Verwaltungsaufwand kann relativ hohe Vermessungsgebühr für elf Quadratmeter großes Grundstück rechtfertigen

Gericht

VG Minden


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

06. 03. 2013


Aktenzeichen

3 K 3053/12


Tenor


Tenor

Soweit die Parteien das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Im Dezember 2011 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Teilungsvermessung des Grundstücks C....weg 6, I. , Flur 5, Flurstück 108. Ein Teil des Grundstücks sollte von der Nachbarin an den Kläger verkauft werden. Das neu entstehende Flurstück hat eine Größe von 11 qm. Die Vermessung erfolgte im Frühjahr 2012. Mit Gebührenbescheid vom 19.09.2012 stellte der Beklagte dem Kläger eine Gebühr i.H.v. 2.501,60 € in Rechnung, die sich aus einer Gebühr für die Erstellung eines amtlichen Lageplans i.H.v. 378 €, abzüglich einer Ermäßigung wegen gemeinsamer Ausführung nach der Tarifstelle 4.3.3.2 i.H.v. 37,80 €, einer Gebühr für die Teilungsvermessung i.H.v. 1346 €, abzüglich einer Ermäßigung wegen gemeinsamer Ausführung nach der Tarifstelle 4.3.3.2 i.H.v. 37,80 €, der Mehrwertsteuer i.H.v. 313,20 € und einer Gebühr für die Fortführung des Liegenschaftskatasters i.H.v. 540 € zusammensetzt.

Der Kläger regte mit Schreiben vom 02.10.2012 an den Beklagten an, von der teilweisen Erhebung der Gebühren aus Gründen der Billigkeit abzusehen. Der Beklagte antwortete dem Kläger mit E-Mail vom 16.10.2012, dass die Angelegenheit zur genaueren juristischen Klärung an die Rechtsabteilung weitergeleitet worden sei.

Der Kläger hat am 19.10.2012 Klage erhoben. In der Klageerwiderung vom 10.01.2013 hat der Beklagte einen Billigkeitserlass abgelehnt. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Ermäßigung nach Tarifstelle 4.3.3.2 i.H.v. 10 % auf die Gebühren für die Teilungsvermessung gewährt wurde und die entsprechende Ermäßigung für den Lageplan entfiel. Im Ergebnis reduzierte sich die Gebührenforderung um 59,00 € zzgl. Mehrwertsteuer i.H.v. 11,21 € auf 2.431,39 €. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger ist der Ansicht, der Gebührenbescheid sei auf Grund eines Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip aus § 3 Abs. 1 GebG NRW rechtswidrig, da die Kosten für die Vermessungsarbeiten den Wert des neu entstandenen Flurstücks übersteigen würden. Zudem zeige sich ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip darin, dass die Vermessung eines durchschnittlichen Baugrundstücks nur unwesentlich teurer sei als die Vermessung des 11 qm großen Flurstücks. Zumindest hätte der Beklagte von der Erhebung der Gebühren für die Erstellung des amtlichen Lageplans aus Gründen der Billigkeit absehen müssen, weil erst in jüngster Zeit in derartigen Fällen ein amtlicher Lageplan für die Teilungsgenehmigung nach § 8 BauO NRW verlangt wird.

Der Kläger beantragt,

den Kostenbescheid vom 19.09.2012 in der Fassung vom 06.03.2013 aufzuheben,

hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 10.01.2013 zu verpflichten, die festgesetzte Gebühr zu erlassen, soweit sie für die Erstellung des amtlichen Lageplans erhoben wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip sei nicht gegeben. Zudem sei ein Absehen von der Erhebung der Gebühr für die Erstellung des amtlichen Lageplans aus Billigkeitsgründen nicht möglich, da die Bezirksregierung Detmold unter dem 09.11.2010 alle mit Vermessungsarbeiten Betrauten angewiesen habe, bei Teilungsvermessungen bebauter Grundstücke amtliche Lagepläne anzufertigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Soweit die Parteien das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war es in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Im Übrigen ist die Klage nicht begründet.


I.

Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den Bescheid ist § 1 der Gebührenordnung für das amtliche Vermessungswesen und die amtliche Grundstückswertermittlung in Nordrhein-Westfalen (VermWertGebO NRW) i.V. mit den Tarifstellen 3.1, 4.1 und 5.1 des dazugehörigen Vermessungsgebührentarifs (VermWertGebT NRW), der gemäß § 1 VermWertGebO NRW einen Teil der Verordnung bildet.

Die Tarifstellen 3.1, 4.1 und 5.1 des VermWertGebT NRW sind mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies gilt insbesondere für § 3 GebG NRW, der eine Ausgestaltung des bundesrechtlich geltenden Äquivalenzprinzips ist, das wiederum eine gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt.

Das Äquivalenzprinzip besagt, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von der Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Dabei kann eine Verletzung des Äquivalenzprinzips zur Aufhebung angefochtener Gebührenbescheide nur führen, wenn das Äquivalenzprinzip gröblich verletzt ist. Es ist auf jede einzelne Amtshandlung abzustellen; auf einen Vergleich mit anderen Gebührenrelationen kommt es nicht an, auch nicht darauf, ob bei anderen Gebührentatbeständen eine günstigere Wertrelation zwischen der Leistung der Verwaltung und der Gegenleistung für den Betroffenen besteht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.04.1967 - IV C 179.65 -, Rdn. 20 m.w.N, zitiert nach juris.

Gebühren werden als Gegenleistung für die jeweils erbrachte besondere öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit erhoben und sollen der Abgeltung des Verwaltungsaufwandes und des mit der Amtshandlung verbunden privaten Nutzens bzw. Vorteils dienen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.07.2004 - 9 A 201/02 -, Rdn. 12, zitiert nach juris.

Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip liegt bei der Gebühr für die Erstellung des amtlichen Lageplans nicht vor. Diese Gebühr ermittelt sich nach der Tarifstelle 3.1.1 aus einer Grundgebühr, die in Abhängigkeit von der Fläche des Antragsgrundstücks zu ermitteln ist (Tarifstelle 3.1.1.1), nach dem Schwierigkeitsgrad, durch welchen der Aufwand zur Herstellung des Lageplans berücksichtigt wird (Tarifstelle 3.1.1.2) und der Wertstufe, die sich aus dem Bodenrichtwert ergibt (Tarifstelle 1.9). Es findet somit eine Mischkalkulation statt, die sowohl den Verwaltungsaufwand als auch den privaten Vorteil berücksichtigt. Die Gebührenbemessung nach der Größe der Fläche, dem Schwierigkeitsfaktor und dem Wertfaktor ist dabei ein geeigneter Maßstab. Es ist zu berücksichtigen, dass der Gebührengesetzgeber bzw. der von ihm ermächtigte Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung der Gebührenmaßstäbe und der Höhe der Gebührensätze über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, der durch das Gericht nur auf Ermessensfehler hin überprüft werden darf.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01.02.1998, - 9 A 1252/88 -, Rdn. 46, zitiert nach juris.

Solche sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass sich die Grundgebühr u.a. nach der Fläche des Antragsgrundstücks bemisst, also bei der Erstellung des Lageplans für eine Grundstückteilung nach der Fläche des ursprünglichen Flurstücks. Denn bei einer Grundstücksteilung ist nach § 17 BauPrüfVO NRW die Anfertigung eines Lageplans erforderlich, aus dem sich die rechtmäßigen Grenzen, die vorhandenen baulichen Anlagen und die Grenzabstände, die Abstandflächen und die Abstände zu den baulichen Anlagen des ursprünglichen Grundstücks ergeben.

Auch bei der Gebühr für die Teilungsvermessung ist ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip nicht ersichtlich. Die Gebühr setzt sich nach der Tarifstelle 4.1.2 zusammen aus einer Grenzlängengebühr, die sich nach der Länge der untersuchten Grenzlängen des bestehenden Flurstücks bemisst (Tarifstelle 4.1.1.1), einer Flächengebühr, die sich aus der Fläche des neu entstehenden Flurstücks ergibt (Tarifstelle 4.1.1.2) und der Wertstufe, die sich nach dem Bodenrichtwert richtet (Tarifstelle 1.9). Auch hier findet eine Mischkalkulation statt, welche Ermessensfehler nicht erkennen lässt. Insbesondere zeigt die Aufnahme einer eigenen Gebühr für neu entstehende Grundstücke bis einschließlich 10 qm in der Tarifstelle 4.1.1.2, dass der Verordnungsgeber die Möglichkeit der Entstehung kleiner Flurstücke gesehen hat. Dennoch hat er sich für eine Mischkalkulation aus der Länge der untersuchten Grenzlängen des bestehenden Flurstücks, der Fläche des neu entstehenden Grundstücks und der Wertstufe entschieden, und damit hingenommen, dass bei der Entstehung kleiner Flurstücke vergleichsweise hohe Gebühren anfallen können. Die Regelung bezweckt offenbar eine weitgehende Deckung des Verwaltungsaufwands, der sich bei der Vermessung entstehender kleiner Flurstücke nicht wesentlich von der Vermessung entstehender mittlerer oder größerer Flurstücke unterscheidet. Wegen des hohe Verwaltungsaufwands ist ein Missverhältnis zwischen der Gebühr und der von der Verwaltung erbrachten Leistung nicht ersichtlich, wenn, wie hier, ein relativ kleines Grundstück neu gebildet wird.

Auch bei der Gebühr für die Fortführung des Liegenschaftskatasters ist ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip nicht zu erkennen. Ein verlässliches Liegenschaftskataster vermittelt auch für den jeweiligen Gebührenschuldner, also den Eigentümer des Grundstücks, einen Wert, da es diesem im Rechtsverkehr insbesondere mit Banken und Bauaufsichtsbehörden erhebliche Vorteile bietet. Die Gebühr für die Fortführung des Liegenschaftskatasters setzt sich nach der Tarifstelle 5.1 aus einer Gebühr, die sich nach der Fläche des neu entstehenden Flurstücks richtet, und der Wertstufe nach der Tarifstelle 1.9 zusammen. Es findet somit auch hier eine Mischkalkulation statt. Dass der Verordnungsgeber lediglich zwischen Flurstücken bis 10 qm und über 10 qm unterscheidet, ist nicht zu beanstanden. Denn es ist aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität unumgänglich und nach dem allgemein im Abgabenrecht geltenden Grundsatz der Typengerechtigkeit auch unbedenklich, dass eine gewisse Pauschalierung stattfindet, die nicht jedem Einzelfall gerecht werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.07.1988, aaO, Rdn. 10, zitiert nach juris.

Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip ergibt sich auch nicht aus der Gesamtschau aller drei Gebühren. Er ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass es in manchen Fällen der Entstehung kleiner Flurstücke bei der Zusammenschau aller drei Gebühren es, wie hier, zu einer Gesamtgebühr kommen kann, die den Wert des neu entstehenden Flurstücks übersteigt. Zwar besagt § 3 GebG NRW, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Kostenschuldner andererseits ein angemessenes Verhältnis zu bestehen hat. Dabei ist aber der Wert der Amtshandlung nicht mit dem Wert des Grundstücks gleichzusetzen.

Auf der Grundlage der wirksamen VermWertGebO NRW hat der Beklagte die Gebühr zu Recht auf 2.431,39 € festgesetzt.


II.

Der mit der Klage hilfsweise erhobene Verpflichtungsantrag ist zulässig. Die ablehnende Entscheidung findet sich in der Klageerwiderung vom 10.01.2013. Sie enthält eine Regelung dahingehend, den beantragten Billigkeitserlass nicht vornehmen zu wollen.

Der Verpflichtungsantrag ist aber unbegründet.

Die Ablehnung des Antrags auf Erlass der Gebühr für die Erstellung des Lageplans ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass der Gebühr, soweit sie für die Erstellung des amtlichen Lageplans erhoben wird (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Nach § 2 Abs. 4 VermWertGebO NRW kann von der Erhebung von Kosten ganz oder teilweise aus Gründen der Billigkeit abgesehen werden. Bei dem Erlass handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens durch den Rechtsbegriff der Unbilligkeit bestimmt werden.

Vgl. zur Parallelvorschrift § 131 Abs. 1 Satz 1 AO, jetzt 227 AO: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 19.10.1971 - GmS-OGB 3/70 -, NJW 1972, 1411 ff.; OVG NRW, Urteil vom13.01.1993 - 22 A 828/91 -, NVwZ-RR 1993, 521 ff.

Eine Ermessensreduktion auf Null ist nicht gegeben. Es ist nicht die einzig richtige Entscheidung des Beklagten, die Gebühr für die Erstellung des amtlichen Lageplans zu erlassen. Gemäß § 17 BauPrüfVO ist einem Antrag auf Genehmigung einer Grundstücksteilung ein amtlicher Lageplan beizufügen. Dieser ist im vorliegenden Fall von dem Beklagten erstellt worden. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung fordert, dass im Fall einer durch Gebührenordnung festgeschriebenen Gebühr, diese vorschriftsmäßig abzurechnen ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01.06.1989 - 9 A 1297/87 -, OVGMüLü 41, 144, 147 m.w.N.

Ein Anspruch auf Erlass ergibt sich auch nicht daraus, dass noch kurze Zeit vor dem Stellen des Antrags durch den Kläger Gebühren für die Erstellung des amtlichen Lageplans nicht erhoben worden sind. Denn zu diesem Zeitpunkt ist ein amtlicher Lageplan gar nicht erstellt worden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Erlassantrags, weil die erfolgte Ablehnung ermessenswidrig wäre (vgl. §§ 113 Abs. 5 Satz 2, 114 VwGO). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen, dass die Bezirksregierung Detmold unter dem 09.11.2010 alle mit Vermessungsarbeiten Betrauten angewiesen habe, bei Teilungsvermessungen bebauter Grundstücke amtliche Lagepläne anzufertigen. Da solch ein Lageplan im Fall des Klägers auch erstellt worden sei, sehe sie sich an einem Billigkeitserlass gehindert. Diese Begründung weist keinen Ermessensfehler auf.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2, 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht; Verwaltungsrecht