Verspätung des Zuges bei Rail&Fly und damit drei Tage verspäteter Abflug

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

30. 11. 2012


Aktenzeichen

55 S 114/11


Entscheidungsgründe


Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a, 540 Abs. 2 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. 1. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Dass die Nebenintervenientin selbst Berufung eingelegt hat und diese zurückgenommen hat, ist gemäß §§ 74, 67 ZPO ohne Auswirkung auf die Berufung des Klägers, der seine Berufung aufrechterhalten hat. Nach diesen Vorschriften sind nämlich Prozesshandlungen unwirksam, die, wie hier bzgl. der Rücknahme der Berufung in Widerspruch mit Handlungen der Hauptpartei stehen.

Die Berufung des Klägers hat in der Sache auch Erfolg, soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 741,39 EUR begehrt. Soweit der Kläger die Zahlung von noch weiteren 1.281,81 EUR begehrt, ist die Berufung unbegründet.

Im Einzelnen:

1) Wegen des um drei Tage verzögerten Abflugs:

a) Die Berufung ist unbegründet, soweit der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises i. H. v. weiteren 172,- EUR wegen Minderung gemäß §§ 651d Abs. l, 638 Abs.4 S. 1 BGB begehrt.

aa) Die Verspätung des Zuges, die zum Nichterreichen des ursprünglichen Fluges und letztlich zu einem erst um drei Tage verspäteten Abflug führte, begründet zwar einen Reisemangel i. S. d. § 651 c Abs. 1 BGB. Denn die Reise war dadurch mit einem Fehler behaftet, der Wert und Tauglichkeit zum gewöhnlichen und nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen minderte.

Dem steht nicht entgegen, dass die Zugbeförderung von der Nebenintervenientin zu erbringen war. Denn die Beklagte haftet für Fehler durch ihre Erfüllungsgehilfen und die Nebenintervenientin war Erfüllungsgehilfin der Beklagten.

Reiseveranstalter erbringen Leistungen innerhalb der von ihnen veranstalteten Reisen regelmäßig nicht selbst, sondern durch die von ihnen jeweils beauftragten Erfüllungsgehilfen. Ob den Reiseveranstalter die Einstandspflicht für den Mangel einer Reise trifft, bemisst sich danach, ob er im konkreten Einzelfall als Veranstalter einer Reise als Gesamtleistung oder lediglich als Vermittler einer einzelnen Leistung auftritt. Bei Pauschalreisen spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass grundsätzlich das Reiseunternehmen auch hinsichtlich aller im Zusammenhang mit dieser Reise stehenden Leistungen Veranstaltereigenschaft besitzt, soweit nicht die jeweilige Leistung von der Reisegesamtleistung ohne Weiteres abgeschieden werden kann und dem Reisenden in Rechnung gestellt werden kann. Diese Sicht kann jedoch durch die Umstände des Einzelfalls zu korrigieren sein. Maßgeblich ist, ob ein Reiseveranstalter durch sein Gesamtverhalten den Anschein einer Eigenleistung begründet (BGH, Urt. v. 10.10. 2010 - Xa ZR 46/10, …). Der Reiseveranstalter begründet durch sein Gesamtverhalten den Anschein einer Eigenleistung etwa dann, wenn die dem Reisenden bereitgestellten Buchungsunterlagen und Reiseinformationen einschließlich der Kataloge die maßgebliche Leistung ohne gesonderten Hinweis darauf aufführen, dass sie nicht Bestandteil der Eigenleistungen des Veranstalters sei. Nach diesen Grundsätzen trifft die Beklagte die Einstandspflicht für den aus der Zugverspätung folgenden Reisemangel. Die Nebenintervenientin erbrachte eine Leistung der Beklagten, denn diese bot die Zugbeförderung als eigene Leistung an. Der "Zug zum Flug" war in der Buchungsbestätigung vom 30.12. 2009 als eigene Leistung enthalten. Auch der für den Reisezeitraum maßgebliche Preisteil mit Gültigkeit 11.1.2010 des Katalogs 2010 der Beklagten führt in den Hinweisen zu Rail&Fly keine Wendung ein, die ersichtlich werden ließe, dass die Beklagte für diese Leistungen nicht einstehen wolle. Zwar wird Rail&Fly als Angebot der Fluggesellschaften benannt. Doch war auch die Hauptleistung der Fluggesellschaft, der Flug, insbesondere wegen ihrer Erwähnung in der Reisebestätigung Eigenleistung der Beklagten. Im Übrigen bindet der Hinweis des Katalogs, der Kunde erhalte durch die Beklagte eine sogenannte Pick-up-Nummer, auch die Zugbeförderung in das Gesamtspektrum der Reiseleistungen der Beklagten ein.

bb) Im Verhältnis des Wertes der geschuldeten mangelfreien zur tatsächlich mangelhaften Reise wird der Reisepreis gemäß §§ 651d Abs. 1, 638 Abs. 3 BGB gemindert. Der in dieser Höhe überzahlte Reisepreis ist gemäß §§ 638 Abs. 4, 346 ff. BGB zurückzugewähren.

Das Amtsgericht hat zu Recht für den 16.2.2010 keine weitere Minderung i.H.v. 172,- EUR wegen der Zug- und Flugverspätung angenommen. Eine zusätzliche Minderung würde hier bedeuten, dass der Kläger einen Anspruch auf Minderung für den Tag bzw. Zeitraum des Fluges selbst hätte, den er reisebedingt ohnehin und lediglich früher hätte antreten müssen. Eine solche Forderung ist zu verneinen. Ein Minderungsgrund besteht nämlich nur insoweit, als die Reise durch den geltend gemachten Mangel abweichend von dem vertraglich geschuldeten Reiseverlauf durchgeführt worden ist. Eine Abweichung wegen Verspätung endet jedoch denknotwendig in dem Zeitpunkt, in dem die Verspätung endet, weil der auch bei vertragsgerechtem Verlauf erforderliche Flug durchgeführt wird. Dies war hier der 16.2.2010 statt wie ursprünglich geplant der 13.2.2010.

b) Der Beklagte hat dem Kläger gemäß § 651c Abs. 3 S. l BGB die Abhilfekosten in Höhe von 860,- EUR zu ersetzen, die für die Umbuchung des Fluges am 16.2.2010 für sich und die Zeugin N. entstanden sind. Insoweit hat die Berufung i. H. v. 430,- EUR Erfolg.

Als Anspruchsgrundlage greift hier § 651c Abs. 3 S. l BGB, denn es geht um einen Aufwendungsersatz für die klägerische Selbstabhilfe durch Vornahme und Entgeltung der beklagtenseitig geschuldeten Ersatzflugbuchung (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2010 - Xa ZR 46/10, …; BGH, Urt. v. 17.4.2012 - X ZR 76/11, …). Der beklagte Reiseveranstalter hat sich bis zum Abflug außerstande gesehen, die Buchung bei der Fluggesellschaft vorzunehmen und jedenfalls die Flugkosten hierfür zu tragen. Er hat lediglich die Organisationsleistungen für die Umdisposition der Reise am Reiseziel erbracht. Die Beklagte hätte jedoch Abhilfe für den nichterreichten Flug schaffen müssen. Denn die Zugfahrt zum Flughafen war Teil der Gesamtreiseleistungen.

Reisemangel und rechtzeitige Mangelrüge am geplanten Abreisetag, dem 13.2.2010, liegen vor. Der Kläger hat der Beklagten auch hinreichend Gelegenheit gegeben, Abhilfe zu schaffen. Beide Parteien standen seit Erkennbarwerden der Zugverspätung und spätestens sodann am Flughafen Frankfurt a.M. in regelmäßigem Telefonkontakt. Die Ersatzbuchung nahm der Kläger in Abstimmung mit der Beklagten vor; auf die Notwendigkeit, den Flug selbst zu zahlen, wurde er durch diese verwiesen. Es bedurfte keiner ausdrücklichen Fristsetzung, weil nach der Natur der Sache zu Beginn einer Pauschalreise eine Umbuchung unverzüglich und auf den möglichst nächstfolgenden Flug zu erfolgen hat. In einem solchen Fall enthält jedes - hier unstreitig mehrfach erhobene - Gewährleistungsverlangen konkludent auch eine nicht bereits nach § 651c Abs. 3 S. 2 Alt. 2 BGB entbehrliche Fristsetzung. Bereits dadurch wurde dem Sinn der Fristsetzung, dem Vorrang der Abhilfe des Reiseveranstalters vor der Selbstabhilfe, Rechnung getragen. Die Haftung nach § 651c Abs. 3 BGB ist ferner verschuldensunabhängig. Im Übrigen richtet sich der Ersatzanspruch des Klägers auf die volle Höhe der erbrachten Aufwendungen für den ersatzweise gebuchten Flug; Dass eine Umbuchung zu geringeren Kosten hätte erfolgen können, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Der Kläger ist jedenfalls aufgrund der Abtretung berechtigt, den Betrag geltend zu machen, der auf den Reisepreis der Zeugin N. in Höhe von 430,- EUR entfällt.

Dabei kann es offen bleiben, ob die allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag wirksam einbezogen wurden und ob die Lebensgefährtin als Familienangehörige anzusehen ist. Denn Ziffer 7.4 dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach § 306 BGB unwirksam. Denn dieser Abtretungsausschluss benachteiligt den Reisenden wider die Grundsätze von Treu und Glauben unangemessen.

Ob ein Abtretungsausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Reisenden unangemessen benachteiligt, bestimmt sich aus einer vom Einzelfall losgelösten Betrachtung nach der wechselseitigen typischen Interessenslage zwischen Verwender und Verwendungsempfänger. Die Abwägung der Interessen des Verwenders einerseits und des Reisenden andererseits ergibt, dass letztere Interessen überwiegen (vgl. BGH, Urt. v.17.4.2012 - X ZR 76/11, Rn. 10 ff., …). Der Reisende hat nämlich ein überwiegendes Interesse daran, die Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter demjenigen Vertragspartner zuzuordnen, der für die Zahlung des Reisepreises zu Gunsten einer Mehrheit von Reisenden aufgekommen ist. Würde durch ein Abtretungsverbot die Trennung von rechtlichem Anspruch und wirtschaftlicher Berechtigung verfestigt, so müsste zur Geltendmachung des Anspruchs der rechtliche Anspruchsinhaber einen Anspruch gerichtlich verfolgen und das dahingehende vorrangig kostenmäßige Prozessrisiko tragen, obwohl dieser Anspruch ihm wirtschaftlich nicht zukommt. Dem steht nicht entgegen, dass nach in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Grundsätzen innerhalb einer Reisegruppe der zur Zahlung der Gegenleistung und zur Durchsetzung der Leistungsansprüche auch in ihrer modifizierten Form als Gewährleistungsansprüche Berechtigte regelmäßig identifiziert werden kann (vgl. BGH, 17.4.2012, …; OLG Düsseldorf, Urt. v. 103.1988 - 18 U 218/87, …; OLG Hamburg, Urt. v. 28.2.1996 - 8 U 107/95, …; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 24.5.2004 - 16 U 167/03, …; MüKo-BGB/ Tonner [6. Aufl. 2012], § 651 a Rn. 8). Jedenfalls dann, wenn die internen Absprachen zwischen den Reisenden hinsichtlich der Kostentragung aus dem Reisevertrag zunächst nicht nach außen treten, besteht ein Bedarf an einer Zusammenführung von Anspruch und Berechtigung. Auch für solche, nicht lediglich vereinzelte Fälle schließt die beklagtenseitig eingeführte Klausel die Anspruchsübertragung jedoch aus.

c) Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten zusätzlichen Kosten für die Umbuchung der Reiseleistungen am Reiseziel in Höhe von 346,- EUR gemäß §§ 812 Abs. 1 S. l, 651c Abs. 2 S. l BGB (vgl. zur Auswahl der Anspruchsgrundlage: BGH, Urt. v. 28.10. 2010 - Xa ZR 46/10, …). Insoweit hat die Berufung i.H.v. 173,- EUR Erfolg (Umbuchungskosten bezüglich der Zeugin N.).

Die vom Kläger an die Beklagte geleistete Zahlung ist ohne Rechtsgrund erfolgt. Denn die Kosten der Umbuchung betrafen die von der Beklagten geschuldete Abhilfe. Die Durchführung der geplanten Reise gehört - ungeachtet erforderlich werdender Änderungen im Reiseverlauf - zum Kern der vereinbarten Reiseleistungen. Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen (Reisemangel, Mangelrüge, Lebensgefährtinanteil) wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

2) Reisemängel während des Aufenthalts in Thailand ab dem 16.2.2009

a) Minderungsansprüche

Sofern der Kläger die Rückzahlung von weiteren 482,20 EUR wegen Minderung gemäß §§ 651d Abs. 1, 638 Abs. 4 S. l BGB begehrt, hat die Berufung lediglich i. H. v. 25,70 EUR Erfolg.

aa) Hinsichtlich des Zeitraums 16.2. bis 17.2.2010 hat die Berufung lediglich in Höhe von 25,70 EUR Erfolg. Zugrunde zu legen ist eine Minderung von 20 v. H. für den Zeitraum 16.2.bis 17.2.2010. Denn die Wartezeit am Flughafen in Bangkok am Ankunftstag (16.2.2010) im Hinblick auf die zunächst erfolgte Verweigerung und die Unsicherheit bezüglich des Transfers, die am Tag darauf folgende erhebliche Wartezeit von drei Stunden auf die Fähre zu der Insel Koh Samui und die schließlich vertragswidrige Organisation lediglich einer Hinfahrkarte für die Fähre stellen bereits für sich erhebliche und minderungsfähige Reisemängel dar. Erschwerend tritt hinzu, dass in Anbetracht des bisherigen Anreisewegs diese weiteren Mängel von besonderem Gewicht und über den ihnen allein innewohnende Mangelgehalt hinaus geeignet waren, die Reise zu beeinträchtigen.

Hinsichtlich der Höhe des für die Minderung maßgeblichen fiktiven Tagespreises sind allerdings nicht 172,- EUR, sondern 150,25 EUR anzusetzen:

(1) Entgegen der Auffassung des Klägers begründet es keinen Rechtsfehler, dass das Amtsgericht für die Berechnung der Minderungsquote "im Ansatz die durch die Rechtsprechung geformten Leitlinien", die Frankfurter Tabelle (letztmals veröffentlicht in NJW 1994, 1639 ff.; zur Begründung Tempel, NJW 1985, 1885 ff), zugrunde gelegt hat.

Die Tabelle begründet grundsätzlich eine für die Rechtspraxis brauchbare, lediglich mangels Fortentwicklung in der Rechtsprechung der vergangenen Jahre nicht mehr vollauf dem Stand der Rechtsentwicklung entsprechende Leitlinie zur Bemessung von Minderungsansprüchen. Sie führt nicht zur Vorwegnahme einer gerichtlichen Prüfung. Denn sie gibt keine festen Minderungsquoten vor, sondern Bandbreiten der Quotenbemessung verbunden mit Hinweisen zu maßgeblichen Quotierungsfaktoren.

Auf eine der klägerseitig eingeführten neueren Tabellen - etwa die Minderungstabelle des ADAC - musste das Amtsgericht nicht zurückgreifen. Während die vom Landgericht Frankfurt entwickelte Tabelle eigene Vorschläge eines Gerichts zur vergleichsweisen Bemessung von Minderungsquoten enthält, stellen die vom Kläger angegebenen neueren Tabellen lediglich kasuistische Auflistungen der in der instanzgerichtlichen Praxis ergangenen Urteile zu einzelnen Reisemängeln dar, die nicht über den Einzelfall hinausgehen (in diesem Sinne auch MüKo-BGB/ Tonner [6. Aufl. 2012], § 651d Rn. 20). Sie sind jeweils nicht von einem Gericht erstellt, sondern von einzelnen Autoren des Schrifttums bzw. privaten Vereinen entwickelt worden und können schon von daher jedenfalls nicht mittelbar Verbindlichkeit dadurch erlangen, dass ihre Nichtberücksichtigung als rechtsfehlerhaft erachtet wird.

(2) Zutreffend wurde in der angefochtenen Entscheidung als Gesamtreisepreis der ursprüngliche Gesamtpreis von insgesamt 2.404,- EUR für 2 Personen zugrunde gelegt, d.h. ohne die später dazu gekommenen Umbuchungskosten. Denn die Minderung setzt einen Vergleich zwischen der vertraglich vereinbarten Soll-Reise und der tatsächlichen Reise voraus.

(3) Schließlich ist nicht von einer (geplanten) 14-tägigen Reise, sondern von einer 16-tägigen Reise auszugehen (13.2. bis 28.2.). Auch der an An- und Abreisetag sind zu berücksichtigen, da auch insoweit Gewährleistungsansprüche grundsätzlich in Betracht kommen.

Danach beträgt der fiktive Tagespreis 150,25 EUR.

Unter Zugrundelegung eines Tagespreises von 150,25 EUR beträgt der Rückzahlungsanspruch 60,10 EUR bei einer Minderung von 20 v.H für 2 Tage. Insoweit hat die Berufung i.H.v. 25,70 EUR (60,10-34,40) Erfolg.

bb) Hinsichtlich der zwei weiteren Tage (18. und 19.2. 2010) hat das Amtsgericht eine Minderungsquote von 10 v.H. des Tagespreises (172,- EUR) angenommen und 34,40 EUR zugesprochen. Es besteht kein Anlass für eine höhere Minderungsquote.

Ein Reisemangel liegt insoweit in der mangelnden Organisation einer Rückfahrfahrkarte und dem daraus erwachsenden Bedarf zu mehrfachen Telefongesprächen mit der von der Beklagten gestellten Reiseleiterin. Die den Kläger betreffenden Unannehmlichkeiten sind nicht von einer solchen Schwere, dass sie eine über 10 v.H. hinausgehende Minderung des Reisepreises rechtfertigen würden. So unbefriedigend sie für den Kläger auch gewesen sein mögen und er noch nach schlussendlich erfolgter Hinreise um die vom Beklagten geschuldete Organisation besorgt gewesen sein mag, so hatten die Tage des telefonischen Kontaktes trotz notwendiger gelegentlicher Anrufe mit der Reiseleitung weiterhin Urlaubscharakter. Auch die Vorerfahrungen des Klägers lassen keine höhere Minderungsquote angezeigt erscheinen. Die bloße Sorge, dass an einem Folgereisetag ein neuerlicher Reisemangel auftreten könnte, begründet noch keinen weiteren Reisemangel selbst.

cc) Die Berufung ist ebenfalls unbegründet, soweit der Kläger eine Minderung von 20 v. H. für den Zeitraum 20.2. bis 28.2.2010 begehrt. Insoweit hat das Amtsgericht zu Recht einen Minderungsgrund verneint. Weitere Reisemängel traten nicht auf. Die Sorge darum, dass zum Ende der Reise ein weiterer Mangel durch Nichtbeförderung eintreten könnte, begründet keinen eigenständigen Reisemangel, zumal nach der Zusage der Erfüllungsgehilfin der Beklagten für den Transport Sorge getragen war. Eine rechtlich erhebliche Ausstrahlung der bisherigen Mängel auf diese weiteren Reisetage ist nicht erkennbar.

b) Sofern der Kläger mit seiner Berufung eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit in Höhe von 938,- EUR gemäß § 651f Abs. 2 BGB begehrt, hat die Berufung lediglich in Höhe von 112,69 EUR Erfolg.

aa) Das Amtsgericht hat dem Kläger für die ersten drei Tage der Reise bis zum Abflug eine Entschädigung i. H. v. 50 v.H. des auf diese drei Tage entfallenden Reisepreises zugesprochen. Die Berufung hat insofern Erfolg, als der Kläger auch den Anteil der Zeugin N. i.H.v. 112,29 EUR verlangen darf.

(1) Ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit besteht in Bezug auf die ersten drei geplanten Urlaubstage, denn insoweit liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor. Für die ersten drei Urlaubstage wurde - wie oben erörtert wurde - der Reisepreis um 100 v. H. gemindert. Die ersten Tage begründen einen in sich abgeschlossenen Reiseteil, der eigentlich in Bangkok hätte verbracht werden sollen, tatsächlich aber in Deutschland verbracht werden musste. Der Zweck des Urlaubs, Erholung zu finden, wurde insoweit nicht erreicht, vielmehr fiel der für den Verspätungszeitraum ursprünglich geplante Reiseabschnitt insgesamt weg.

(2) Die erhebliche Beeinträchtigung ist durch die Beklagte auch zu vertreten. Das Vertretenmüssen wird gemäß § 651f Abs. l a.E. BGB vermutet, diese Regelung ist auch auf Ansprüche gemäß § 651f Abs. 2 BGB anwendbar. Die Vermutung wird vorliegend nicht durch den Verweis auf die Verantwortlichkeit der Streithelferin widerlegt, da der Beklagten gemäß § 278 BGB ein Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfin zugerechnet wird. Keine entlastende Wirkung hat auch der Verweis darauf, dass im Falle einer früheren Unterrichtung der Beklagten durch die Klägerin über die Zugverspätung eine Ersatzbuchung für den Flug am Abend desselben Tages hätte erfolgen können. Die Beklagte hat selbst ausgeführt, dass das Büro der betroffenen Fluggesellschaft nicht ohne Weiteres zu erreichen gewesen sei; es war keineswegs sichergestellt, dass ein früherer Anruf zu einer erfolgreichen Umbuchung geführt hätte. Im Übrigen sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger ungebührlich lang zugewartet haben könnte, ehe er die Beklagte verständigte.

(3) Der Gewährung von immateriellem Schadensersatz neben der Minderung für denselben Zeitraum steht nicht der Einwand einer Überkompensation des Klägers entgegen. Die Erstattungssumme auch für den abgeschlossenen Zeitraum der ersten drei Urlaubstage ist in ihrer Höhe an der Gesamtreisedauer zu messen. Die Einbuße am Leistungsinteresse reicht auch über die drei Urlaubstage hinaus, um die die Reise verspätungsbedingt verkürzt wurde. Mit der Verspätung entfiel nicht nur ein zeitlicher Anteil an der Reise, sondern ein abgrenzbarer Teil der Reise - nämlich der Besuch in Bangkok - insgesamt. Darauf, dass die Reisenden noch eine Übernachtung in Bangkok verbrachten, kommt es nicht an, weil der vertragsspezifische Reisewert für gewöhnlich nicht in der nicht zielgeprägten Übernachtung an einem Ort, sondern in dessen Besichtigung zuvörderst am Tag besteht. Mit dem gänzlichen Entfall des ersten von drei Reiseteilen trat hinsichtlich der Gesamtreise Teilzweckverfehlung ein.

(4) Insoweit kann der Kläger entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung auch den Entschädigungsanspruch der Zeugin N. geltend machen:

Auch insoweit ist der Kläger aufgrund der Abtretungserklärung der Zeugin N. gemäß § 398 BGB berechtigt, ihre Ansprüche geltend zu machen. Dass ein Anspruch § 651 f Abs. 2 BGB abgetreten werden kann, ist von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 26.5.2010 - Xa ZR 124/ 09, …). Die Abtretung des Entschädigungsanspruchs ist auch nicht durch die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam ausgeschlossen worden, insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

(5) Der Höhe nach gilt auch hier ein Tagespreis von 150,25 EUR für 2 Personen, d.h. 75,125 EUR pro Person. Unter Zugrundelegung von 50 v.H. für 3 Tage besteht ein Anspruch hinsichtlich der Zeugin N. in Höhe von 112,69 EUR.

bb) Ein Anspruch auf eine weitergehende Entschädigung für den gesamten Reisezeitraum besteht nicht. Insoweit fehlt es an einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651f Abs. 2 BGB. Eine erhebliche Beeinträchtigung für die Gesamtreise oder einen abgeschlossenen Reiseteil nach der Höhe der für diesen Zeitraum eingetretenen kumulierten Minderungssumme im Verhältnis zu dem zu entrichtenden Reisepreis zu bemessen ist (vgl. BGH, Urt. v.I7.4.2012 - X ZR 76/ 11, …). Eine erhebliche Beeinträchtigung ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, dabei ist sie jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Summe der Minderung mehr als 50 v.H. des Reisepreises ausmacht (vgl. LG Berlin, Urt. v. 28.1.2010 - 86 S 14/10; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 6.1.2011 - 2-24 S 61/10, …). Im Übrigen verbietet sich eine schematische Betrachtung (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.2012 - X ZR 76/11, …): Auch bloße Minderungsquoten von lediglich einem Drittel oder sogar einem Viertel können die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung noch erlauben, wenn die in der Minderung ausgedrückte Beeinträchtigung für das Gesamtbild der Reise von besonderem Gewicht war, etwa, weil sie auf den Erholungswert der Reise vor Antritt - ohne dass dies zugleich Minderungswirkung hätte - zurückwirkt.

Die oben errechnete Minderungssumme zu Gunsten des Klägers beläuft sich insgesamt auf weniger als 30% des Gesamtreisepreises. Sie begründet als solche keine erhebliche Beeinträchtigung für den gesamten Reisezeitraum. Im Übrigen war vorliegend die in der Minderung ausgedrückte Beeinträchtigung für das Gesamtbild der Reise nicht von besonderem Gewicht, weil sich die Beeinträchtigung auf einen Teil des Reisezeitraums beschränkte und die Erholungseignung im restlichen Zeitraum hinreichend aufrechterhalten blieb.

3) Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 229,38 EUR. Insoweit hat die Berufung i.H.v. 72,88 EUR Erfolg, i. H. v. weiteren 43,49 EUR ist die Berufung unbegründet.

Entgegen den Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung folgt der Anspruch allerdings nicht auch aus § 651f Abs. 1 BGB, sondern aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB (BGH, Urt. v. 28.10.2010 - Xa ZR 46/10, …). Denn die Ersatzpflicht knüpft nicht an einen Reisemangel, sondern an eine nachträgliche Pflichtverletzung des Schuldners bei der Abwicklung der reisevertraglichen Gewährleistungsrechte an; sie ist nicht Teil der Gewährleistung, sondern ihre Folge. Eine Zahlung erfolgte trotz Aufforderung mit Schriftsatz vom 26.3.2010 nicht. Mit Schriftsatz vom 17.5.2010 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zur Zahlung bis zum 26.5.2010 erfolglos auf. Dass die Beklagte insoweit ein Verschulden trifft wird gesetzlich vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, und diese Vermutung ist durch sie nicht widerlegt worden. Die Höhe richtet sich nach dem Gegenstandswert. Vorgerichtlich hat der Kläger allerdings keinen Anspruch nach § 651 f Abs. 2 BGB geltend gemacht, vgl. maßgeblich sind hier nur die anderen Ansprüche, insgesamt 1.888,50 EUR. Danach besteht ein ersatzfähiger Betrag in Höhe von 229,38 EUR. …

Rechtsgebiete

Reiserecht