Nichtigkeit eines Tierbeförderungsverbots im Aufzug

Gericht

AG Freiburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 04. 2013


Aktenzeichen

56 C 2496/12 WEG


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand


Tatbestand

Die Parteien sind Wohnungseigentümer in der WEG ....

Den Klägern gehört die Wohnung im Dachgeschoss des Hauses. Die Wohnung ist über einen Aufzug erreichbar, der sich innerhalb der Wohnung öffnet. Die Beklagten haben ihre im 2. OG belegene Wohnung vermietet. Die Mieter halten einen Hund. In der ersten ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung vom 26.11.2009, an der von insgesamt 90 Wohnungseigentümern 71 persönlich anwesend oder vertreten waren, haben die Wohnungseigentümer einstimmig eine Hausordnung beschlossen. Der Beschluss ist bestandskräftig. Nach Ziffer 15 der Hausordnung ist die Beförderung von Tieren in beiden Personenaufzügen von Haus 1 (Kirchstraße 12) nicht gestattet. Diese Verpflichtung ist von der Verwalterin, die zugleich für die Beklagten die Mietsonderverwaltung übernommen hat, nicht mietvertraglich an die Mieter der Beklagten weitergegeben worden. Die Mieter der Beklagten benutzen mit ihrem Hund regelmäßig den Aufzug. Die Kläger wandten sich zunächst an die Hausverwaltung um zu erreichen, dass die Hausordnung gegenüber den Mietern der Beklagten durchgesetzt wird. Schließlich forderten die Kläger über ihren Prozessbevollmächtigten auch die Beklagten dazu auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu erreichen, dass der Aufzug des Hauses nicht mehr vom Hund der Mieter der Beklagten benutzt wird. Die Bemühungen der Kläger blieben erfolglos.

Die Kläger tragen vor, sie könnten diesen Verstoß gegen die Hausordnung nicht hinnehmen. Die Klägerin Ziffer 1 leide an einer Allergie und müsse jeglichen Kontakt mit Hundehaaren vermeiden. In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Klägerin, sie leide an Toxoplasmose und müsse jegliche mögliche Ansteckungsgefahr vermeiden. Sie sei deshalb sehr froh gewesen, dass die Wohnungseigentümer in der mündlichen Verhandlung der Gebrauchseinschränkung zugestimmt hätten. Die Gebrauchseinschränkung könne auch wirksam von den Wohnungseigentümern beschlossen werden.

Die Kläger beantragen,

die Beklagten zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass die Mieter der im Eigentum der Beklagten stehenden Eigentumswohnung Nr. 5015 im Anwesen Kirchstraße 12 in Freiburg es unterlassen, ihren Hund im Personenaufzug des Anwesens Kirchstraße 12 in Freiburg zu befördern und

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger € 213,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten meinen, der Beklagte Ziffer 2 sei nicht aktivlegitimiert, weil er kein schutzwürdiges Interesse an der Einhaltung der Regelung für die Benutzung des Aufzuges habe. Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin Ziffer 1 an einer Tierallergie leidet. Die entsprechende Regelung in der Hausordnung stelle eine unzulässige Gebrauchsbeschränkung der beiden Aufzüge dar, insbesondere da nicht nur Hunde und Katzen sondern alle Tiere mit oder ohne Fell betroffen seien. Ein rechtliches Interesse an einer Regelung, die den Transport eines jeglichen Tieres im Aufzug verbiete, bestehe nicht. Dies gelte umso mehr, als die Regelung praktisch nicht umgesetzt werden könne. Die Beklagten seien nicht in der Lage, die in der Hausordnung vorgesehene Einschränkung der Gebrauchsregelung gegenüber den Mietern durchzusetzen, weil diese Einschränkung mietvertraglich nicht vereinbart worden sei und eine entsprechende mietvertragliche Klausel einer AGB-rechtlichen Überprüfung nicht stand gehalten hätte. Die Beklagten tragen außerdem vor, dass die Mieter auf die Nutzung des Aufzugs angewiesen seien, weil der Hund infolge seines Alters und Krankheit nicht mehr selbst über die Treppen in die Wohnung gelangen und wegen seines Gewichts auch nicht getragen werden könne.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze sowie die hierzu vorgelegten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Ein besonderes rechtliches Interesse des Eigentümers, der die Einhaltung der Hausordnung im Klagewege durchsetzen möchte, ist nicht erforderlich.


II.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

1. Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, in die Hausordnung die Regelung aufzunehmen, dass in beiden Aufzügen des Hauses 1 keine Tiere befördert werden dürfen, ist nichtig. Er ist als vereinbarungsersetzender Beschluss nicht nur anfechtbar sondern nichtig, weil er die Ausübung des Eigentumsrechts der Wohnungseigentümer erheblich einschränkt, ohne dass sachliche Gründe vorlägen, die den Eingriff in dem beschlossenen Umfang ausnahmsweise rechtfertigten.

Ausschlaggebend hierfür ist auch, dass die beschlossene Regelung zur Nutzung des Aufzuges im Haus Nr. 1 nicht wirksam an Mieter der Wohnungseigentümer weiter gegeben werden kann. Der betroffene Wohnungseigentümer kann daher nicht nur nicht selbst Tiere im Aufzug befördern, sondern sieht sich auch bei der Vermietung der Wohnung mit dieser Einschränkung konfrontiert. Ein entsprechendes Verbot hielte jedoch einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht stand, da es einen sachlichen Grund, den Transport aller Tiere mit dem Aufzug zu verbieten, nicht gibt. Weder die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 4.5.1995 (NJW 1995, 2036 f.) noch die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 17.11.2011 führen zu einem anderen Ergebnis. Zum Einen sind diese Entscheidungen im Lichte der neuen BGH-Rechtssprechung zu sehen, wie sie in der Entscheidung vom 20.03.2013, Az. VIII ZR 168/12 (zitiert nach juris) zum Ausdruck gekommen ist. Zum Anderen ist zu berücksichtigen, dass sich durch die Entscheidung des BGH vom 20.09.2000 (V ZB 58/99; zitiert nach juris) die Rechtsprechung zu den Beschlusskompetenzen der Wohnungseigentümer deutlich weiterentwickelt hat. Die Rechtsprechung, wonach im Wohnungseigentumsrecht grundsätzlich auch ohne sachlichen Grund durch vereinbarungsersetzenden und bestandskräftig gewordenen Mehrheitsbeschluss die Hunde- und Katzenhaltung grundsätzlich verboten werden kann, kann auf den vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts auch deshalb nicht uneingeschränkt übertragen werden. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zur Entscheidung des BGH aus 1995 vorliegend sich das in der Hausordnung verankerte Verbot nicht nur auf Hunde und Katzen beschränkt, sondern auf alle Tiere, auch solche, von denen kein Schmutz oder andere Beeinträchtigungen für Hausbewohner ausgehen. Es wird nicht verkannt, dass durch die Hausordnung nicht die Tierhaltung generell verboten wird sondern lediglich die Nutzung des Aufzuges geregelt werden sollte. Dass auch dieses Verbot jedoch einschneidende Wirkungen auf die Tierhaltung an sich haben kann, wird nicht zuletzt an vorliegend zu beurteilendem Sachverhalt deutlich. Zudem ist aber auch denkbar, dass der Tierhalter selbst etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, ohne Aufzug in seine Wohnung zu gelangen. Auch dieser Eigentümer ist darauf angewiesen, den Aufzug auch mit seinem Tier nutzen zu können, immer vorausgesetzt, dass von diesem keine Störungen für andere Wohnungseigentümer oder Hausbewohner ausgehen. Gerade aber diese Differenzierungen sind in dem gefassten Beschluss zur Hausordnung nicht getroffen.

2. Ergänzend wird ausgeführt, dass die Wohnungseigentümer nicht daran gehindert werden, auf die besonderen gesundheitlichen Belange der Klägerin Ziffer 1 und auf die baulichen Besonderheiten des Hauses Rücksicht zu nehmen. Gehen von dem Hund der Mieter Gesundheitsgefahren für die Klägerin aus, wird die Krankheit des Hundes sicherlich nicht stärker zu gewichten sein als die Gesundheitsgefahren, die für die Klägerin möglicherweise von Hunde- und Katzenhaaren ausgehen. Das Gericht vermag sich daher den Ausführungen der Beklagten nicht anzuschließen, dass Alter und Krankheit des Hundes einer Durchsetzung eines Verbotes entgegenstehen könnten. Durch das generelle Verbot, den Aufzug überhaupt mit einem Tier zu nutzen, konnte den Interessen der Kläger jedoch nicht wirksam Rechnung getragen werden.

3. Nachdem die Klage im Antrag Ziffer 1 abzuweisen war, schulden die Beklagten auch keinen Ersatz der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.


II.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht