Beeinträchtigungen durch herab fallende Pflanzenteile und Vogelkot

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

28. 10. 2002


Aktenzeichen

67 S 127/02


Tenor


Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am04. März 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 22 C 299/01 – geändert:

Teilurteil

Die Beklagte wird verurteilt, der Mieterin ... Berlin, Aufgang 8, 5 Etage links, aufzugeben, die auf ihrem Balkon befindliche Bepflanzung soweit zurückzuschneiden, dass diese nicht mehr über die Brüstung ihres Balkons herüberragt.

Die Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszuges bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Im Übrigen wird der Rechtsstreit an das Amtsgericht zur Entscheidung über die Klageanträge zu 2. und 3. zurückverwiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand


Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.

II. Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet, wobei sich die Entscheidungskompetenz der Kammer auf die erste Stufe des mehrstufigen Klagebegehrens beschränkt, während der Rechtsstreit im Übrigen an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (vgl. Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, § 254 ZPO Rn. 9 mit zahlreichen Nachweisen).

Die Kläger haben gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, den Schutz ihrer Terrasse vor einem Übermaß an herabfallenden Blüten und sonstigen Pflanzenbestandteilen sowie herabfallendem Vogelkot zu gewährleisten, das durch die über die Brüstung herüberragende Bepflanzung des Balkons der Mieterin ... mit einem Knöterich verursacht wird.

1. Aufgrund des Vertragsabschlusses vom 27. Juli 1998 besteht zwischen den Parteien ein wirksames Mietverhältnis über die Wohnung Nr. 8.2.2 im Hause ... Berlin. Die Beklagte ist gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, die streitgegenständliche Wohnung während der Dauer des Mietverhältnisses in einem zu dem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Diese Verpflichtung bezieht sich auch auf die Beseitigung von Anfangsmängeln im Sinne des § 536 b BGB und von unerheblichen Mängeln im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB, denn der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB wird vom Anwendungsbereich der §§ 536 b, 536 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht erfasst.

2. Der vertragsgemäße Gebrauch der Terrasse, die zu der streitgegenständlichen Wohnung gehört, wird durch ein Übermaß an herabfallenden Blüten und sonstigen Pflanzenbestandteilen sowie herabfallendem Vogelkot beeinträchtigt, das durch die über die Brüstung herüberragende Bepflanzung des Balkons der Mieterin ... mit einem Knöterich verursacht wird.

a) Die Bepflanzung des Balkons der ..., wie sie auf den eingereichten Lichtbildern zu erkennen ist, hält sich nicht mehr im Rahmen eines vertragsgemäßen Gebrauchs, soweit der von ihr aufgehängte Knöterich als buschartiges Gewächs in einem erheblichen Umfang über die Brüstung herüberragt.

aa) Grundsätzlich kann ein Mieter den Balkon, der zu seiner Wohnung gehört, unter Verwendung von Blumenkästen, Blumentöpfen und anderen Gefäßen so bepflanzen, wie es seinem persönlichen Geschmack entspricht. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass abgestorbene Pflanzenbestandteile bei bestimmten Windverhältnissen auf darunter liegende Balkons fallen können, was die betreffenden Mieter situationsbedingt hinnehmen müssen. Sofern sich unterhalb der Balkons eine Terrasse mit einer größeren Grundfläche befindet müssen die Mieter dieser Wohnung verstärkt damit rechnen, dass abgestorbene Pflanzenbestandteile auf ihre Terrasse geraten.

bb) Eine andere Betrachtungsweise ist indes geboten, wenn ein Mieter seinen Balkon auf eine Art gestaltet, dass die Bepflanzung in einem erheblichen Umfang über die Brüstung herüberragt, obwohl sich unterhalb seines Balkons eine Terrasse befindet. Unter derartigen örtlichen Verhältnissen muss von dem Mieter, zu dessen Wohnung der Balkon gehört, verlangt werden, auf nachbarschaftliche Belange Rücksicht zu nehmen, denn eine Bepflanzung, die über die Brüstung herüberragt hat zwangsläufig zur Folge, dass abgestorbene Pflanzenbestandteile nicht auf den eigenen Balkon, sondern stets auf die darunter liegende Terrasse fallen. Dem Mieter, zu dessen Wohnung der Balkon gehört, ist die architektonische Gestaltung des Gebäudes bei Vertragsabschluss bekannt, so dass ihm bei der Bepflanzung des Balkons auch von vornherein zugemutet werden kann, sich auf die örtlichen Verhältnisse einzustellen.

b) Die Bepflanzung des Balkons der Mieterin ..., wie sie auf den eingereichten Lichtbildern zu erkennen ist, indiziert, dass der vertragsgemäße Gebrauch der streitgegenständlichen Terrasse durch ein Übermaß an herabfallenden Blüten und sonstigen Pflanzenbestandteilen sowie herabfallendem Vogelkot beeinträchtigt wird, ohne dass es auf die konkrete Anzahl der organischen Überreste ankommen würde, die während der unterschiedlichen Jahreszeiten auf die Terrasse geraten.

III. Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug bleibt dem zu erlassenden Schlussurteil vorbehalten. Die Kostenentscheidung für den zweiten Rechtszug folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. Baumbach u. a. (Hartmann), Zivilprozessordnung, § 254 ZPO Rn. 20).

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 713 ZPO.

V. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht; Mietrecht