Beispiel für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO bei Anzeige wegen angeblichen Hausfriedensbruchs und angeblich unerlaubter Aufnahmen durch Filmberichterstattung

Gericht

Staatsanwaltschaft München I


Art der Entscheidung

Einstellungsverfügung


Datum

04. 12. 2000


Aktenzeichen

110 Js 10263/00


Tenor

das oben bezeichnete Ermittlungsverfahren gegen Ihren Mandanten habe ich mit Verfügung vom 30.11.2000 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt.

Es hat sich herausgestellt, dass Ihr Mandant unschuldig ist.

Entscheidungsgründe

Gründe:

Den Beschuldigten lag zur Last, am 19.1.1999 einen Scheinpatienten mit versteckter Kamera in die ärztliche Praxis der Anzeigeerstatter eingeschleust zu haben. Die Filmaufnahme über das augenärztliche Beratungsgespräch des Anzeigeerstatters Dr. ... gegenüber dem Scheinpatienten wurde am ... über "ProSieben" ausgestrahlt.

Die Anzeigeerstatter sehen darin eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruch, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz gemäß §§ 123, 201 StGB, § 33 KunstUrhG. Nachdem auch das Honorar für das Beratungsgespräch nicht bezahlt wurde, liege auch ein Betrug vor.

Der Tatbestand des Hausfriedensbruch ist nicht erfüllt. Wer vortäuscht, zu dem berechtigten Personenkreis zu gehören, dringt nicht ein. § 123 StGB schützt nicht die irrtumsfreie Willensbildung, sondern allein den tatsächlichen Willen des Berechtigten (vgl. Tröndle/Fischer, Komm. z. StGB, 49. Auflage, § 123 Rdnr. 10).

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen lässt sich nicht feststellen, in welcher art und Weise der Chefredakteur ..., die Autorin ... und die Reporterin ... an der Aufzeichnung der Filmaufnahmen selbst beteiligt gewesen sind, so dass insoweit die Tatbestandsalternativen des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausscheidet. Allenfalls könnte der Tatbestand des Gebrauchsmachens bzw. Zugänglichmachens einer unbefugt hergestellten Aufnahme gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB gegeben sein. Insoweit greift jedoch der Rechtfertigungsgrund des § 201 Abs. 2 Satz 3 StGB. Die Filmberichterstattung erfolgte im Rahmen der den Medien obliegenden Aufgabe, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Kritik zu üben und so vor dem Hintergrund des Art. 5 GG zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Der Filmbeitrag ist auch nicht unsachlich und daher noch in Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Eine Strafbarkeit entfällt daher.

Eine Strafbarkeit gem. § 33, 23 KunstUrhG liegt ebenfalls nicht vor. Der Anzeigeerstatter Dr. ... hat im Zusammenhang mit den Vorgängen, über die in der Sendung berichtet wird, Bedeutung erlangt und ist deshalb als "relative Person der Zeitgeschichte" zu qualifizieren.

Auf welche Art und Weise die Beschuldigten an einem etwaigen Eingehungsbetrug des Scheinpatienten beteiligt sein könnten, lässt sich nicht ermitteln. Der Patient ist nicht identifiziert. Die Beschuldigten haben sich hierzu nicht geäußert.

Etwaige zivilrechtliche Ansprüche werden durch diese Entscheidung nicht berührt.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Stern
Oberstaatsanwalt

Rechtsgebiete

Strafrecht