Beispiel für Auslegung eines Antrags

Gericht

AG Offenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

02. 05. 2002


Aktenzeichen

3 C 267/01


Leitsatz des Gerichts

Der Antrag

festzustellen, dass der Beklagten (Verlagsgesellschaft) aus der Lieferung der Zeitschrift ... „Abo 6 Monate lesen, 5 Monate zahlen” - Nr. 12825774-12.619.171 keine Ansprüche zustehen,

ist so auszulegen, dass umfassend festgestellt werden soll, der Beklagten stünden keine Ansprüche gleichgültig aus welchem Rechtsgrund zu.

Tenor

1.
Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Euro 54,50 nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 08. März 2002 zu zahlen.

Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.
Streitwert: Euro 138,86 (Klage Euro 84,36, Widerklage Euro 54,50)

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Abo keine Ansprüche mehr zustehen. Widerklagend macht die Beklagte einen Zahlungsanspruch geltend.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin und die Beklagte schlossen einen Abonnementenvertrag über die Zeitschrift "Focus"

Die Klägerin kündigte diesen Vertrag am 28. 12. 2000.
Am 29. 12. 2000 wurde das Konto der Klägerin mit einer Lastschrift (DM 106,60) zugunsten der Beklagten belastet. Diese Belastung widerrief die Klägerin am 25. 01. 01; der Betrag wurde ihrem Konto am 26. 01. 01 gutgeschrieben.

Die Beklagte hatte am 22. 01. 2001 bereits die Rücküberweisung des am 29. 12. 2000 durch sie - fälschlich - eingezogenen Betrages veranlasst, welcher am 31. 01. 2001 auf dem Konto der Klägerin einging.
Die Klägerin bekam den "Focus" auch im folgenden zugeschickt und empfing von der Beklagten auch weiterhin Rechnungen.

Dieses reklamierte sie bei der Beklagten. Darauf erhielt sie zunächst fernmündlich und sodann mit Schreiben vom 15. 02. 01 bestätigt, dass der Beklagten die mittels der Rechnungen geltend gemachten Forderungen nicht mehr zustünden.

Die Beklagten machte mit Schreiben vom 11. 04. 2001 durch die von ihr beauftragte Kanzlei eine Forderung in Höhe des Abonomenntenbezugspreises zuzüglich Anwaltskosten gegen die Klägerin geltend, dem diese durch den von ihr beauftragten Anwalt widersprach.

Eine erneute Geltendmachung der Forderung erfolgte am 22. 06. 2001 durch ein von der Beklagten beauftragtes Inkassountemehmen.

Unstreitig zwischen den Parteien ist die Tatsache, dass der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der DM 106,60 zusteht.

Nach Auffassung der Klägerin ist das Ziel ihrer Klage festzustellen, dass der Beklagten keine Ansprüche vertraglicher Art aus dem Abo mehr zustünden.

Die Klägerin beantragt:

festzustellen, dass der Beklagten aus der Lieferung der Zeitschrift ... "Abo 6 Monate lesen, 5 Monate zahlen" Nr. 12825774 - 12.619.171 keine Ansprüche zustehen.

Die Beklagte stellt Antrag auf

Klagabweisung.

Die Beklagte erhebt Widerklage und beantragt

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 54,50 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG 26. 01. 01 zu zahlen.

Nach Auffassung der Beklagten begehrt die Klägerin Feststellung, dass der Beklagten gar keine Ansprüche, also auch solche aus Gesetz nicht zustünden.

Die Klägerin hat sich zur Widerklage trotz Fristsetzung zur Stellungnahme nicht mehr geäußert.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Widerklage ist zulässig, insbesondere im Hinblick auf § 33 ZPO; sie steht im Verhältnis der Konnexität zur Klage. Die Widerklage hat auch Erfolg.

Die Klägerin kann vom Gericht nicht feststellen lassen, dass die Beklagte keine Ansprüche aus dem Abonnement mehr gegen sie hat.

Der Beklagten steht ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812 ff. BGB wegen der 106,60 DM ( 54,50 Euro ) gegen die Klägerin zu. Diesen Betrag hat die Klägerin aufgrund Widerruf der Lastschrift und Rücküberweisung der Beklagten zweimal erhalten, obwohl er ihr nur einmal zustand, was sie auch nicht bestreitet. Ob es ein Anspruch aus Leistungs- oder Eingriffskondiktion ist, kann hier dahinstehen, da ein bereicherungsrechtlicher Anspruch unstreitig besteht. Der Klageantrag ist nicht dahingehend auszulegen, dass nur das Nichtbestehen vertraglicher Ansprüche festgestellt werden soll.
Mit den "Ansprüchen aus dem Abo" sind vielmehr alle sich aus dem Rechtsverhältnis Abonnement ergebenden Ansprüche gemeint.
Dafür spricht zum einen, dass zwischen Ansprüchen aus Vertrag und Bereicherungsrecht ein enger Sachzusammenhang besteht.
Dieser Zusammenhang zwischen Vertrag und ungerechtfertigter Bereicherung ist stets gegeben, wenn ursprünglich ein Vertrag bestand, dieser aber später nicht mehr als Rechtsgrund existiert.
Auch hier ergeben sich aus dem zwar unstreitig beendeten Vertrag noch Abwicklungsfolgen, die so eng mit dem ursprünglichen Vertrag verknüpft sind, dass sie noch unter die Formulierung "Ansprüche aus dem Abo" zu subsumieren sind.
Der Anspruch der Beklagten resultiert zwar nicht unmittelbar aus dem Vertrag, da es sich hierbei nicht um eine vertraglich geschuldete Leistung handelt.
Dennoch steht der Anspruch der Beklagten in enger Verbindung zum Vertrag, da es sich hierbei genau um die Summe handelt, die dem Konto der Klägerin zunächst irrtümlich aufgrund der im Rahmen des Vertrages erteilten Einzugsermächtigung abgebucht wurde. Diese Summe wurde auf das Konto der Klägerin durch Widerruf zurückgebucht und ein weiteres Mal von der Beklagten zurücküberwiesen.
Damit wollte sie der Klägerin den Betrag wegen der zum Zeitpunkt der Abbuchung nicht mehr bestehenden Zahlungspflicht aus dem Vertrag zurückerstatten.
Daher geht es der Beklagten um die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses.

Zum anderen nützt die Feststellung, dass der Beklagten keine vertraglichen Ansprüche mehr gegen die Klägerin zustehen letzterer sehr wenig. Eine solche Feststellung könnte die Beklagte kaum davon abhalten, ihre Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung in einer neuen Klage zu verfolgen.

Daher kann der Antrag bei lebensnaher Auslegung aus der Sicht eines objektiven, unbeteiligten Dritten nur so verstanden werden, dass umfassend festgestellt werden sollte, der Beklagten stünden keine Ansprüche gleichgültig aus welchem Rechtsgrund zu.

Die Widerklage ist begründet, da der Beklagten unstreitig ein gesetzlicher Anspruch aus §§ 812 ff. BGB auf Erstattung von DM 106,60 (= Euro 54,60) zusteht.

Zinsen kann die Beklagte als Verzugsschaden berechtigterweise in der geltendgemachten Höhe (§ 288 Abs. 1 BGB) fordern, jedoch erst ab Zustellung der Widerklage (§ 291 BGB). Dafür, daß bereits zu einem früheren Zeitpunkt Verzug eingetreten sein könnte, ist nichts ersichtlich.

Nebenentscheidungen: §§ 91 Abs. 1, 713 ZPO.

Streitwert: Euro 138,86 (Klage Euro 84,36, Widerklage Euro 54,50).

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht