Beseitigung der Wiederholungsgefahr durch Vergleich und Darlegungslast bei Vorgehen gegen Geschäftsführer

Gericht

Österr. Oberster Gerichtshof


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

02. 07. 2002


Aktenzeichen

4 Ob 127/02h


Leitsatz des Gerichts

  1. Durch einen Vergleich wird die Vermutung der Widerholungsgefahr nur dann entkräftet, wenn der Verletzer einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keinerlei Bedingungen geknüpften Vergleich anbietet. Durch einen solchen Vergleich muss der Betroffene all das erhalten, was er durch ein Urteil erlangen könnte.

  2. Steht dem Verletzten ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung zu, muss das Vergleichsangebot die Veröffentlichung des Vergleichs auf Kosten des Verletzers – im angemessenen Rahmen – umfassen.

  3. Gibt es bei einem Wettbewerbsverstoß einer GmbH Anhaltspunkte, die auf eine Verantwortlichkeit des Geschäftsführers schließen lassen und wird er deswegen persönlich in Anspruch genommen, muss er dartun, dass er ohne Verschulden gehindert war, gegen den Wettbewerbsverstoß einzuschreiten.

Tenor

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Entscheidungsgründe

Begründung:

Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die in zweiter Instanz zwar geltend gemacht, vom Gericht zweiter Instanz aber verneint werden, können nach ständiger Rechtsprechung in dritter Instanz nur dann geltend gemacht werden, wenn das Gericht zweiter Instanz die Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (SZ 38/120; SZ 53/12 = JBl 1981, 268 mwN; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 503 Rz 3). Einen solchen Vorwurf erheben die Revisionsrekurswerber hier aber zu Unrecht. Sie behaupten zwar, mit Billigung des Erstgerichts die Einbringung einer Gegenäußerung angekündigt zu haben; die Zustimmung des Gerichts zu einem weiteren Schriftsatz der Beklagten ist allerdings nicht aktenkundig. Auch wenn man die Richtigkeit ihres - im Rekursverfahren ungeprüft gebliebenen - Vorbringens unterstellt, hat das Rekursgericht den Ablauf aktentreu dargestellt und erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Erstrichter die einstweilige Verfügung schon vor Kenntnis des Schriftsatzes der Beklagten verfasst und der Geschäftsabteilung übergeben hat; das Gegenteil kann dem Akt nicht entnommen werden, weil darin Uhrzeiten zu den einzelnen Vorgängen nicht festgehalten sind. Es erscheint aber jedenfalls nachvollziehbar, dass die mit 26. 6. 2001 datierte einstweilige Verfügung spätestens am Morgen des nächsten Tages in der Geschäftsabteilung abgegeben worden sein wird, während der Schriftsatz der Beklagten erst zu einem späteren Zeitpunkt zum Erstrichter gelangt ist. Ob die Verneinung des im Rekurs behaupteten Verfahrensmangels durch das Rekursgericht inhaltlich richtig war, ist aber der Kognition des obersten Gerichtshofs entzogen.

Soweit die Rechtsmittelwerber auf angeblich unrichtige Internet-Adressen bei Abfragen durch die Klägerin hinweisen, lassen sie unberücksichtigt, dass nach dem bescheinigten Sachverhalt die unter "austropersonal.at" und "austropersonal.com" aufrufbaren Seiten jeweils ein Link zu jener Seite enthielten, auf der wettbewerbswidrige Inhalte abrufbar waren, auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens daher nicht zu erkennen.

Die Vermutung der Wiederholungsgefahr wird (ua) dann entkräftet, wenn der Verletzer einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keinerlei Bedingungen geknüpften Vergleich anbietet und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seines Willens bestehen, von gleichartigen Handlungen künftig Abstand zu nehmen (ÖBl 1998, 31 - Telefaxwerbung). Begehrt der Kläger berechtigterweise auch die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung, so muss das Vergleichsangebot auch die Veröffentlichung des Vergleichs auf Kosten des Beklagten in angemessenem Umfang umfassen (ÖBl 1997, 158 - S-Powerfrauen; MR 1999, 227 - Kitz-Info-Magazin). Durch einen solchen Vergleich erhält der Kläger alles das, was er durch ein seinem Unterlassungsbegehren stattgebendes Urteil hätte erlangen können, nämlich einen Titel, welcher ihn bei jedem weiteren Zuwiderhandeln des Beklagten zur Exekution nach § 355 EO berechtigt (ÖBl 1998, 31 - Telefaxwerbung). Der von der Zweitbeklagten in der Korrespondenz angebotene Vergleich erfüllt diese Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil er kein Veröffentlichungsbegehren enthält; der im Schriftsatz ON 32 ergänzte Vergleichsvorschlag kann mangels Einbeziehung dieses Schriftsatzes in das Verfahren nicht berücksichtigt werden. Dass aber ein Veröffentlichungsbegehren jedenfalls unberechtigt wäre, ist nicht zu erkennen, zumal eine Veröffentlichung im Internet als jenem Publikationsmedium, in dem die Wettbewerbsverletzung begangen worden ist, jedenfalls geboten wäre.

Wer außerhalb der juristischen Person auch deren Organe wegen eines Wettbewerbsverstoßes in Anspruch nimmt, hat zwar in der Regel zu beweisen (zu bescheinigen), dass das Organ auch selbst hierfür verantwortlich ist (ÖBl 1990, 123 - Gemeinschaftswerbung). Gibt es aber Anhaltspunkte, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer einer GmbH schließen lassen, ist es sodann Sache der Geschäftsführer, darzutun, dass sie dennoch ohne ihr Verschulden daran gehindert waren, gegen den Wettbewerbsverstoß einzuschreiten (ecolex 1993, 254 - Das seriöse Branchentelefonbuch; MR 1998, 163 = WBl 1998, 371 = ecolex 1998, 717 = ÖBl 1998, 300 - Schneefall am Heiligen Abend; 4 Ob 60/00s). Die Vorinstanzen sind von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn sie unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls von einer (Mit-)Verantwortung auch des Drittbeklagten für das wettbewerbswidrige Handeln ausgegangen sind. Dieser ist nämlich einerseits geschäftsführender Gesellschafter jener Gesellschaft, die die Homepage mit den sittenwidrig übernommenen Stellenanzeigen ins Netz gestellt hat, und wurde zugleich auch als deren Kontaktperson gegenüber dem Provider namhaft gemacht. Zu seinen Aufgaben musste es daher gehören, den im Internet aufrufbaren Stellenmarkt so zu organisieren, dass dadurch Rechte Dritter nicht verletzt werden. War er dabei - sei es infolge eigenen Tuns oder Unterlassens, sei es infolge mangelnder Beaufsichtigung der an seiner Stelle Handelnden sorglos, wie dies die bescheinigten Wettbewerbsverstöße indizieren, liegt in der Bejahung seiner Haftung kein Rechtsirrtum.


Oberster Gerichtshof,
Wien, am 2. Juli 2002.
Dr. Kodek

Vorinstanzen

OLG Wien, GZ 2 R 174/Olz-36, 5. 3. 2002

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht