Irreführende Werbung für ein Computerprogramm (Programmsperre)

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

12. 10. 2000


Aktenzeichen

29 U 3680/00


Leitsatz des Gerichts

  1. Es ist irreführend im Sinne von § 3 UWG, wenn der Erwerber eines Computerprogramms vor dem Erwerb nicht darauf hingewiesen wird, dass nach 25maligem Aufruf der Software eine Registrierung durch Übermittlung von persönlichen Daten (Name, Adresse, Telefonnummer u.a.) zur Beseitigung einer ansonsten wirksam werdenden Programmsperre erforderlich ist.

  2. Der Vertreiber des Programms handelt zugleich sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG, da er die von der Programmsperre ausgehende Zwangslage auf Seiten der Erwerber dazu ausnutzt, um diese zur Übermittlung ihrer persönlichen Daten zu veranlassen. Dass diese Zwangslage für den Erwerb des Programms nicht kausal ist, ist für die Anwendung des § 1 UWG unerheblich, da hierdurch die freie Willensentschließung des Programmnutzers rechtswidrig beeinflusst wird, um - ohne vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch hierauf - dessen persönliche Daten für Werbezwecke verwenden zu können.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

... III. Antrag 1: Verbot des Vertriebs des Programms
1. Zu Recht hat das LG einen Unterlassungsanspruch gern. § 3 UWG bejaht. Denn bei dem Erfordernis der Registrierung (Angabe der persönlichen Daten) nach 25-maligem Aufruf des Programms handelt es sich um eine Beschaffenheit, hinsichtlich derer eine Aufklärungspflicht besteht. Das Unterlassen des gebotenen Hinweises ist auch geeignet, die Kaufentscheidung der Kunden zu beeinflussen (Relevanz).

a) Das Verschweigen einer Tatsache stellt sich nur dann als eine irreführende Angabe i.S.d. § 3 UWG dar, wenn eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Pflicht besteht, sofern sie nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun begründet ist, im Wettbewerb nicht schlechthin. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller - auch der weniger vorteilhaften - Eigenschaften einer Ware oder Leistung. Die Pflicht zur Aufklärung besteht jedoch in den Fällen, in denen das Publikum bei Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt, der den Kaufentschluss zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht wurde. Dabei müssen allerdings auch die Interessen des Werbenden beachtet werden. Seine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf jede Einzelheit der geschäftlichen Verhältnisse. Vielmehr besteht aus dem Gesichtspunkt des § 3 UWG eine Verpflichtung, negative Eigenschaften des eigenen Angebots in der Werbung offenzulegen, nur insoweit, als dies zum Schutz des Verbrauchers auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerlässlich ist (BGH WRP 1999, 1035 [1037] - Kontrollnummernbeseitigung; v. 3.12.1998 - I ZR 63/96, NJW 1999, 2190 = MDR 1999, 1079 - Auslaufmodelle I; v. 8.10.1998 - I ZR 187/97, NJW 1999, 214 = MDR 1999, 49 [A] - Handy für 0,00 DM).

b) Auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH v. 13.1.2000 - Rs.C-220/98, WRP 2000, 289 = NJW 2000, 1173 - Lifting Creme; WRP 2000, 489 - naturrein; v. 6.7.1995 - Rs.C-470/93, WRP 1995, 677 - 10 % weniger; WRP 1998, 848 - 6-Korn-Eier; BGH WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; WRP 2000, 724 - Space Fidelity Peep-Show) hat mangels entsprechenden Hinweises auf der Verpackung des Datenträgers oder in sonstiger Weise vor Erwerb der Software - den Lizenzvertrag wird er ohnehin erst nach Kauf der Software zur Kenntnis nehmen können - keinerlei Kenntnis davon, dass er zum Erhalt der Nutzungsmöglichkeit der von ihm erworbenen Software seine persönlichen Daten mitteilen muss. Er wird allenfalls davon ausgehen, dass er bei der erstmaligen Installation der Software eine zusammen mit dem Datenträger ausgehändigte Code- oder sonstige Identifikationsnummer eingeben muss, um die Betriebsfähigkeit des Programms herzustellen.

Da die hier in Rede stehende Software gegen Zahlung eines Einmalentgelts auf Dauer überlassen wird (zur entsprechenden Anwendung kaufvertragsrechtlicher Bestimmungen vgl. BGH v. 3.6.1981 - VIII ZR 153/80, NJW 1981, 2684; v. 25.3.1987 - VIII ZR 43/86, CR 1987, 358 = MDR 1987, 926; v. 7.3.1990 - VIII ZR 56/89, NJW 1990, 3011 = CR 1990, 707 = MDR 1990, 1103; CR 1997, 470 [472]; CR 2000, 107; krit. Ulmer, CR 2000, 493 ff) und daher die Sicherung eines vertraglichen Zahlungsanspruchs ausscheidet, kann der Einsatz von Programmsperren allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchsschutzes in Betracht kommen (vgl. Wuermeling, CR 1994, 585 ff; die Zulässigkeit derartiger Maßnahmen blieb in der Entscheidung BGH CR 2000, 94 - Programmsperre - offen; vgl. zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung Wuermeling in seiner Anmerkung CR 2000, 96 f). Vorliegend können aber die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Gesichtspunkte - Schutz vor unberechtigter Vervielfältigung ("Raubkopieren") - die fragliche Handhabung in keiner Weise rechtfertigen. Wenn durch ein derartiges Registrierungssystem sichergestellt werden soll, dass nur vom Berechtigten erworbene ("lizenzierte") Programme Verwendung finden, müssen derartige Absprachen Eingang in den Kaufvertrag finden (vgl. Wuermeling, CR 1994, 588 [593]). Es ist dagegen nicht zu billigen, wenn der Käufer ohne jeglichen Hinweis auf eine derartige Nutzungsbeschränkung nach 25-maligem Aufruf erst zur Registrierung unter Angabe seiner persönlichen Daten aufgefordert wird.

Aus der Sicht der Nutzer des Programms, die sich nach 25-maligem Aufruf des Programms mit der Aufforderung zur Registrierung konfrontiert sehen, ist es nicht entscheidend, dass es - wie die Antragsgegnerin geltend macht - zur Beseitigung der im Programm implementierten Programmsperre "technisch" nur erforderlich ist, die Serien- und die Schlüsselnummer einzugeben und im Übrigen auch "Fantasie"-Angaben gemacht werden können. Bei ihrer wiederkehrenden Argumentation verschließt sich die Antragsgegnerin nämlich offensichtlich bewusst der Erkenntnis, dass dieser Umstand dem Nutzer nicht bekannt ist. Er muss vielmehr aufgrund des Sternchenhinweises bei den im Tatbestand genannten Eingabefeldern zu der Einsicht kommen, dass es sich insoweit um "Pflichtangaben" handelt, die für die ordnungsgemäße Registrierung erforderlich sind. ...


(Die Entscheidung ist veröffentlicht in OLG-Report München 2001, S. 103 f.)

Vorinstanzen

LG München I, 7 O 115100

Rechtsgebiete

Recht der Informationstechnologie; Wettbewerbsrecht