AG Schöneberg: Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Videoüberwachung

Gericht

AG Berlin-Schöneberg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

08. 06. 2012


Aktenzeichen

19 C 166/12


Tenor


Tenor:

Die einstweilige Verfügung vom 26.04.2012 wird aufrechterhalten.

Die Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Verfügungsklägerin ist Mieterin einer im Haus M.-Straße in B. belegenen Wohnung aufgrund Mietvertrages vom 13.01.1981. Die Verfügungsbeklagte ist derzeitige Vermieterin.

Die Verfügungsklägerin trägt vor und macht glaubhaft, dass das Mietshaus seit dem 13.03.2012 mit einer Überwachungsanlage ausgestattet sei. Hierzu trägt sie vor, im Eingangsbereich (Foyer) befinde sich links unter der Decke am Bogen zum Treppenhaus eine Kamera, eine zweite links oberhalb des Hinterhauseinganges. Zwei weitere Geräte seien an der hofseitigen Fassade installiert. An der straßenseitigen Hauswand befinde sich rechts oberhalb der Eingangstür eine Überwachungsanlage. Die Verfügungsbeklagte sei mit Schreiben des B. M. unter Fristsetzung bis zum 31.03.2012 erfolglos aufgefordert worden, sämtliche Video-Kameras im Zugangsbereich und den Gemeinschaftsflächen entfernen zu lassen. Das Anbringen und der Betrieb der Video-Überwachungsanlage stelle für die Verfügungsklägerin einen nicht hinnehmbaren Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte dar. Weder sei ihr diese Überwachungsmaßnahme angekündigt worden, noch habe sie ihr zugestimmt. Die Videoüberwachung führe zu einer ständigen Kontrolle ihrer Person, der sie nicht ausweichen könne. Mit der Videoüberwachung sei zu besorgen, dass ein detailliertes Bild ihres Tagesablaufes aufgezeichnet werde. Eine Darstellung, mit wem die Verfügungsklägerin das Haus und damit ihre Wohnung betrete oder verlasse, sei nicht hinnehmbar.

Durch Beschluss vom 26.04.2012 ist im Wege einstweiliger Verfügung angeordnet worden:

Der Antragsgegnerin wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens untersagt, das Mietshaus M.-Straße in B., mittels einer Videoüberwachungsanlage zu überwachen.

Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 Ordnungsgeld bis 250.000 € und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatz- oder wahlweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 26.04.2012 - 19 C 166/12 - aufzuheben und den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, richtig sei, dass sie plane, das Objekt mit einem Zutrittskontrollsystem auszustatten. Insoweit seien zur Zeit an den Zugängen des Objektes Kameras installiert worden. Eine Überwachungsanlage sei und werde nicht installiert. Das Zutrittskontrollsystem sei noch nicht installiert, so dass die Kameras zur Zeit nicht in Betrieb seien. Das durch die Verfügungsbeklagte geplante Zutrittskontrollsystem diene der Sicherheit des Objektes und dem Schutz der Mieterschaft und sei durch die Verfügungsklägerin zu dulden. Derzeitiger Planungsstand sei, dass eine doorman-Kabine im Eingangsbereich installiert werde. Dort werde lediglich für den doorman sichtlich eine Übertragung von den Kameras in den Eingangsbereichen erfolgen. Eine Aufzeichnung werde lediglich ereignisgesteuert erfolgen und zwar würden Ereignisbilder von bis zu 15 Minuten, 5 Minuten Historienaufzeichnungen sowie 5 bis 10 Minuten Folgebilder erfasst werden und voraussichtlich 24 Stunden verwahrt werden. Über das die Aufzeichnung auslösende Ereignis und damit die Tatsache der Aufzeichnung erfolge eine direkte Meldung an die Polizei, so dass diese sofort prüfen und eingreifen könne. Diese Zutrittskontrolle entspreche dem überwiegenden Sicherheitsbedürfnis der im Objekt ansässigen Mieter und diene ausschließlich der Gefahrenabwehr. Aufzeichnungen würden nur ausgelöst durch ein Ereignis erfolgen, also entweder durch gewaltsames Eindringen, Eindringen auf nicht vorgesehenen Wegen und durch die Auslösung der Aufzeichnung durch den doorman aufgrund auffälligen Verhaltens, ungewöhnlicher Vorfälle, welche auf eine Gefahrensituation hindeuteten. Mieter im Objekt seien die Botschafter bzw. Mitarbeiter der Botschafter von N., M., S., N., F. und U. Es finde temporär eine präsente polizeiliche Überwachung des Objektes statt und zur Gewährleistung der Sicherheit dieser Mieter sei ein eingeschränktes Parkverbot vor dem Gebäude errichtet worden. Der Botschafter von U. wohne im Objekt. Der Botschafter werde stets präsent überwacht, woraus die temporäre präsente Überwachung des Objektes folge. Jedoch hätten auch die anderen internationalen Mieter und ihre im Rahmen ihrer repräsentativen Verpflichtungen empfangenen Gäste ein vergleichbares Sicherheitsbedürfnis, welches durch die Verfügungsbeklagte zu wahren sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze sowie auf die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch hin zu bestätigen. Es liegen die Voraussetzungen der §§ 935 ff. ZPO vor. Die Installation einer Kamera, mit der eine gezielte Überwachung des Eingangsbereichs möglich ist, stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters dar. Eine solche Anlage bedarf der Zustimmung sämtlicher Mieter. Unstreitig liegt die Zustimmung der Verfügungsklägerin nicht vor. Der Verfügungsklägerin steht ein entsprechender Unterlassungsanspruch gemäß der §§ 823, 1004 BGB zu, da die Anlage einen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht darstellt. Hierbei kann dahin gestellt bleiben, ob die Kameras bereits im Betrieb sind. Nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten plant die Verfügungsbeklagte jedenfalls die Inbetriebnahme der Kameras. Bereits eine Attrappe einer Videoüberwachungskamera im Hauseingangsbereich würde einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mieters darstellen. Dadurch, dass Kameras vorhanden sind, entsteht ein „Überwachungsdruck“ und zwar unabhängig davon, ob eine Videoaufzeichnung im Einzelfall tatsächlich erfolgt. Durch die Kameras kann sich der Mieter in seinem privaten Bereich nicht mehr ungestört und unbeobachtet fühlen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch die Freiheit von ungewünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte. Ein Mieter eines Mietshauses hat einen Anspruch darauf, dass der Vermieter nicht jederzeit feststellen kann, wann der Mieter das Haus betritt und verlässt und welchen Besuch der Mieter ggf. empfängt und wie lange der Besucher sich in dem Haus aufhält. Für die Verfügungsklägerin ist nicht überprüfbar, ob, wie die Verfügungsbeklagte vorträgt, eine Aufzeichnung lediglich ereignisgesteuert erfolgen solle. Die Verfügungsbeklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass andere Mieter des Objektes ein besonderes Sicherheitsbedürfnis hätten. Die Verfügungsklägerin ist bereits seit 1981 Mieterin im streitgegenständlichen Haus. Sofern die Verfügungsbeklagte Mietverträge mit gefährdeten Personen geschlossen haben sollte, so hätten diese anderen Mieter ggf. vor Abschluss des Mietvertrages darauf hingewiesen werden müssen, dass möglicherweise deren Sicherheitsverlangen nicht nachgekommen werden könne, weil nicht sämtliche Mieter des Mietshauses bereits eine Zustimmung zu den Kameras in den Eingangsbereichen erteilt haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

StPO § 142, StPO § 213, STPO § 304, StPO § 305, STPO § 304