Himbeer-Vanille-Tee mit natürlichen Aromen ohne Himbeeren und Vanille?

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

19. 02. 2013


Aktenzeichen

I-20 U 59/12


Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 16.03.2012 abgeändert und die Klage abgewiesen.

  2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Der Kläger ist in die vom Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UkIG eingetragen. Er nimmt die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung auf Unterlassen in Anspruch, da diese in nachfolgend eingeblendeter Verpackung einen Früchtetee vertreibt, der keine Bestandteile von Vanille oder Himbeere enthält, sondern lediglich natürliche Aromen mit Himbeer- und Vanillegeschmack:

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Angaben auf der Verpackung seien angesichts des Inhalts irreführend. Der Verbraucher erwarte aufgrund des Produktnamens, der Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie nicht zuletzt wegen des Zusatzes „nur natürliche Zutaten“ im goldenen Kreis, dass der Tee Bestandteile von Vanille und Himbeere, jedenfalls aber natürliches Vanille-Aroma und natürliches Himbeer-Aroma enthalte.

Die Beklagte meint demgegenüber unter näheren Ausführungen, mit den Angaben auf der angefochtenen Verpackung genüge sie den Anforderungen der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches in Verbindung mit den einschlägigen LMLTee. Schon deshalb sei eine Irreführung des Verbrauchers ausgeschlossen, der allein die Geschmacksrichtung Vanille-Himbeere erwarte und für den es unerheblich sei, wie dieser Geschmack herbeigeführt werde. Außerdem sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften davon auszugehen, dass der Verbraucher, der auf die Bestandteile eines Erzeugnisses Wert lege, die Zutatenliste lese.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung vorprozessualer Abmahnkosten von 200,- € sowie unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmitte! dazu verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für einen Tee wie oben abgebildet mit der Bezeichnung „HIMBEER-VANILLE-ABENTEUER“ und/oder der Abbildung von Himbeeren und Vanilleblüten zu werben bzw. werben zu lassen, wenn keine Bestandteile von Himbeeren und Vanille im Produkt enthalten sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der streitgegenständlichen Verpackung verstoße die Beklagte gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB, da der Tee unter irreführender Aufmachung in den Verkehr gebracht werde. Obwohl er weder irgendeinen Bestandteil von Himbeeren oder Vanille ais Zutat noch ein aus diesen Pflanzen gewonnenes Aroma enthalte, trage er die Bezeichnung Himbeer-Vanille in seinem Namen und zeige auf seiner Verpackung Himbeeren und Vanilleblüten. Aufgrund dessen und des aufgedruckten Zusatzes „nur natürliche Zutaten“ müsse der Leser bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Packung den Eindruck gewinnen, bei den Angaben „Himbeere“ und „Vanille“ handele es sich um die erwähnten natürlichen Zutaten. Die streitgegenständiiche Packungsaufmachung entspreche auch nicht Teil D Nr. 4 der geänderten LMLTee, die eine deutlich erkennbare Angabe für den Fall von ausschließlichem oder überwiegendem Einsatz von Aromen fordere. Es werde weder mit „Himbeer-Vanille-Geschmack“ noch mit „Himbeer-Vanille-Aroma“ geworben. Gleiches gelte für Teil D Nr. 4 Abs. 1 der LMLTee, da nicht auf die Aromatisierung mit Bezeichnung der Geschmacksrichtung geworben werde.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und macht zunächst geltend, das Landgericht habe gegen die Dispositionsmaxime verstoßen, da der Kläger den siegelartigen Rundaufdruck mit den Worten „nur natürliche Zutaten“ in erster Instanz nicht als wettbewerbswidrig gerügt habe. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen erster Instanz zur Einhaltung der LMLTee und beanstandet, dass das Landgericht von einem falschen Verbraucherleitbild ausgegangen sei.

Die Beklagte beantragt,

wie erkannt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht insbesondere geltend, den Zusatz „nur natürliche Zutaten“ bereits erstinstanzlich in die Gesamtbetrachtung der Packung mit einbezogen zu haben.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.

Die Klage ist unbegründet, da die streitgegenständliche Verpackung keine nach §§ 3, 8 Abs. 1 UWG zu untersagende Irreführung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB oder § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG enthält.

Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob der lebensmittelrechtliche Irreführungstatbestand als Spezialregelung Vorrang beansprucht (so OLG Köln MD 2008, 288) oder das allgemeine lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot daneben anwendbar bleibt (so Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rdnr. 1.73). Denn im Bereich der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.03.2000, wonach die. Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln und die Werbung hierfür nicht geeignet sein dürfen, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über Eigenschaften wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart (Art. 2 Abs. 1 lit. a Nr. im Abs. 3 Nr. a und b), sind beide Tatbestände übereinstimmend richtlinienkonform auszulegen. Der danach an die Verkehrserwartung anzulegende Maßstab ist der des Durchschnittsverbrauchers, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist (vgl. Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 5 Rdnr. 1.46 ff m. w. N.). Bei der Frage, was dieser Verbraucher erwartet, orientiert sich die Beurteilung nicht in erster Linie am Deutschen Lebensmittelbuch (§ 15 LFB) - hier den Leitsätzen für Tee, teeähnliche Erzeugnässe, deren Extrakte und Zubereitungen (LMLTee) ~, weil die dort niedergelegten Leitsätze als sachverständige Beschreibung der für die Verkehrsfähigkeit bedeutsamen Herstellung, Beschaffenheit und sonstigen Merkmale von Lebensmitteln unter Umständen entsprechende bestehende oder künftig herauszubildende Erwartungen der Verbraucher nahe legen können, sie aber weder verbindliche Rechtsnormen noch in jedem Fall zuverlässige Abbilder des aktuellen Verbraucherverständnisses sind (so auch OLG Köln LMuR 2012, 67). Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Begriffs „natürliches Aroma“, auf den sogleich einzugehen sein wird.

Dem verständigen Verbraucher bietet sich vorliegend folgendes Bild: Der Name „Himbeer-Vanille-Abenteuer“ und die Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten deuten auf die Geschmacksrichtung des Tees. Sie alleine rechtfertigen nicht den Schluss, dass Zutaten von Himbeeren und Vanille in der Teemischung enthalten sind. Der auf Front und Oberseite enthaltene Zusatz „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ besagt, dass Aromen zugesetzt wurden, die natürlichen Ursprungs sind. Die Natürlichkeit aller Bestandteile wird durch das Siegel „nur natürliche Zutaten“, das der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten in erster Instanz zum Sach- und Streitstand gemacht hat, ausdrücklich betont. Die genannten Informationen vereinen sich auf einer Seite der Packung in dem Aufdruck: „Früchteteemischung mit natürlichen Aromen - Himbeer-Vanille-Geschmack“. In der Zutatenliste heißt es sodann, dass die natürlichen Aromen Himbeer- bzw. Vanillegeschmack haben, was zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, dass sie nur über den entsprechenden Geschmack verfügen, hieraus aber nicht gewonnen wurden. Dies genügt. Zwar mag nicht allgemein bekannt sein, dass es Aromen natürlichen Ursprungs gibt, die nicht aus Himbeeren und Vanille hergestellt sind, aber deren Geschmack haben, so dass die Angaben auf Front und Oberseite der streitgegenständlichen Verpackung für sich gesehen aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers möglicherweise nicht eindeutig sind. Seine richtige und vollständige Information durch die Zutatenliste genügt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) jedoch, um eine Irreführung auszuschließen. Zur Verkehrserwartung an Angaben auf einer Lebensmittelverpackung hat der EuGH bereits mehrfach entschieden, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse richten, zunächst das Zutatenverzeichnis lesen, dessen Vorhandensein vorgeschrieben ist (vgl. EuGH-SLG Jahr 1999, I Seite 731 Rdnr. 37 - Van der Laan; EuZW 2000, 508 (Rdnr. 22) - naturrein), in der zuletzt genannten Entscheidung führt der EuGH im Hinblick auf die Beschreibung einer Marmelade, die tatsächlich das Geliermittel Pektin enthält, aus, angesichts der soeben beschriebenen Verhaltensweise des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers könne die Angabe „naturrein“ auf dem Etikett ihn nicht wegen des bloßen Umstandes irreführen, dass das Lebensmittel das Geliermittel Pektin enthält, auf dessen Präsenz das Zutatenverzeichnis des Lebensmittels ordnungsgemäß hinweist. Von diesem Verständnis des Verhaltens und mentalen Horizonts des verständigen Durchschnittsverbrauchers ist nicht abzuweichen. Dies bedeutet für den hiesigen Fall, dass die Angaben „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ und „nur natürliche Zutaten“ den an der konkreten Zusammensetzung des Tees interessierten Durchschnittsverbraucher, der sich anhand der Zutatenliste informieren kann und dies auch tun wird, nicht irreführen. Einen an der Zusammensetzung nicht interessierten Durch Schnittsverbraucher können die genannten Angaben ebenfalls nicht irreführen, da er sich darüber, welche Aussage mit den Angaben zum Inhalt der Packung getroffen wird, überhaupt keine Gedanken macht.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Vorliegend stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.

Der Streitwert wird im Einverständnis mit den Parteien für beide Instanzen auf 25.000,-€ festgesetzt.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht