Mieter einer Erdgeschosswohnung sind aus einem Dauernutzungsvertrag in Verbindung mit der Hausordnung heraus nicht verpflichtet, bei starkem Frost das Wasser im Keller von 22:00 bis 6:00 Uhr abzusperren, die Leitungen zu entleeren und alle Hausbewohner zu benachrichtigen.

Gericht

Landgericht Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

25.07.2013


Aktenzeichen

1 S 201/12

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 31.07.2012 - 211 C 55/12 - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen insgesamt klarstellend wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Kläger als Mieter der Erdgeschosswohnung links des Objektes V-Straße, 50670 Köln aus dem Dauernutzungsvertrag vom 15.03.2011 in Verbindung mit der Hausordnung Schnee, Glatteis und Frostgefahr und Schutz des Hauses, Fassung Januar 1980, nicht verpflichtet ist, bei starkem Frost das Wasser im Keller von 22:00 bis 6:00 Uhr abzusperren, die Leitungen zu entleeren und alle Hausbewohner zu benachrichtigen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Entscheidungsgründe

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 542 Abs. 1, 543, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.


II.

Die zulässige Berufung hat im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Räumen von Schnee bzw. Glatteis

Die Übertragung der Pflicht zur Schnee- bzw. Glatteisräumung auf den Mieter in § 2 Ziff. 4 des Dauernutzungsvertrages i. V. m. der Hausordnung ist wirksam. Der auf die Feststellung der Unwirksamkeit zielende Feststellungsantrag des Klägers ist unbegründet.

a. Ob die mit der Regelung einhergehende Übertragung der Verkehrssicherungspflicht allein durch Regelung in der Hausordnung erfolgen könnte (dafür: LG Karlsruhe, BeckRS 2011, 11041; OLG Frankfurt, NJW 1989, 41; ablehnend LG Stuttgart, WuM 1988, 399; skeptisch auch OLG Hamm, NZM 2013, 358; OLG Dresden, NJWE-MietR 1996, 241), bedarf keiner Entscheidung, da die Übertragung bereits im Dauernutzungsvertrag geregelt ist und in der Hausordnung lediglich konkretisiert wird.

b. Die einschlägigen Klauseln im Dauernutzungsvertrag bzw. der Hausordnung - jeweils allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB - sind nicht unwirksam gemäß §§ 305c Abs. 1, 306 Abs. 1 BGB.

Die Klauseln sind nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages nicht überraschend. Vielmehr sind die Regelungen in § 2 Ziff. 4 auf S. 3 des Dauernutzungsvertrags ("Nutzungsgebühr und Nebenleistungen") bzw. auf S. 2 der Hausordnung unter der gesonderten Zwischenüberschrift "Schnee, Glatteis und Frostgefahr" leicht auffindbar und klar verständlich.

Die vertragliche Regelung weicht auch nicht so erheblich von der dispositiven gesetzlichen Regelung ab, dass sich die Klauseln aus diesem Grund als überraschend i. S. v. § 305c BGB darstellen würden. Richtig ist zwar, dass nach § 535 Abs. 1 BGB der Vermieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten hat, wozu grundsätzlich auch die Befreiung des Zugangs von Schnee und Eis gehört; diese Verpflichtung wird auf die Erdgeschossmieter abgewälzt.

Gegen die Annahme einer Überraschungsklausel spricht jedoch zum einen, dass die Abwälzung der Schneeräum- bzw. Streupflichten auf die (Erdgeschoss-)Mieter, wie der Kammer aus verschiedenen ähnlich gelagerten Fällen bekannt ist, im hiesigen Gerichtsbezirk nicht unüblich ist. Für einen strengeren Einbeziehungsmaßstab in Gestalt einer entsprechenden Orts- und Verkehrssitte (so Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, a. a. O. § 535 Rn. 162) bietet die gesetzliche Regelung in §§ 305ff. BGB keinen ausreichenden Anhalt.

Darüber hinaus spricht gegen die Annahme einer Überraschungsklausel, dass die Regelung an die im Vergleich zum Vermieter größere Sachnähe der vor Ort lebenden Mieter anknüpft. Wegen der (noch) größeren Sachnähe führt schließlich auch die ausschließliche Heranziehung der beiden Erdgeschossmieter unter Ausschluss der anderen sechs Mietparteien nicht zur Annahme einer überraschenden Klausel i. S. v. § 305c BGB. Dass diese Konkretisierung erst in der Hausordnung erfolgt, führt zu keinem anderen Ergebnis, da nach dem Mietervertrag jeder Mieter - mithin auch der Erdgeschossmieter - damit rechnen muss, nach Maßgabe der näheren Bestimmungen in der Hausordnung zum Winterdienst verpflichtet zu sein.

c. Die vereinbarte Regelung benachteiligt den Mieter auch nicht unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1, 2 BGB.

Die Regelung verstößt nicht gegen die Bestimmtheitsanforderungen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB); sie ist klar und eindeutig (vgl. allgemein zu diesen Anforderungen BGH, NJW 2008, 1440 m. w. Nw.).

Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich auch nicht aus der ausschließlichen Heranziehung der Erdgeschossmieter. Im Mietrecht existiert kein allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz. Vielmehr hat der Mieter über § 242 BGB das Willkürverbot aus Art. 3 GG zu beachten (Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 2013, § 535 Rn. 104). Daneben erfordert auch der genossenschaftliche Gleichheitsgrundsatz im Mietverhältnis eine willkürfreie, auf sachlich nachvollziehbare Kriterien gestützte Behandlung der Mitglieder, die den unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung trägt. Der Grundsatz der Gleichbehandlung basiert auf dem genossenschaftlichen Treueverhältnis. Die rechtliche Gleichstellung der Mitglieder ist allerdings nicht absolut. Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist vielmehr, einzelne Mitglieder der Genossenschaft nicht ohne sachlichen Grund anders zu behandeln als andere Mitglieder. Der Gleichheitsgrundsatz des Genossenschaftsrechts verlangt mithin einen einheitlichen Gleichbehandlungsmaßstab (LG Köln, WuM 1997, 447; Eisenschmid, a. a. O. Rn. 106). Nach diesen Grundsätzen ist die Heranziehung (nur) der Erdgeschossmieter zum Winterdienst durch ein ausreichendes sachliches Unterscheidungskriterium gedeckt, die besondere räumliche Nähe ihrer Wohnungen zu der zu bearbeitenden Fläche.

Auch aus der absoluten Belastung der Erdgeschossmieter ergibt sich im Ergebnis keine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 BGB. Zwar bleibt für eine interne Lastenverteilung nur wenig Spielraum, wenn nur die beiden Erdgeschoß-Mieter zum Winterdienst herangezogen werden und nicht auch die übrigen sechs Mietparteien. Auch mag zutreffen, dass der bei den Erdgeschoss-Mietern anfallende Arbeitsaufwand selbst im Jahresmittel nicht durch den geringen ganzjährigen "Paterreabzug" von 2,56 EUR pro Monat ausgeglichen wird (wobei zwischen den Parteien bereits streitig ist, ob der Abzug überhaupt diesem Zweck dient). Im mehrjährigen Durchschnitt wird sich die Arbeitsbelastung aufgrund der im Gerichtsbezirk herrschenden klimatischen Verhältnisse mit vergleichsweise schneearmen Wintern aber in engen Grenzen halten. Auch der Kläger trägt zudem nicht vor, dass die zu betreuende Fläche besonders groß bemessen wäre. Dass die Fläche für den Erdgeschoßmieter direkt vor der Wohnungs- bzw. Haustür liegt, trägt ebenfalls dazu bei, den Arbeitsaufwand der Verpflichtung zum Räumen von Schnee bzw. Glatteis in angemessenen Grenzen zu halten.

Eine unangemessene Benachteiligung des Mieters ergibt sich im Ergebnis auch nicht aus der mit der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht verbundenen Überbürdung eines Haftungsrisikos. Es liegt kein unzulässiger Haftungsausschluss gemäß § 309 Nr. 7a BGB vor, da nicht die Haftung des Verwenders für die Verletzung bestimmter Schutzgüter im Innenverhältnis zu dem anderen Teil beschränkt wird. Die Überbürdung des Haftungsrisikos führt im Ergebnis auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des anderen Teils gemäß § 307 Abs. 1 BGB. Hierfür spricht entscheidend, dass die dem Mieter auferlegte Belastung dadurch begrenzt wird, dass sich die Anforderungen an den Verkehrssicherungspflichtigen, die dieser zur Abwendung einer etwaigen Haftung nach § 823 BGB einzuhalten hat, an den Grenzen des Möglichen und Zumutbaren orientierten:

Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schaden zu bewahren. [...] Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Hiernach sind die Vorkehrungen zu treffen, die nach der Intensität der Gefahr und den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fern liegender bestimmungswidriger Nutzung drohen.

Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Dabei kommt es zur Bestimmung dessen, was vom Verkehrssicherungspflichtigen an Sicherungsmaßnahmen einerseits und vom Benutzer an eigener Aufmerksamkeit und Vorsicht andererseits zu fordern ist, immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Allgemein gilt, dass Sicherungsmaßnahmen umso eher zumutbar sind, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sind.

(BGH, NJW-RR 2005, 251 - Benutzung von Wasserrutschen)

Gegen eine unangemessene Benachteiligung des Mieters durch die Überbürdung der Verkehrssicherungspflicht spricht schließlich auch, dass der Mieter die Möglichkeit hat, das verbleibende Haftungsrisiko durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung abzudecken.

d. Ob auf die streitgegenständliche Regelung §§ 613, 275 Abs. 1, 3 BGB entsprechend anwendbar sind (vgl. allgemein AG Hamburg-Altona, BeckRS 2009, 08292), kann offenbleiben, da das Unvermögen des Klägers zur Erbringung des Winterdienstes durch die Angaben in der Klageschrift jedenfalls nicht ausreichend dargelegt ist. Insbesondere bleibt offen, ob und in welchem Umfang die angegebenen Krankheitserscheinungen den Kläger tatsächlich beeinträchtigen. Der Kläger hat seine Angaben auch nicht vertieft, nachdem die Beklagte dies in der Klageerwiderung bestritten und auf die fehlende Vorlage von Belegen aufmerksam gemacht hatte.

2. Abschließen der Haustür

Die in der Hausordnung unter der Überschrift "Schutz des Hauses" geregelte Verpflichtung der Erdgeschoßmieter, die nach außen führenden Türen abends bis zu einer bestimmten Uhrzeit - im Winter spätestens um 21.00 Uhr, im Sommer spätestens um 22.00 Uhr - abzuschließen, hält einer Klauselprüfung nach §§ 305ff. BGB stand. Der Feststellungsantrag des Klägers ist unbegründet.

a. Die Regelung ist nicht überraschend i. S. v. § 305c BGB. Solches ergibt sich insbesondere nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild im Kontext der Gesamtregelung, die sich aus der Dauernutzungsvereinbarung und der Hausordnung zusammensetzt. Der Regelungsort im Abschnitt "Schutz des Hauses" der Hausordnung ist vom Regelungsaufbau her stimmig; die Auffindbarkeit der Regelung ist gewährleistet. Hieran ändert - schon im Hinblick auf die überschaubare Gesamtlänge der Hausordnung - nichts, dass die Regelung nicht eigens durch eine (Zwischen-)überschrift ausgewiesen ist. Die Regelung ist schließlich auch dem Inhalt nach nicht so ungewöhnlich, dass der Mieter hiermit im Rahmen einer Hausordnung nicht rechnen müsste.

b. Die Regelung benachteiligt den Mieter nicht unangemessen gemäß § 307 Abs. 1, 2 BGB. Zwar sehen die gesetzlichen Vorschriften (§§ 535ff. BGB) keine Pflicht des Mieters zum Abschließen der Haustür vor, so dass die Klausel von der dispositiven Gesetzeslage zum Nachteil des Mieters abweicht. Gegen eine unangemessene Benachteiligung des Mieters spricht jedoch entscheidend die geringe Arbeits- und sonstige Belastung, die mit der dem Mieter auferlegten Verpflichtung einhergeht. Insbesondere ist die Verpflichtung nicht mit einem nennenswerten Haftungsrisiko verbunden. Hinzu kommt, dass viele Mieter bereits im eigenen Sicherheitsinteresse - d. h. auch ohne eine entsprechende vertragliche Verpflichtung - so vorgehen würden wie in der Hausordnung vorgeschrieben.

Die Regelung in der Hausordnung ist auch nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Brandschutzvorschriften §§ 17 Abs. 3, 37 BauO NW das nächtliche Abschließen von Haustüren untersagen, wäre § 134 BGB bei einem Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften jedenfalls nicht anwendbar. Die Überwachung dieser Vorschriften obliegt den Baubehörden, die etwaigen Verboten durch verwaltungsrechtliche Maßnahmen Nachdruck verleihen können. Daneben hat die zivilrechtliche Nichtigkeit keinen Platz (BGH, NJW 1980, 775; OLG Hamm, FGPrax 2001, 226).

3. Abstellen der Wasserleitung bei starkem Frost

Die in der Hausordnung unter der Überschrift "Schnee, Glatteis und Frostgefahr" geregelte Verpflichtung des Erdgeschossmieters zum nächtlichen Abstellen des Wassers im Keller "bei starkem Frost", Entleeren "[der] Leitung" und Benachrichtigung aller Hausbewohner ist gemäß §§ 306 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Insoweit hat die Berufung Erfolg.

Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers ist gegeben. Der Kläger hat ein berechtigtes rechtliches Interesse an der Beseitigung der rechtlichen Unsicherheit über die Wirksamkeit der Klausel im laufenden Mietverhältnis, dies schon im Hinblick auf die hiermit verbundenen Haftungsrisiken.

Die angegriffene Klausel benachteiligt den Mieter entgegen Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 BGB. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Verpflichtung zu unbestimmt ist, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Für den Mieter bleibt unklar, unter welchen Umständen seine Verpflichtung zum Abstellen des Wassers im Keller eingreift, da die unbestimmte Wendung "starker Frost" nicht näher definiert wird. Eine solche Eingrenzung wäre erforderlich gewesen, zumal die Beklagte - anders als der Mieter - ohne Weiteres überschauen könnte, ab welcher Temperatur das Abstellen des Wassers erforderlich ist.

Weiterhin geht aus der Regelung nicht bzw. nicht ausreichend hervor, welche Pflichten den Mieter treffen. Insbesondere wird "die Leitung", die der Mieter zu entleeren hat, nicht näher beschrieben. Ohne weitere Erläuterung bzw. Eingrenzung kann die Beklagte jedoch nicht erwarten, dass ein Mieter die Beschreibung in der Hausordnung nachvollziehen und den tatsächlichen Gegebenheiten zuordnen kann.

Entsprechendes gilt für die Frage, wie das "Entleeren" der Leitung durchzuführen ist.

Schließlich ist auch die Verpflichtung des Mieters zur Benachrichtigung aller Hausbewohner zu unbestimmt, da unklar bleibt, welche konkreten Handlungen vom Mieter verlangt werden. Immerhin betrifft die Verpflichtung die Nachtzeit zwischen 22:00 und 06:00 Uhr.


II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10 ZPO.


III.

Streitwert für beide Instanzen: 1.000,00 EUR (Verpflichtung zum Schneeräumen 600,00 EUR; Verpflichtung zum Abstellen des Wassers und Schließen der Haustür je 200,00 EUR)