfügung. Entscheidend ist allerdings, dass nach § 7 Abs. 1 S. 2 WertV ein Ergebnis nur unter Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt gebildet werden kann. Es gibt deshalb kein Grundstück mit hohem "Verkehrswert", das z. B. faktisch unverkäuflich ist. Lässt sich ein nach den vorgenannten Verfahren ermittelter Verkehrswert trotz geschäftsüblicher Veräußerungsanstrengungen als Kaufpreis nicht realisieren, so kann dies als deutlicher Hinweis auf eine gerade nicht marktgerechte Verkehrswertermittlung verstanden werden (BGH NJW-RR 2001, S. 732/733).

Eine Verkehrswertermittlung setzt mithin einen funktionsfähigen Grundstücksmarkt voraus. Besteht dieser im Bereich der betroffenen Grundstücke nicht, dann kann auch der Verkehrswert nicht allein aus den vorgenannten Bestimmungsverfahren, sei es in einer Verbindung der Verfahren, sei es gesondert aus einem Verfahren allein, hergeleitet werden. Im Gegensatz zum Berufungsvorbringen der Klägerin kann deshalb ein nicht funktionsfähiger Grundstücksmarkt auch nicht durch einen Grundstücksvergleich mit ähnlichen Grundstücken in den alten Bundesländern allein "ersetzt" werden. Ebenso hilft für die Bestimmung des Verkehrswertes nicht die Möglichkeit weiter, den Wert der Bauten auf den Grundstücken ggfls. mit bestimmten Änderungen entsprechend der Sachwertermittlung in den alten Bundesländern vorzunehmen oder eine spezifische Ertragswertermittlung für die neuen Bundesländer zu entwickeln, weil damit allein ein Verkehrswert noch nicht bestimmt ist (vgl. Simon/Cors/Troll, Handbuch der Grundstückswertermittlung, 4. Auflage 1997, S. 114, 136, 144).

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung nun zutreffend darauf abgestellt, dass die nach den Bestimmungsverfahren vom Sachverständigen festgestellten Grundstückswerte von insgesamt 17.772.800,00 DM einen Verkehrswert nicht bilden können, weil tatsächlich ein funktionierender Grundstücksmarkt im Bereich der hier fraglichen Grundstücke am 31. Mai 1991 nicht bestand. Im Sinne der Ausgangsdefinition des § 194 BBauG scheidet deshalb eine Verkehrswertbestimmung für diesen Zeitpunkt aus, weil es keinen "gewöhnlichen" Geschäftsverkehr gab. Die Grundstückspreise bildeten sich vielmehr ohne tatsächlich allgemein greifbare Regelungsgrundlagen wie z.B. Kaufpreissammlungen und verlässliche Bodenrichtwerte allein mit Rücksicht auf die ungewöhnlichen und/oder persönlichen Verhältnisse der Übergangszeit zwischen dem nicht existenten oder nur extrem staatlich reglementierten Grundstücksmarkt der DDR und dem nachfolgenden freien Grundstücksmarkt aus.

Das Landgericht hat dabei die Erkenntnisse und Methoden des Sachverständigen zu den einzelnen streitigen Grundstücken zutreffend bewertet und insgesamt den Schluss gezogen, dass für kein Grundstück ein annähernd zusammenhängendes Preisgefüge des Grundstücksmarktes erkennbar geworden ist, aus dem objektivierbare Schlüsse auf die marktmäßig "richtige" Höhe des vom Sachverständigen jeweils bestimmten Wertes nach den Verfahren des § 7 Abs. 1 S. 1 WertV hätten gezogen werden können. Auf die Einzelausführungen des Landgerichts (S. 12 2. Absatz bis S. 16 erster Absatz der Urteilsausfertigung) nimmt der Senat in diesem Zusammenhang ausdrücklich Bezug. Diesen Einzelausführungen ist die Klägerin im Tatsachenbereich auch nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

Die konkreten Tatsachenfeststellungen eines fehlenden funktionierenden Grundstücksmarktes mit objektivierbarem Preisgefüge in der angefochtenen Entscheidung werden für den hier fraglichen Zeitraum Anfang 1991 auch allgemein durch Rechtsprechung und Rechtsliteratur für sonstige Gebiete in den neuen Bundesländern gestützt (vgl. BGH VIZ 1999, S. 421/422, Urteil des Senats VIZ 2000, S. 614, Simon/Cors/Troll, a.a.O., S. 34ff., Bischoff, Grundstückswerte in den neuen Bundesländern, 2. Auflage 1996, S. 136ff., 153ff.).

Soweit die Klägerin wegen der Frage eines funktionierenden Grundstücksmarktes im Berufungsrechtszug darauf abstellt, dass zum 31. Dezember 1991 für Schwerin Bodenrichtwerte existieren, eine nicht veröffentlichte Bodenleitwertkarte bereits 1990 aufgestellt war und ein vorläufiger Gutachterausschuss schon ohne gesetzliche Grundlage tätig wurde und seit Anfang 1992 Gutachten erstattete, kann aus diesem Vorbringen für den hier vertraglich vereinbarten Stichtag des 31. Mai 1991 nichts hergeleitet werden. Der Sachverständige hat im Übrigen diesen Umständen in seinem Gutachten für das Objekt Großer Dreesch Rechnung getragen, konnte einen geeigneten Bodenrichtwert aber nicht feststellen (Gutachten Großer Dreesch S. 13ff.). Seine Ausführungen in diesem Zusammenhang bestätigen dabei zudem die Annahme eines "ungeregelten", noch nicht wie in den alten Bundesländern funktionierenden Grundstücksmarktes ohne objektivierbares Preisgefüge. Wegen der von ihm herangezogenen Kauffälle, die ohnehin bis ins Jahr 1992 reichen, stellt er fest (Gutachten Großer Dreesch S. 18): "Eine Abhängigkeit zwischen Grundstücksgröße und Kaufpreis je Quadratmeter ist nicht erkennbar. Auch ist es offensichtlich unerheblich, ob sich das Grundstück als Rohbauland, nicht qualifiziertes Bauerwartungsland, qualifiziertes Bauerwartungsland oder baureifes Land handelt. Nach den erlangten Vergleichskauffällen spielt auch die Erschließungssituation offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle." Bei dieser Sachlage ist kein Grund gegeben, dem weiteren Beweisantritt der Klägerin nachzugehen, der Gutachterausschuss der Stadt Schwerin "wäre ohne weiteres in der Lage, für den Stichtag 31. 05. 1991 Verkehrswertgutachten für in Schwerin gelegene Grundstücke zu erstatten". Denn die Klägerin behauptet nicht, entgegen auch den tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen könne der Gutachterausschuss mit annähernder Sicherheit ein Verkaufsgeschehen für die Zeit bis zum 31. Mai 1991 dokumentieren, das bereits ein nach bestimmbaren Kriterien zu ordnendes Preisgefüge sichtbar werden lässt.

Bereits wegen des zeitlichen Abstandes zum hier vereinbarten Stichtag können schließlich auch weder aus dem Angebot der Fa. Rijnhof an die Beklagte wegen des Grundstücks "Großer Dreesch" in Schwerin vom 09. August 1993 noch aus dem tatsächlichen Verkauf des Grundstückes in Ludwigslust um 230.000,00 DM stichhaltige Rückschlüsse auf evtl. Verkehrswerte zum 31. Mai 1991 gezogen werden.

Die im vorliegenden Fall anzunehmende Unmöglichkeit einen Verkehrswert für die nachträgliche Kaufpreisteilbestimmung wegen der Grundstücke fest zustellen, kann nach dem Parteivorbringen auch nicht deshalb in Frage gestellt werden, weil der vertragliche Begriff des Verkehrswertes von den Parteien übereinstimmend abweichend vom allgemeinen Verständnis definiert wurde. Eine von § 194 BBauG abweichende gemeinsame Vorstellung der Parteien wäre allerdings maßgeblich, auch ohne Niederschlag im Anteilskaufvertrag (allg. BGH NJW 2001, S. 2272). Die Klägerin trägt ein insoweit übereinstimmend abweichendes Vertragsverständnis aber nicht vor. Insbesondere gibt sie auch keine detailliertere Darstellung, wie es zu der fraglichen Bestimmung des § 3 Abs. 6 mit dem Abstellen auf den Verkehrswert gekommen ist. Diese Bestimmung greift auf die Verkehrswertbestimmung zurück, für die im folgenden § 5 Abs. 1 ausdrücklich gesagt wird, dass sie wegen des nicht funktionierenden Grundstücksmarktes verlässlich zurzeit noch nicht möglich sei. Es erscheint denkbar, dass die Parteien den Widerspruch zwischen § 5 als vorgegebener Nachbewertungsklausel und § 3 als einer individuellen Vereinbarung übersehen haben. Aus dem unmittelbar auf die Vorlage des ersten Gutachtens Sube folgenden Schriftwechsel könnte auch noch entnommen werden, dass anfangs bei der Klägerin irrige Vorstellungen über den vom bestehenden Grundstücksmarkt abhängigen Vorgang der Verkehrswertermittlung bestanden und sie davon ausging, es genüge eine Sachwert- und/oder Ertragswertberechnung allein. Ob derartige irrtümliche Vorstellungen ein Anfechtungsrecht der Klägerin hätten begründen können, kann dahinstehen. Die Klägerin hat ihre auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen nicht angefochten.

Ein vom allgemeinen Verständnis des Begriffes "Verkehrswert" abweichender Begriffsinhalt gesondert für die neuen Bundesländer ist bei alledem auch weder ersichtlich noch von den Parteien vorgetragen. Insbesondere der Entscheidung des BGH in VIZ 1999, S. 421 liegt erkennbar ein einheitliches Verständnis des Verkehrswertbegriffs bezogen auf einen funktionierenden Grundstücksmarkt zugrunde.

Nach allgemeinen Maßstäben ist aber für den hier eingetretenen Fall der fehlenden Möglichkeit zur vertraglich vorgesehenen teilweisen Neubestimmung des Kaufpreises an eine ergänzende Vertragsauslegung zu denken. Voraussetzung für die ergänzende Vertragsauslegung ist zunächst, dass die Vereinbarung der Parteien eine planwidrige Unvollständigkeit, eine Regelungslücke aufweist; wenn dies der Fall ist, dann müssen sich nach Treu und Glauben hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, was die Parteien bei einer angemessenen Interessenabwägung als redliche Vertragspartner vereinbart hätten; lassen sich Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen etwa wegen verschiedener gleichwertiger Auslegungsmöglichkeiten nicht finden, dann scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 17. April 2002, VIII ZR 297/01 m. w. Nachw.).

Bereits das Vorliegen einer Regelungslücke ist hier fraglich. Es spricht viel für eine in den Risikobereich der Klägerin fallende Unklarheit über den zutreffenden Inhalt des Begriffes des Verkehrswertes ähnlich einem einseitigen Kalkulationsirrtum (vgl. BGH NJW-RR 2000, S. 1652/1653). Immerhin mag man die fehlende Vorstellung von der Undurchführbarkeit der Verkehrswertbestimmung als planwidrige Unvollständigkeit ansehen, wenn man nach dem Vertragswortlaut eine Veränderung des Grundstückspreisanteils zu Gunsten der einen oder der anderen Partei als sicher ansehen wollte.

Es kann jedoch wegen der Vielzahl von denkbaren Berechnungsarten und Vorgehensweisen nicht festgestellt werden, welche hypothetische Lösung die Parteien übereinstimmend gewählt hätten (vgl. ähnlich OLG Naumburg OLG-NL 2001, S. 73/75).

Insbesondere kann nicht gesagt werden, dass die Parteien in Kenntnis der Undurchführbarkeit entsprechend den nach Vertragsschluss wohl zu Tage getretenen Vorstellungen der Klägerin an eine reine Wertbestimmung nach dem Sachwert- und/oder Ertragswert- bzw. Äquivalenzverfahren ohne Rücksicht auf den nicht funktionierenden Markt gedacht hätten. Ebenso gibt es keine Anhaltspunkte für eine Verschiebung des Bewertungsstichtages auf einen unsicheren Zeitpunkt in der Zukunft, bei dem sich die Marktverhältnisse stabilisiert haben würden. Eine vorstellbare Lösung hätte auch in einer Bestimmung des Bewertungszeitpunktes gemäß der Nachbewertungsklausel in § 5 bestanden (1995). Schließlich kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass es bei fehlender Einigung über eine bestimmte Art der Wertbestimmung bei dem zunächst ja bindend als Preisbestandteil vereinbarten Grundstücksbuchwert aus der zugrunde gelegten Eröffnungsbilanz geblieben wäre. Die Klägerin hat im Berufungsrechtszug vorgetragen, bei Vertragsabschluss habe jede Seite unterschiedliche Erwartungen an das Ergebnis einer Verkehrwertermittlung gehabt. Wenn die Parteien gleichwohl den Kaufvertrag mit einem verbindlichen, aber abänderbaren Preis abgeschlossen haben, dann spricht viel dafür, dass der an sich angestrebte Vertragsschluss nicht an der Frage der Nachbewertungsmethoden für einen bestimmten Kaufpreisteil hätte scheitern können, zumal da die Klägerin auch nicht etwa deutlich gemacht hat, dass der ganze Unternehmenskaufvertrag überhaupt nur mit Rücksicht auf die vereinbarte Grundstücksbewertungsklausel in § 3 Abs. 6 zustande kam.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Regelung des § 17 Abs. 3 im Vertrag der Parteien. Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen den vorstehend dargestellten Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung.

Bei der vorliegenden Sachlage kommt schließlich eine ansonsten noch denkbare Vertragsanpassung aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht in Betracht. Das gilt insbesondere für die von der Klägerin im Berufungsrechtszug vorgebrachte Möglichkeit einer Verschiebung des Stichtages der Verkehrswertfeststellung auf den Zeitraum des Vorhandenseins eines funktionierenden Grundstücksmarktes, jedenfalls soweit es die Wertverhältnisse für Grund und Boden an sich angeht.

Für eine derartige Vertragsanpassung wäre es ungeachtet sonstiger Erfordernisse jedenfalls nötig, dass die Vorstellungen der Parteien wegen der Neubewertung der Grundstücke in der Frage des Nachbewertungszeitpunktes maßgeblich auf der Vorstellung des nicht funktionierenden Grundstücksmarktes aufbauten und nicht auch dem Interesse der Beklagten an der Kalkulierbarkeit ihres Erwerbs Rechnung tragen sollten (BGH VIZ 1999, S. 421/422). Das aber kann hier gerade nicht gesagt werden, da unstreitig der Bewertungsstichtag des 31. Mai 1991 als Stichtag auch der zugrunde gelegten Zwischenbilanz gewählt wurde, die mithin durch eine dann als endgültig vorgesehene Grundstücksbewertung korrigiert werden sollte. Im Vordergrund stand somit - zusätzlich auch durch die Frist für die Einholung des Gutachtens - eindeutig die beschleunigte Abwicklung des Kaufvertrages.

Die hier gegebene Situation einer vertraglichen Preisfestsetzung, die in einem Teilbereich der Grundstücke im Nachhinein ggfls. korrigiert werden sollte, unterscheidet sich auch von dem durch die Klägerin angeführten Fall einer gänzlichen Ausklammerung der Preisbewertung der Grundstücke beim Kaufpreis ("0,00 DM") mit einer zukünftig dann notwendigen erstmaligen (Teil-) Preisbestimmung. Ohne dass der Senat insoweit eine bindende Aussage zu treffen hätte, würde insoweit ein Fall vorliegen, der einem gemeinsamen Kalkulationsirrtum gleichsteht und zunächst über ergänzende Vertragsauslegung, sodann über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Lösung erfahren könnte.

Die weitere Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Landgerichts wegen des einseitig für erledigt erklärten ursprünglichen Hilfsantrages ist zulässig. Zwar fehlt entgegen § 519 Abs. 3 Ziffer 1 ZPO ein ausdrücklicher Antrag in der Berufungsbegründung, jedoch lässt sich das Berufungsbegehren eines Angriffs gegen die Abweisung der Feststellungsklage eindeutig und unmissverständlich aus der Berufungsbegründungschrift erkennen (BGH NJW 1995, S. 2113).

Die für erledigt erklärte Hilfsfeststellungsklage war jedoch nach § 256 Abs. 1 ZPO nicht zulässig, da die Klägerin die Berechnungsgrundlage ihres Zahlungsanspruchs festgestellt haben wollte und damit eine Vorfrage, nicht aber ein Rechtsverhältnis insgesamt zur Klärung stand (BGH NJW 1995, S. 1097).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO n. F..

Die Revision war gemäß den §§ 26 Nr. 7 S. 1 EGZPO, 543 Abs. 1,2 ZPO nicht zuzulassen, weil der Rechtsstreit über den Einzelfall hinaus keine grundsätzliche Bedeutung hat. Insbesondere handelt es sich hier um die Beurteilung einer individuellen Vertragssituation vor dem Hintergrund von Besonderheiten in den neuen Bundesländern, die dort nur in der unmittelbaren Zeit nach dem Beitritt auftreten konnten. Mangels eines Abweichens von bisheriger Rechtsprechung erfordern auch die Fortbildung oder die Einheitlichkeit des Rechts eine Revisionszulassung aus der Sicht des Senats nicht.


Vorsitzender Richter am Kammergericht Rößler ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Jaeschke

Dr. Hollweg-Stapenhorst

Jaeschke

Vorinstanzen

LG Berlin, 9 O 523/96, 1.2. 2002

Rechtsgebiete

Bank-, Finanz- und Kapitalanlagerecht; Kaufrecht