Zustellung der einstweiligen Verfügung an Abmahnanwalt rechtsunwirksam

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

07. 02. 2000


Aktenzeichen

312 O 564/99


Leitsatz des Gerichts


  1. Eine Bestellung nach § 176 ZPO muss in der Weise geschehen, dass sie vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gericht oder Gegner vom Vertretungsverhältnis Kenntnis gibt. Dabei muss erkennbar gemacht werden, dass der Vertreter Prozessvollmacht, also eine das ganze Verfahren umfassende Vertretungsmacht, haben soll.

  2. Ein Tätigwerden des Vertreters für die Partei in einer Vorkorrespondenz reicht zur Bestellung nach § 176 ZPO nur aus, wenn der Bevollmächtigte in seinem Legitimationsschreiben oder später eindeutig zu erkennen gibt, dass ihm auch eine einstweilige Verfügung zugestellt werden könne.

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin.

Entscheidungsgründe

Gründe:

Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führt zur Auferlegung der Kosten auf die Antragsgegnerin, da diese ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen wäre.

Der Widerspruch der Antragsgegnerin hätte nicht zu einer Aufhebung der einstweiligen Verfügung vorn 28.10.1999 geführt. Der Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung hat Erfolg, wenn bei Schluß der mündlichen Verhandlung eine Voraussetzung für den Erlaß der einstweiligen Verfügung fehlt, wenn die Hauptsacheklage nicht fristgemäß erhoben wurde (§ 926 Abs. 2 ZPO) oder wenn sich seit Erlaß die Umstände verändert haben (§ 927 ZPO) (Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl. 1998, § 924 Rn. 4). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

1. Eine Aufhebung gemäß § 927 ZPO wegen veränderter Umstände unter dem Gesichtspunkt einer nicht rechtzeitigen Vollziehung der einstweiligen Verfügung kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar können veränderte Umstände i.S. dieser Vorschrift auch dann vorliegen, wenn eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht innerhalb der Frist nach § 929 Abs. 2 ZPO erfolgt ist (vgl. dazu Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl. 1998, § 929 Rn. 5). So liegt es hier jedoch nicht. Denn die Antragstellerin hat die einstweilige Verfügung der Kammer vom 28.10.1999 bereits am selben Tag der Antragsgegnerin per Gerichtsvollzieher zugestellt. Dadurch ist die einstweilige Verfügung wirksam vollzogen worden. Einer wirksamen Vollziehung steht nicht § 176 ZPO entgegen, wonach Zustellungen, die in einem anhängigen Rechtsstreit bewirkt werden sollen, an den für den Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen müssen. Die Voraussetzungen des § 176 ZPO, welcher nach ganz h.M. auch für die Zustellung einer Unterlassungsverfügung nach §§ 936, 922, 929 ZPO gilt (HansOLG WRP 93, 823 m.w.N.), liegen nicht vor. Zwar haben sich auf die Abmahnung der Antragstellerin vom 22.10.1999 die im vorliegenden Verfahren prozeßbevollmächtigten Rechtsanwälte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 25.10.1999 an die Antragstellerin gewandt und die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt. Weiter können als Prozeß- bzw. Verfahrensbevollmächtigter im Sinne des § 176 ZPO auch Rechtsanwälte anzusehen sein, die bereits vorprozessual die Vertretung des Antragsgegners angekündigt haben (Pastor/Ahrens, 4. Aufl. 1999, Kap. 61 Rn. 35 m.w.N.). Eine Bestellung gemäß § 176 ZPO muß jedoch in der Weise geschehen, daß die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gericht oder dem Gegner von dem Vertretungsverhältnis Kenntnis gibt, wobei erkennbar gemacht werden muß, daß der Vertreter eine Prozeßvollmacht, also eine das ganze Verfahren umfassende Vertretungsmacht haben soll (BGH MDR 81, 126; OLG Düsseldorf, GRUR 84, 79, 80). Hierfür ist es nicht ausreichend, daß der Vertreter in einer Vorkorrespondenz für die Partei aufgetreten ist, denn einer vorgerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts ist das Bestehen einer Prozeßvollmacht für einen etwaigen künftigen Rechtsstreit nicht ohne weiteres zu entnehmen (BGH MDR 81, 126; HansOLG NJW RR 93, 958; OLG Frankfurt JurBüro 87, 1832). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Bevollmächtigte in seinem Legitimationsschreiben oder später eindeutig zu erkennen gibt, daß die ihm erteilte Vollmacht auch die Vertretung in einem zukünftigen gerichtlichen Verfahren umfaßt (OLG Frankfurt JurBüro 87, 1832; OLG Düsseldorf GRUR 84, 79, 81) bzw. wenn er ausdrücklich oder durch eindeutiges schlüssiges Verhalten zu erkennen gibt, daß ihm auch die einstweilige Verfügung zugestellt werden könne (HansOLG NJW RR 93, 958, 959). Das ist sachgerecht. Die Zustellung dient dazu, das gerichtliche Verbot im Verhältnis zu der Titelschuldnerin in Kraft zu setzen. Im Grundsatz muß ihr zugestellt werden. Eine Zustellung an einen Rechtsanwalt kann diese Wirkung nur haben, wenn er sich zweifelsfrei als zur Entgegennahme der Zustellung bevollmächtigt bezeichnet hat. Die bloße Führung der Vorkorrespondenz auf die Abmahnung hin im Auftrage der Partei reicht dafür nicht aus (HansOLG NJW RR 93, 958, 959).

Eine in dem vorstehenden Sinne eindeutige Erklärung im Hinblick auf eine Bevollmächtigung auch für die Zustellung bzw. ein zukünftiges gerichtliches Verfahren seitens der Rechtsanwälte der Antragsgegnerin lag nicht vor. Mit Schreiben vom 25.10.1999 haben die Anwälte der Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Bezugnahme auf deren Abmahnung lediglich angezeigt, daß sie von der Antragsgegnerin "mit der Wahrnehmung ihrer Interessen" betraut worden seien. Ein Hinweis darauf, daß die Bevollmächtigung nicht nur die Beratung und Reaktion auf die außergerichtliche Abmahnung, sondern auch die Zustellungsvollmacht im Hinblick auf eine eventuelle einstweilige Verfügung bzw. eine Prozeßvollmacht für ein eventuelles gerichtliches Verfügungsverfahren umfaßt, enthält das Schreiben weder ausdrücklich noch konkludent. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung des vorprozessual für die Antragstellerin tätig gewordenen Rechtsanwalts K. (Anlage Ast 3) ergibt sich nichts anderes. Zwar folgt aus der eidesstattlichen Versicherung, daß die Antragstellerin bzw. ihr Anwalt bei Antragseinreichung davon ausging, daß die Kanzlei D. die Antragsgegnerin in dieser Sache vertrete. Diese eidesstattliche Versicherung wurde jedoch im vorprozessualen Stadium abgegeben. Dem Schreiben war die Abmahnung und das erwähnte ablehnende Schreiben vom 25.10.1999 gemäß Anlage Ast 5 vorausgegangen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß das in der eidesstattlichen Versicherung erwähnte Vertretungsverhältnis in einem umfassenderen Sinne gemeint war, als dies der Prozeßbevollmächtigte der Antragsgegnerin selbst in dem Schreiben vom 25.10.1999 der Antragstellerin mitgeteilt hatte.

2. Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch auch nicht deswegen aufzuheben, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlte. Ein solcher ergab se vielmehr aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen vergleichenden Werbung.

Bei dem streitgegenständlichen Werbespot handelt es sich um vergleichende Werbung.

Gemäß Art. 2 a der Richtlinie 97/55/EG (nachfolgend: Richtlinie), welche im Wege der richtlinienkonformen Auslegung im Rahmen des § 1 UWG zu berücksichtigen ist (BGH NJW 98, 2208), ist vergleichende Werbung jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten werden, erkennbar macht. So liegt es hier. Der Werbespot nennt als Vergleichsobjekt des angepriesenen Rätselheftes "Mach mal Pause" ausdrücklich Zeitschriften, die "viel Spaß" versprechen. Aus dem ersten Satz des Spots ist weiter klar erkennbar, daß diese Zeitschriften Gewinne ausloben. Hieraus wird jedenfalls für einen nicht unerheblicher Teil des Verkehrs die Zeitschrift der Antragstellerin als Bezugsobjekt der Werbung erkennbar. Denn diese Zeitschrift heißt "Viel Spaß" und bietet dem Leser blickfangmäßig bereits auf dem Titel hervorgehoben mehrere Gewinnmöglichkeiten an. Bei dem Objekt "Viel Spaß" handelt es sich weiter um ein am Lesermarkt nicht unbedeutendes Blatt. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, daß der angesprochene Verkehrskreis bei dem streitgegenständlichen Werbespot trotz der direkt auf den Titel und den Inhalt des Objekts der Antragstellerin bezugnehmenden Elemente den Spot nicht auf die Zeitschrift "Viel Spaß" beziehen wird, weil diese keinen hinlänglichen Bekanntheitsgrad aufweist. Vielmehr hat die Antragstellerin mit eidesstattlicher Versicherung des Verlagsleiters ihrer Zeitschrift glaubhaft gemacht, daß seit dem 14.7.1999 wöchentlich in der gesamten Bundesrepublik an über 87.000 Einzelhändler im Durchschnitt über 1 Mio Exemplare ausgeliefert wurden. Weiter wurde die Markteinführung des Objekts durch eine Print- und Funkkampagne in Höhe von 6 Mio. DM begleitet. Daraus ergibt sich für die Kammer, daß die Zeitschrift "Viel Spaß" jedenfalls einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises bekannt sein wird.

Die hier vorliegende vergleichende Werbung ist weiter sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG i.V.m. Art. 3 a Abs. 1 e) der Richtlinie. Denn durch den Werbespot wird die Zeitschrift "Viel Spaß" der Antragstellerin im Sinne des Art. 3 a Abs. 1 e) herabgesetzt. Dem Werbespot entnimmt der Verkehr, daß die Zeitschriften, die viel Spaß versprechen, lediglich minderwertige, nicht dem Versprechen gemäße Gewinnmöglichkeiten bieten würden, hingegen die Zeitschrift der Antragsgegnerin die Möglichkeit des Gewinn "tollster Preise", wie Bargeld, Autos und Reisen biete.

3. Es ergeben sich auch keine sonstigen Gesichtspunkte, nach denen es billig wäre, ausnahmsweise der Antragstellerin die Kosten des. Rechtsstreits bzw. zumindest des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen. Insbesondere folgt eine Pflicht zur Tragung der Kosten jedenfalls des Widerspruchsverfahrens nicht aus dem Umstand, daß die Antragstellerin der Aufforderungen der Antragsgegnerin zum Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung nicht nachgekommen ist. Denn die Antragstellerin hatte trotz der mit Schreiben vom 10.11.1999 (Anlage AG 3) abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin ein schutzwürdiges Interesse an der Vollstreckung jedenfalls des Kostenausspruchs der ordnungsgemäß vollzogenen einstweiligen Verfügung vom 28.10.1999.

Sievers Terschlüssen Dr. Löffler

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht