Auf Unmöglichkeit von Galoppaden bei Reiturlaub muss der Reiseveranstalter hinweisen
Gericht
LG Darmstadt
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
23. 11. 2011
Aktenzeichen
25 S 142/11
Ist wesentlicher Gegenstand einer Reiterreise die Durchführung von Galoppaden in der ungarischen Puszta und sind derartige Galoppaden wegen einer wetterbedingten Unbereitbarkeit der Puszta während der vorgesehenen Reisezeit nicht möglich, so ist der Reiseveranstalter verpflichtet, den Reisenden vor Reiseantritt auf diesen Umstand hinzuweisen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 08.06.2011, Az. 301 C 256/10, wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Amtsgerichts ist ebenfalls ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: EUR 1.750,20
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von den Beklagten nach einer abgebrochenen Reiterreise in der ungarischen Puszta im Mai 2010 Erstattung des geminderten Reisepreises, Reisekosten sowie Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude.
Der Kläger buchte im März 2010 eine 8-tägige Reiterreise in Ungarn ab dem 16.05.2010 für sich und seine Lebensgefährtin mit Ausritten in der Puszta. Nach der Ankunft im Hotel wurde ihm am Folgetag, dem 17.05.2010, mitgeteilt, Ausritte in die Puszta könnten wetterbedingt nicht stattfinden, da es zuviel geregnet habe. Daraufhin reiste der Kläger am 17.05.2010 mit seiner Lebensgefährtin wieder nach Hause.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird im Übrigen Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und ausgeführt, dem Kläger stehe Schadensersatz nach §§ 651 d, f BGB zu.
Die Reise sei mangelhaft gewesen. Zwar sei ein Reiseveranstalter nicht für Witterungsverhältnisse verantwortlich, es handele sich grds. um ein Lebensrisiko. Die Beklagten hätten aber Informationspflichten verletzt. Aufgrund des unstreitig anhaltenden 2 1/2 –wöchigen Regens im Vorfeld der Reise hätte die Unmöglichkeit zu Reiten dem Kläger vor Reiseantritt mitgeteilt werden müssen, sodass der Kläger eine Entscheidungsgrundlage gehabt hätte, ob er die Reise dennoch antreten wolle. Für Versäumnisse der Hotelleitung hafteten die Beklagten nach § 278 BGB. Ein Mitverschulden des Klägers sei nicht gegeben, die Reise habe für ihn keinen Wert mehr gehabt. Der Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 23.05.2011 sei verspätet; die dortige Argumentation greife auch nicht, da der Kläger von seinem Minderungsrecht Gebrauch machen könne und der Anspruch nicht unter Schadensersatz wegen Nichterfüllung falle.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klageabweisungsziel weiterverfolgen. Sie rügen die Verletzung materiellen Rechts.
- Eine schuldhafte Verletzung der Informationspflichten seitens der Beklagten habe nicht vorgelegen. Sie hätten keinen Anlass gehabt, Informationen über das Wetter in Ungarn einzuholen; dies würde die Anforderungen an einen Reiseveranstalter überspannen.
- Die Beklagten hätten noch 1-2 Tage vor dem Reisebeginn mit dem Hotel telefoniert, ohne dass man ihnen etwas von dem Regen gesagt habe. Die Hotelleitung habe im Übrigen auch nicht gewusst, dass man nicht reiten könne.
- Mögliche Auskünfte des Hotels seien den Beklagten nicht zuzurechnen.
- Die Beklagten bestreiten die Unbereitbarkeit der Puszta im streitgegenständlichen Zeitraum und die Behauptung, es habe Dauerregen gegeben.
- Selbst bei einer Verletzung von Informationspflichten wäre die Klage nur teilweise begründet. Denn der Kläger wäre so zu stellen, wie er bei ausreichender Information gestanden hätte. Dann hätte er die Reise ggf. stornieren können, dies aber mit den entsprechenden Kosten (nach den allgemeinen Reisebedingungen 85% des Reispreises als Selbstbehalt).
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Die Berufungskammer hat im Termin vom 23.11.2011 den Kläger und die Beklagte zu 1) persönlich gehört. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.11.2011 verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1) Die Beklagten haften dem Kläger nach §§ 651 c-f BGB. Denn die streitgegenständliche Reise war mangelbehaftet, da die beklagten Reiseveranstalter ihre Informationspflicht verletzt haben.
a) Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, war die durch die beklagten Reiseveranstalter durchgeführte Reiterreise mit vier Reittagen in der Hortobagy-Puszta mangelhaft iSd § 651 c BGB.
Die Mangelhaftigkeit der Reise war nicht aufgrund der Witterungsverhältnisse oder einer Unbereitbarkeit der Puszta gegeben, sondern aufgrund einer Verletzung der Informationspflichten seitens der Beklagten.
Im Hinblick auf reisevertragliche Schutz- und Treuepflichten nach §§ 242, 241 Abs. 2 BGB haben Reiseveranstalter eine Vielzahl von Aufklärungs- und Informationspflichten im Rahmen des Vertragsschlusses und bei der Abwicklung der Reise. Zu diesen Pflichten gehört, dass der Reiseveranstalter grds. ungefragt über alle für eine ordnungsgemäße
Durchführung der Reise erforderlichen Umstände informiert, so etwa auch über nachteilige Umstände im Zielgebiet, welche nicht allgemein bekannt sind (s. hierzu Führich, Reiserecht, 6.A. 2010 Rn 140 m.w.Nw.). Insbesondere hat der Reiseveranstalter, nachdem er in der Regel besser über die jeweilige Situation des Zielorts informiert ist, aus dem eigenständigen Gesichtspunkt der Fürsorge eine Umweltbeobachtungspflicht als Bestandteil des vereinbarten Leistungsbündels (Führich aaO Rn 257 m.w.Nw.).
Insofern haftet der Reiseveranstalter zwar nicht für die Witterung oder für witterungsbedingte Einschränkungen oder für durch höhere Gewalt bedingte Qualitätseinbußen der Reise. Er hat aber den Reisenden in angemessener Weise zeitnah und umfassend darüber zu informieren. Unterlässt er dies - wie vorliegend geschehen - stellt diese Verletzung der Informationspflichten einen eigenständigen Reisemangel dar (s. zu der rechtlichen Einordnung einer Informationspflichtverletzung als Reisemangel auch OLG Frankfurt, Urteil v. 09.12.1999, Az. 16 U 66/99, juris).
Es hätte den Beklagten hier freigestanden, durch entsprechende Angaben in ihrem Reiseprospekt ihre auf die Witterungsverhältnisse bezogene Umweltbeobachtungspflicht einzuschränken. Dies hätte durch Aufnahme eines Hinweises dahingehend erfolgen können, dass bei ungünstigen Witterungsverhältnissen - etwa Dauerregen - Ausritte in der Puszta nicht durchzuführen sind und die Reisenden in diesem Fall mit Ritten in der Halle vorlieb nehmen müssen. Einen solchen Hinweis haben die Beklagten in ihren Prospekt aber nicht aufgenommen.
Vorliegend wurde dem Kläger - unstreitig - am 17.05.2010 seitens des ungarischen Hotels mitgeteilt, dass die andauernden Regenfälle im Mai 2010 das Reiten in der Puszta unmöglich machten und die gebuchten Reiterferien nicht durchgeführt werden könnten. Dies hat die Hoteldirektorin dem Kläger am gleichen Tag sogar schriftlich wortgleich bestätigt (Anlage K 4). Insofern ist von diesem Sachverhalt auszugehen, was auch der Kläger damals tat.
Das Verhalten der Hoteldirektion ist den beklagten Reiseveranstaltern nach § 278 BGB zuzurechnen. Denn der Hotelaufenthalt mit der Durchführung der Galoppaden in der Puszta war gerade Hauptbestandteil des von den Parteien vereinbarten Leistungsbündels. Etwaige Fehlinformationen und ggf. daraus abzuleitende Ansprüche müssten die Beklagten mit dem Hotel im Innenverhältnis regeln, der Kläger durfte und musste auf die Angaben der Hoteldirektion vertrauen.
Insofern kommt es auf die - nunmehr in zweiter Instanz - streitigen Fragen, ob es tatsächlich im Mai 2010 zu Dauerregen in der Hortobagy-Puszta kam und ob die Puszta in diesem Zeitraum tatsächlich unbereitbar war, nicht streitentscheidend an. Ebenfalls kann dahinstehen, ob das diesbezügliche Bestreiten seitens der Beklagten und der neue Vortrag zu den Witterungsverhältnissen und Niederschlagsmengen ohnehin wegen Verspätung in der Berufungsinstanz nicht mehr zuzulassen ist.
Die Beklagten hätten dem Kläger vor Antritt der Reise am 16.05.2010 mitteilen müssen, dass im Zeitraum Mai 2010 die Puszta nicht bereitbar war.
Nach eigenen Angaben der Beklagten zu 1) stand sie noch zwei Tage vor Reiseantritt in telefonischem Kontakt mit dem Hotel in Ungarn. Zudem hat die Beklagte zu 1) bei ihrer persönlichen Befragung selbst angegeben, dass sie - hätte sie gewusst, dass man keine Ausritte in die Puszta vornehmen konnte - den Kläger selbstverständlich vor Reiseantritt hierüber informiert hätte. Insofern war der Beklagten zu 1) selbst klar, dass die Galoppaden für den Kläger den zentralen Bestandteil des Reizes der gebuchten Reise ausgemacht haben. Auch wenn die Beklagten von Seiten des Hotels tatsächlich nicht informiert worden sind, müssen sie sich - wie aufgezeigt - dieses Unterlassen seitens des ungarischen Hotels zurechnen lassen.
b) Aufgrund des bestehenden Reisemangels war der Kläger nicht nur zur Minderung des Reisepreises nach § 651 d Abs. 1 BGB, sondern zur Kündigung des Vertrages nach 651 e Abs. 1 BGB berechtigt.
Insofern ist die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach der Kläger zumindest aufgrund der vereinbarten Reisebedingungen einen Selbstbehalt zu tragen habe, unzutreffend. Denn die gesetzlichen Regelungen der 651 c ff. BGB können nicht zum Nachteil des Reisenden abbedungen werden.
Da der Kläger die vereinbarten Galoppaden in die Puszta nicht vornehmen konnte, war die Reise für ihn iSd § 651 Abs. 1 S. 1 BGB erheblich beeinträchtigt und sogar iSd § 651 e Abs. 1 S. 2 BGB unzumutbar. Denn wie der Kläger im Termin vom 23.11.2011 bei seiner persönlichen Befragung nachvollziehbar ausgeführt hat, kam es ihm bei der Reise in erster Linie auf diese Galoppaden an, da er - mit eigener Reithalle in Deutschland - nur zu diesem Zweck grenzenloser und in Deutschland nicht möglicher Ausritte in der Natur den weiten Weg nach Ungarn überhaupt angetreten hat.
Durch seine Abreise am 17.05.2010 hat der Kläger - zumindest konkludent - die Kündigung der Reise erklärt. Eines Abhilfeverlangens und einer Fristsetzung bedurfte es nach § 651e Abs. 2 BGB nicht, da eine Abhilfe nicht möglich war.
Der Kläger hat damit Anspruch auf Rückerstattung des bereits geleisteten Reisepreises, da die Beklagten ihren diesbezüglichen Anspruch nach § 651e Abs. 3 S. 1 BGB verloren haben. Zutreffend hat der Kläger einen Abzug für die von ihm in Anspruch genommenen Reiseleistungen (eine Übernachtung vom 16. auf den 17.05.2010) vorgenommen, § 651e Abs. 3 S. 2 BGB.
c) Auch soweit der Kläger Ersatz seiner Reisekosten verlangt, ist die Klage begründet, denn der Kläger hat unbeschadet der Kündigung Anspruch auf Schadensersatz nach § 651f Abs. 1 BGB.
Dieser umfasst - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - den Betrag von EUR 815,70, nämlich einen Entschädigungsbetrag von jeweils EUR 0,30 für 2.719 Kilometer An- und Abfahrt mit dem eigenen Kraftfahrzeug.
Insbesondere ist der Ansatz von EUR 0,30 pro Kilometer auch nicht zu beanstanden, da er sich an dem in § 5 Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 JVEG vorgesehenen Kostenansatz zur Abgeltung der Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs orientiert.
d) Auch soweit das Amtsgericht dem Kläger - unter Kürzung der begehrten Summe - Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zugesprochen hat, ist dies nicht zu beanstanden.
Dieser Anspruch folgt aus § 651f Abs. 2 BGB. Der dem Kläger vom Amtsgericht zugesprochene Betrag von EUR 125,- ist hierbei mindestens als angemessen zu betrachten: Bei der Bemessung dieses Schadensersatzanspruchs ist entscheidend, inwieweit der mit dem Urlaub verfolgte Erholungszweck verfehlt wird (Palandt-Sprau, 69.A. § 651f Rn 6 m.Nw. aus der Rspr.), was hier in ganz erheblichem Maße zutrifft. Für die Höhe ist zudem auch gerade der Reisepreis Bemessungsmaßstab (Palandt-Sprau aaO), sodass der dem Kläger vom Amtsgericht zuerkannte Schadensersatzbetrag ohne Weiteres berechtigt ist.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 S. 2, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 3 ZPO, 47 GKG.
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