F1-LIVE

Gericht

EuGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

24. 05. 2012


Aktenzeichen

C-196/11 P


Entscheidungsgründe

[1] Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Formula One Licensing BV die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Februar 2011, Formula One Licensing/HABM – Global Sports Media (F1-LIVE) (T‑10/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 16. Oktober 2008 (Sache R 7/2008-1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Racing-Live SAS und der Formula One Licensing BV (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.


Rechtlicher Rahmen

[2] Die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2003 des Rates vom 27. Oktober 2003 (ABl. L 296, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 40/94) wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1), die am 13. April 2009 in Kraft trat, aufgehoben und ersetzt. Angesichts des Zeitraums, in den der Sachverhalt fällt, unterliegt der Rechtsstreit jedoch weiterhin der Verordnung Nr. 40/94.

[3] Der fünfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94 lautet:

„Das gemeinschaftliche Markenrecht tritt jedoch nicht an die Stelle der Markenrechte der Mitgliedstaaten, denn es erscheint nicht gerechtfertigt, die Unternehmen zu zwingen, ihre Marken als Gemeinschaftsmarken anzumelden, da die innerstaatlichen Marken nach wie vor für diejenigen Unternehmen notwendig sind, die keinen Schutz ihrer Marken auf Gemeinschaftsebene wünschen.“

[4] Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

[5] Art. 8 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung sieht vor:

„‚Ältere Marken‘ im Sinne von Absatz 1 sind

a) Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke, gegebenenfalls mit der für diese Marken in Anspruch genommenen Priorität, die den nachstehenden Kategorien angehören:

i) Gemeinschaftsmarken;

ii) in einem Mitgliedstaat oder, soweit Belgien, Luxemburg und die Niederlande betroffen sind, beim BENELUX-Markenamt eingetragene Marken;

iii) mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registrierte Marken;

iv) aufgrund internationaler Vereinbarungen mit Wirkung in der Gemeinschaft eingetragene Marken“.

[6] Nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit der älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Fall einer älteren Gemeinschaftsmarke um eine in der Europäischen Union bekannte Marke und im Fall einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

[7] Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25), durch die die Richtlinie 89/104 aufgehoben und ersetzt wurde, sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Fall der Eintragung der Ungültigerklärung.


Vorgeschichte des Rechtsstreits

[8] Am 13. April 2004 meldete die Racing-Live SAS, an deren Stelle als Inhaberin der angemeldeten Marke die Global Sports Media Ltd (im Folgenden: Global Sports Media) getreten ist, beim HABM folgende Gemeinschaftsbildmarke an:

[9] Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen in den Klassen 16, 38 und 41 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung (im Folgenden: Abkommen von Nizza) angemeldet:

– Klasse 16: „Magazine, Broschüren, Bücher; alle Produkte beziehen sich auf die Formel 1“;

– Klasse 38: „Mitteilungen über und Verbreitung von Büchern, Magazinen und Journalen über Computerterminals; all diese Leistungen beziehen sich auf die Formel 1“;

– Klasse 41: „Elektronische Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften und Periodika; Informationen im Bereich Unterhaltung; Organisation von Wettbewerben über das Internet; Reservierung von Karten für Veranstaltungen; Online-Spiele; all diese Leistungen beziehen sich auf die Formel 1“.

[10] Nach der Veröffentlichung der Anmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 5/2005 legte die Formula One Licensing BV (im Folgenden: Formula One Licensing) am 2. Mai 2005 gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung der fraglichen Marke ein.

[11] Der Widerspruch wurde insbesondere auf die folgenden älteren Marken gestützt, deren Bekanntheit geltend gemacht wurde:

– die Wortmarke F1, geschützt durch die internationale Eintragung Nr. 732 134 vom 20. Dezember 1999 mit Schutzwirkung für Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Ungarn für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 38 und 41 im Sinne des Abkommens von Nizza, durch die nationale deutsche Eintragung Nr. 30 007 412 vom 10. Mai 2000 für Dienstleistungen in Klasse 41 im Sinne des Abkommens von Nizza und durch die nationale Eintragung im Vereinigten Königreich Nr. 2 277 746 D vom 13. August 2001 für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 16 und 38 im Sinne dieses Abkommens und

– die Bildmarke F1 Formula 1, die am 19. Mai 2003 unter der Nr. 631531 als Gemeinschaftsmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 38 und 41 im Sinne des Abkommens von Nizza eingetragen wurde und nachstehend abgebildet ist:

[12] Am 17. Oktober 2007 gab die Widerspruchsabteilung des HABM dem Widerspruch auf der Grundlage der älteren, international unter der Nr. 732 134 eingetragenen Wortmarke F1 statt. Sie stellte fest, dass zwischen den mit den einander gegenüberstehenden Marken gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen Ähnlichkeit oder Identität und zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine mittlere Ähnlichkeit vorliege und daher eine Verwechslungsgefahr zwischen den entsprechenden Marken im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 bestehe.

[13] Am 14. Dezember 2007 legte die Racing-Live SAS Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Mit der streitigen Entscheidung vom 16. Oktober 2008 gab die Erste Beschwerdekammer des HABM der Beschwerde statt und hob die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf, wobei sie im Wesentlichen ausführte, dass zwischen den älteren Marken und der angemeldeten Marke keine Verwechslungsgefahr bestehe und die Tatsache, dass sie hinsichtlich des Wortbestandteils „F1“ übereinstimmten, insoweit nicht ausreiche, weil dieser bei der fraglichen Marke als beschreibend wahrgenommen werde.


Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

[14] Mit Klageschrift, die am 14. Januar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Formula One Licensing Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung. Das Gericht hat diese auf zwei Klagegründe gestützte Klage abgewiesen.

[15] Mit ihrem ersten Klagegrund machte die Rechtsmittelführerin einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 geltend.

[16] In Randnr. 28 des angefochtenen Urteils hat das Gericht in Bezug auf die Ähnlichkeit der betreffenden Waren und Dienstleistungen festgestellt, dass „die Beschwerdekammer in den Randnrn. 25 und 26 der [streitigen] Entscheidung befunden hat, dass die Verkaufstätigkeit der Streithelferin hinsichtlich der Waren in den Bereichen Druckerzeugnisse und Kommunikation über das Internet (d. h. der Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 38) identisch mit der Tätigkeit der Klägerin sei und dass die Dienstleistungen der Online-Veröffentlichung und ‑Unterhaltung auf dem Gebiet der Formel 1 (d. h. die Dienstleistungen der Klasse 41) den von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen sehr ähnlich seien“.

[17] Was den Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen und ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise anbelangt, hat das Gericht anerkannt, dass das Zeichen „F1“ der internationalen Marke und der Bestandteil „F1“ der angemeldeten Marke gleich seien, und zunächst die Rolle des Bestandteils „F1“ bei Letzterer, insbesondere die Frage, ob dieser Bestandteil „dominierend“ ist, geprüft.

[18] Das Gericht hat aufgrund der ihm vorliegenden Beweise in den Randnrn. 43 und 44 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass der Begriff „Formel 1“ als Gattungsbezeichnung für einen Autorennsport verwendet werde und dass „die Abkürzung F 1 ebenso ein Gattungsbegriff [sei] wie der Ausdruck ‚Formel 1‘“.

[19] Zum Vorbringen der Rechtsmittelführerin in Bezug auf die ältere Marke hat das Gericht in Randnr. 46 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Umstand, dass die ältere Wortmarke als nationale oder internationale Marke eingetragen worden sei, es für sich allein nicht ausschließe, dass sie in weitgehendem Maße beschreibend sei oder, anders ausgedrückt, im Hinblick auf die erfassten Waren und Dienstleistungen nur eine geringe originäre Kennzeichnungskraft besitze. In Randnr. 47 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch daran erinnert, dass die Gültigkeit einer internationalen oder nationalen Marke, im vorliegenden Fall der Marken der Rechtsmittelführerin, nicht im Rahmen des Verfahrens der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke, sondern nur in einem im betreffenden Mitgliedstaat angestrengten Nichtigkeitsverfahren in Frage gestellt werden könne.

[20] In Randnr. 49 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass „[a]uf der Grundlage dieser Erwägungen und unter Berücksichtigung der vorgelegten Nachweise … festzustellen [ist], dass die maßgeblichen Verkehrskreise den Bestandteil ‚f 1‘ in der Anmeldemarke nicht als einen kennzeichnungskräftigen, sondern als einen beschreibend verwendeten Bestandteil wahrnehmen“. In gleichem Sinne hat das Gericht in Randnr. 57 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Verbraucher „F1“ in Standardschrift für eine Abkürzung von „Formel 1“ halten würden, d. h. für eine beschreibende Angabe, und den Schluss gezogen, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr bestehe.

[21] Danach hat das Gericht die angemeldete Marke und die ältere Gemeinschaftsmarke in visueller, klanglicher und begrifflicher Hinsicht miteinander verglichen und ist in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gekommen, dass „[i]m vorliegenden Fall … im Rahmen der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die dadurch gekennzeichnet ist, dass in visueller Hinsicht keine und in klanglicher und begrifflicher Hinsicht nur eine begrenzte Ähnlichkeit besteht, die Feststellung [genügt], dass die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zwischen den streitigen Zeichen, da die maßgeblichen Verkehrskreise die Anmeldemarke nicht mit der Marke der Klägerin verwechseln werden, eine Verwechslungsgefahr ausscheidet. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass durch den Umstand, dass das Publikum das Zeichen F 1 im Sinne eines Gattungsbegriffs auffassen wird, gewährleistet ist, dass es die Anmeldemarke als auf die Formel 1 bezogen verstehen, aber wegen der völlig anderen Gestaltung keine gedankliche Verbindung zur Geschäftstätigkeit der Klägerin ziehen wird.“

[22] Mit ihrem zweiten Klagegrund hat die Rechtsmittelführerin vor dem Gericht einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 gerügt.

[23] Das Gericht hat vor der Zurückweisung dieses Klagegrundes in Randnr. 67 des angefochtenen Urteils Folgendes ausgeführt:

„Wie aus Randnr. 66 der [streitigen] Entscheidung hervorgeht, ist das Zeichen, dessen Benutzung und möglicherweise auch Bekanntheit die Klägerin nachgewiesen hat, ausschließlich jenes, das unter der Nr. 631531 als Gemeinschaftsmarke eingetragen wurde, d. h. die Logoversion. Daher stellt sich zunächst die Frage, ob die betreffenden Bildmarken identisch oder ähnlich sind. Die Kennzeichnungskraft und die Bekanntheit des Zeichens liegen nämlich in der scheinbaren Verschmelzung des Buchstabens ‚f‘ mit der Ziffer ‚1‘, die in scharf kontrastierenden Farben dargestellt sind. Allein das Vorhandensein des Buchstabens ‚f‘ und der Ziffer ‚1‘ in der Anmeldemarke, durch das keine Kennzeichnungskraft begründet wird, kann nicht ausreichen, um auf eine Verbindung zwischen den betreffenden Marken zu schließen. Folglich ist ungeachtet einer gewissen Ähnlichkeit in klanglicher und begrifflicher Hinsicht dem von der Beschwerdekammer gezogenen Schluss zuzustimmen, dass kein Bestandteil der Anmeldemarke das Publikum an das Logo F 1 erinnert, da die einander gegenüberstehenden Zeichen nicht als ähnlich angesehen werden können.“


Anträge der Verfahrensbeteiligten

[24] Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Formula One Licensing, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihrem Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidung stattzugeben oder, hilfsweise, die Sache an das Gericht zur erneuten Prüfung zurückzuverweisen und dem HABM sowie Global Sports Media die Kosten einschließlich der Kosten des ersten Rechtszugs aufzuerlegen.

[25] Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

[26] Global Sports Media beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.


Zum Rechtsmittel

[27] Formula One Licensing stützt ihr Rechtsmittel auf drei Rechtsmittelgründe.

[28] Der erste Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 in Bezug auf die Unterscheidungskraft des Elements „F1“ gerügt wird, umfasst vier Teile. Diese Teile befassen sich mit einem fehlenden Bezug zu den konkreten Waren und Dienstleistungen, mit einer Verfälschung der Tatsachen in Bezug auf das Element „F1“ und den Ausdruck „Formel 1“, mit der Nichtanerkennung des Erwerbs von Unterscheidungskraft durch die Benutzung als Teil einer eingetragenen Gemeinschaftsmarke und schließlich mit einer unzulässigen Aufhebung des einer älteren Marke gewährten Schutzes.

[29] Der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund betreffen zum einen einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der Verwechslungsgefahr und zum anderen einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung.

[30] Der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist zuerst zu prüfen.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

[31] Mit dem vierten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes macht Formula One Licensing geltend, das Gericht habe in den Randnrn. 44, 49, 51, 57, 61 und 67 des angefochtenen Urteils die Unterscheidungskraft und den Schutz der älteren Wortmarke F1 beseitigt und damit gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen.

[32] Formula One Licensing ist der Auffassung, die Schlussfolgerung des Gerichts, dass die Bezeichnung „F1“ als Gattungsbezeichnung verstanden würde, sei insofern rechtsfehlerhaft, als sie zu einer faktischen Nichtigerklärung ihrer in einer Standardschrift eingetragenen Marken F1 führe; sie hält diese Nichtigerklärung für unzulässig. Das Gericht habe insoweit in Randnr. 48 des angefochtenen Urteils bestätigt, dass das HABM die Frage zu prüfen gehabt habe, in welcher Weise die maßgeblichen Verkehrskreise den Bestandteil „F1“ in der Anmeldemarke auffassten. Diese Überprüfung habe jedoch ihre Grenzen, denn sie dürfe nicht dazu führen, dass dadurch faktisch die Unterscheidungskraft älterer Marken und damit der Umfang ihres Schutzes auf null reduziert würden.

[33] Die Rechtsmittelführerin trägt vor, das Gericht dürfe, wenn es ein Verfahren zur Eintragung einer Gemeinschaftsmarke prüfe, der Widerspruchsmarke nicht die Unterscheidungskraft absprechen und ihre Gültigkeit nicht in Frage stellen. Sie nimmt insoweit Bezug auf das Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2007, Xentral/HABM – Pages jaunes (PAGESJAUNES.COM) (T‑134/06, Slg. 2007, II‑5213, Randnr. 36), wonach die Gültigkeit einer nationalen Marke nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Eintragung einer Gemeinschaftsmarke, sondern nur in einem im betreffenden Mitgliedstaat angestrengten Nichtigkeitsverfahren in Frage gestellt werden könne.

[34] Nach Ansicht von Formula One Licensing hat das Gericht demnach einen Rechtsfehler begangen, als es die Unterscheidungskraft der älteren Marken in Standardschrift verneinte.

[35] Das HABM führt aus, die Rechtsmittelführerin nehme für ihren Vortrag, dass der älteren Wortmarke F1 der gesamte Schutzbereich entzogen worden sei, auf die Randnrn. 44, 49, 51, 57, 61 und 67 des angefochtenen Urteils Bezug, die aber nur Ausführungen zur Wahrnehmung des Wortelements „F1“ in der Anmeldemarke enthielten. Die Wiedergabe eines älteren Zeichens in einer angefochtenen Gemeinschaftsmarke dürfe nicht zur Feststellung einer Verwechslungsgefahr führen, wenn die Benutzung des Zeichens in der angefochtenen Marke zu rein beschreibenden Zwecken erfolge, und das Gericht sei im vorliegenden Fall in Randnr. 51 des angefochtenen Urteils zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass das Zeichen „F1“ keine selbständig kennzeichnende Stellung in der Anmeldemarke innehabe, da ihm ganz einfach nicht die Rolle eines kennzeichnungskräftigen Bestandteils des angefochtenen Zeichens zukomme.

[36] Global Sports Media ist der Auffassung, dass der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes auf einem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils beruhe, da das Gericht die Wortmarke F1 nicht für nichtig erklärt, sondern lediglich festgestellt habe, dass die maßgeblichen Verkehrskreise den Bestandteil „F1“ in der Marke F1‑LIVE als beschreibenden Begriff auffassten. Die Benutzung des Begriffs „F1“ zu beschreibenden Zwecken sei zulässig, da eine solche Benutzung eines Bestandteils markenrechtlich nicht angegriffen werden könne (Urteile vom 7. Januar 2004, Gerolsteiner Brunnen, C‑100/02, Slg. 2004, I‑691, Randnr. 19, und vom 25. Januar 2007, Adam Opel, C‑48/05, Slg. 2007, I‑1017, Randnrn. 42 und 43).

Würdigung durch den Gerichtshof

[37] Gemäß dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94 wie auch dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 „[tritt d]as gemeinschaftliche Markenrecht … nicht an die Stelle der Markenrechte der Mitgliedstaaten“.

[38] Das Gericht hat in Randnr. 47 des angefochtenen Urteils daran erinnert, dass nach seiner eigenen Rechtsprechung die Gültigkeit einer internationalen oder nationalen Marke, im vorliegenden Fall der Marken der Rechtsmittelführerin, nicht im Rahmen des Verfahrens der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke, sondern nur in einem im betreffenden Mitgliedstaat angestrengten Nichtigkeitsverfahren in Frage gestellt werden kann (Urteil vom 12. November 2008, Shaker/HABM – Limiñana y Botella [Limoncello della Costiera Amalfitana shaker], T‑7/04, Slg. 2008, II‑3085, Randnr. 26). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass der Unionsgesetzgeber ein System eingeführt hat, das auf der Koexistenz der Gemeinschaftsmarke mit den nationalen Marken beruht, da das Gericht in Randnr. 26 jenes Urteils sein Urteil vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany (MATRATZEN) (T‑6/01, Slg. 2002, II‑4335, Randnr. 55) zitiert hat.

[39] Dieser Argumentation des Gerichts ist zuzustimmen.

[40] Aus der Koexistenz der Gemeinschaftsmarken und der nationalen Marken sowie aus der Tatsache, dass für die Eintragung Letzterer nicht das HABM und für ihre gerichtliche Kontrolle nicht das Gericht zuständig ist, folgt, dass die Gültigkeit nationaler Marken in einem Verfahren über einen Widerspruch gegen eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung nicht in Frage gestellt werden kann.

[41] Im Rahmen eines solchen Widerspruchsverfahrens kann folglich im Hinblick auf ein Zeichen, das mit einer in einem Mitgliedstaat geschützten Marke identisch ist, auch kein absolutes Eintragungshindernis wie das Fehlen von Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 sowie Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinien 89/104 und 2008/95 festgestellt werden. Insoweit ist festzustellen, dass die Bezeichnung eines Zeichens als beschreibend oder als Gattungsbegriff gleichbedeutend mit dem Verneinen seiner Unterscheidungskraft ist.

[42] Wie aus Randnr. 48 des angefochtenen Urteils hervorgeht, haben das HABM und folglich das Gericht, wenn gegen die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke ein auf eine ältere nationale Marke gestützter Widerspruch eingelegt wird, zwar zu prüfen, in welcher Weise die maßgeblichen Verkehrskreise das mit dieser nationalen Marke identische Zeichen in der Anmeldemarke auffassen, und gegebenenfalls den Grad der Unterscheidungskraft dieses Zeichens zu beurteilen.

[43] Diese Prüfungen haben aber, wie die Rechtsmittelführerin zutreffend vorträgt, ihre Grenzen.

[44] Diese Prüfungen dürfen nicht zur Feststellung fehlender Unterscheidungskraft bei einem Zeichen führen, das mit einer eingetragenen und geschützten nationalen Marke identisch ist, weil eine solche Feststellung weder mit der Koexistenz der Gemeinschaftsmarken und der nationalen Marken noch mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, ausgelegt in Verbindung mit Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii dieses Artikels, vereinbar wäre.

[45] Diese Feststellung würde die nationalen Marken beeinträchtigen, die mit einem Zeichen identisch sind, bei dem von einer fehlenden Unterscheidungskraft ausgegangen wird, weil die Eintragung einer solchen Gemeinschaftsmarke einen Sachverhalt darstellen würde, durch den der nationale Schutz dieser Marken aufgehoben werden könnte. Mit dieser Feststellung würde demnach das durch die Verordnung Nr. 40/94 geschaffene System, das auf der in deren fünftem Erwägungsgrund erwähnten Koexistenz der Gemeinschaftsmarken und der nationalen Marken beruht, nicht beachtet, da die Gültigkeit einer internationalen oder nationalen Marke mit der Begründung fehlender Unterscheidungskraft nur im Rahmen eines im betreffenden Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinien 89/104 und 2008/95 angestrengten Nichtigkeitsverfahrens in Frage gestellt werden kann.

[46] Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 sieht ausdrücklich vor, dass im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens als ältere Marken die in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marken zu berücksichtigen sind.

[47] Folglich muss, um nicht gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zu verstoßen, einer nationalen Marke, auf die ein Widerspruch gegen die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke gestützt wird, ein gewisser Grad an Unterscheidungskraft zuerkannt werden.

[48] Dies hat das Gericht im vorliegenden Fall nicht getan.

[49] Zunächst hat das Gericht in Randnr. 44 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das Zeichen „F1“ in beschreibendem Zusammenhang verwendet werden kann und dass es als Abkürzung ebenso eine Gattungsbezeichnung ist wie der Ausdruck „Formel 1“. In den Randnrn. 49 und 51 des Urteils ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Bestandteil „f1“ in der Anmeldemarke nicht als kennzeichnungskräftiger, sondern als ein zu beschreibenden Zwecken benutzter Bestandteil wahrgenommen würde.

[50] Weiter hat das Gericht in den Randnrn. 57 und 61 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Verbraucher den Bestandteil „F1“ in Standardschrift für eine Abkürzung von „Formel 1“, d. h. für eine beschreibende Angabe, halten würden und das Publikum das Zeichen „F1“ im Sinne eines Gattungsbegriffs auffassen werde. Schließlich hat es in Randnr. 67 des Urteils ergänzt, dass durch das Vorhandensein des Buchstabens „f“ und der Ziffer „1“ in der Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft begründet werde.

[51] Obwohl die Feststellungen in den Randnrn. 44, 49, 51, 57, 61 und 67 des angefochtenen Urteils in Bezug auf das Zeichen in der älteren Marke oder den Bestandteil „F1“ in der Anmeldemarke getroffen werden, hat das Gericht, da es in Randnr. 54 des Urteils davon ausgegangen ist, dass dieses Zeichen und dieser Bestandteil identisch seien, somit mit diesen Feststellungen entschieden, dass es sich bei diesem Zeichen um einen Gattungsbegriff handele, der beschreibend sei und keine Unterscheidungskraft habe.

[52] Folglich hat das Gericht die Gültigkeit der älteren Marken im Rahmen eines Verfahrens zur Eintragung einer Gemeinschaftsmarke in Frage gestellt und damit gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen.

[53] Unter diesen Umständen trägt Formula One Licensing zu Recht vor, dass das angefochtene Urteil mit einem Rechtsfehler behaftet ist.

[54] Folglich ist das angefochtene Urteil aus diesem Grund aufzuheben, ohne dass die anderen von der Rechtsmittelführerin vorgetragenen Rechtsmittelgründe untersucht werden müssten.

[55] Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

[56] In der vorliegenden Rechtssache sind die Voraussetzungen dafür, dass der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden kann, nicht erfüllt.

[57] Die Entscheidung in der Sache erfordert nämlich eine Prüfung der Frage, ob die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ausgeschlossen werden kann, ohne dass festgestellt wird, dass das Zeichen „F1“ in den älteren Marken nicht unterscheidungskräftig ist. Das impliziert eine Prüfung des Sachverhalts, die das Gericht besser durchführen kann.

[58] Folglich ist die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Februar 2011, Formula One Licensing/HABM – Global Sports Media (F1‑LIVE) (T‑10/09), wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.

Rechtsgebiete

Markenrecht