Der Gerichtssaal als ironiefreier Raum

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Beschluss über sofortige Beschwerde


Datum

31. 10. 2012


Aktenzeichen

II-4 WF 121/12


Tenor


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 25.9.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts Brühl vom 6.9.2012 – 32 F 82/12 – aufgehoben und Ablehnung des Richters am Amtsgericht Neumann für begründet erklärt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind Eheleute. Der Antragsteller begehrt mit Antrag vom 6.3.2012 die Scheidung der Ehe und behauptet, die Eheleute lebten in der Ehewohnung seit Januar 2011 getrennt, jedenfalls aber würde das Festhalten an der Ehe für ihn eine unzumutbare Härte bedeuten.

Die Antragsgegnerin behauptet demgegenüber, eine Trennung sei erst zum 1.3.2012 erfolgt.

Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers im Termin vom 20.6.2012 keinen Scheidungsantrag stellte, erging am 3.7.2012 Versäumnisbeschluss, gegen den der Antragsteller Einspruch einlegte, worauf es zu der mündlichen Verhandlung vom 8.8.2012 kam. In dieser Verhandlung erteilte der nunmehr abgelehnte Richter den Hinweis, "dass der Antragsteller-Vertreter mit diesem Verfahren das Geld seines Mandanten verbrenne." Daraufhin hat der Antragsteller den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, was er damit begründete, mit der beanstandeten Äußerung werde unzulässig in das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beteiligten und seinem Verfahrensbevollmächtigten eingegriffen. Auch sei es die Antragsgegnerin, die überflüssige Kosten verursache. Ferner lasse die Tatsache, dass sich dem Gericht ein wirtschaftlicher Sinn einer bestimmten Prozessführung nicht erschließt, nicht unbedingt darauf schließen, dass ein solcher auch nicht besteht, da er sich auch aus dem Gericht nicht vorgetragenen Umständen ergeben könne.

Der abgelehnte Richter hat sich unter dem 9.8.2012 schriftlich dienstlich geäußert und ausgeführt, er halte sich nicht für befangen. Die wirtschaftlichen Folgen eines verfrühten Scheidungsantrages seien zu erörtern gewesen.

Das Amtsgericht hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 6.9.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass eine kostenpflichtige Zurückweisung nach der Rechtslage nahegelegen habe, weswegen ein Hinweis hierauf keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit gebe, auch wenn er mit einer drastischen Formulierung erfolge.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers mit der er rügt, das Gericht habe sich mit dem Vorwurf des massiven Eingriffs in das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nicht hinreichend auseinandergesetzt.


II.

Auf die gemäß §§ 113 Abs. 1, 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hin war das Ablehnungsgesuch für begründet zu erklären.

Die Ablehnung beruht auf den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 42 ZPO. Danach kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob objektive Gründe vorliegen, die, vom Standpunkt der betreffenden Partei aus betrachtet, in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters zu wecken (OLG Köln, Beschluss vom 24.2.2010 - 4 WF 25/10, zitiert nach juris). Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist, auch ist unerheblich, ob er sich für befangen hält (KG Berlin, Beschluss vom 7.2.2007 - 15 W 2/07, zitiert nach juris; Vollkommer in Zöller, Kommentar zu ZPO, 29. Aufl. § 42 Rdnr. 9). Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfG, Beschluss vom 2.12.1992, 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, zitiert nach juris).

Das ist hier der Fall.

Evident unsachliche oder unangemessene sowie herabsetzende oder beleidigende Äußerungen eines Richters in der mündlichen Verhandlung sind grundsätzlich geeignet, die Besorgnis seiner Befangenheit zu begründen (LSG NRW, Beschluss vom 16.6.2003 - L 11 AR 49/03 AB, zitiert nach juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 23.3.1992 - 7 W 10/92, NJW 1992, 2036). Klarzustellen ist, dass es zur Aufgabe des Richters gehört, sich wertend zum Sachvortrag der Beteiligten zu äußern, weswegen die Offenlegung der Rechtsmeinung für sich genommen niemals einen Ablehnungsgrund darstellen kann (Gehrlein in MünchKomm, ZPO, 3. Aufl.2008, § 42 Rdnr. 25). Allerdings hat sich der Richter nach Ton und Wortwahl auf das sachlich Gebotene zu beschränken (OLG Koblenz, Beschluss vom 23.4.2009 - 4 W 171/09, zitiert nach juris, Rn. 21) - unsachlich abfällige Äußerungen begründen demgegenüber bei objektiver Betrachtung die Befürchtung des Beteiligten, der Richter werde sein Anliegen nicht ernst nehmen (OLG Hamburg, Beschluss vom 23.3.1992 - 7 W 10/92, NJW 1992, 2036).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass der abgelehnte Richter mit dem beanstandeten Hinweis, "dass der Antragstellervertreter mit diesem Verfahren das Geld seines Mandanten verbrenne" den Rahmen sachbezogener Auseinandersetzung verlassen hat, indem er die Prozessführung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in dessen Gegenwart durch bissige Ironie herabwürdigte. Eine Differenzierung zwischen der Besorgnis der Voreingenommenheit gegenüber dem Rechtsanwalt einerseits und dem Beteiligten selbst andererseits ist bei dieser Sachlage unangebracht, weil jedenfalls mit der Verfahrensführung auch das Anliegen des Beteiligten in der Sache abfällig kommentiert worden ist. Ferner wird der Äußerung der unsachliche Charakter nicht dadurch genommen, dass die sie veranlassende Rechtsansicht zutreffen mag, da es hier gerade nicht um die Richtigkeit der Rechtsansicht geht sondern um die Form ihrer Äußerung.

Es sei betont, dass es durchaus Aufgabe des Richters sein kann, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die rechtlichen und tatsächlichen Aspekte eines Verfahrens auch kontrovers mit den Beteiligten zu diskutieren, wobei es nachvollziehbarer Weise auch zu gereizten Reaktionen aller Beteiligter kommen kann, denen gegenüber der Richter sicherlich nicht verpflichtet ist, emotionslos zu reagieren. Will er aber vermeiden, Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit zu wecken, ist es seine Aufgabe, nach einer etwaigen durch ihre Wortwahl unangemessenen Äußerung die Souveränität aufzubringen, gegenüber den Beteiligten klarstellende Worte zu finden, kraft derer die Beteiligten nachvollziehen können, dass eine Abwertung eines Beteiligten oder seines Anliegens nicht beabsichtigt war (vgl. OLG Hamburg a.a.O.). Auch eine solche Klarstellung erfolgte vorliegend jedoch nicht.

Vorinstanzen

AG Brühl, 32 F 82/12

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht