Kündigung des Reisevertrages wegen Unterbringung in einem Ersatz-Hotel

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 11. 2012


Aktenzeichen

2-24 S 199/11


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte reisevertragliche Gewährleistungsansprüche geltend. Er begehrt Rückzahlung des Reisepreises und Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude aufgrund einer abgebrochenen Reise.

Die Beklagte hat die Klageforderung in Bezug auf Rückzahlung des Reisepreises bzgl. der letzten vier Reisetage, die seitens des Klägers und seiner Lebensgefährtin nicht mehr im Urlaubsgebiet verbracht worden sind, in Höhe von 968,- EUR anerkannt. Insoweit hat das Amtsgericht ein entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil über 968,- EUR erlassen. ...

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.

1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf über das Anerkenntnis hinausgehende Rückzahlung des Reisepreises aufgrund wirksam gekündigten Reisevertrags wegen Mängeln in Höhe von 544,50 EUR gemäß § 651e Abs. 3 S. 1 BGB.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat der Kläger den Reisevertrag wegen Mangels wirksam gemäß § 651e BGB gekündigt.

Der Kläger hatte bei der Beklagten das Hotel F. für eine Nacht in Hurghada gebucht. Aufgrund Überbuchung des Hotels konnte die Beklagte den Kläger im gebuchten Hotel nicht unterbringen. Dort bestand noch nicht einmal eine Buchung. Vielmehr wurden der Kläger und seine Lebensgefährtin direkt vom Flughafen ins Hotel M. verbracht und dort untergebracht. Die Unterbringung in diesem Ersatz-Hotel wurde seitens des Klägers beanstandet und die Unterbringung im gebuchten Hotel verlangt.

Da die Beklagte eine Unterbringung im gebuchten Hotel nicht ermöglichen konnte, kündigte der Kläger den Reisevertrag, indem er von der Beklagten die sofortige Rückreise nach Deutschland verlangte.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts vertritt die Kammer die Auffassung, dass die Unterbringung eines Reisenden in einer Ersatzunterkunft infolge Überbuchung des ursprüngliche gebuchten Hotels regelmäßig einen erheblichen Mangel i.S.v. § 651e BGB darstellt (vgl. auch Führich, Reiserecht [6. Aufl., 2010], Rn. 365 f. m.w.N.). Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Reiseveranstalter die reisevertraglich geschuldete Reiseleistung "Unterbringung im gebuchten Hotel" überhaupt nicht erbringt. Der Reiseveranstalter ist auch nicht befugt, die geschuldete Reiseleistung infolge Überbuchung des gebuchten Hotels auszutauschen, also den Reisenden ohne seine Zustimmung an einem anderen Urlaubsort unterzubringen (vgl. BGH, Urt. v.11.1.2005 X ZR 118/03, …). Insoweit ist ein Reisender regelmäßig nicht verpflichtet, eine Ersatz-Unterkunft zu akzeptieren, die er nicht gebucht hat.

Vorliegend hat der Kläger die Ersatz-Unterkunft nicht akzeptiert und nicht angenommen. Danach stellt die abweichende Unterbringung im Ersatz-Hotel einen erheblichen und zur Kündigung berechtigenden Mangel i.S.v. § 651e Abs. 1 BGB dar. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist in diesem Zusammenhang auszuführen, dass in einer solchen Fallkonstellation nach Auffassung der Kammer nicht der Reisende darzulegen und zu beweisen hat, dass das ursprünglich gebuchte Hotel und das Ersatz- Hotel nicht gleichwertig sind.

Im Falle der Ersatzunterbringung infolge Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels stellt die Frage der Gleichwertigkeit der Hotels nämlich lediglich einen Gesichtspunkt im Rahmen des Einwands einer unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) bzgl. der Kündigung des Reisenden gemäß § 651e Abs. 1 BGB dar.

Die Beklagte kann dem Kündigungsrecht des Klägers aber nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) mit der Begründung entgegensetzen, der Kläger hätte ein gleichwertiges Ersatzangebot nicht angenommen. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung muss der Einwendende darlegen. Grundsätzlich obliegt es deshalb nicht dem Reisenden, Rechtfertigungsgründe für seine Nichtannahme des Ersatzangebots vorzutragen, sondern ist es Sache des Reiseveranstalters, besondere Umstände darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen, deretwegen die Ablehnung des Reisenden ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstieß. Diese Umstände müssen letztlich den Schluss rechtfertigen, dass nicht die Unterschiede zwischen den beiden Reiseleistungen der hauptsächliche Beweggrund des Reisenden für seine Ablehnung waren, sondern dass ihn andere, im Verhältnis zum Reiseveranstalter nicht schutzwürdige Motive antrieben, etwa schlichte Vertragsreue.

Gründe, die die Ablehnung des Ersatzangebots der Beklagten durch den Kläger als treuwidrig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass das Ersatz-Hotel und das ursprünglich gebuchte Hotel von Ausstattung, Qualität und Lage nicht annähernd vergleichbar seien. Dazu hat die Beklagte nicht konkret Stellung genommen, geschweige denn konkret dargelegt und unter Beweis gestellt. dass die Hotels überhaupt gleichwertig waren. Darauf hat die Kammer in der Verfügung vom 2.1.2012 hingewiesen.

Der Kläger hat sich auch bei der Beklagten gemeldet und die vertragswidrige Unterbringung gerügt, was auch als Abhilfeverlangen auszulegen ist. Eine Fristsetzung ist vorliegend gemäß § 651e Abs. 2 S. 2 BGB entbehrlich gewesen. Der Kläger hat substantiiert dargelegt, dass eine Unterbringung im gebuchten Hotel nicht möglich gewesen ist. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Vielmehr hat sie eine Überbuchung eingeräumt.

Danach ist von einer wirksamen Kündigung gemäß § 651e Abs. 1 BGB auszugehen. Danach hat die Beklagte gemäß § 651e Abs. 3 S. l BGB den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verloren, was zu einer Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung des Reisepreises an den Kläger führt (§ 651e Abs. 3 S. l BGB).

Gemäß § 651e Abs. 3 S. 2 BGB kann der Reiseveranstalter für bereits erbrachte Reiseleistungen oder noch zu erbringende Reiseleistungen eine Entschädigung verlangen. Dies gilt nicht, soweit diese Leistungen infolge der Aufhebung des Vertrags für den Reisenden kein Interesse haben (§ 651e Abs. 3 S. 3 BGB).

Für die Entschädigungszahlung wegen erbrachter Reiseleistungen ist der Reiseveranstalter darlegungs- und beweisbelastet.

Eine Entschädigung für die Transportleistungen scheidet aus, da diese für den Kläger aufgrund des vorzeitigen Reiseabbruchs nach drei Tagen letztlich nutzlos waren.

Eine Entschädigung kommt höchstens für die drei Tage in Betracht, in denen der Kläger und seine Lebensgefährtin im Ersatz-Hotel verbracht haben. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Reiseleistungen im Ersatz-Hotel mangelhaft waren.

Zunächst ist davon auszugehen, dass eine Unterbringung in einem nicht gleichwertigen Hotel erfolgt ist. Weiterhin waren die Hotelzimmer ausweislich der vom Kläger vorgelegten Lichtbilder mangelhaft. Weiterhin hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen. dass es kein warmes Essen gegeben habe. Im Übrigen hat die Beklagte nicht konkret zum Wert der erbrachten Leistungen in den ersten drei Tagen vorgetragen.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält es das Gericht für angemessen, der Beklagten eine Entschädigung von 25% für die in den ersten drei Tagen erbrachten Reiseleistungen zuzusprechen. Der anteilige Reisepreis für die ersten drei Tage belief sich auf 726,- EUR. Danach beläuft sich der Entschädigungsbetrag auf 181,50 EUR. Danach beläuft sich die geschuldete weitergehende Rückzahlung des Reisepreises auf 544,50 EUR.

2. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Lebensgefährtin auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von insgesamt 1.050,- EUR gemäß § 651f Abs. 2 BGB.

Durch die Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels und die Unterbringung des Klägers und seiner Lebensgefährtin in dem Ersatz-Hotel und den alsbaldigen Reiseabbruch hat die Beklagte die Reise im Sinne von § 651f Abs. 2 BGB vereitelt. Dass diesbezüglich auch die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 651e BGB gegeben sind, ist gerade nicht erforderlich, die hier jedoch sogar auch vorliegen (s.o.) (vgl. insgesamt zu dieser Frage: BGH, Urt. v. 11.1.2005 X ZR 118/03, …).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger das Ersatz-Hotel annehmen musste, sodass die Ablehnung der Ersatzunterkunft keine unzulässige Rechtsausübung durch den Kläger darstellt. Jedenfalls hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargelegt, dass ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung, an die hohe Anforderungen zu stellen sind, vorliegt. Insoweit hat die Beklagte auch nicht dargelegt, dass das Ersatz-Hotel gleichwertig war, wogegen nach dem klägerischen Vortrag schon bereits einiges spricht (s.o.). Auf das Urteil des BGH v. 11.1.2005 … wird nochmals verwiesen.

Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 11.1.2005 X ZR 118/03, …) als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651f Abs. 1 BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat … .

Der Gesamt-Reisepreis belief sich für den Kläger und seine Lebensgefährtin auf insgesamt 1.694,- EUR. Unter Berücksichtigung, dass drei Tage vor Ort und die restliche Urlaubszeit zu Hause verbracht worden sind, hält die Kammer die vom Kläger geltend gemachte Entschädigung von insgesamt 1.050,- EUR für angemessen und ausreichend.

3. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 383,66 EUR gemäß § 651f Abs. 1 BGB.

Die Kosten, die einem Reisenden durch Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung reisevertraglicher Ansprüche zustehen, stellen einen adäquat kausalen Schaden aus der Schlechterfüllung des Reisevertrages dar. Grundsätzlich ist es einem Reisenden gestattet, schon bei der Anmeldung von Ansprüchen sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da dies zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist. Hier haben sich der Kläger und seine Lebensgefährtin bereits zur Anmeldung der reisevertraglichen Ansprüche gemäß § 51g Abs. 1 BGB eines Rechtsanwalts bedient.

Allerdings ist der Erstattungsbetrag auf den Umfang der berechtigten Ansprüche beschränkt.

Vorliegend ergibt sich ein berechtigter Betrag (einschließlich Anerkenntnis) von insgesamt 2.562,50 EUR. Da sich zum klägerseits angegebenen Streitwert von 2.744,- EUR keine Unterschiede ergeben, verbleibt es bei vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 383,66 EUR. ...

Rechtsgebiete

Reiserecht