Vollmachtsrüge nach § 174 BGB nur unter engen Voraussetzungen wirksam
Gericht
Landgericht Hamburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
08. 08. 2013
Aktenzeichen
330 O 599/12
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob ein Vertrag über eine redaktionelle Heftauswertung wirksam
zum 31.12.2012 gekündigt worden ist.
Mit Vertrag vom 25.6.2009/10.7.2009 beauftragte die "Burda Style Group", vertreten durch die Marketing-Direktorin xxxxxx, die xxxxxxx GmbH mit der redaktionelle Heftauswertung von 6 zum Burda-Konzern gehörenden Zeitschriften. Unter Ziff. 6 dieses Vertrages wurde geregelt, dass der Vertrag erstmalig zum 31.12.2009 gekündigt werden könne. Weiter heißt es: "Der Vertrag verlängert sich jeweils um ein Jahr und kann jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden."
Mit Schreiben vom 24.9.2012 erklärte die "Burda Style Groups gegenüber der jetzigen Klägerin, dass sie den Vertrag fristgerecht zum Ende des Jahres 2012 kundige und bat um schriftliche Bestätigung der Kündigung. Unterschrieben war dieses Schreiben von "i.V. xxxxxxx, Head of Commercial Department Burda Style Group". Dieses Schreiben wies - neben anderen Stempeln - auch den Firmenstempel der Beklagten auf.
Der Geschäftsführer der Klägerin reagierte hierauf per E-Mail am 2.10.2012:
"Sehr geehrte Frau xxxxxx,
Ihre Kündigung haben wir erhalten. Schade, aber wohl aufgrund der Umstände nicht vermeidbar. Mal sehen, was die Zukunft bringt.
Allerdings hat unser Anwalt, der ab einem gewissen Umsatz immer noch einmal drüberschaut, heute angemerkt, daß die Kündigung ebenso wie der Vertrag von einer zeichnungsberechtigten Person unterschrieben werden muß. Das ist anscheinend nicht der Fall.
Insofern bitte ich um Verständnis dafür, daß ich die Kündigung nicht anerkenne.
Sie können mir gern erneut eine rechtskräftig unterzeichnete Kündigung zukommen lassen. Allerdings ist die Frist für dieses Jahr bereits verstrichen, so daß das nächstmögliche Datum der 31.12.2013 1st.”
Mit Schreiben vom 4.10.2012 wandte sich Frau Fendt an die Klägerin und teilte mit, sie habe ihre
Kollegin Frau xxxxxx mit der Kündigung des Vertrages beauftragt und sie dazu bevollmächtigt.
Die Klägerin trägt vor:
Das Vertragsverhältnis sei nach der Insolvenz der Ulrich & Partner Medien Statistik GmbH über
tragen worden auf die Ulrich Analysen + Tools GmbH. Diese wiederum habe den Vertrag im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung übertragen auf die jetzige Klägerin.
Die Beklagte habe den Übertragungen konkludent zugestimmt, da sie die Abrechnungen zu keinem Zeitpunkt moniert habe.
Die Beklagte sei auch passivlegitimiert. Bei "Burda Style Group" handele es sich um ein Angebot
der Beklagten.
Die Kündigung sei unwirksam, weil sie, die Klägerin, sie aufgrund des Fehlens einer Vollmachturkunde unverzüglich zurückgewiesen habe. Ihr Geschäftsführer habe am 25. 9. 2012 die Kündigung als E-Mail erhalten, da er sich auf einer Geschäftsreise befunden habe. Dass der Mail keine Vollmacht zu entnehmen war, sei für ihn nicht auffällig gewesen, da dies einem geschäftsüblichen Gebaren bei einer parallelen Versendung per E-Mail oder Fax entspreche. Das postalische Original habe ihr Geschäftsführer sodann am 27. 9. 2012 zur Kenntnis genommen. Daraufhin habe er den Sachverhalt unverzüglich seinem Rechtsanwalt zur Kenntnis gegeben, der diesen per E-Mails am 1.10. und ergänzend am 2.10.2012 gewürdigt habe, woraufhin dann taggleich das Zurückweisen gegenüber der Beklagten erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis vom
25. Juni / 10. Juli 2009 hinsichtlich der redaktionellen Heftauswertung der Titel: Bunte, Freundin, Wellfit, ELLE (ohne Heftversand), ELLE Decoration (ohne Heftversand) und Burda Mode Magazin (ohne Heftversand) ungekündigt fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte tragt vor:
Sie bestreite die Übertragungen des Vertragsverhältnisses mit Nichtwissen. Des Weiteren bestreite sie, dass sie den beiden Vertragsübertragungen zugestimmt habe.
Sie bestreite die Passivlegitimation. Die "Burda Style Group" sei kein rechtsfähiges Gebilde, sondern lediglich die Dachbezeichnung bestimmter Premiummarken aus dem Burda-Medienverbund. Der als Anlage K 1 eingereichte Vertrag sei daher nichtig wegen fehlender rechtlicher Existenz der vermeintlich vertretenen Gesellschaft.
Jedenfalls sei der Vertrag, falls er denn zustande gekommen sei, ordnungsgemäß gekündigt worden. Die Abteilungsleiterin xxxxx sei von der dienstabwesenden Marketing-Direktorin bevollmächtigt worden, die Kündigung in ihrem Namen zu unterzeichnen. §174 BGB greife nicht, weil Frau xxxxx nicht als Vertreterin der (rechtlich nicht existenten) "Burda Style Group" gehandelt habe, sondern als Vertreterin von Frau xxxxx.
Im übrigen werde bestritten, dass die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen worden sei. Eine
Kenntnisnahme durch den Geschäftsführer erst am 27.9.2012 werde bestritten, im Übrigen hätte
dieser ggf. dafür Sorge tragen müssen, dass Geschäftspost während seiner Abwesenheiten weitergeleitet werde. Auch habe die Klägerin das Fehlen einer Vollmacht nicht gerügt, da sie sich lediglich darauf berufen habe, das nur Frau Fendt hätte unterzeichnen dürfen.
Schließlich sei die Klage mangels Vorliegen eines Feststellungsinteresses abzuweisen, die Klägerin könne ihre behaupteten Anspruche ohne weiteres beziffern.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat den Geschäftsführer der Klägerin gemäß § 141 ZPO angehört.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage vorliegend dem Vorgehen im Rahmen einer Feststellungsklage nicht entgegen. Die Klage wurde bereits im Dezember 2012 eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Klägerin allenfalls auf künftige Leistung klagen können, eine solche Klage geht der Feststellungsklage jedoch nicht vor.
Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, ihre Klage auf eine Leistungsklage umzustellen, nachdem im Verlauf des Rechtsstreites die Fälligkeit von Teilen der Vergütung eingetreten ist (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 16.7.1999 Az. 1 06/99).
Das Gericht geht auch von einer Aktivlegitimation der Klägerin aus. Für eine Genehmigung der
behaupteten Vertragsübertragungen spricht maßgeblich, dass das Kündigungsschreiben an die
jetzige Klägerin gerichtet ist.
Die Beklagte ist nach Ansicht des Gerichtes auch passivlegitimiert. Frau xxxx, die den als Anlage K 1 eingereichten Vertrag unterschrieben hat, ist, wie sich aus der Anlage K 3 ergibt, für die
Beklagte tätig. Deren Firmenstempel befindet sich auch auf dem Kündigungsschreiben. wobei offen bleiben kann, ob die Beklagte allein unter der Bezeichnung "Burda Style Group" gehandelt hat oder ob sie insoweit Gesellschafterin einer aus den in der Anlage K 2 in Stempelform aufgeführten Zeitungsgesellschaften bestehenden GbR ist.
Die Klage bleibt gleichwohl ohne Erfolg, weil die Beklagte bzw. die GbR das Vertragsverhältnis wirksam gekündigt hat mit Schreiben vom 24.9.2012. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Kündigung nicht nach § 174 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der anderer das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Zwar hätte es der Beifügung einer Originalvollmacht bedurft. Die Kündigung der "Burda Style Group" ist aber gleichwohl deshalb wirksam, weil die Klägerin sie nicht unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 BGB) zurückgewiesen hat.
Im Falle eines einseitigen Rechtsgeschäfts ist der Erklärungsempfänger nach § 174 BGB gehalten, sich über die Frage, ob er das Rechtsgeschäft wegen mangelnder Vorlage einer Originalvollmachtsurkunde zurückweisen will unverzüglich zu entscheiden. Die Organisation eines sorgfältigen im Bereich der Medienauswertung tätigen Unternehmens zugrunde gelegt, muss beim Eingang eines derartigen Kündigungsschreibens davon ausgegangen werden, dass dieses dem Geschäftsführer noch am gleichen Tage oder aber spätestens am Morgen des nächsten Tages zur Kenntnis gegeben wird. Dieser hätte hier dann ohne weiteres das offensichtliche Fehlen einer Originalvollmacht bei der Kündigung feststellen und nach einer - einfachen - Prüfung sowie ggf. einer kurzfristigen Rucksprache mit seinem Rechtsanwalt entscheiden können, ob er die Kündigung mangels Vollmachtsvorlage zurückweist. Einer komplizierten und aufwendigen Sachprüfung, die gegebenenfalls einen längeren Prüfungs- und Entscheidungszeitraum rechtfertigen kann, bedurfte es vorliegend nicht.
Unstreitig hat die Klägerin die Kündigung erst mit Mail v. 2. 10. 2012 zurückgewiesen. Dies war verspätet. Zu sehen ist, dass der Geschäftsführer der Klägerin bei Zugrundelegung der im schriftlichen Verfahren gemachten Angaben, welche von der Darstellung im Rahmen seiner Anhörung etwas abweicht die nach Darstellung der Klägerin in der Klagschrift bereits am 24. 9. 2012 eingegangene Kündigung am 25. 9. 2012 als E-Mail erhielt; bereits zu diesem Zeitpunkt hätte er mit seinem Büro Rücksprache hätte halten können und müssen, ob dem Schreiben eine
Vollmacht beigefugt war. Das Original des am 24. 9. 2012 eingegangenen Schreibens nahm er so dann nach Rückkehr von einer Geschäftsreise am 27. 9. 2012 zur Kenntnis. Nach Kenntnisnahme hatte er, wie er im Rahmen der Anhörung angegeben hat, unmittelbar Bedenken, weil die Kündigung von Frau xxxx unterschrieben worden war. Gerade im Hinblick auf die Vollmachtfrage wollte er die Kündigung nach seiner Erinnerung durch Herrn xxxxx prüfen lassen, da es, so seine Ausführung, sonst nicht zu beanstanden gegeben habe. Unter dies en Umständen war in Anbetracht des bevorstehenden Ablaufs der Kündigungsfrist auch für den Geschäftsführer der Klägerin ersichtlich, dass die alsbaldige Entscheidung über sein diesbezügliches weiteres Vorgehen für die Beklagte von besonderer Bedeutung war. Die Klägerin war unter diesen Umständen, zumal das Kündigungsschreiben (obgleich ihr Geschäftsführer hiervon bereits in der Mailform Kenntnis genommen hatte) 3 Tage unbearbeitet geblieben war, gehalten, sich äußerst zeitnah mit seinem Rechtsanwalt abzustimmen. Bedenkt man, dass der Sachverhalt äußerst einfach gelagert war und, wie die E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin vom 2. 10. 2012 belegt, zu dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein laufender Geschäftskontakt bestand, wäre dies erkennbar - beispielsweise auf telefonischem Weg - auch möglich gewesen. Die Zurückweisung der Kündigung hätte daher am 28. 09. 2012 oder spätestens am Freitag, den 29. 09. 2012 (vormittags) erfolgen können und müssen. Die Beklagte hätte dann noch reagieren können. Die Zurückweisung vom 02. 10. 2012, zu einer Zeit, als die Beklagte weitere Maßnahmen fristgerecht gar nicht mehr ergreifen konnte, ist mithin in vorwerfbarer Weise verspätet erfolgt.
Soweit die Klägerin in ihren letzten Schriftsätzen von einer Versendung des Kündigungsschreibens am 25. 9. 2012 spricht, hat das Gericht diese Angabe nicht zu Grunde legen können, da die Klägerin zuvor eindeutig schriftsätzlich bekundet hatte, das Schreiben sei bereits am 24. 9. 2012 bei ihr eingegangen. Diesen Vortrag hat sie weder in eindeutiger Weise als unrichtig zurückgenommen noch den Widerspruch erklärt.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschritt des § 174 BGB letztlich auch
deshalb nicht eingreifen durfte, weil die einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nicht wegen der fehlenden Vorlage der Vollmachtsurkunde (bzw. der Ermächtigungsurkunde) zurückgewiesen hat. Vielmehr hat die Klägerin auf die fehlende Vertretungsmacht abgestellt. Dies kann nicht als Zurückweisung nach § 174 BGB ausgelegt werden. Die fehlende Vollmachtsvorlage braucht zwar nicht ausdrücklich beanstandet zu werden. Es reicht vielmehr aus, wenn sich der Grund der Zurückweisung aus den Umständen eindeutig ergibt und für den Vertragspartner erkennbar ist. Im vorliegenden Falle lassen sich aus dem Wortlaut und aus den Umständen der Zurückweisung keine sicheren Anhaltspunkte für deren Grund entnehmen. Die Beanstandung der fehlenden Vertretungsmacht enthält nicht zugleich auch eine Zurückweisung wegen des fehlenden Nachweises der Vertretungsmacht (BAG, Urteil v. 18.12.1980, 2 AZR 980/78, zit. nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
Schwarz
Richterin am Landgericht
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen