Verwirkung im Markenrecht

Gericht

LG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

28. 11. 2003


Aktenzeichen

81 O 142/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Kennt der möglicherweise Verletzte den maßgeblichen Sachverhalt eine gewisse Zeit lang und unternimmt nichts gegen einen drohenden Wettbewerbsverstoß (hier: Nachahmung), kann der mögliche Verletzer darauf vertrauen, dass der andere den Zustand hinnimmt.

  2. Die Zeitdauer der Kenntnis des maßgeblichen Sachverhalts hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

  3. Bei positiver Kenntnis einer bevorstehender Verletzung eigener Rechte durch einen Vertrieb nachgeahmter Waren hat der Verletzte Sorge dafür zu tragen, dass die angekündigten Produkte gar nicht erst auf den Markt gelangen.

  4. Es kann dahin stehen, ob sich die Verwirkung auch auf einen Unterlassungsanspruch bezieht, wenn feststeht, dass er sich auf die Folgeansprüche (Auskunft, Schadensersatz) bezieht.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringende Sicherheitsleistung in Höhe von 120% derjenigen Summe, deretwegen vollstreckt wird.

Tatbestand


TATBESTAND:

Die Klägerin behauptet, Herstellerin der Handtaschen der Marke ... zu sein; insbesondere diejenige Handtasche von ..., die unter der Bezeichnung ... veräußert werde, sei berühmt - auf ihre diesbezüglichen Ausführungen wird Bezug genommen - und als Klassiker noch heute von besonderer wettbewerblicher Eigenart.

Sie macht des weiteren geltend, zu ihren bekannten Produkten gehörten auch Damentücher, die unter der Bezeichnung ... veräußert würden; dies geschehe - in verschiedenen Größen und Formen - in auffällig orangefarbigen, rechteckigen Verpackungsschachteln ..., die sich längst zu einem der weltweit bekannten Symbolen der Klägerin entwickelt hätten.

Die Beklagte betreibt einen Versandhandel über Katalog und Internet. Die Klägerin wirft ihr vor, darin unzulässige Nachahmungen zum einen der Tasche ... und zum anderen der ... angeboten zu haben; auf die Einzelheiten ihres Vortrages wird Bezug genommen. Die Beklagte hat nach Abmahnung unter dem 31.10.2001 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung - auch bezüglich der für die angebotenen Taschen verwendeten Bezeichnungen ... - abgegeben und ihre Lieferquellen offenbart; nachdem ihr im Februar 2002 die Honorarrechnung für die Abmahnung übersandt worden war, hat sie darauf nur einen Teil gezahlt, da sie den angesetzten Streitwert für überhöht gehalten hat ebenso wie Rahmengebühr von 10/10.

Die Klägerin verlangt nunmehr noch Auskünfte über die Lieferquellen hinaus, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sowie Ersatz der anwaltlichen Abmahnkosten, die sie netto mit € 2.190,- angibt. Zunächst hatte sie diesen Betrag eingeklagt, ihn aber dann um € 504,68 reduziert, weil sie diesen Betrag als teilweise Tilgung der Forderung ansetzt.

Sie beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen,

    1. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Damen-Handtaschen, wie nachstehend fotografisch abgebildet - auch in anderer Größe, Farbe oder aus anderem Leder ... feilgehalten, beworben, angeboten und/oder sonstwie in den Verkehr gebracht hat, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus welchem, gegliedert nach Kalendermonaten, Werbeaufwand (unter Nennung der Art der Werbeträger, der Auflage, der Erscheinungszeit, des Verbreitungsraumes und der Werbekosten), Lieferzeiten, Lieferorte, Liefermengen und Umsätze sowie Gewinne unter Benennung aller Kostenfaktoren ersichtlich sind

    2. der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie Verpackungsschachteln wie nachstehend fotografisch abgebildet benutzt, abgegeben beworben oder sonst in Verkehr gebracht hat: ...

    3. an die Klägerin € 1.685,32 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basisdiskontsatz ab Klagezustellung zu zahlen.

  2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen der im Tenor zu I.1. beschriebenen Art bereits entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist - neben weiteren Einwänden, auf die Bezug genommen wird - darauf hin, dass sie der Klägerin den Katalog schon vor dessen Erscheinen im April 2001 bereits im Januar 2001 zugänglich gemacht habe, weil sie bei der Klägerin um Inserate geworben habe. Die Klägerin habe einen Auftrag verweigert unter Hinweis darauf, dass sie sich an den Produkten störte; mit keinem Wort aber habe sie darauf hingewiesen, dass sie den weiteren Vertrieb nicht dulden werde. Dies wäre nach Auffassung der Beklagten auch verwunderlich gewesen, denn sie - die Beklagte - beziehe die hier fragliche Tasche von einem Unternehmen in Frankreich und das Verpackungsmaterial von einem Unternehmen in Pforzheim, welche Produkte dieser Art -Taschen der beanstandeten Form und Verpackungen in der beanstandeten Farbe - schon seit langem und ohne Beanstandung seitens der Klägerin im Standardsortiment hätten.

Die Klägerin bestreitet, schon im Januar 2001 einen Katalog erhalten zu haben; man habe ihr lediglich das von der Beklagten herausgegebene Lifestyle-Magazin überreicht, in dem allerdings u.a. die hier streitgegenständlichen Produkte zu sehen gewesen seien. Der Beklagten sei deutlich gesagt worden, dass diese Art der Produktnachahmungen die Belange von ... beeinträchtige und deshalb jeglicher kommerzieller Kontakt mit der Beklagten ausscheide; keinesfalls sei eine Freizeichnung erfolgt. Das Magazin sei zurück gegeben worden und nachdem der Katalog zunächst auch nicht erschienen sei, habe man gedacht, der Hinweis habe Erfolg gehabt; im übrigen hätte man - so meint sie - ohne eine Abbildung in der Hand nicht mit Erfolg abmahnen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten schon deshalb weder die begehrten Auskünfte noch Schadensersatz verlangen, weil die Klägerin eventuelle Ansprüche verwirkt hat, § 242 BGB.

Die Verwirkung des Rechtes, einen "eigentlich" bestehenden Anspruch gerichtlich durchzusetzen, tritt ein, wenn der möglicherweise Verletzte den maßgeblichen Sachverhalt kennt, eine gewisse Zeit lang, deren Dauer von den Umständen des Einzelfalles abhängt, nichts unternimmt und der Verletzer aus diesem Grund darauf vertrauen kann und sich darauf einrichtet, dass der andere den Zustand hinnimmt.

So liegt der Fall hier.

Bereits im Januar 2001 hat die Klägerin positiv gewusst, dass die Beklagte ganz konkret den Vertrieb von Taschen im Aussehen der ... und von Verpackungsmaterial im Aussehen der ... plante; dies hat sie im vorliegenden Verfahren anschaulich vorgetragen (Seite 19 des Schriftsatzes vom 25.11.2002, Bl. 144 d.A. "... war entsetzt"). Sie hat damit allen Anlass gehabt, Sorge dafür zu tragen, dass die angekündigten Produkte gar nicht erst in den Markt gelangten, und zwar zu allererst aus eigenem Interesse, denn auf diese Weise hätte sie die jetzt von ihr beklagte, damals von Seiten der Beklagten nur drohende Gefahr einer Marktverwirrung vor ihrer Verwirklichung abwenden können. In zweiter Linie ist eine unverzügliche Reaktion aber auch - für die Klägerin als offensichtlich erkennbar - auch im Interesse der Beklagten geboten gewesen, denn je nach Art der Reaktion seitens der Klägerin sind zwangsläufig Erwartungen seitens der Beklagten geweckt worden, die die Disposition für den nächsten Katalog maßgeblich mitbestimmt haben (dies vor dem Hintergrund, dass die Beklagte sogar später noch - im Oktober und während des laufenden Vertriebes - die Unterlassung erklärt hat).

Über diese eher allgemein geltenden Erwägungen hinaus kommt vorliegend noch im Besonderen hinzu, dass die Klägerin zumindest viele Jahre lang allenfalls sehr eingeschränkt tätig geworden ist in Bezug auf die Verfolgung von Produkten, die sie als Nachahmungen ihrer eigenen Erzeugnisse ansieht mit der Folge, dass es - unabhängig von deren unmittelbarer rechtlichen Relevanz - eine Vielzahl von ...-ähnlichen Produkten gegeben hat, zumindest in Prospekten. Erst seit etwa 1998 - dies hat die Kammer der mündlichen Verhandlung entnommen - verfolgt die Klägerin nach Möglichkeit alle ihr bekannt werdenden Handlungen, die sie als Verletzung ihrer Rechte ansieht. Um so mehr muss sie im Jahr 2001 sensibilisiert gewesen sein im Hinblick auf eine Ankündigung, die selten so konkret ist wie in diesem Fall; auch ergibt sich daraus - alarmierend aus der Sicht der Klägerin -, dass die Beklagte offenkundig nicht in dem Bewusstsein gehandelt hat, möglicherweise etwas zu tun, was in fremde Rechte eingreift, denn andernfalls hätte sie nicht bei der Klägerin um Inserate geworben und ihr dann auch noch gedruckte Unterlagen übergeben.

Wenn sie sich vor diesem Hintergrund auf den Hinweis an die Beklagte beschränkt, wegen der Art der Produkte scheide jeglicher kommerzieller Kontakt aus, braucht es keiner Freizeichnung mehr, um bei der Beklagten den Eindruck zu erwecken, der Klägerin gefielen zwar die Produkte wegen der Ähnlichkeit nicht, aber ernsthaft etwas dagegen unternehmen werde sie auch nicht. Ohne Erheblichkeit für diese Bewertung ist es, ob die Klägerin (ab wann eigentlich?) nicht mehr damit gerechnet hat, dass der Katalog noch heraus kommt, denn eines Verschuldens auf ihrer Seite bedarf es nicht. Auch ist es unzutreffend, wenn sie geltend macht, ohne eine Abbildung hätte man nicht abmahnen können, weil man "nichts in der Hand" gehabt habe: anders als für die Einreichung eines Verfügungsantrages bei Gericht, für den eine Abbildung des Verletzungsgegenstandes tatsächlich unabdingbar ist, ist ein (möglichst, aber nicht notwendig schriftlicher) unzweideutiger Hinweis der Klägerin, man werde einen Vertrieb der Taschen und der Verpackung notfalls mit gerichtlicher Hilfe unterbinden, ohne weiteres möglich gewesen.

Unabhängig von der Frage, ob die tatsächliche Aufnahme des Vertriebes seitens der Beklagten im rechtlichen Sinn ohne Verschulden erfolgt ist, ergibt sich aus dem der Entscheidung zu Grunde zu legenden Sachverhalt, dass die Beklagte berechtigter Weise der Meinung hat sein können, die Klägerin werde den Vertrieb zwar nicht billigen, ihn aber letztlich hinnehmen. Vor diesem Hintergrund sowie dem Umstand, dass eine Reaktion - wenn sie denn kommt - auch schnell kommen kann (bezogen auf Januar 2001), hat sich die Beklagte ebenso berechtigter Weise durch die Verbreitung des Kataloges und die Aufnahme des Vertriebs auf die Duldung seitens der Klägerin eingerichtet.

Für die Entscheidung kann dahin stehen, ob sich die Verwirkung auf den Unterlassungsanspruch selbst bezieht, denn jedenfalls bezieht er sich auf die Folgeansprüche, die - bei gleichartiger Reaktion wie dann tatsächlich erfolgt - gar nicht erst entstanden wären: hätte die Klägerin in der gebotenen Weise auf die Vorabinformation reagiert, hätte es - über die (damals noch: zukünftigen) Bezugsquellen hinaus - nichts gegeben, worüber Auskunft zu erteilen gewesen wäre und ein Schaden jedweder Art wäre nicht entstanden; auch Abmahnkosten - beruhend auf der rund ein dreiviertel Jahr nach Kenntnisnahme ausgesprochenen anwaltlichen Abmahnung - können dann nicht mehr verlangt werden, ohne dass es noch auf ihre Angemessenheit ankommt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 269, 709 ZPO.

Streitwert: € 34.690,-.


Humml
Flecken
Baldus

Rechtsgebiete

Markenrecht