Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft gegen Arbeitgeber wegen vom Tarifvertrag abweichender Betriebsvereinbarung

Gericht

ArbG Freiburg


Datum

12. 11. 1996


Aktenzeichen

10 BV 7/96


Tenor

Die Anträge werden abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Gründe

I.
Mit vorliegendem Antrag begehrt die antragstellende Gewerkschaft Verpflichtung der beteiligten Arbeitgeber, die Anwendung verschiedener zwischen den beteiligten Arbeitgebern und deren Betriebsrat vereinbarter Regelungen zu unterlassen.

Die antragstellende Gewerkschaft ist im Betrieb der beteiligten Arbeitgeber vertretene Gewerkschaft.

Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die beteiligten Arbeitgeber sind Teile des Burda-Konzerns. Bis zum 31.12.1994 waren die Geschäftsbereiche, welche nunmehr durch die beteiligten Arbeitgeber repräsentiert werden, bei der Burda GmbH vereinigt. Zum 1.1.1995 wurde der Burda-Konzern neu strukturiert. Die einzelnen bei der Burda GmbH angesiedelten Geschäftsbereiche wurden als rechtlich verselbständigte Profitcenter aus der GmbH ausgegliedert. Der bei der GmbH gebildete Betriebsrat wurde als gemeinsamer Betriebsrat der neu entstandenen Unternehmen geführt.

Die Burda GmbH war und ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Papierverarbeitung und Druck Südbaden e.V..

Streitig zwischen den Beteiligten ist dagegen, ob auch die neu geschaffenen Profitcenter dem Arbeitgeberverband beigetreten sind.

Nach Behauptung der antragstellenden Gewerkschaft haben auch die im Verfahren beteiligten Arbeitgeber ihren Beitritt zum Arbeitgeberverband erklärt. Nach Behauptung der beteiligten Arbeitgeber dagegen sind sie selbst dem Arbeitgeberverband nicht beigetreten, dagegen entrichtet die Burda GmbH, die nach Neuorganisation eigene Arbeitnehmer nicht hat, weiterhin Beiträge zum Arbeitgeberverband mindestens im früheren Umfang, wobei die Beiträge nach Darstellung der Arbeitgeber höher sind als sie sich nach der Satzung des Arbeitgeberverbandes für die Anzahl der bei den Burda-Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern rechnen würden.

Mit Schreiben vom 16. Februar 1996 teilten die beteiligten Arbeitgeber in einem Schreiben an alle Burda-Mitarbeiter in Offenburg mit, infolge der Strukturkrise im Druckgewerbe seien auch in Offenburg tiefgreifende Maßnahmen erforderlich. Entlassungen könnten nur vermieden werden, wenn umfassende Kostensenkungen realisiert werden könnten.

Zuvor hatte Burda die Schließung des Druckstandortes Darmstadt beschlossen, für die hiervon betroffenen ca. 600 Arbeitnehmer wurde ein Sozialplan vereinbart.

In Verhandlungen mit dem Betriebsrat hatten die Arbeitgeber zunächst ein Einsparvolumen von 40 Millionen DM gefordert, beide Seiten einigten sich schließlich auf ein Einsparvolumen von 30 Millionen DM jährlich.

Zur Verwirklichung dieses Einsparvolumens schlossen die Betriebsparteien unter dem 29.2.1996 eine Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung), in deren Anlage die einzelnen Sparmaßnahmen und Umsetzungsmodalitäten geregelt sind.

Im Vorsatz zu dieser Rahmenvereinbarung steht folgendes:

"Betriebsrat und Geschäftsführung sind sich einig, daß die von den Tarifverträgen der Druckindustrie abweichend geregelten Inhalte zu ihrer Rechtswirksamkeit der einzelvertraglichen Zustimmung der Mitarbeiter bedürfen. Betriebsrat und Geschäftsführung werden sich gemeinsam bemühen, diese Zustimmung einzuholen."

Kernpunkte des Sparmaßnahmenkataloges in der Anlage zur Betriebsvereinbarung sind
  • Abbau, der freiwilligen übertariflichen sowie der festen Zulagen in drei gleichen Schritten zum 1.5.1996, 1.5.1997, 1.5.1998
  • Abbau tariflicher Zuschläge
  • Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden, wobei die 36. und 37. Wochenstunde mit der derzeitigen Vergütung abgegolten ist.

Wegen der einzelnen Inhalte des Sparmaßnahmenkataloges wird verwiesen auf Blatt 43 - 46 der Akten).

Für den Fall, daß alle Mitarbeiter auf der Basis dieser Vereinbarung Einzelverträge abschließen, sollte nach dem Inhalt der Rahmenvereinbarung folgendes in Kraft treten (auszugsweise):

  • Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter, die einen Einzelvertrag abgeschlossen haben bis zum 31.12.2000
  • Verzicht auf Auslagerungen von Betriebsteilen der Burda Druck GmbH bis zum 31.12.2000
  • Aufbau einer Tiefdruckrotation in Offenburg im Herbst 1996

Mit Schreiben vom 1.3.1996 wurden die Mitarbeiter über die Vereinbarung mit dem Betriebsrat unterrichtet, ohne daß der Sparmaßnahmenkatalog im einzelnen dargestellt worden ist. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, den vereinbarten Sparmaßnahmen einzelvertraglich zuzustimmen. Zu diesem Zweck wurden mit Mitarbeitergruppen Gespräche geführt, an denen der Betriebsrat und die Personalabteitung beteiligt war (Blatt 47 der Akten). Mit weiterem Schreiben vom 3.4. sowie 19.4. wurden die Arbeitnehmer, die bisher nicht unterschrieben hatten aufgefordert, nunmehr eine Vertragsänderung zu unterzeichnen.

Mit Schreiben vom 26.4.1996 forderte die antragstellende Gewerkschaft die Arbeitgeber auf, Verhandlungen über einen Haus-Tarifvertrag aufzunehmen.

Mit Zusatzvereinbarung vom 3.5.1996 vereinbarten die Betriebsparteien, daß die Rahmenvereinbarung vom 29.2.1996 am 1.6.1996 in Kraft treten solle, obwohl nur 95% der beschäftigten Mitarbeiter einer Vertragsänderung zugestimmt hatten. In dieser Zusatzvereinbarung wird bezüglich der Arbeitnehmer, die einer Vertragsänderung nicht zugestimmt haben, vereinbart, daß deren Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich verkürzt wird. Weiter wird für diesen Personenkreis vereinbart, daß die übertariflichen wie die festen Zulagen entfallen, und zwar hier in einem Schritt.

Diesem Personenkreis wird die Möglichkeit eingeräumt, noch bis 15. Mai 1996 dem Burda-Modell zuzustimmen. Für die Arbeitnehmer, die der Vertragsänderung zugestimmt haben, wird ein Widerrufsrecht ebenfalls bis 15. Mai 1996 eingeräumt. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Zusatzvereinbarung wird verwiesen auf Blatt 93 und 94 der Akten.

Am 19.4.1996 hatten die Tarifvertragsparteien für den Druckbereich einen Tarifvertrag über Beschäftigungssicherung und Ausbildung vereinbart, der in Ziffer 1 1. Abs. wie folgt lautet:

"Zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit für Arbeitnehmergruppen für einzelne Abteilungen oder für den ganzen Betrieb abweichen von der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit nach § 3 Ziffer 1 Abs. 1 MTV um bis zu 5 Wochenstunden abgesenkt werden. Bei ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit nach Durchführungsbestimmungen (2) und (4) zu § 3 MTV ist diese Arbeitszeit im Durchschnitt zu erbringen."

Mit weiterer Zusatzvereinbarung vom 13.6.1996 vereinbarten die Betriebsparteien eine Wahlmöglichkeit der betroffenen Arbeitnehmer zwischen den beiden Modellen bis zum 15.10.1996.

Mit dem gestellten Antrag sollen die beteiligten Arbeitgeber verpflichtet werden, die Durchführung der in der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 vereinbarten Arbeitszeit von 30 Stunden für die Mitarbeiter, die einer Vertragsergänzung nicht zugestimmt haben zu unterlassen, sowie die Anwendung der in der Anlage zur Betriebsvereinbarung vom 29.2.1996 vereinbarten Maßnahmen insoweit zu unterlassen, als diese Maßnahme tarifliche Ansprüche betreffen.

Die antragstellende Gewerkschaft ist der Ansicht, bezüglich des Sparmaßnahmenkataloges in der Anlage zur Betriebsvereinbarung vom 29.2.1996 liege ein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG bereits deshalb vor, weil in den den Gegenstand des Antrags bildenden Punkten entgegen des Verbotes des § 77 Abs. 3 BetrVG die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung tarifwidrigen Inhaltes geschlossen hätten. Ebenso verstoße auch die Reduzierung der Arbeitszeit für die Arbeitnehmer, die der Vertragsänderung nicht zugestimmt hätten in der Zusatzvereinbarung vom 3.5.1996 gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung vom 9.4.1996 könne als Öffnungsklausel im Sinne des § 77 Abs. 3 nicht angesehen werden. Solche Öffnungsklauseln könne ein Arbeitgeber nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn er sich im übrigen an den Tarifvertrag halte. Dies sei aber im Falle der beteiligten Arbeitgeber gerade nicht der Fall. Im übrigen sei eine Reduzierung der Arbeitszeit nur für "Arbeitnehmergruppen" möglich. "Arbeitnehmergruppen" im Sinne des Beschäftigungssicherungstarifvertrages lägen aber nur dann vor, wenn die betroffenen Arbeitnehmer in einer arbeitsorganisatorischen oder produktionstechnisch bedingten Verbindung zueinander stünden. Dies sei vorliegend aber nicht gegeben.

Die beteiligte Gewerkschaft beantragt deshalb:


    Die Antragsgegnerinnen werden verpflichtet, es zu unterlassen,
    a) die in der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche für die Mitarbeiter, die keine Vertragsergänzungen mit dem Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 29.2.1996 abgeschlossen haben, durchzuführen.

    b) die in der Anlage zur Betriebsvereinbarung vom 29.2.1996 mit dem Betriebsrat und i.V. mit Ziffer 2 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 einzelvertraglich vereinbarten Regelungen in der nachstehenden Form anzuwenden.

    aa) Ziffer 4.1 der Anlage;

    bb) Ziffer 4.2. der Anlage insoweit, als danach das Entgelt für Nacht-, Sonntags-, Feiertagsarbeit und Überstunden gegenüber den Regelungen im Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland der ab 1. Januar 1989 gültigen Fassung mit den Änderungen vom 7. Mai 1990 und 3. Juli 1994 reduziert wird;

    cc) Ziffer 4.2. der Anlage insoweit, als danach die Zuschläge für regelmäßige Samstagsarbeit sowie die Antrittsgebühr entfallen;

    dd) Ziffer 7 der Anlage insoweit, als danach mit dem Betriebsrat für alle Beschäftigten der Burda Druck GmbH sowie der Abteilungen Papierlager und Altpapier eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden ohne Bezahlung der 36. und 37. Wochenstunden und ohne Bezahlung von Überstundenzuschlägen für die 36. bis 39. Stunde vereinbart wurde.


  1. Den Beteiligten zu 2 und 3 wird bei Zuwiderhandlung gegen die unter 1. beantragten Verpflichtungen ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Zwangsgeld angedroht.

Die beteiligten Arbeitgeber beantragen,

die Anträge abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, bezüglich der Rahmenvereinbarung vom 29.2.1996 liege ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG bereits deshalb nicht vor, weil - soweit diese Vereinbarung vom Tarifvertrag abweichende Inhalte regle - nach dem ausdrücklichen Inhalt lediglich ein gebündeltes Vertragsangebot an die Mitarbeiter gegeben sei, gerade aber keine Regelung dieser Punkte durch Betriebsvereinbarung erfolgen sollte.

Ebenso verstoße die Regelung einer 30-Stunden-Woche für die Arbeitnehmer, die dem Burda-Modell nicht zugestimmt hätten, nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da der Beschäftigungstarifvertrag vom 19.4.1996 eine Öffnungsklausel darstelle. Für ein Verständnis des Begriffes "Arbeitnehmergruppe" im arbeitsorganisatorischen oder produktionstechnischen Sinne gebe der Tarifvertrag keine Anhaltspunkte. Im übrigen gelte die Einführung der 30-Stunden-Woche für sämtliche Arbeitnehmer, allerdings mit der Maßgabe, daß diese das Recht hätten, anstelle dieses Modells das Burda?Modell zu wählen. Da die Einführung der 30-Stunden-Woche für die Arbeitnehmer, die dem Burda?Modell nicht zustimmen, Teil des Gesamtkonzeptes sei, welches eine Einsparung von 30 Millionen zum Ziel habe, liege auch insoweit eine Regelung "zur Vermeidung von Entlassungen" im Sinne des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vor.

Die antragstellende Gewerkschaft erwidert hierauf, auch soweit tarifvertragsverstößliche Regelungen in der Vereinbarung vom 29.2.1996 einzelvertraglich umgesetzt worden seien, liege ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG vor. Die Aufforderung der beteiligten Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, tarifwidrige Vereinbarungen einzelvertraglich zu unterzeichnen, höhle die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie aus. Damit aber ergebe sich ein Unterlassungsanspruch der antragstellenden Gewerkschaft nach §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 9 Abs. GG und § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt umfangreichen Anlagen verwiesen.


II.
Die Anträge sind zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

A
Das Beschlußverfahren ist.die zutreffendere Verfahrensart.

Der Streit der Beteiligten geht um die Frage, ob der Arbeitgeber die mit dem Betriebsrat getroffenen Abmachungen und Vereinbarungen umsetzen kann oder aber ob er deren Durchführung zu unterlassen hat. Soweit Vereinbarungen mit dem Betriebsrat Gegenstand der Anträge sind, betrifft der Streit zweifelsfrei Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, da zur Entscheidung des Gerichts. die Frage gestellt wird, ob die Betriebsparteien in zulässiger Weise im Rahmen ihrer Regelungskompetenzen Regelungen getroffen haben.

Zweifelhaft könnte die Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart nur insoweit sein, als dem Arbeitgeber auch die Durchführung einzelner einzelvertraglich vereinbarter Regelungen untersagt werden soll. Insoweit besteht jedoch ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den durch die Betriebsparteien getroffenen Abmachungen und den einzelvertraglichen Regelungen. Die Betriebsparteien haben in Kenntnis des Umstandes, daß im Tarifvertrag geregelte Sachverhalte der Regelung durch Betriebsvereinbarung nicht zugänglich sind, in der als Betriebsvereinbarung bezeichneten Rahmensvereinbarung ausdrücklich klargestellt, daß insoweit eine Verbindlichkeit nur aufgrund einzelvertraglicher Übernahme entsteht. Damit haben die Betriebsparteien bereits in dieser Vereinbarung den Abschluß einzelvertraglicher Übernahmeregelungen vorausgesetzt.

Damit sind beide Antragsgegenstände so eng miteinander verbunden, daß sie nur einheitlich und zwar im Wege des Beschlußverfahrens entschieden werden können.


B
Die antragstellende Gewerkschaft ist antragsbefugt.

Nach § 23 Abs. 3 BetrVG kann die im Betrieb vertretene Gewerkschaft bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz die dort gewährten Rechte geltend machen. Hierbei besteht nach überwiegender Meinung die Antragsberechtigung unabhängig davon, ob der jeweilige Antragsteller materiellrechtlich Gläubiger der Verpflichtung ist, deren grobe Verletzung gerügt wird (Wiese in Gemeinschaftskommentar BetrVG 5. Auf. § 23 Rdzf. 176). Eine Einschränkung ergibt sich allerdings aus dem Normzweck des § 23 Abs. 3 BetrVG. Diese Norm dient dem Schutz der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung gegen grobe Verstöße des Arbeitgebers. Es soll ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sichergestellt werden. Soweit es um den Schutz dieser betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung geht, werden die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften einbezogen und wird ihnen deshalb eine Antragsbefugnis verliehen (BAG vom 20.8.1991 AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt unter II.2 der Gründe).

Nach dieser Maßgabe besteht die Antragsbefugnis zweifelsfrei insoweit, als die antragstellende Gewerkschaft die Durchführung von zwischen den Betriebsparteien getroffenen Vereinbarungen untersagen lassen will.

Eine Antragsbefugnis ergibt sich aber auch insoweit, als die antragstellende Gewerkschaft die Durchführung einzelvertraglicher Regelungen verhindern will.

Insoweit ist zwar nicht die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung gestört, die antragstellende Gewerkschaft sieht jedoch die Tarifordnung gestört, da sie in einzelvertraglichen Absprachen tarifwidrige Regelungen erkennt. Damit aber sieht die antragstellende Gewerkschaft ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG als verletzt an, woraus sich Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche ergeben können (BAG AP Nr. 101 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).

Ob durch die zwischen den Betriebsparteien getroffenen Vereinbarungen bzw. durch die mit den Arbeitnehmern getroffenen einzelvertraglichen Regelungen tatsächlich die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung gestört oder die antragstellende Gewerkschaft in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt ist, ist eine Frage der Begründetheit des Antrages nicht der Antragsbefugnis.

Die Anträge sind somit zulässig.


C
Die Anträge sind jedoch nicht begründet. Hierbei sei klarstellend darauf hingewiesen, daß die Kammer im Rahmen dieses Beschlußverfahrens nicht in erster Linie zu überprüfen hatte, ob die Vereinbarung der Betriebsparteien bzw. die mit den einzelnen Arbeitnehmern getroffenen vertragsändernden Regelungen den Bestimmungen des Tarifvertrages entsprechen, Prüfungsgegenstand ist vielmehr die Frage, ob durch diese Regelungen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung gestört bzw. die antragstellende Gewerkschaft in ihrem grundgesetzlich geschützten Recht zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verletzt ist.

1.
a)
Ein Verstoß gegen die durch § 23 Abs. 3 BetrVG geschützte betriebsverfassungsrechtliche Ordnung würde zweifelsfrei vorliegen, wenn die Betriebsparteien Regelungen in Fragen getroffen hätten, die gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG ihre Regelungsbefugnis entzogen sind. § 77 Abs. 3 BetrVG stellt eine Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung dar. Sie grenzt die Befugnis der Betriebsparteien, Arbeitsbedingungen mit normativer Wirkung zu regeln gegen die Regelungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien ab. Damit sichert diese Bestimmung die grundrechtlich geschützte Befugnis der Tarifvertragsparteien, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu regeln. Dies gewährleistet, daß - soweit die Tarifvertragsparteien Regelungen getroffen haben - konkurrierende Regelungen der Betriebsparteien nicht stattfinden (BAG vom 28.8.1991 a.a.O. unter III 1 b der Gründe).

b)
Für die Geltung der Regelungsschranke des § 77 Abs. 3 BetrVG ist ohne Belang, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm, die eine Tarifbindung des Arbeitgebers nicht erfordert. Im Gegenteil bringt gerade der Umstand, daß auch eine lediglich tarifübliche Regelung eine Regelung durch die Betriebsparteien hindert, zum Ausdruck, daß die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages vom Gesetz nicht vorausgesetzt ist. Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber hat, wenn er über die in § 77 Abs. § BetrVG angesprochenen Regelungen eine kollektive Regelung wünscht, dies im Wege eines Verbandsbeitrittes zu bewirken (BAG vom 24.1.1996 - 1 AZR 577/95 ? m.w.N.).

2.
Vorliegend ist weder durch die Vereinbarung vom 29.2.1996 noch durch die Vereinbarung vom 3.5.1996 die Regelungskompetenz der Betriebsparteien überschritten.

a) Vereinbarung vom 29.2.1996 (sog. Burda-Modell)

Es ist der antragstellenden Gewerkschaft zuzugeben, daß die Betriebsparteien, hätten sie die in der Vereinbarung vom 29.2.1996 sowie dem als Anlage beigefügten Sparmaßnahmenkatalog angesprochenen Regelung tatsächlich als Betriebsvereinbarung im formellen Sinne getroffen, in eklatanter Weise die ihnen nach § 77 Abs. 3 BetrVG eingeräumte Regelungsbefugnis verletzt hätten.

Entgegen der Auffassung der antragstellenden Gewerkschaft stellt die Vereinbarung vom 29.2.1996, soweit sie tarifvertragskonkurrierende Regelungen enthält, jedoch keine Betriebsvereinbarung dar.

Nach § 77 Abs. 4 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend. Damit setzt der Abschluß einer Betriebsvereinbarung den Willen der vertragsschließenden Parteien voraus, unmittelbar und zwingend geltende Rechtsnormen setzen zu wollen. Genau diesen Willen aber hatten die Betriebsparteien in den Fragen, welche durch Tarifvertrag geregelt sind, deshalb der Regelungskompetenz der Betriebsparteien gemäß § 77 Abs. 3 entzogen waren, nicht. Die Betriebsparteien bringen vielmehr gewissermaßen als Präambel der Vereinbarung vom 29.2.1996 zum Ausdruck, daß sie die Vereinbarung in dem Bewußtsein abgeschlossen haben, die vom Tarifvertrag abweichenden Regelungen nicht verbindlich regeln zu können, sie weisen deshalb darauf hin, daß die Regelungen Rechtsgeltung nur bei einzelvertraglicher Umsetzung erwerben. Damit aber ergibt sich aus der Vereinbarung selbst, daß trotz ihrer Bezeichnung als Betriebsvereinbarung zumindest die Punkte, die in Konkurrenz zum Tarifvertrag geregelt werden, in dieser Vereinbarung nicht verbindlich geregelt werden können sollten.

Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob diese Vereinbarung als Regelungsabrede (so Arbeitsgericht Marburg, Beschluß vom 7.8.1996 DB 96, 1929) oder aber lediglich als Ausarbeitung eines gebündelten Vertragsangebotes an die Arbeitnehmer mit dem besonderen Gewicht einer Absprache der Betriebsparteien anzusehen ist. Untersagt nach § 77 Abs. 3 BetrVG sind konkurrierende Betriebsvereinbarungen, d.h. Betriebsvereinbarungen im formellen Sinne.

b) Betriebsvereinbarungen vom 3.5.1996

Diese Vereinbarung stellt zweifelsfrei eine formelle Betriebsvereinbarung dar. Mit dieser Betriebsvereinbarung haben die Betriebsparteien für die Arbeitnehmer, welche das sogenannte Burda-Modell einzelvertraglich nicht akzeptiert haben, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 30 Stunden reduzieren. Nach § 87 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG steht dem Betriebsrat zwar ein Mitbestimmungsrecht bei Arbeitszeitregelungen zu, dieses Mitbestimmungsrecht erstreckt sich jedoch unzweifelhaft nicht auf die Bestimmung der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Damit sind Regelungen über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit grundsätzlich nach § 77 Abs. 3 BetrVG Regelung durch die Betriebspartelen nicht zugänglich. Allerdings gilt die Sperre des § 77 Abs. 3 BetrVG dann nicht, wenn ein Tarifvertrag einen Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zuläßt. Ein solcher öffnender Tarifvertrag ist der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung in der Druckindustrie vom 19.4.1996.

Entgegen der Auffassung der antragstellenden Gewerkschaften kann sich nicht nur der auf die Öffnungsklausel des Tarifvertrages berufen, der sich im übrigen tarifgetreu verhält. Eine solche Einschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck des § 77 Abs. 3 BetrVG.

§ 77 Abs. 3 BetrVG dient der Sicherung der Tarifautonomie. Die Tarifvertragsparteien sollen bestimmen können, in welchen Punkten sie ausschließlich Regelungen selbst treffen wollen, in welchen Fragen sie Regelungen der Betriebsparteien dadurch zulassen wollen, daß sie gewisse Punkte entweder überhaupt nicht regeln oder aber die Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausdrücklich begründen. Wenn die Betriebsparteien im Beschäftigungssicherungsvertrag vom 19.4.1996 den Betriebsparteien das Recht geben, die tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden um bis zu 5 Stunden abzusenken, so verzichten sie im Umfang dieser Ermächtigung auf ihr ausschließliches Recht zur Bestimmung der Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Damit aber ist die Frage, ob die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit verkürzt werden soll, der Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausdrücklich zugewiesen. Ob die von den Betriebsparteien getroffene Regelung dann tatsächlich den tariflichen Erfordernissen genügt und den Grundsätzen der Billigkeit entspricht, ist keine Frage der Regelungskompetenz der Betriebsparteien, sondern einzig und allein eine Frage der Wirksamkeit einer getroffenen Betriebsvereinbarung.

Es sei allerdings darauf hingewiesen, daß gegen die Wirksamkeit dieser Betriebsvereinbarung erhebliche Bedenken bestehen. Zum einen kann nach dem Tarifvertrag eine Regelung nur für Arbeitnehmergruppen, Betriebsabteilungen oder den gesamten Betrieb getroffen werden. Hierbei kann eine Arbeitnehmergruppe nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht bereits dann angenommen werden, wenn eine beliebige Mehrzahl von Arbeitnehmern betroffen ist, eine Arbeitnehmergruppe bestimmt sich vielmehr aus arbeitsorganisatorischen oder betriebstechnischer Gesichtspunkten. Entgegen der Auffassung der beteiligten Arbeitgeber kann die Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 nicht dahin verstanden werden, daß die Vereinbarung über eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden den gesamten Betrieb erfaßt. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vereinbarung ist die Verkürzung der Arbeitszeit von vorneherein vorgesehen für die Arbeitnehmer, die dem Burda-Modell nicht zustimmen. Aus dem eigenen Vortrag der beteiligten Arbeitgeber ergibt sich eindeutig, daß mit der Einführung der 30-Stunden-Woche für den gesamten Betrieb das für erforderlich gehaltene Einsparvolumen nicht erreicht worden wäre, dieses vielmehr lediglich durch Vereinbarung nach dem Burda-Modell möglich ist, die mit dem Betriebsrat vereinbarte 30-Stunden-Woche gewissermaßen ein "Solidaritätsopfer" für die Arbeitnehmer sein sollte, welche dem Burda-Modell nicht zugestimmt haben.

Darüberhinaus bestehen Bedenken gegen diese Betriebsvereinbarung aus dem Gesichtspunkt der Billigkeit. Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit ist ohne das Hinzutreten weiterer Umstände kostenneutral, da den geringeren Personalkosten eine geringere Leistung der Arbeitnehmer gegenübersteht. Die beteiligten Arbeitgeber begründen dennoch erreichte Kostenvorteile damit, daß durch eine gleichzeitige Neuordnung der Pausen nunmehr eine Anwesenheitszeit der Arbeitnehmer von deutlich mehr als 30 Stunden wöchentlich sichergestellt sei, wohingegen bei Geltung der 35-Stunden?Woche durch den Umstand, daß bezahlte Pausen gewährt und nach den Schichtplänen die 35 Wochen-Stunden nicht ausgeschöpft worden sind, nur eine unwesentlich höhere Anwesenheitszeit der Arbeitnehmer vorgelegen habe.

Aus diesem Vortrag ist aber nicht ersichtlich, daß auch bei Geltung der 35-Stunden-Woche durch Neuordnung der Schichten und künftige Gewährung unbezahlter Pausen ein gleicher Kostenvorteil hätte erreicht werden können.

Letztendlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, da sie nicht die Frage der Regelungsbefugnis an sich betrifft, sondern lediglich die Frage der Wirksamkeit einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Die im Rahmen der gestellten Unterlassungsanträge einzig interessierende Frage der Regelungsbefugnis ergibt sich aber aus der Öffnungsklausel des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vom 19.4.1996.

Damit liegt insgesamt ein Verstoß der zwischen den Betriebsparteien getroffenen Vereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG nicht vor.

c)
Letztendlich rechtfertigt sich der Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG auch nicht aus einem Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 BetrVG). Insoweit wird verwiesen auf die zutreffenden Ausführungen in der Entscheidung des BAG vom 20.8.1991 (a.a.O.) unter III. a) der Gründe sowie des Arbeitsgerichts Marburg DB 1996 S. 1930 unter II. 1 der Gründe.

3
Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit § 823, 1004 BGB.

a) Die Tarifautonomie und damit die Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Tarifverträge sind durch Art. 9 Abs. 3 GG nur in ihrem Kernbereich gewährleistet. Diese Befugnisse näher auszugestalten und zu schützen obliegt dem Gesetzgeber (BAG vom 20.8.1991 a.a.0. unter III. 2. b) der Gründe, BVerfG AP Nr. 2 zu § 2 TVG unter C I. der Gründe). Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber mit § 77 Abs. 3 BetrVG den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften das Recht in die Hand gegeben, bei Mißachtung des Vorrangs der Normsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien vor dem der Betriebspartner die in § 23 BetrVG bezeichneten Anträge zu stellen.

Daraus ergibt sich nach der Rechtsprechung des BAG, daß weder einzelvertragliche Abreden, die gegen zwingendes Tarifrecht verstoßen noch Betriebsvereinbarungen, die zwar im Rahmen der Regelungskompetenz der Betriebsparteien abgeschlossen sind, deshalb nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen, im einzelnen jedoch mit den Vorgaben des Tarifvertrages nicht vereinbar, also tarifverstößlich sind, Unterlassungsansprüche der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft begründen (BAG vom 20.8.1991 a.a.O. unter III. 2 b) der Gründe).

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auffassung des BAG als nicht unproblematisch angesehen (Beschluß vom 29.6.1993 AP Nr. 2 a zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt). Es hat allerdings festgestellt, daß Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu entnehmen sei, daß ein Tarifvertrag gegenüber einer Betriebsvereinbarung durch eine Klagebefugnis der Gewerkschaft rechtlich geschützt werden müsse, wenn ein solcher Tarifvertrag den Betriebsparteien eine gewisse Gestaltungsfreiheit ausdrücklich einräume.

b)
Unter diesen Vorgaben verletzt die Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 über eine Reduzierung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer, die dem Burda-Modell nicht zugestimmt haben, nicht die Rechte der antragstellenden Gewerkschaft aus Art. 9 Abs. 3 GG, wenn auch diese Betriebsvereinbarung im einzelnen den Vorgaben des Tarifvertrages nicht entsprechen dürfte.

Die Tarifvertragsparteien haben im Beschäftigungssicherungstarifvertrag vom 19.4.1996 den Betriebsparteien die Gestaltungsfreiheit eingeräumt, die wöchentliche Arbeitszeit zwischen 35 Stunden und 30 Stunden zu regeln. An diesen eingeräumten Gestaltungsspielraum haben die Tarifvertragsparteien sich gehalten, wenn auch diese Betriebsvereinbarung aus den oben dargelegten Gründen rechtswidrig sein dürfte.

Damit liegt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eine Unterlassungsansprüche der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft begründende Verletzung des Art. 9 Abs. 3 GG nicht vor.

c)
Eine solche Verletzung ist auch nicht festzustellen, soweit die beteiligten Arbeitgeber vom Tarifvertrag abweichende einzelvertragliche Regelungen z.B. über die Einführung einer 39-Stunden-Woche getroffen haben (Burda-Modell).

Eine Verletzung käme überhaupt nur dann in Betracht, wenn die beteiligten Arbeitgeber tarifgebunden wären. Dies ist zwischen den Beteiligten streitig. Während die antragstellende Gewerkschaft behauptet, auch die im Zuge der Neugliederung des Burda-Konzerns entstandenen Unternehmen seien dem Arbeitgeberverband beigetreten, bestreiten dies die Arbeitgeber. Allerdings besteht auch nach deren Vortrag nach wie vor eine gewisse Verbindung zu dem Arbeitgeberverband dadurch, daß der Burda GmbH, die frühere Arbeitgeberin, weiterhin Mitglied des Arbeitgeberverbandes geworden ist und sie insbesondere, obwohl die Burda GmbH eigene Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt, Beiträge zum Arbeitgeberverband entrichtet, die die Höhe der satzungsgemäß für sämtliche bei den betroffenen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu entrichtenden Beiträge übersteigen. Dies stellt an sich eine Widersprüchlichkeit dar, könnte aber im Sinne einer "Rosinentheorie" auch dahin verstanden werden, daß der Burda-Konzern sich über die entrichteten hohen Beiträge ein maßgebliches Mitspracherecht bei dem Arbeitgeberverband verschaffen will, ohne die mit einem solchen Mitspracherecht typischerweise einhergehende Belastung, nämlich die Tarifbindung auf sich zu nehmen.

Bei dieser Sachlage erscheint es nicht abgwegig, den beteiligten Arbeitgebern die Berufung auf einen fehlenden Beitritt zu den Arbeitgeberverbänden zu verwehren, sei es durch die Annahme eines Beitritts durch schlüssiges Verhalten oder aber aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs (venire contra factum proprium).

Letztendlich kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben, da auch bei unterstellter Tarifbindung der beteiligten Arbeitgeber sich eine Unterlassungsansprüche begründende Verletzung des Art.9 Abs. 3 GG nicht ergibt.

Allerdings unterscheidet sich vorliegender Fall durchaus von der üblichen tarifwidrigen einzelvertraglichen Vereinbarung.

Vorliegend haben die Betriebsparteien die tarifverstößlichen Bedingungen ausgehandelt und schriftlich niedergelegt, allerdings unter Hinweis darauf, daß diese Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit als Betriebsvereinbarung nicht getroffen werden können und nur bei einzelvertraglicher Umsetzung wirksam werde. Die Betriebsparteien haben sodann gemeinsam auf die Arbeitnehmer eingewirkt, um die einzelvertraglichen Regelungen zu erreichen. Begleitend haben die Betriebsparteien die Regelung vom 3.5.1996 über eine Reduzierung der Arbeitszeit für all die, die diesen Bedingungen nicht zustimmen, geschaffen.

Daraus ergibt sich, daß die Betriebsparteien mit großer Intensität zur Erreichung einzelvertraglicher Vereinbarungen zusammengewirkt haben. Im Ergebnis erreichte das Zusammenwirken der Betriebsparteien eine ähnliche Wirkung, wie sich der Abschluß einer Betriebsvereinbarung über die einzelnen Regelungspunkte erreicht hätte. Dennoch kann dieses Verhalten der Betriebsparteien nicht der Rechtsverletzung, wie sie durch den Abschluß einer Betriebsvereinbarung eingetreten wäre, gleichgesetzt werden. Auch wenn durch die gesamten Umstände erheblicher Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt worden ist, so ist dieser Druck nicht vergleichbar mit dem imperativen Charakter einer Betriebsvereinbarung, welche nach der Regelung des § 77 BetrVG unmittelbar und zwingend und für den einzelnen Arbeitnehmer unvermeidbar gilt.

Damit aber sind die Anträge der antragstellenden Gewerkschaft insgesamt unbegründet.

Es war wie geschehen zu erkennen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß kann von der Antragstellerin Berufung eingelegt werden.

Die Berufung muß innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses schriftlich beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Kammern Freiburg, Kirchstraße 7, 79100 Freiburg eingelegt werden.

Sie ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Berufungsschrift und Berufungsbegründung müssen von einem bei einem deutschen begründen. Berufungsschrift und Berufungsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von einem Vertreter der Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder einem Zusammenschluß solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn dieser kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt ist und der Zusammenschluß, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind.

Die Berufungsbegründung soll dem Landesarbeitsgericht in 5-facher Fertigung vorgelegt werden.

Für die Antragsgegner ist gegen diesen Beschluß kein Rechtsmittel gegeben.


gez. Zeiser
Richter am Arbeitsgericht

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Sozialrecht