Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft gegen Arbeitgeber wegen vom Tarifvertrag abweichender Betriebsvereinbarung

Gericht

LAG Baden-Württemberg (Kammern Freiburg)


Datum

22. 09. 1998


Aktenzeichen

10 TaBV 1/97


Tenor


  1. Das Verfahren wird bezüglich des Antrages Ziffer 1 a gemäß §§ 90 Abs. 2, 83 a Abs. 2 S. 1 ArbGG eingestellt, nachdem die Beteiligten Ziffer 1 - 4 das Verfahren insoweit für erledigt erklärt haben.

  2. Im übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg, vom 12.11.1996 - 10 BV 7/96 - zurückgewiesen.

  3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

G r ü n d e:

I.

Die antragstellende Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst (im folgenden: IG Medien) begehrt im vorliegenden Beschlußverfahren die Verpflichtung der beteiligten Arbeitgeber (Bet. Ziff. 2 u. 3), es zu unterlassen, die in der Anlage zur "Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung)" vom 29.02.1996 mit dem Betriebsrat und in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung vom 03.05.1996 einzelvertraglich vereinbarten Regelungen anzuwenden.

Hinsichtlich der Verpflichtung der beteiligten Arbeitgeber, es zu unterlassen, die in der Betriebsvereinbarung vom 03.05.1996 vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche für die Mitarbeiter, die keine Vertragsergänzungen mit dem Inhalt der "Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung)" vom 29.02.1996 abgeschlossen haben, durchzuführen, haben die Beteiligten das Verfahren im Anhörungstermin vom 22.09.1998 vor dem Beschwerdegericht für erledigt erklärt.

Die antragstellende IG Medien ist im Betrieb der beteiligten Arbeitgeber vertreten. Diese sind Teile des Burda-Konzerns. Bis zum 31.12.1994 waren die Geschäftsbereiche, welche nunmehr durch die beteiligten Arbeitgeber repräsentiert werden, bei der Burda GmbH vereinigt. Zum 01.01.1995 wurde der Burda-Konzern neu strukturiert. Die einzelnen bei der Burda GmbH angesiedelten Geschäftsbereiche wurden als rechtlich verselbständigte Profitcenter aus der GmbH ausgegliedert. Der bei der GmbH gebildete Betriebsrat (Bet. Ziff. 4) wurde als gemeinsamer Betriebsrat der neu entstandenen Unternehmen geführt.

Die Burda GmbH war und ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Papierverarbeitung und Druck Südbaden e.V. . Streitig ist dagegen zwischen den Beteiligten, ob auch die neugeschaffenen Pofitcenter dem Arbeitgeberverband beigetreten sind. Die IG Medien behauptet, daß auch die beteiligten Arbeitgeber ihren Beitritt zum Arbeitgeberverband erklärt haben. Nach der Behauptung der beteiligten Arbeitgeber seien sie nicht dem Verband beigetreten. Vielmehr entrichte die Burda GmbH, die nach der Neuorganisation keine eigenen Arbeitnehmer habe, weiterhin Beiträge zum Arbeitgeberverband mindestens im früheren Umfang, wobei die tatsächlich gezahlten Beiträge höher seien als sie nach der Satzung des Arbeitgeberverbandes für die Anzahl der bei den Burda-Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer anfallen würden.

Mit Schreiben vom 16.02.1996 (ABl 37) teilten die beteiligten Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern in Offenburg folgendes mit:


Liebe Mitarbeiter,

der Tiefdruckmarkt hat sich in den letzten Jahren zu einem der umkämpftesten Märkte Deutschlands entwickelt. Überkapazitäten, Preisverfall, überzogene Lohnnebenkosten und anachronistische Tarifverträge haben die Ertragslage dramatisch verschlechtert.

Burda wird aufgrund dieser schwersten Strukturkrise in der Geschichte des Tiefdrucks seinen unrentabel gewordenen Betrieb in Darmstadt schließen. Wir bedauern diese Entscheidung menschlich sehr. Wir haben unseren Mitarbeitern in Darmstadt einen fairen Sozialplan sowie eine begrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen in Vieux-Thann angeboten, um die sozialen Folgen dieser Maßnahmen zu mildern.

Wir haben diesen Schritt unter Hinnahme erheblicher finanzieller Einbußen jahrelang hinausgeschoben. Er ist jetzt unvermeidbar geworden, wenn wir nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit und weitere Arbeitsplätze im gesamten Burda-Druckbereich gefährden wollen.

Auch in Offenburg werden tiefgreifende Maßnahmen erforderlich sein. Entlassungen können nur vermieden werden, wenn umfassende Kostensenkungen realisiert werden. Anders ist der Druckstandort Offenburg nicht zu halten.

Wir wollen Sie so früh wie möglich persönlich über diese Entscheidungen informieren, die zu unserem größten Bedauern unausweichlich waren. Bitte helfen Sie mit, Lösungen zu finden, die den Druckstandort Offenburg sichern und Kündigungen wie in Darmstadt vermeiden.

Der Druckstandort Darmstadt wurde tatsächlich stillgelegt. Für die ca. 600 Mitarbeiter wurde ein Sozialplan vereinbart.

In Verhandlungen mit dem Betriebsrat (in Offenburg) hatten die beteiligten Arbeitgeber zunächst ein jährliches Einsparvolumen von DM 40 Mio. gefordert. Man einigte sich schließlich auf ein Einsparvolumen von jährlich DM 30 Mio.. Zur Verwirklichung dieses Einsparvolumens schlossen die Betriebspartner unter dem 29.02.1996 eine "Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung)" (ABl 38-42) nebst Anlage "Sparmaßnahmenkatalog" (ABl 43-46), auf die jeweils Bezug genommen wird. In der Einleitung der "Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung)" heißt es:


... Betriebsrat und Geschäftsleitung sind sich einig, daß die von den Tarifverträgen der Druckindustrie abweichend geregelten Inhalte zu ihrer Rechtswirksamkeit der einzelvertraglichen Zustimmung der Mitarbeiter bedürfen. Betriebsrat und Geschäftsführung werden sich gemeinsam bemühen, diese Zustimmung einzuholen.

Nachdem alle Mitarbeiter der Burda Druck GmbH sowie des Papierlagers und der Altpapierverwertung auf der Basis dieser Betriebsvereinbarung Einzelverträge abgeschlossen haben, tritt Nachstehendes in Kraft:


  1. Mitarbeiter, die einen Einzelvertrag abschließen, erhalten für die Laufzeit dieser Betriebsvereinbarung, also bis zum 31. Dezember 2000, eine uneingeschränkte Beschäftigungsgarantie ... .

  2. Die Geschäftsführung der Burda Druck GmbH verzichtet für die Dauer dieser Betriebsvereinbarung, also bis zum 31. Dezember 2000, auf die Auslagerung (Outsourcing) von Betriebsstellen der Burda Druck GmbH Offenburg.
    ..........

  3. In Offenburg wird im Herbst 1996 eine weitere 3,28 m breite Tiefdruckrotation aufgebaut.
    .........

In Ziff. 4 der Anlage zur "Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung)" heißt es:

Die nachstehenden Leistungen werden für die Beschäftigten der Burda Druck GmbH sowie für die Mitarbeiter der Altpapierverwertung und des Papierlagers mit sofortiger Wirkung, zum 1.April 1996, wie folgt verändert:

4.1. Die Vergütung im Urlaubs- und Krankheitsfall und an Feiertragen erfolgt ohne Einbezug der Überstundenvergütung.

4.2. Zuschläge für
- Nachtarbeit von
  18.00 bis 24,00 Uhr: 23%
  0.00 bis 6.00 Uhr: 45%

- Sonntagsarbeit: 88%

- Feiertagsarbeit: 125%

- Überstunden
(einheitlich für alte Schichten): 30%

Die Zuschläge für Regelarbeitszeit am Samstag sowie die Antrittsgebühr entfallen.

Die Änderung dieser Leistungen ist einzelvertraglich zu vereinbaren ...... .

7. Zur Erreichung der Ziele dieser Rahmenvereinbarung vereinbaren Geschäftsführung und Betriebsrat für alle Beschäftigten der Burda Druck GmbH sowie der Abteilungen Papierlager und Altpapier eine wöchentliche Arbeitszeit von netto 39 Stunden.

Die 36. und 37. Wochenstunde ist mit der derzeitigen Vergütung abgegolten. Für die 38. und 39. Wochenstunde wird die Grundvergütung bezahlt.

Für die 36. bis 39. Arbeitsstunde pro Woche gelten ansonsten die in Ziffer 4.2 veränderten Zuschläge ...... .

Mit Schreiben vom 01.03.1996 (ABl 47-49) wurden die Mitarbeiter über die Vereinbarung mit dem Betriebsrat unterrichtet, ohne daß der Sparmaßnahmenkatalog im einzelnen dargestellt wurde. Die Arbeitnehmer wurden aufgefordert, den vereinbarten Sparmaßnahmen einzelvertraglich zuzustimmen. In dem Schreiben heißt es sodann:


In der kommenden Woche werden wir die erforderlichen Unterlagen zur Unterschrift bereitlegen. Mitarbeiter der Personalabteilung des Betriebsrates werden Ihnen die einzelnen Sparmaßnahmen sowie die umfangreichen Zugeständnisse der Geschäftsführung vom Vorruhestand bis zur Beschäftigungsgarantie auf Wunsch genau erläutern. Die Beratungsteams stehen Ihnen im Sitzungszimmer des Betriebsrats wie folgt zur Verfügung ....... . Bitte helfen Sie jetzt persönlich und engagiert mit, die dunklen Wolken über dem Druckstandort Offenburg zu vertreiben. Wir haben die einmalige Chance, unseren Standort zu stärken und eine Entwicklung wie in Darmstadt zu verhindern. Wir sollten diese Chance nicht verstreichen lassen.

Mit weiteren Schreiben vom 03.04.1996 und 19.04.1996 wurden die Arbeitnehmer, die bisher nicht unterschrieben hatten, aufgefordert, nunmehr eine Vertragsänderung zu unterzeichnen. Mit Schreiben vom 26.04.1996 (ABl 52) forderte die IG Medien die beteiligten Arbeitgeber auf, Verhandlungen über einen Haustarifvertrag aufzunehmen. Mit Zusatzvereinbarung vom 03.05.1996 (ABl 53 und 54) vereinbarten die Betriebspartner, daß die Vereinbarung vom 29.02.1996 und die vereinbarten Vertragsergänzungen am 01.06.1996 in Kraft treten sollten, "nachdem über 95 % der beschäftigten Mitarbeiter (ohne Aushilfen und sogenannte Langzeitkranke) der Burda Druck GmbH Offenburg sowie des Papierlagers und der Altpapierverwertung mit ihrer Unterschrift die Inhalte der Betriebsvereinbarung zum Bestandteil ihres Arbeitsvertrages gemacht haben (Vertragsergänzungen)". In Ziff. 2 der Zusatzvereinbarung vom 03.05.96 heißt es:


Gegenüber den Mitarbeitern, die Vertragsergänzungen mit den Inhalten der Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben, werden nur noch Rechte aus den Vertragsergänzungen abgeleitet, nicht mehr aus dieser Betriebsvereinbarung ...... .

3. Aus Respekt vor ihrer abweichenden Meinung wird die Betriebsvereinbarung vom 29. Februar 1996 mit ihren Rechten und Pflichten nicht angewendet auf Mitarbeiter der Burda Druck GmbH Offenburg sowie des Papierlagers und der Altpapierverwertung, die keine Vertragsergänzungen mit den Inhalten der Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben. Für sie wird hiermit unter entsprechender Anwendung des am 19. April 1996 zwischen dem Bundesverband Druck und der IG Medien abgeschlossenen Tarifvertrages eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich vereinbart. Sie sind grundsätzlich von Überstunden befreit.

Auch für diese Gruppe entfallen alle in der Betriebsvereinbarung vom 29.02.1996 aufgelisteten, nichttariflichen Leistungen. Die freiwilligen, übertariflichen Zulagen auf den Stundenlohn bzw. das Monatsgehalt und die festen Zulagen (Leistungszulage, Tätigkeitszulage und Funktionszulage) entfallen gegenüber dieser Gruppe nicht in drei Schritten, sondern in einem Schritt. Um dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gerecht zu werden, erhalten sie das Recht, durch Vertragsergänzungen bis spätestens 15. Mai 1996 ihre Arbeitsbedingungen dem Burda-Modell anzupassen .... .

Am 19.04.1996 hatten die Tarifvertragsparteien für den Druckbereich eine Tarifvereinbarung (ABl 55 und 56) abgeschlossen, auf die Bezug genommen wird und in der es u.a. heißt:


1. Zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit für Arbeitnehmergruppen, für einzelne Abteilungen oder für den ganzen Betrieb abweichend von der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit nach § 3 Ziff. 1 Abs. 1 MTV um bis zu 5 Wochenstunden abgesenkt werden. Bei unregelmäßiger Verteilung der Arbeitszeit nach Durchführungsbestimmungen (2) und (4) zu § 3 MTV ist diese Arbeitszeit im Durchschnitt zu erbringen ..... .

Mit weiterer Zusatzvereinbarung vom 13.06.1996 (ABl 57) vereinbarten die Betriebspartner eine Wahlmöglichkeit der betroffenen Arbeitnehmer zwischen den beiden Modellen bis zum 15.10.1996. Die IG Medien hat vorgetragen, bezüglich des Sparmaßnahmenkataloges in der Anlage zur "Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung)" vom 29.02.1996 liege ein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG bereits deshalb vor, weil in den den Gegenstand des Antrags geltenden Punkten entgegen des Verbots des § 77 Abs. 3 BetrVG die Betriebspartner eine Betriebsvereinbarung tarifwidrigen Inhalts geschlossen hätten. Ebenso verstoße auch die Reduzierung der Arbeitszeit für die Arbeitnehmer, die der Vertragsänderung nicht zugestimmt hätten, in der Zusatzvereinbarung vom 03.05.1996 gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung vom 19.04.1996 könne als Öffnungsklausel im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht angesehen werden. Solche Öffnungsklauseln könne ein Arbeitgeber nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn er sich im übrigen an den Tarifvertrag halte. Dies sei aber im Falle der beteiligten Arbeitgeber gerade nicht der Fall. Im übrigen sei eine Reduzierung der Arbeitszeit nur für "Arbeitnehmergruppen" möglich. Arbeitnehmergruppen im Sinne des Beschäftigungssicherungstarifvertrages lägen aber nur dann vor, wenn die betroffenen Arbeitnehmer in einer arbeitnehmerorganisatorischen oder produktionstechnisch bedingten Verbindung zueinander stünden. Dies sei vorliegend nicht gegeben. Auch soweit die tarifverstößlichen Regelungen in der Vereinbarung vom 29.02.1996 einzelvertraglich umgesetzt worden seien, liege ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG vor. Die Aufforderung der beteiligten Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, tarifwidrige Vereinbarungen einzelvertraglich zu unterzeichnen, höhle die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie aus. Damit ergebe sich auch ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 9 Abs. 3 GG und § 1004 BGB.

Die IG Medien hat beantragt:


  1. Die Antragsgegnerinnen werden verpflichtet, es zu unterlassen,
      a) die in der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche für die Mitarbeiter, die keine Vertragsergänzungen mit dem Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 29.2.1996 abgeschlossen haben, durchzuführen.

      b) die in der Anlage zur Betriebsvereinbarung vom 29.2.1996 mit dem Betriebsrat und i.V. mit Ziffer 2 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 einzelvertraglich vereinbarten Regelungen in der nachstehenden Form anzuwenden:

      aa) Ziff. 4.1 der Anlage;
      bb) Ziffer. 4.2 der Anlage insoweit, als danach das Entgelt für Nacht-, Sonntags-, Feiertagsarbeit und Überstunden gegenüber den Regelungen im Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland der ab 1. Januar 1989 gültigen Fassung, mit den Änderungen vom 7. Mai 1990 und 3. Juli 1994 reduziert wird;

      cc) Ziffer 4.2 der Anlage insoweit, als danach die Zuschläge für regelmäßige Samstagsarbeit sowie die Antrittsgebühr entfallen;

      dd) Ziffer 7 der Anlage insoweit, als danach mit dem Betriebsrat für alle Beschäftigten der Burda Druck GmbH sowie der Abteilungen Papierlager und Altpapier eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden ohne Bezahlung der 36. und 37. Wochenstunden und ohne Bezahlung von Überstundenzuschlägen für die 36. bis 39. Stunde vereinbart wurde.

  2. Den Beteiligten zu 2 und 3 wird bei Zuwiderhandlung gegen die unter 1. beantragten Verpflichtungen ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Zwangsgeld angedroht.

Die beteiligten Arbeitgeber haben beantragt:

Die Anträge werden abgewiesen.

Sie haben vorgetragen, bezüglich der Rahmenvereinbarung vom 29.02.1996 liege ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG bereits deshalb nicht vor, weil nach dem ausdrücklichen Inhalt der Vereinbarung lediglich ein gebündeltes Vertragsangebot an die Mitarbeiter gegeben sei und gerade aber keine Regelung dieser Punkte durch Betriebsvereinbarung erfolgt sei. Ebenso verstoße die Regelung einer 30-Stunden-Woche für Arbeitnehmer, die dem Burda-Modell nicht zugestimmt hätten, nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da der Beschäftigungstarifvertrag vom 19.04.1996 eine Öffnungsklausel enthalte. Für ein Verständnis des Begriffes "Arbeitnehmergruppe" im arbeitsorganisatorischen oder produktionstechnischen Sinne gebe der Tarifvertrag nichts her. Im übrigen gelte die Einführung der für sämtliche Arbeitnehmer, allerdings mit der Maßgabe, daß diese das Recht hätten, anstelle dieses Modells das Burda-Modell zu wählen. Da die Einführung der 30-Stunden-Woche für die Arbeitnehmer, die dem Burda-Modell nicht zustimmen, Teil des Gesamtkonzeptes sei, welches eine Einsparung von DM 30 Mio. zum Inhalt habe, liege auch insoweit eine Regelung "zur Vermeidung von Entlassungen" im Sinne des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vor. Hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes im einzelnen und des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO auf Ziff. 1 der Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 12.11.1996 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge der IG Medien mit Beschluß vom 12.11.1996 abgewiesen. Die IG Medien hat gegen den ihr am 23.1.1997 zugestellten Beschluß am 21.2.1997 Beschwerde eingelegt und diese am 21.4.1997 begründet, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist auf begründeten Antrag mit Beschluß vom 19.3.1997 bis 21.4.1997 verlängert worden war.

Im Anhörungstermin vom 22.9.1998 vor dem Beschwerdegericht haben die beteiligten Arbeitgeber erklärt, daß die in der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche für die Mitarbeiter, die das Burda-Modell nicht unterzeichnet haben, (seit März 1997) nicht mehr zur Anwendung kommt. Im Hinblick hierauf haben die Beteiligten den von der IG Medien verfolgten Antrag Ziff. 1 a (sh. oben) für erledigt erklärt.

Zur Begründung der Beschwerde trägt die IG Medien vor: Das Beschlußverfahren sei die zutreffende Verfahrensart. Der Antrag sei hinreichend bestimmt. Die Antragsbefugnis sei gegeben. Der Unterlassungsantrag sei auch gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG begründet, da ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG vorliege. Auch wenn die Vereinbarung vom 29.2.1996 keine Betriebsvereinbarung, sondern nur eine Regelungsabrede darstelle, greife die Schutzfunktion des § 77 Abs. 3 BetrVG, der die Lebensfähigkeit der Tarifvertragsparteien sichern solle. Im übrigen müßten die Regelungsabsprache vom 29.2.1996 und die Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 als Einheit gesehen werden. Die beteiligten Arbeitgeber hätten auch gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen (§ 2 BetrVG). Vorliegend hätten die Betriebspartner in vollem Bewußtsein der Tarifwidrigkeit der beabsichtigten kollektiven und einzelvertraglichen Regelungen Individualvereinbarungen getroffen. Die beteiligten Arbeitgeber hätten gegen das Zusammenwirken mit der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft unter Mißachtung der geltenden Tarifverträge verstoßen. Des weiteren verstoße das Verhalten der beteiligten Arbeitgeber gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe insoweit klarstellend ausgeführt, daß der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG nicht von vornherein auf den Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigung beschränkt sei. Er erstrecke sich vielmehr auf alle Verhaltensweisen, die koalitionsspezifisch seien. Der den Koalitionen überlassene Teil der Regelungen beziehe sich auf solche Materien, die sie in eigener Verantwortung zu ordnen vermögen. Dazu gehöre vor allem das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen, wie etwa Arbeits- und Urlaubszeiten, sowie nach Maßgabe und Üblichkeit weitere Bereiche des Arbeitsverhältnisses, außerdem darauf bezogene soziale Leistungen und Einrichtungen. Das Günstigkeitsprinzip greift vorliegend nicht ein. Unabhängig davon stelle Art. 9 Abs. 3 GG klar, daß nicht durch "günstige Lockvogelangebote" die Tarifautonomie beschädigt werden dürfe. § 4 Abs. 1 TVG bringe die normative Regelungskraft von Tarifverträgen zum Ausdruck, die wiederum ein wesentliches Werbeinstrument der Tarifvertragsparteien sei.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der IG Medien wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 28.04.1997 (ABl 326 - 341). und den Schriftsatz vom 18.9.1998 (ABl 513 - 519) Bezug genommen. Die IG Medien beantragt:


1 a) Hinsichtlich des Antrages Ziff. 1 a (Unterlassung der in der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 vereinbarten Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche für die Mitarbeiter, die keine Vertragsergänzung mit dem Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 29.2.1996 abgeschlossen haben) wird das Verfahren für erledigt erklärt.

b) Im übrigen wird der?Beschluß des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg, vom 12.11.1996 - 10 BV 7/96 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Antragsgegnerinnen werden verpflichtet, es zu unterlassen, die in der Anlage zur Betriebsvereinbarung vom 29.2.1996 mit dem Betriebsrat und i.V. mit Ziff. 2 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 einzelvertraglich vereinbarten Regelungen in der nachstehenden Form anzuwenden.

aa) Ziffer 4.1 der Anlage;

bb) Ziffer. 4.2 der Anlage insoweit, als danach das Entgelt für Nacht-, Sonntags-, Feiertagsarbeit und Überstunden gegenüber den Regelungen im Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland der ab 1. Januar 1989 gültigen Fassung mit den Änderungen vom 7. Mai 1990 und 3. Juli 1994 reduziert wird;

cc) Ziffer 4.2 der Anlage insoweit, als danach die Zuschläge für regelmäßige Samstagsarbeit sowie die Antrittsgebühr entfallen;

dd) Ziffer 7 der Anlage insoweit, als danach mit dem Betriebsrat für alle Beschäftigten der Burda Druck GmbH sowie die Abteilungen Papierlager und Altpapier eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden ohne Bezahlung der 36. und 37. Wochenstunden und ohne Bezahlung von Überstundenzuschlägen für die 36 und 39. Stunde vereinbart wurde.

2. Den Beteiligten zu 2 und 3 wird bei Zuwiderhandlung gegen die unter 1 b beantragten Verpflichtungen ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Zwangsgeld angedroht.

Die Beteiligten Ziff. 2 - 4 beantragen:


Hinsichtlich des Antrages Ziff. 1 a wird das Verfahren für erledigt erklärt. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beteiligten Ziff. 2 - 4 verteidigen den arbeitsgerichtlichen Beschluß und tragen im übrigen vor:

Der Antrag Ziffer. 1 b sei schon mangels hinreichender Bestimmtheit zurückzuweisen. Auch mangele es ihm am Rechtsschutzbedürfnis. Die IG Medien verfolge ihr Begehren in der falschen Verfahrensart. §§ 88, 65 ArbGG stünden einer Überprüfung der Verfahrensart und der Verweisung in die richtige Verfahrensart nicht entgegen. Bei einer Verweisung des Rechtsstreits in das Urteilsverfahren sei die IG Medien nicht klagebefugt, da es um Individualansprüche aus Einzelverträgen gehe. Der IG Medien stehe auch kein Unterlassungsanspr uch gemäß §§ 23 Abs. 3, 77 Abs. 3 BetrVG zu, denn § 77 Abs. 3 BetrVG entfalte keine Sperrwirkung für nicht normative Regelungen der Arbeitsbedingungen in Individualvereinbarungen, arbeitsvertraglichen Einheitsregelungen und Regelungsabreden. Es liege auch kein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BetrVG vor. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Die beteiligten Arbeitgeber seien nicht Mitglieder im Arbeitgeberverband. Im übrigen sei die von der IG Medien behauptete Tarifbindung der beteiligten Arbeitgeber für die rechtliche Beurteilung des Burda-Modells ohne jegliche Relevanz. Hinsichtlich der nicht organisierten Arbeitnehmer gelte der Manteltarifvertrag ohnehin nur kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme. Dem Grundsatz der Vertragsfreiheit entsprechend stehe es den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern aber frei, mit dem Arbeitgeber die nicht normativ wirkenden Arbeitsbedingungen durch eine Vertragsänderung zu modifizieren. Bei den anderen organisierten Arbeitnehmern wären die Vertragsänderungen - eine Tarifbindung der beteiligten Arbeitgeber unterstellt - nach § 4 Abs. 3 TVG durch das Günstigkeitsprinzip gerechtfertigt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Bet. Ziff. 2 - 4 wird auf die Schriftsätze vom 26.5.1997 (ABl 360 - 395), vom 24.2.1998 (ABl 442 - 452), vom 9.9.1998 (ABl 478 - 492) und vom 21.9.1998 (ABl 526 - 527) Bezug genommen.

II.

1.

Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit gem. §§ 87 Abs. 2, 89, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 511 ff. ZPO zulässig.

2.

Hinsichtlich des Antrages Ziff. 1 a - Unterlassung der Durchführung der in der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 vereinbarten Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche für die Mitarbeiter, die keine Vertragsergänzung mit dem Inhalt der Vereinbarung vom 29.2.1996 abgeschlossen haben - war das Verfahren gemäß §§ 83 a Abs. 1 u. 2, 90 Abs. 2 ArbGG einzustellen, nachdem die Bet. Ziff. 1 - 4 das Verfahren insoweit im Anhörungstermin vom 22.9.1998 vor dem Beschwerdegericht übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.

Voraussetzung für eine Einstellung ist eine wirksame Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz. Sie setzt voraus, daß das eingelegte Rechtsmittel zulässig war (BAG, Beschl. v. 27.8.1996 - 3 ABR 21/95 - AP Nr. 4 zu § 83 a ArbGG 1979). Vorliegend war die Beschwerde hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages Ziff. 1 a zulässig (sh. oben zu 11 1 d. Gründe). Erklärt der Antragsteller den Antrag im Rahmen einer zulässigen Beschwerde für erledigt und stimmen die übrigen Beteiligten zu, so ist das Verfahren nach § 83 a Abs. 2 ArbGG ebenso wie bei einer mit Zustimmung der übrigen Beteiligten erfolgten Rücknahme des Antrages einzustellen. Darauf, ob die Hauptsache wirklich erledigt ist, insbesondere, ob überhaupt ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, kommt es nicht an (BAG, Beschl. v. 26.4.1990 - ABR 79/89 - AP Nr. 3 zu § 83 a ArbGG 1979 zu B I 3 a d. Gründe; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 83 a Rn. 6; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 83 a Rn. 14 ). Gleichfalls kommt es nicht darauf an, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war (BAG, Beschl. v 27.8.1996 a.a.O. im Anschl. an BAG, Beschl. v. 26.4.1990 a.a.O.). Folglich konnte im Rahmen der übereinstimmenden Erledigungserklärung und der Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des Antrags Ziff. 1 a dahingestellt bleiben, ob dieser Antrag ursprünglich zulässig und begründet war.

3.

Gemäß §§ 65, 88 ArbGG brauchte vorliegend nicht mehr geprüft zu werden, ob das Beschlußverfahren für den Antrag Ziff. 1 b die zulässige Verfahrensart ist.

§ 88 ArbGG hat seine heutige Fassung durch das 4. VerwGOÄndG v. 17.9.1990 erhalten und trägt der Neuregelung des Verweisungsrechts in § 48 ArbGG i.V. m. §§ 17 - 17 b GVG Rechnung (Germelmann/Matthes/Prütting a.a.O. § 88 Rn. 1). Über die Frage, ob über die gestellten Anträge im Urteils- oder Beschlußverfahren zu entscheiden ist, hat somit vorab eine gesonderte Entscheidung durch Beschluß des Arbeitsgerichts zu ergehen, der einer gesonderten Anfechtung unterliegt. Die §§ 17 a und b GVG nF müssen insoweit analog angewandt werden (BAG, Beschl. v. 20.8.1991 - 1 ABR 85/90 - AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt zu I 1 d. Gründe). Vorliegend wurde aber die Zulässigkeit der Verfahrensart im erstinstanzlichen Verfahren von den Beteiligten nicht gerügt. Damit brauchte das Arbeitsgericht nicht gemäß § 17 a Abs. 3 S. 2 GVG vorab über die Zulässigkeit der Verfahrensart zu entscheiden. Da das Arbeitsgericht die beschrittene Verfahrensart für zulässig hielt, konnte es dies gem. § 17 a Abs. 3 S. 1 GVG vorab aussprechen. Es war hierzu aber nicht verpflichtet. Bejaht das erstinstanzliche Gericht sodann die Zulässigkeit der Verfahrensart ausdrücklich in seiner instanzabschließenden Sachentscheidung, so ist das Beschwerdegericht gehindert, die Frage der richtigen Verfahrensart inhaltlich zu überprüfen, wenn eine Vorabentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts nicht geboten war (ähnl. zum Urteilsverfahren bei stillschweigender Bejahung des Rechtsweges BAG, Urt. v. 9.7.1996 - 5 AZB 6/96 - NZA 1996, 1117 im Anschl. an BGH NJW 1993, 389 und BGH NJW 1994, 387).

Zwar hat das Arbeitsgericht von Amts wegen zu befinden, ob eine Streitigkeit im Beschluß- oder Urteilsverfahren zu entscheiden ist (BAG, Urt. v. 5.4.1984 - 6 AZR 70/83 - AP Nr. 13 zu § 78 a BetrVG 1972 zu 6 d. Gründe; Herbst, Reiter, Schindele, Handbuch zum arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, 1. Aufl., Rn. 192). Es muß dies für den Fall, daß es die Zulässigkeit der beschrittenen Verfahrensart bejaht, aber nicht vorab aussprechen, falls kein Beteiligter die Zulässigkeit der Verfahrensart rügt. Die Bejahung der Verfahrensart ist für das weitere Verfahren auch dann bindend, wenn die Rüge der zulässigen Verfahrensart - anders als in § 17 a GVG vorgesehen - erst im Beschwerderechtsweg erfolgt (ähnlich für das Urteilsverfahren BAG, Urt. v. 9.7.1996 a.a.O.).

4.

Der von der IG Medien verfolgte Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Aus dem schriftsätzlichen Vortrag der IG Medien i.V. m. der zu Gerichtsprotokoll gegebenen Erklärung vom 22.9.1998 (ABl 529) ergibt sich, daß es um "die Unterlassung der Durchführung der Vereinbarung v. 29.2.1996 und der Betriebsvereinbarung v. 3.5.1996 geht, wobei die individualrechtlich abgeschlossenen Vereinbarungen nur ein unselbständiger Annex seien". Damit begehrt die IG Medien mit ihrem Antrag Ziff. 1 b letztlich die Verpflichtung der beteiligten Arbeitgeber, die Umsetzung der Vereinbarung vom 29.2.1996 und der Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 mit den Modifikationen gem. aa - dd zu unterlassen. Dieser Antrag ist hinreichend bestimmt und ihm mangelt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis.

5.

Für den von ihr verfolgten Antrag Ziff. 1 b ist die IG Medien antragsbefugt.

Aus § 23 Abs. 3 BetrVG folgt allerdings nicht, daß eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft schon immer dann antragsbefugt ist, wenn sie nur beantragt, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen. § 23 Abs. 3 BetrVG dient dem Schutz der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung gegen grobe Verstöße des Arbeitgebers. Es soll ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sichergestellt werden. Mit dieser Vorschrift soll der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten angehalten werden. Nur soweit es um den Schutz dieser betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung geht, werden auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften einbezogen und wird ihnen eine Antragsbefugnis verliehen (BAG, Beschl. v. 20.8.1991 a.a.O. zu II 2 d. Gründe m.w.N.). Im vorliegenden Fall sieht die IG Medien diese betriebsverfassungsrechtliche Ordnung dadurch verletzt, daß die Vereinbarung vom 29.2.1996 und die Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 gegen Vorschriften des MTV verstößt. Sie beruft sich auf § 2 Abs. 1 BetrVG, wonach die Betriebspartner die geltenden Tarifverträge zu beachten haben. Sie macht geltend, daß die Vereinbarung vom 29.2.1996 und die Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen. Mit dieser Begründung ist der Antrag zulässig. Daß die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung verletzt ist, erscheint nicht ausgeschlossen. Zumindest auch zum Schutz dieser Ordnung verfolgt die IG Medien ihren Antrag. Gerade zum Schutz dieser Ordnung ist in § 23 Abs. 3 BetrVG die Befugnis verliehen, Anträge gegen den Arbeitgeber zu stellen, mit denen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung wieder hergestellt werden soll.

Auch soweit die IG Medien ihren Antrag damit begründet, daß sie durch die Vereinbarung vom 29.2.1996 und die Betriebsvereinbarung vom 3.5.1996 in ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Befugnis zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge verletzt werde, ist sie antragsbefugt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG, daß die in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzte Koalition von demjenigen, der dieses Grundrecht verletzt, Unterlassung und Beseitigung dieser Rechtsverletzung verlangen kann (BAG, Beschl. v. 20.8.1991 a.a.O. unter Hinw. auf BAG AP Nr. 101 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Der gegen die Arbeitgeber gerichtete Antrag ist auf Unterlassung der von der IG Medien angenommenen Grundrechtsverletzung gerichtet. Mit diesem Antrag macht die IG Medien Leistungsansprüche gegen die Arbeitgeber aus eigenem Recht geltend. Ihre Antragsbefugnis ist daher auch insoweit gegeben. Ob die IG Medien in ihrem Grundrecht verletzt ist, ist allerdings eine Frage der Begründetheit des Antrags.

6.

Der nach all dem zulässige Antrag Ziff. 1 b ist unbegründet. Insoweit wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen. Das weitere Vorbringen der Beschwerde rechtfertigt keine Abänderung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses.

a)

Die IG Medien hat gegen die beteiligten Arbeitgeber keinen Anspruch aus §§ 23 Abs. 3, 77 Abs. 3 BetrVG auf Unterlassung der Durchführung der Anlage zur Rahmenvereinbarung vom 29.2.1996, da es sich insoweit um keine Betriebsvereinbarung handelt.

aa)

Gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelt und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gewährleisten, indem sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen einräumt. Diese Befugnis soll nicht dadurch ausgehöhlt werden, daß Arbeitgeber und Betriebsrat ergänzende oder abweisende Regelungen vereinbaren. Es geht um die Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie (BAG, Urt. v. 24.1.1996 - 1 AZR 597/95 - AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; BAG, Beschl. v. 24.2.1987 - 1 ABR 18/85 - AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 22.6.1993 - 1 ABR 62/92 - AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972 zu III 2 a d. Gründe).Ausgehend von diesem Normzweck kann die Sperrwirkung nicht davon abhängen, ob ein Arbeitgeber tarifgebunden ist oder nicht. Es soll vorrangig Aufgabe der Tarifpartner sein, Arbeitsbedingungen kollektivrechtlich zu regeln. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie würde auch dann gestört, wenn die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber kollektivrechtliche Konkurrenzregelungen in der Form von Betriebsvereinbarungen erreichen könnten. Soweit ein Bedürfnis nach betriebsnaher Regelung besteht, stehen Firmentarifverträge als kollektives Gestaltungsmittel zur Verfügung. Darüberhinaus können ergänzende Tarifvereinbarungen durch entsprechende tarifliche Öffnungsklauseln zugelassen werden. Es entspricht daher zu Recht ganz überwiegend der Auffassung, daß die Sperrwirkung auch Betriebe nicht tarifgebundener Arbeitgeber erfaßt (BAG, Urt. v. 24.1.1996 a.a.O. zu I 1 d. Gründe m.w.N.; Däubler/Kittner/Klebe/Berg, BetrVG, 6. Aufl. § 77 Rn. 69; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19.Aufl., § 77 Rn. 68). Deshalb kann in diesem Zusammenhang vorliegend dahingestellt bleiben, ob die beteiligten Arbeitgeber Mitglieder des Arbeitgeberverbandes Druck sind.

bb) Von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG werden aber nur Betriebsvereinbarungen erfaßt (BAG, Beschl. v. 20.8.1991 a.a.O. zu III 1 b d. Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither/Engels a.a.O § 77 Rn. 89 ff; GK ? Kreutz, BetrVG, 5. Aufl., § 77 Rn. 114; a.A. Däubler/Kittner/Klebe/Berg a.a.O. § 77 Rn. 78; Richardi, BetrVG, 7. Aufl. § 77 Rn. 277). Hierfür spricht bereits der eindeutige Wortlaut des § 77 Abs. 3 BetrVG, der gerade nicht den in § 77 Abs. 1 BetrVG gebrauchten Begriff "Vereinbarung" verwendet, sondern ausdrücklich den Begriff "Betriebsvereinbarung" enthält. Auch Normzweck und Interessenlage gebieten keine Analogie. Normzweck ist es nämlich nicht, jegliche kollektive Vereinbarung auf Betriebsebene zu unterbinden. Normzweck ist es nur, die Normsetzungsprärogative der Tarifvertragsparteien zu sichern und solche Vereinbarungen mit gleichem Gegenstand zu unterbinden, die die gleiche Wirkungsweise wie Tarifverträge haben, nämlich Betriebsvereinbarungen (Fitting/Kaiser/Heither/Engels a.a.O. § 77 Rn. Nr. 90; GK- Kreutz a.a.0. § 77 Rn. 114). Sonstige Absprachen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat haben gerade keine normative Wirkung. Der Arbeitgeber muß den Inhalt der jeweiligen Absprache mit den üblichen arbeitsvertraglichen Mitteln umsetzen und zum Inhalt der Arbeitsverträge machen.

Die vorliegend gegebene Vereinbarung vom 29.2.1996 i.V. m. der Anlage ist keine Betriebsvereinbarung, sondern allenfalls eine Regelungsabrede oder aber lediglich eine Ausarbeitung eines gebündelten Vertragsangebotes an die Arbeitnehmer in Verbindung mit einer Betriebsabsprache. Insoweit wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts gem. Ziff. II C 2 b der dortigen Gründe unter Absehen von einer nochmaligen Darstellung verwiesen.

b)

Die IG Medien hat gegen die beteiligten Arbeitgeber auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Durchführung der Vereinbarung vom 29.2.1996 in Verbindung mit der Anlage gem. §§ 23 Abs. 3, 2 BetrVG.

§ 2 BetrVG bestimmt, daß Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll zusammenarbeiten. Daraus folgt noch nicht, daß die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung schon immer dann gestört ist, wenn eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabsprache gegen Bestimmungen eines Tarifvertrages verstößt. Zur Beachtung höherrangigen Rechts und damit auch der Normen eines Tarifvertrages sind die Betriebspartner ohnehin verpflichtet, eine solche Verpflichtung wird nicht erst durch § 2 Abs. 1 BetrVG begründet. § 2 Abs. 1 BetrVG regelt die Zusammenarbeit der Betriebspartner und damit deren Verhältnis zueinander, wobei diese Zusammenarbeit sich auch an den geltenden Tarifverträgen zu orientieren hat. Schließen die Betriebspartner in Praktizierung dieser Zusammenarbeit eine Regelungsabsprache oder Betriebsvereinbarung, die gegen Bestimmungen eines Tarifvertrages verstößt, so liegt darin zwar ein Verstoß gegen das Gebot der Beachtung höherrangigen Rechts, nicht aber ein Verstoß gegen die durch § 2 Abs. 1 BetrVG begründete Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit unter Beachtung der geltenden Tarifverträge (BAG, Beschl. v. 20.8.1991 a.a.O. zu III 1 a d. Gründe). Es ist im Gegenteil festzustellen, daß nach Ansicht der IG Medien "die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat viel zu vertrauensvoll war" (ähnl. ArbG Marburg im sogenannten Viessmann-Fall, Beschl. v. 7.8.1996 - 1 BV 10/96 - NZA 1996, 1337). Soweit die IG Medien bemängelt, daß ein Verstoß der Arbeitgeber gegen das Zusammenwirken mit der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft vorliegt, kann dem nicht gefolgt werden. Die beteiligten Arbeitgeber haben mit der IG Medien zusammengearbeitet, "allerdings konfliktbeladen". Das Schreiben der IG Medien vom 6.3.1996 wurde von den beteiligten Arbeitgebern am 11.3.1996 beantwortet (vgl. ABl 386-389). Das Schreiben der IG Medien vom 15.5.1996 wurde am 10.6.1996 beantwortet (vgl. ABl 389-391). Des weiteren fand zwischen der IG Medien und den beteiligten Arbeitgebern am 6.11.1996 ein längeres Gespräch im Gewerkschaftshaus in Ulm statt. Ein Versuch des Zusammenwirkens hat somit stattgefunden. Ein Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 23 Abs. 3, 2 BetrVG besteht nach all dem nicht.

c)

Die IG Medien hat gegen die beteiligten Arbeitgeber auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Durchführung der Rahmenvereinbarung vom 29.2.1996 in Verbindung mit der Anlage aus Art. 9 Abs. 3 GG, §§ 823, 1004 BGB.

aa)

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG, daß einzelvertragliche Abreden, die gegen zwingendes Tarifrecht verstoßen, der Gewerkschaft noch keinen Anspruch gegen den tarifgebundenen Arbeitgeber auf Beachtung der Tarifverträge zu Gunsten ihrer Mitarbeiter geben (BAG, Beschl. v. 20.8.1991 a.a.O. zu III 2 b d. Gründe unter Hinweis auf BAG AP Nr. 7 zu § 256 ZPO und BAG AP Nr. 42 zu § 256 ZPO). Soweit Tarifverträge zwingende Vorgaben enthalten, kommt ihnen eine Schutzfunktion zugunsten der Arbeitnehmer zu. Diesen Schutz geltend zu machen und in Anspruch zu nehmen, überläßt § 4 TVG dem durch die tarifliche Regelung begünstigten Arbeitnehmer. In den Fällen, in denen der Gesetzgeber eine eigene Reaktion des Betroffenen nicht für ausreichend hält, um die Beachtung zwingenden Rechts wirksam werden zu lassen, hat er jeweils ausdrücklich bestimmt, daß auch Dritte die verletzten Rechte gerichtlich geltend machen können (vgl. z.B. §§ 24, 25 HAG).

bb)

Auch unter Berücksichtigung der klarstellenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse v. 24.4.1996 - 1 BvR 712/86 - BB 1996, 1835 und v. 14.11.1995 - 1 BvR 601/92 - AP Nr. 80 zu Art. 9 GG) zu Art. 9 Abs. 3 GG, daß der Schutz nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigung beschränkt ist, sondern sich vielmehr auf alle Verhaltensweisen erstreckt, die koalitionsspezifisch sind, ergibt sich kein Unterlassungsanspruch. Den Tarifvertragsparteien bleibt nämlich das Recht zur Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ungeschmälert erhalten. Dieses Recht schließt nicht notwendig die Befugnis ein, die Beachtung der gesetzten tariflichen Ordnung durch die tarifunterworfenen Parteien des Arbeitsvertrages oder die Betriebspartner auch durchzusetzen. Die tarifliche Ordnung der Arbeitsbedingungen ist Teil der Arbeitsordnung insgesamt. Gegen deren Verletzung kann der davon Betroffene gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn er dadurch in einem eigenen Recht verletzt ist. Daß die Verletzung eines Teils dieser Rechtsordnung, nämlich der tariflichen Ordnung, von den Tarifvertragsparteien selbst auch dann soll gerichtlich geltend gemacht werden können, wenn sie in ihrem eigenen Recht noch nicht betroffen sind, bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Daran fehlt es jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, daß zwischen den Betriebspartnern nur eine Regelungsabsprache getroffen wurde, die einer einzelvertraglichen Umsetzung bedarf.

d)

Die IG Medien hat gegen die beteiligten Arbeitgeber auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Durchführung der Ziff. 2 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung vom 03.05.1996.

Die Arbeitnehmer, die das Burda-Modell unterschrieben haben, werden gemäß Ziff. 2 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung vom 03.05.1996 ausdrücklich von den weiteren Regelungen der Betriebsvereinbarung (30 Stunden/Woche etc.) ausgenommen und Rechte werden nur aus den Vertragsergänzungen hergeleitet. Damit ist weder ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 23 Abs. 3, 77 Abs. 3 BetrVG noch gem. § 23 Abs. 3, 2 BetrVG noch gem. Art. 9 Abs. 3 GG i.V. m. §§ 823, 1004 BGB gegeben. Auf die Ausführungen unter Ziff. II 6 a - c (sh. oben) wird insoweit verwiesen. Nach alldem war die Beschwerde - soweit das Verfahren nicht eingestellt wurde - zurückzuweisen.

III.

Gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.


Rechtsmittelbelehrung

1.

Gegen diesen Beschluß findet für die Beteiligte Ziff. 1 die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht statt. Die Rechtsbeschwerdeschrift muß innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses, die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift innerhalb eines Monats nach Einlegen der Rechtsbeschwerde beim


Bundesarbeitsgericht
Graf-Bemadotte-Platz 5
34119 Kassel-Wilhelmshöhe

eingehen.

Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein und sollen in 7-facher Ausfertigung beim Bundesarbeitsgericht eingereicht werden. Für jeden weiteren Beteiligten soll eine Fertigung mehr beigefügt werden. Dasselbe gilt für die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Rechtsbeschwerdeverfahren.

2.

Für die Beteiligten Ziff. 2 - 4 ist gegen diesen Beschluß kein Rechtsmittel gegeben.


gez. Francken gez. Schüle gez. Groß

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Sozialrecht