Amtshaftung für Schäden an einem geparkten PKW durch Grasmäharbeiten einer Gemeinde
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
28. 11. 2002
Aktenzeichen
III ZR 122/02
Zur Amtshaftung für Schäden an einem geparkten PKW, die durch Grasmäharbeiten einer Gemeinde verursacht worden sind.
Die "Kollegialgerichts-Richtlinie" ist nur dann anwendbar, wenn das konkrete, dem geltend gemachten Amtshaftungsanspruch zugrundeliegende Verhalten des Amtsträgers die Billigung eines Kollegialgerichts gefunden hat.
Am 19. Mai 2000 führten Bedienstete des Garten- und Friedhofsamtes der beklagten Stadt im Bereich eines öffentlichen Parkplatzes, unter anderem auf den zwischen den einzelnen Parkbuchten befindlichen Rasenflächen, Grasmäharbeiten durch. Dabei wurden durch die Schermesser des für diese Arbeiten verwendeten motorgetriebenen Rasenmähers Steine hochgeschleudert, die die Scheibe des rechten hinteren Seitenfensters und den Lack des in einer dieser Buchten abgestellten Mercedes-Kleinbusses des Klägers beschädigten. Der Kläger lastet der Beklagten an, sie habe bei den Arbeiten die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen unterlassen, und nimmt sie deshalb aus Amtspflichtverletzung auf Ersatz des entstandenen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 5.474,26 DM, das Berufungsgericht in Höhe von 3.243,52 _ nebst Zinsen stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte, die ein Fehlverhalten bestreitet, ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die beklagte Stadt der ihm vom Berufungsgericht zuerkannte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) zu.
1. Zutreffend sind beide Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die hier in Rede stehenden Mäharbeiten als hoheitliche Aufgabe im Rahmen der Straßenverkehrssicherungspflicht wahrgenommen worden sind, die in Niedersachsen öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist (§ 10 NStrG). Die Bediensteten der Beklagten haben daher in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes im Sinne des Art. 34 GG gehandelt.
2. Das Berufungsgericht lastet der Beklagten eine Amtspflichtverletzung gegenüber dem Kläger an. Es meint, die von der Beklagten behaupteten Sicherungsvorkehrungen (vorheriges Absuchen der zu mähenden Flächen nach Fremdkörpern, insbesondere Steinen; Verwendung des vorgeschriebenen Spritzschutzschildes bei dem Mäher) seien unzureichend gewesen. Als Maßnahmen, die allein oder zusammengenommen die Gefahren des Rasenmähens minimieren könnten und die die Beklagte nach ihrem Ermessen hätte auswählen können, kämen beispielsweise in Betracht: die Verhängung eines zeitweisen Parkverbotes, die Anbringung von Planen vor den geparkten Fahrzeugen, die Verwendung von Auffangbehältern statt eines bloßen Spritzschutzes, der Einsatz von speziellen Rasenmähern oder sonstigen Vorkehrungen, die entweder schon auf dem Markt zu kaufen seien oder aber bei entsprechender Nachfrage zu kaufen sein würden, sowie der Verzicht auf motorbetriebene Werkzeuge.
3. Dem ist zuzustimmen. Die von der Beklagten selbst gegebene Unfallschilderung belegt, dass die Sicherungsvorkehrungen und -maßnahmen objektiv unzulänglich gewesen sind.
a) Die Beklagte hat nämlich vorgetragen: Bei den Mäharbeiten seien "Sabo"-Handmäher benutzt worden. Trotz der Schutzeinrichtung an jenen Mähern und obwohl die Auswurfvorrichtung für den gemähten Rasen sich auf der autoabgewandten Seite befunden habe, sei ein Stein vom Mähwerk erfasst, in mehrere Teile zerschlagen und in Richtung des Fahrzeuges des Klägers geschleudert worden. Bevor die Bediensteten der Beklagten mit dem Mähen begonnen hätten, hätten sie jenen Bereich nach Steinen abgesucht.
b) Der Senat hat bereits Zweifel daran, ob ein Stein, der ursprünglich so groß gewesen war, dass die einzelnen Teile, in die er zersplitterte, die hier in Rede stehenden Beschädigungen verursachen konnten, den Bediensteten beim Absuchen der Fläche nicht hätte auffallen müssen. Selbst wenn man jedoch insoweit zugunsten der Beklagten unterstellt, dass ein Sorgfaltspflichtverstoß nicht vorliegt, so zeigt sich doch, dass der Mäher eine Gefahrenquelle darstellte, die nicht voll beherrschbar war.
c) Schäden, die auf diese Weise verursacht werden, braucht der betroffene Bürger jedenfalls dann nicht hinzunehmen, wenn sie durch zumutbare weitergehende Sicherungsmaßnahmen abwendbar sind. Insoweit hat die Beklagte die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Dies gilt auch dann, wenn der Einwand der Beklagten zutrifft, die von beiden Vorinstanzen in erster Linie in Erwägung gezogene weitergehende Sicherungsmaßnahme, bei Mäharbeiten kurzfristig die anliegenden Verkehrsflächen abzusperren, sei praktisch nicht zu verwirklichen. Es verbleiben dann nämlich immer noch sonstige Vorkehrungen, etwa die Absicherung durch aufzuspannende Planen. Es erscheint ferner nicht ausgeschlossen, in einem bestimmten Sicherheitsabstand zu geparkten oder vorüberfahrenden Fahrzeugen sowie vorbeigehenden Passanten, die gerade bei Steinschlägen der hier in Rede stehenden Art durchaus der Gefahr erheblicher Körperverletzungen ausgesetzt sein können, auf den Einsatz derartiger motorgetriebener Geräte völlig zu verzichten und in diesem Bereich auf handbetriebene Mäher auszuweichen. Dabei ist es, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, nicht Aufgabe der Gerichte, jede der aufgezählten Möglichkeiten auf ihre praktische Durchführbarkeit zu untersuchen.
4. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Amtsträger der Beklagten hier gegen ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verstoßen haben. Eine besonders wichtige Konsequenz dieser Pflicht ist es nämlich, deliktische Schädigungen zu unterlassen, insbesondere sich bei der Amtsausübung aller rechtswidrigen Eingriffe in fremde Rechte zu enthalten, vor allem in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechtsgüter, hier das Eigentum (vgl. wegen der Einzelheiten Staudinger/Wurm 13. Bearb. [2002] § 839 Rn. 126 m.w.N.). Nach dem das Amtshaftungsrecht beherrschenden objektiven Sorgfaltsmaßstab (vgl. dazu Staudinger/Wurm aaO Rn. 203 f m.w.N.) trifft die Amtsträger der Beklagten hier auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf: Sie hätten die Notwendigkeit weitergehender Sicherungsvorkehrungen zumindest erkennen können und in Rechnung stellen müssen. Die "Kollegialgerichts-Richtlinie", die besagt, dass einen Beamten in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen (Berufsrichtern) besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (Staudinger/Wurm Rn. 216 ff m.w.N.), ist hier schon deswegen nicht anwendbar, weil das Verhalten derjenigen Amtsträger, die die hier zu beurteilende Amtspflichtverletzung begangen haben, nicht Gegenstand kollegialgerichtlicher Billigung gewesen ist. Der bloße Umstand, dass die bei Grasmäharbeiten einzuhaltenden Sorgfaltsanforderungen in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt worden sind (vgl. dazu einerseits im Sinne einer strengeren, mit der jetzigen Senatsentscheidung in Einklang stehenden Auffassung: OLG Rostock, DAR 1998, 474; andererseits LG München I DAR 1999, 552), vermag die Beklagte daher nicht zu entlasten.
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