Markenverletzung durch Internet-Domain - freundin.de
Gericht
OLG München
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
02. 01. 1998
Aktenzeichen
6 U 4798/97
Die Kl. zu 1 und die Kl. zu 2, ein 100%iges Tochterunternehmen der Kl. zu 1,
sind Mitglieder der B-Gruppe. Die 14tägig erscheinende Frauenzeitschrift
"Freundin" wird seit 1948 von Unternehmen der B-Gruppe herausgegeben. Bis zum
31. 12. 1994 erschien die "Freundin" im Verlag der Kl. zu 1, die Inhaberin der
jeweils am 18. 1. 1980 angemeldeten und am 20. 10. 1980 eingetragenen Marke 10
094 94 „Freundin" und 10 094 41 "freundin" für Druckschriften, Zeitungen und
Zeitschriften, Bücher, Veröffentlichung und Herausgabe von Druckschriften,
Zeitungen und Zeitschriften und Büchern ist. Seit dem 1. 1. 1995 erscheint die
Frauenzeitschrift „freundin" mit einer derzeitigen durchschnittlichen verkauften
Auflage von 630 452 Exemplaren im Verlag,der Kl. zu 2. Die Kl. zu 2 hat am 8. 4.
1995 die Wortmarke "Freundin" angemeldet für folgende Waren: Mit Informationen
versehene maschinell lesbare Datenträger aller Art und Software, insbesondere
Digital- und Analogaufzeichnungsträger mit z. B. Kultur- und Wissenschafts- und
industriellen bzw. technischen Informationen; programmierbare Floppy-Disketten,
ROM-Video-Cassetten, Compact-Disks und Chip-Disks sowie Ton-/Bild- und
Videoaufzeichnungsträger insbesondere zur Präsentation von z. B. Kultur-, Sport-
und Wissenschaftsinformationen und industriellen bzw. teichnischen
Informationen; Chip-Karten, soweit in Klasse 9 enthalten; Dienstleistungen auf
dem Gebiet der Telekommunikation und einer Informationsbank, Vermittlung von
Informationen an Dritte, Verbreitung von Informationen über drahtlose oder
leistungsgebundene Netze, Produktion und Verbreitung von Hörfunk und
Fernsehsendungen; Online-Dienste und Online-Sendungen; Up-dating bzw.
Aktualisierungs-Service für CD-ROM und andere Datenträger. Die Eintragung im
Markenregister erfolgte am 26. 7. 1996.
Ende 1995 beantragte die Kl. zu 2 bei
dem Network-Information-Center (DE-NIC) der Univeisität Karlsruhe, ihr den
Internet-Namen "www.freundin.de" zuzuteilen, was im Hinblick auf die bereits
erfolgte Zuteilung des Namens „Freundin.de" an die Bekl. abgelehnt wurde. Die
Reservierung durch die Bekl. erfolgte am 10. 10. 1995, die Zuteilung an sie am
11. 12. 1995. Über diese Internetadresse werden von der Bekl. bisher keine
Informationen oder Dienstleistungsangebote verbreitet. Bei Anwahl der Adresse
erscheint die "Homepage" der Bekl. Darin heißt es unter "Die Partnervermittlung
im WWW": "Dies ist die Seite für alle, die auf unkomplizierte Weise einen
Partner suchen. Wir arbeiten im Moment sehr angestrengt an unserer
Partnerdatenbank, bitte schauen Sie in wenigen Tagen doch noch mal rein!"
Außerdem richtete die Bekl. in gleicher Weise Homepages unter "Freund.de",
"Eheleute.de", "Beziehung.de", "Lovers.de", "Fisch-sucht-Fahrrad.de" ein. Jeder
am Internet angeschlossene Rechner besitzt eine ihn eindeutig identifizierende
Adresse. Diese wird in der Weise gebildet, daß sich an eine "Top-Level-Domain"
(nach links) der "Domain"-Name anschließt. Die Top-Level-Domain-Namen werden von
INTERNIC in den USA vergeben. Unterhalb der Top-Level-Domain ist die
Registrierung von Domain-Namen an unterschiedliche Stellen delegiert, für die
Top-Level-Domain ".de" (Deutschland) an das Network-Information-Center (DENIC)
der Universität Karlsruhe. Jeder Domain-Name von DE-NIC wird nur einmal nach dem
Prioritätsprinzip vergeben. Die Domain-Adresse kann durch sog. "Sub-Domains"
weiter untergliedert werden.
In der Zeitschrift "freundin" werden u. a. unter
der Überschrift "von Freundin zu Freundin" Kontakte zwischen Frauen vermittelt.
Diese als "Freundin-Club" bezeichnete Vermittlung ist unter der Adresse
"http://www.freundin.com" im Internet erreichbar, worauf in der Zeitschrift
hingewiesen wird. Die Kl. haben geltend gemacht, in der Benutzung des
Domain-Namens "Freundin.de" durch die Bekl. im geschäftlichen Verkehr liege eine
Verletzung ihrer Rechte am Titel und an den Marken "Freundin".
Die Kl. haben
beantragt,
(1) die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, den Namen
Freundin" als DomainName im Internet für eine Homepage, unter der
Dienstleistungen für Partnerschaftsvermittlungen angeboten werden, zu benutzen
und/oder unter dem Namen "Freundin" im Geschäftsverkehr Dienstleistungen der
Partnerschaftsvermittlung anzubieten, und
(2) die Bekl. zu verurteilen,
gegenüber der deutschen Vertretung von INTERNIC in Karlsruhe, Universität
Karlsruhe, Rechenzentrum (DE-NIC), schriftlich auf den Domain-Namen
"freundin.de" zu verzichten.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.
Die Kl. können von der Bekl. die begehrte Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "freundin" für eine de-Domain in einer Homepage im Internet, sowie im übrigen für Partnervermittlung, verlangen. Grundlage hierfür ist für die Kl. zu. 2 deren Titelrecht "Freundin" sowie ihr Markenrecht "Freundin", für die Kl. zu 1 deren Markenrecht "freundin".
1. Die Kl. zu 2 verwendet für ihre Zeitschrift seit 1.l. 1995 und damit
jedenfalls prioritätsälter den Titel "freundin". Sie hat hieraus ein
entsprechendes Kennzeichnungsrecht gern. § 5 III MarkenG erworben. Der Titel
besitzt für eine Zeitschrift eine ausreichende Unterscheidungskraft. Die Kl. zu
1 hat kraft Eintragung eine gegenüber der Bezeichnung der Bekl. prioritätsältere
Marke "freundin" u. a. für Zeitschriften, die für sie von der Kl. zu 2 benutzt
wird. Die Kl. können daher für den eingetragenen Warenbereich von Benutzern die
Unterlassung verlangen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bekl. auf einem
identischen oder ähnlichen Waren-Dienstleistungs-Bereich benutzt, ob
insbesondere die in der Zeitschrift "freundin" vorhandenen Kontaktanzeigen
gegenüber der Partnervermittlung der Bekl. hierzu ausreichen. Titel bzw. Marke
der Kl. kommt nämlich ein erweiterter Schutzbereich gem. § 15 III MarkenG bzw. §
14 II Nr. 3 MarkenG zu. Die bekannte Marke bzw. Bezeichnung im Sinn dieser
Vorschriften bedarf nicht mehr so hoher Anforderungen wie ehemals die "berühmte
Marke", um Schutz zu genießen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14 Rdnr. 467). Von
festen Quoten kann nicht ausgegangen werden; die Umstände eines jeden
Einzelfalls sind zu berücksichtigen. Vorliegend sind einige Umstände, die
teilweise vom LG bereits tatbestandlich festgestellt und von der Bekl. nicht
weiter bestritten wurden, zugrunde zu legen. Es handelt sich um eine bundesweit
vertriebene Publikumszeitschrift, vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich,
für Frauen, also um einen von vornherein zur weitesten Verbreitung bestimmten
Gegenstand. Die Zeitschrift wird seit 1948 herausgegeben und erscheint 14tägig.
Sie liegt im
normalen Preissegment. Sie hat jüngst eine durchschnittliche
verkaufte Auflage von 630452 Exemplaren. Der Vertrieb geschieht auch über den
allgemeinen Zeitschriftenverkauf an Zeitungskiosken. Es sind zwar
Konkurrenzzeitschriften vorhanden, auch solche mit größerer Auflage. Die
Zeitschrift behauptet sich jedoch seit langem am Markt. Die Benennung hat
angesichts der Verhältnisse auf dem Zeitschriftenmarkt durchaus normale
Kennzeichnungskraft. Dies alles erlaubt es vorliegend, von einer im Inland
bekannten Marke auszugehen, ohne exakte Zahlen mittels Demoskopie ermitteln und
angeben zu müssen (vgl. Ingerl/Rohnke, § 14 Rdnrn. 483 ff.).
2. Die Bekl. nutzt die Wertschätzung der bekannten Bezeichnung in unlauterer Weise kennzeichenmäßig aus. Die Bekl. verwendet die gewählte Internet-Domain kennzeichenmäßig. Es handelt sich nicht allein um eine festliegende Kennung oder Adresse nach Art einer Fernsprechnummer oder geographischen Adresse. Zwar dient die gewählte Buchstabenfolge (nach Aufgabe der früheren Ziffernfolge der Internet-Regeln) datentechnisch als "Adresse" zur Herstellung der Verbindung. Wegen der (relativ) freien Wählbarkeit ist jedoch den Benutzern die Übung bekannt, auch Geschäfts- oder Sachbezeichnungen zu wählen und damit bereits eine Information zu verbinden. Daher wird eine solche Kennung durchaus kennzeichenmäßig verstanden. Die Bekl. bietet unter dieser Bezeichnung eine Homepage im Internet an und leitet so Interessenten, die sich an der Bezeichnung der Kl. orientieren, auf ihr eigenes Produkt. Dabei ist davon auszugehen, daß Interessenten nicht nur nach Art eines Schlagworts in einem Katalog oder Lexikon im Internet suchen. Dem Verkehr ist mittlerweile die Übung vieler Unternehmen bekannt, unter ihrer Geschäfts- oder Produktbezeichnung Informations- oder gar Bestellmöglichkeiten zu bieten. Bei Zeitschriften kommt hinzu, daß sich diese geradezu anbieten, über den Bildschirm gelesen zu werden und dabei auch noch durch Hyperlinks ganz einfach zu weiteren Informationen gelangen zu können. So eignen sie sich gut zum Suchen nach dem Zeitschrifteninhalt und insbesondere bezüglich der Zeitschrift "freundin" nach dort enthaltenen Kontaktadressen, wofür diese Zeitschrift in ihrem Print-Medium den Markt neben anderen aufbereitet hat. Die Bekl. macht sich die Erwartung eines Suchenden zunutze, er könne beim Anklicken der Homepage "freundin.de" die in der Zeitschrift "freundin" enthaltenen gewünschten Kontaktadressen auffinden. Sie nutzt dies zur Präsentation ihrer Partnervermittlung aus, um so ins Geschäft zu kommen.
3. Die Verhaltensweise der Bekl. ist unlauter. Sie kann sich insbesondere nicht auf § 23 MarkenG stützen. Sie hängt sich gerade an die eingeführte Bezeichnung der Kl. an, ohne daß dafür eine Notwendigkeit bestünde. Die Bekl. ist aus sachlichen Gründen nicht genötigt, diese Internet-Adresse zu wählen. Es ist weder ihr (natürlicher) Name noch ihre Anschrift. Soweit von einer Internet-Adresse gesprochen wird, unterscheidet sie sich von einer geographischen Adresse dadurch, daß sie frei wählbar ist. Die Bekl. selbst zeigt durch die mehreren reservierten Domains, daß sie ausweichen kann und nicht allein auf die Bezeichnung der Kl. angewiesen ist, um ihre Geschäftsinteressen zu verfolgen, daß sie aber ernsthaft gar nicht ausweichen will, der Sperrwirkung wegen, weil sie bisher zwar die Homepages aktivierte, aber keine seit mittlerweile mehr als zwei Jahren mit Inhalt füllte. Demgegenüber ist es unlauter, gerade durch Wahl der Bezeichnung der Kl., diesen die Möglichkeit zu nehmen, in einer üblich gewordenen Form einen Internet-Anschluß mittels ihrer Bezeichnung zu erlangen und so einen beachtlichen bereits erworbenen Besitzstand zu verwirklichen. Insofern bestehen Parallelen zu den Fällen einer unlauteren Sperrung einer bevorstehenden Markeneintragung mittels einer eigenen Sperrmarke. Die Bekl. kann sich nicht auf eine freihaltebedürftige Bezeichnung berufen. Sie benutzt diese Bezeichnung gerade selbst nicht im Rahmen des Freihaltebedürfnisses, sondern schließt durch ihre Reservierung andere von der Benutzung aus. Außerdem bedarf sie dieser Bezeichnung im Rahmen einer gängigen Bezeichnung nicht, um ihren Geschäftsbetrieb und ihre Dienstleistungen zu kennzeichnen.
4. Die Kl. zu 2 kann von der Bekl. Unterlassung auch aufgrund ihres Markenrechts "Freundin" verlangen (§ 14 II Nr. 2 MarkenG). Bei verwechselbaren Zeichen überdecken sich die Dienstleistungs-Bereiche. Die Kl. zu 2 hat ein Recht, das das Gebiet einer Informationsbank und der Verbreitung von Informationen über Netze sowie Online-Dienste umfaßt. Die Bekl. ist auf dem Partnervermittlungsgebiet im Internet tätig. Gerade die Verwendung der Adresse mit der Second-Level-Domain "freundin" erzeugt eine Verwechslungsgefahr mit den Dienstleistungen der Kl. zu 2. Eine befugte Benutzung durch die Bekl. gern. § 23 MarkenG liegt nicht vor, wie oben bereits ausgeführt. Die Bekl. kann sich nicht auf eine unlautere Sperrung der Domain durch die Kl. zu 2 berufen. Die Kl. zu 2 hat ihre Marke bereits zu einem Zeitpunkt angemeldet, als die Bekl. weder eine Reservierung beim Internet getätigt noch selbst irgend einen schutzwürdigen Besitzstand hatte.
5. Angesichts der vorliegenden Kennzeichenverletzung im erweiterten bzw. normalen Schutzbereich bedarf es keiner Prüfung der Frage mehr, ob die Bekl. durch die von ihr herbeigeführte und aufrechterhaltene Sperrung der Homepage-Bezeichnung für die Kl. nicht auch eine allgemeine Wettbewerbsunlauterkeit begeht (§ 1 UWG).
6. Die Kl. können auch verlangen, daß die Bekl. unterläßt, unter dem Namen "freundin" im Geschäftsverkehr Dienstleistungen der Partnerschaftsvermittlung anzubieten. Sie gehen mit diesem Antrag über die Unterlassung einer Homepage-Bezeichnung hinaus. Jedoch besteht insofern eine Erstbegehungsgefahr, weil die Bekl. sich berühmt, für eine Partnerschaftsvermittlung diese Bezeichnung benutzen zu dürfen. Der Untersagungsgrund liegt in der damit zu begehenden Kennzeichenverletzung.
7. Der Anspruch auf schriftlichen Verzicht gegenüber dem Rechenzentrum (DE-NIC) ist als Beseitigungsanspruch und unselbständiger, den Unterlassungsanspruch ergänzender Anspruch gegeben (vgl. Ingerl/Rohnke Vorb. §§ 14 bis 19 Rdnr. 57).
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