Keine Rückzahlung eines dem Schwiegersohn gewährten Darlehens bei Scheitern der Ehe

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

09. 07. 2002


Aktenzeichen

XI ZR 323/01


Leitsatz des Gerichts

Ein Darlehensvertrag kann grundsätzlich nur einheitlich gegenüber allen Darlehensnehmern als Gesamtschuldnern gekündigt werden.

Tatbestand

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt den Beklagten, seinen Schwiegersohn, auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch.

Mit privatschriftlichem Vertrag vom 30. November 1993 gewährte der Kläger seiner Tochter und dem Beklagten ein zinsloses Darlehen in Höhe von 100.000 DM für den Bau eines Einfamilienhauses. Das Darlehen sollte, falls eine Trennung oder Scheidung der Ehe eine Teilung des Hauswertes auslösen würde, als allein von der Tochter eingebracht gelten. Es sollte dadurch getilgt werden, daß die Mieteinnahmen aus einer Eigentumswohnung weiterhin dem Kläger verblieben.

Diese Eigentumswohnung hatten der Kläger und seine später verstorbene Ehefrau erworben. Sie hatten am 20. September 1983 mit ihrer Tochter vereinbart, daß diese den Kaufpreis und weitere Erwerbskosten durch monatliche Zahlungen an sie tilgen sollte und daß ihr die Eigentumswohnung spätestens nach vollständiger Tilgung überschrieben würde. Die Wohnung wurde vorübergehend von der Tochter des Klägers und dem Beklagten, die im September 1988 heirateten, bewohnt und anschließend an Dritte vermietet.

Nach dem Scheitern der Ehe des Beklagten und der Tochter des Klägers kündigte der Kläger den Darlehensvertrag vom 30. November 1993 durch ein an den Beklagten gerichtetes Schreiben vom 14. April 1999.

Der Klage auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen hat das Landgericht in Höhe von 94.048 DM, das Berufungsgericht in Höhe von 88.971 DM stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

Gründe:

Die Revision ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger habe das Darlehen zu Recht gekündigt. Insbesondere wegen des mit dem Darlehen verfolgten Zwecks, dem Aufbau eines Familienheims für seine Tochter und seinen Schwiegersohn, sei er nach dem Scheitern deren Ehe nicht mehr gehalten, sein Darlehen, wirtschaftlich betrachtet, durch eigene Mieteinnahmen abzuzahlen. Eine etwaige Ausgleichspflicht gemäß § 426 BGB zwischen den Eheleuten ändere nichts an der Schuldverpflichtung des Beklagten.

Die Einnahmen aus der Vermietung der Eigentumswohnung seien zunächst auf die Kosten der Eigentumswohnung und nach deren Tilgung auf das Darlehen anzurechnen. Danach ergebe sich eine noch offene Darlehensverpflichtung in Höhe von 88.971 DM.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen fälligen Anspruch gemäß § 607 Abs. 1 BGB a.F., weil er den Darlehensvertrag vom 30. November 1993 nicht wirksam gekündigt hat.

1. Die Kündigungserklärung des Klägers vom 14. April 1999 ist, was das Berufungsgericht verkannt hat, unwirksam, weil sie nur gegenüber dem Beklagten, nicht aber gegenüber der Tochter des Klägers als Mitdarlehensnehmerin abgegeben worden ist.

a) Ein Darlehen als Dauerschuldverhältnis kann, wie die Revision zu Recht geltend macht, grundsätzlich nur einheitlich gegenüber allen Darlehensnehmern als Gesamtschuldnern gekündigt werden (vgl. BGHZ 26, 102, 103; 96, 302, 310 für Mietverträge; OLG Karlsruhe, NJW 1989, 2136, 2137; OLG München, NJW-RR 1996, 370 für Darlehensverträge; allgemein für Kündigungen gegenüber Gesamtschuldnern: MünchKomm/Bydlinski, BGB 4. Aufl. § 425 Rdn. 6; Erman/H. Ehmann, BGB 10. Aufl. § 425, Rdn. 7; Edenfeld JZ 1997, 1034, 1039; a.A. Staudinger/U. Noack, BGB 13. Bearb. § 425 Rdn. 13, 21). Dies folgt aus der Einheitlichkeit des Darlehensvertrages, der nicht gleichzeitig gegenüber einem Darlehensnehmer durchgeführt und gegenüber einem anderen Darlehensnehmer beendet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1963 - V ZR 177/62, WM 1964, 273, 275). Ebensowenig kann eine nur gegenüber einem von mehreren Vertragspartnern ausgesprochene Kündigung das Vertragsverhältnis auch zu Lasten des oder der anderen am Vertrag Beteiligten umgestalten (BGHZ 96, 302, 310).

§ 425 Abs. 2 BGB besagt nichts Gegenteiliges. Diese Vorschrift gilt für Fälligkeitskündigungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - III ZR 72/88, WM 1989, 1086, 1087), während sowohl die ordentliche (vgl. hierzu Soergel/Häuser, BGB 12. Aufl. § 609 Rdn. 1 m.w.Nachw.) als auch die außerordentliche Kündigung eines Darlehensvertrages dessen Beendigung als Dauerschuldverhältnis bewirkt. Ob Beendigungskündigungen Wirksamkeit entfalten, wenn sie nur gegenüber einem Gesamtschuldner erklärt werden, regelt § 425 Abs. 2 BGB nicht (BGH, Urteil vom 31. Mai 1974 - V ZR 190/72, WM 1974, 723, 724).

b) Der Kläger hat den Darlehensvertrag nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien nur gegenüber dem Beklagten, nicht aber gegenüber seiner Tochter gekündigt. Entgegen der Darstellung der Revisionserwiderung hat der Kläger als Anlage seiner Anspruchsbegründung vom 27. August 1999 nicht Kündigungsschreiben an beide Darlehensnehmer, sondern nur ein Kündigungsschreiben an den Beklagten vorgelegt. Der Anspruchsbegründung ist zwar eine Vollmacht beigefügt, durch die der Kläger seinen Rechtsanwalt auch zur Kündigung gegenüber seiner Tochter bevollmächtigt hat. Daß gegenüber der Tochter tatsächlich gekündigt worden ist, hat der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen. Der Beklagte war auch nicht gemäß § 1357 Abs. 1 BGB zur Inempfangnahme der Kündigung für seine Ehefrau berechtigt. Die Entgegennahme der Kündigung eines zur Finanzierung eines Einfamilienhauses aufgenommenen Darlehens in Höhe von 100.000 DM wirkt auf die Lebensgrundlage der Ehegatten ein und bedarf vorheriger Absprache (vgl. Staudinger/U. Noack, BGB 13. Bearb. § 425 Rdn. 16).

2. Die Revision ist somit bereits deshalb begründet, weil die Kündigungserklärung des Klägers unwirksam ist. Darüber hinaus bestehen auch gegen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht ein Kündigungsrecht bejaht hat, Bedenken. Darlehensverträge können zwar wie alle Dauerschuldverhältnisse gemäß § 242 BGB (vgl. auch den im vorliegenden Fall noch nicht anwendbaren § 314 Abs. 1 BGB n.F.) aus wichtigem Grund gekündigt werden (BGHZ 95, 362, 372). Dies setzt aber voraus, daß einem Vertragsteil nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, das Schuldverhältnis fortzusetzen. Dafür bedarf es einer Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des einzelnen Falles und einer Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien (BGH, Urteil vom 5. März 1981 - III ZR 115/80, WM 1981, 679, 680). Gemessen hieran war der Kläger aufgrund des Scheiterns der Ehe seiner Tochter und des Beklagten nicht berechtigt, das Darlehen zu kündigen.

Das Berufungsgericht hat bei der Annahme eines Kündigungsrechts wesentliche Umstände und wirtschaftliche Zusammenhänge außer acht gelassen. Seine Auffassung, ohne Kündigung würde das Darlehen, wirtschaftlich betrachtet, durch Mieteinnahmen des Klägers zurückgezahlt, trifft nicht zu. Nach dem übereinstimmenden Parteivortrag waren die Kosten der Eigentumswohnung Ende 1998 vollständig getilgt. Damit war die Verpflichtung der Tochter des Klägers aus der Vereinbarung vom 20. September 1983 erfüllt. Spätestens jetzt sollten ihr die Eigentumswohnung überschrieben und damit die Mietzinseinnahmen wirtschaftlich zugewiesen werden. Daß nach dem Darlehensvertrag vom 30. November 1993 die Mieteinnahmen "weiterhin" dem Kläger zufließen sollten, bedeutet somit, daß das Darlehen, wirtschaftlich betrachtet, auf Kosten der Tochter getilgt werden sollte.

III.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist zur Endentscheidung reif, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.). Die erstmals in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren aufgestellte Behauptung des Klägers, er habe den Darlehensvertrag auch gegenüber seiner Tochter gekündigt, dies aber in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen, rechtfertigt eine Zurückverweisung nicht. Da der Anspruch des Klägers mangels wirksamer Kündigung nicht fällig ist, war die Klage abzuweisen.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht