Ärger um Grunddienstbarkeit: Erlaubte Garage mit verbotener Zufahrt

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

22. 11. 2012


Aktenzeichen

I-5 U 98/12


Leitsatz des Gerichts

Die generelle Erweiterung einer nach § 912 BGB bestehenden Duldungspflicht um eine sogenannte "Funktionsfläche", die einem Wege- und Fahrrech gleichkommt, ist nicht möglich.

Tenor


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.05.2012 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu voll­streckenden Betra­ges leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Kläger sind seit dem 11.05.1978 Eigentümer (zu je 1/2-Anteil) des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks G, Flur X, Flurstück X, einge­tragen im Grundbuch von Hagen Blatt #### (postalische Anschrift: I-T2 in Hagen; Größe: 469 qm). Die Beklagten sind Eigentümer des ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flurstück X (postalische Anschrift: I-T2 13 in Hagen; Größe: 500 qm). Zu dem Grundstück der Kläger gehört auch eine Garage, die im Jahre 1956 von dem damaligen Eigentümer, Herrn T2 sen., errichtet wurde. Diese ca. 3,20 m breite und ca. 5,00 m tiefe Garage steht auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze und mithin zu einem Teil auch auf dem Grund­stück der Beklagten. Diese haben das Grundstück im Jahre 2008 von Herrn T2 jun., dem Sohn und Erben des vorgenannten Garagenerbauers, der im Zeitpunkt der Errichtung der Garage Eigentümer beider Grundstücke war, erwor­ben. Die Beklagten wurden auf Grund der Auflassung vom 08.02.2009 am 27.05.2009 als Eigentümer zu je 1/2-Anteil im Grundbuch von Hagen, Blatt ####, eingetragen. Die Beklagten haben zwischenzeitlich Wohnungs- und Teileigentum gebildet, welches am 27.08.2009 in das Grundbuch von Hagen, Blätter ####1 bis ####2, übertragen wurde.

Um die Garage nutzen zu können, müssen die Kläger einen Teil des Grundstücks der Beklagten überfahren, denn die Garagenzufahrt befindet sich zu einem Teil auf dem Grundstück der Beklagten. Dies wurde durch die vorherigen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten, die Herren T sen. und jun., in der Vergan­genheit geduldet.

Die Klägerseite hat zunächst unwidersprochen vorgetragen, die Garage befinde sich in etwa einer Breite von 0,80 m auf dem Grundstück der Beklagten. Im Laufe des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens haben die Beklagten die Grundstücksgrenze neu vermessen lassen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Garage etwa zur Hälfte auf dem Grundstück der Beklagten steht (vgl. Grenzniederschrift vom 21.05.2012, Bl. 100 ff GA).

Vor der Veräußerung des Grundstücks an die Beklagten schlossen die Kläger und T2 jun. eine notarielle Vereinbarung, die sicherstellen sollte, dass die Kläger die Garage wie gegeben belassen und mit ihrem Kfz nutzen konnten und durften; sowohl Bestand als auch die weitere Nutzung der Garage sollte auch gegenüber neuen Eigentümern des mit dem Überbau belasteten Grundstücks sichergestellt werden.

In der notariellen Urkunde des Notars T aus Hagen vom 09.09.2008 (UR-Nr. S ##6/2008) heißt es unter der “Vorbemerkung“ u.a. wie folgt:

“…. Die auf dem Grundstück der Erschienenen zu 2) (Anmerkung des Senats: die hiesigen Kläger) im Jahre 1956 errichtete Garage wurde über die gemeinsame Grundstücksgrenze hinaus gebaut und steht teilweise auf dem Grundstück des Erschienenen zu 1) (Anmer­kung des Senats: Herr T2 jun.).

Die Garage und der Überbau sind in dem dieser Verhandlung bei­gefügten Lageplan des Katasteramtes vom 12.01.1994 rot einge­zeichnet. Der Lageplan ist Bestandteil dieses Vertrages und diesem Vertrag als Anlage beigefügt.“

Unter § 1 der Urkunde heißt es:

“§ 1 Duldung des Überbaues

Der Erschienene zu 1) hat dem erfolgten Überbau seines Grund­stücks G 12 Flurstück X nicht widersprochen und den Überbau geduldet.

Der Erschienene zu 1) verpflichtet sich gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der G 12 Flurstück X, den erfolgten Überbau auch künftig zu dulden.“

Weiter heißt es unter § 2 Grunddienstbarkeitsbestellung:

“Der Erschienene zu 1) bestellt auf seinem Grundstück …. zuguns­ten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks…. eine Grund­dienstbarkeit des Inhalts, den erfolgten Überbau laut beigefügtem Lageplan zu dulden und bewilligt und beantragt die Eintragung einer Grunddienstbarkeit in seinem Grundbuch an rangbereitester Stelle.“

Die Grunddienstbarkeit wurde am 26.09.2008 im Grundbuch von Hagen, Blatt #### eingetragen. Die Eintragung lautet wie folgt:

“Grunddienstbarkeit (Duldung des Überbaus) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Hagen Flur X Flurstück X (Blatt ####). Bezug: Bewilligung vom 09.09.2008….“.

Die Lage der Garage sowie der beiden Grundstücke ergibt sich aus dem Lageplan des Katasteramtes, welcher als Anlage zur notariellen Urkunde genommen wurde sowie aus der Grenzniederschrift vom 21.05.2012; insoweit wird auf Bl. 9 und Bl. 101 GA Bezug genommen.

Zwischen den Parteien entwickelte sich im Laufe der Zeit ein angespanntes Verhält­nis, dessen Gründe streitig sind. Jedenfalls verbieten die Beklagten den Klägern seit einiger Zeit mit dem Auto über die Garagenzufahrt zu fahren. Dabei berufen sie sich darauf, dass diese zum Teil auf ihrem Grundstück liege und den Klägern kein Wege­recht zustünde. Ein Unterlassen auch des Begehens der Zufahrt oder eine Beseiti­gung der Zufahrt wurde bisher nicht verlangt.

Die Parksituation in der T2 I-T2 ist beengt. Die Kläger hatten bis zu den Streitigkeiten ihren Pkw stets in der Garage abgestellt. Nun parken sie ihn auf der T2 bzw. in den angrenzenden Straßen.

Die Parteien haben ein Schiedsverfahren durchgeführt. Einzelheiten zum Verlauf haben die Parteien nicht mitgeteilt. Vorgerichtlich wurde versucht, eine Einigung zu erzielen. So haben die Kläger angeboten, den streitgegenständlichen Grundstücks­teil zu erwerben. Die Beklagten haben ihrerseits angeboten, den Klägern für deren Lebenszeit ein Fahrrecht einzuräumen, diese sollten sich jedoch im Gegenzug ver­pflichten, im Falle des Eintritts einer Rechtsnachfolge auf sämtliche Rechte aus der Dienstbarkeit (Überbau) zu verzichten und einen Rückbau der Garage vorzunehmen. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, dass begehrte Wegerecht ergebe sich bereits aus der eingetragenen Grunddienstbarkeit (Überbau). Einer Konstruktion über ein Notwegerecht oder über das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis bedürfe es nicht.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilten, es zu dulden, dass die Kläger sowie sonstige Personen, die das Wohnhausgrundstück I-T2, ####3 Hagen, ganz oder teilweise mit Wissen und Wollen der Kläger nutzen, das Grundstück der Beklagten I-T2 13, ####3 Hagen, teilweise, nämlich in Breite von 1,60 m in Anspruch nehmen (befahren), um mit einem Pkw von der T2 I-T2 in die hälftig auf dem Grundstück I-T2 13 stehende Garage der Kläger zu gelangen sowie von dieser Garage in Gegenrichtung auf sie T2 I2 zu fahren.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Ansicht vertreten, den Klägern stehe ein Notwegerecht nicht zu, da das klägerische Grundstück – insoweit unstreitig – unmittelbar an der T2 I-T2 liege. Eine anderweitige Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren sei nicht ersichtlich. Aus der Übung und Duldung der Nutzung der Garagenzufahrt durch die Kläger durch die Voreigentümer könne eine solche nicht hergeleitet werden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt, dass eine Nutzung des Überbaus, nämlich der Garage in ihrer Funktion als Abstell-/Parkmöglichkeit für Pkw, möglich sein müsse. Dies sei aber nur möglich, wenn man mit dem Pkw auch über die Zufahrt zur Garage gelangen könne. Die Duldungspflicht des § 912 BGB umfasse auch die sogenannte Funktionsfläche, ohne die die zweckentsprechende Nutzung des Überbaus nicht möglich sei. Andernfalls sei der Überbau seiner Funktion beraubt und letztendlich wertlos. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aus­führungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie sind der Ansicht, das Über­baurecht der Kläger sei durch den notariellen Vertrag vom 09.09.2008 abschließend geregelt. Ein darüber hinaus gehendes Recht, dass einem Wegerecht gleich käme, stünde den Klägerin nicht zu. Die gesetzliche Regelung des § 912 BGB beinhalte neben der Duldung keine Nutzungsgarantie. Die sich aus dieser Norm ergebende Duldungspflicht beschränke sich ausschließlich auf den Teil des Grundstücks, der von dem Überbau selbst betroffen sei. Nach Auffassung der Beklagten sei diese Be­schränkung abschließend. Es könne nicht sein, dass die eigentlich räumlich be­schränkte Duldungspflicht derart ausgedehnt werde, dass der Eigentümer des be­troffenen Grundstücks darüber hinaus Grundstücksteile zur Verfügung stellen müsse, sein Eigentum mithin weiter begrenzt würde. Das Landgericht habe in dem ange­fochtenen Urteil die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 19.01.2005 (Az. 4 U 189/03) ohne weitere Prüfung übernommen. Zudem sei die Begründung des OLG Brandenburg in Bezug auf die streitgegenständliche Problematik nicht überzeugend. § 912 BGB könne ein dauerhaftes Geh- und Fahrrecht nicht begründen. Ein solcher Anspruch könnte sich nur aus einer entsprechenden Dienstbarkeit oder aber aus § 917 BGB ergeben. Die Voraussetzungen eines Notwegerechts seien unstreitig nicht gegeben. Auch eine entsprechende Dienstbarkeit liege nicht vor. Die notarielle Urkunde enthalte eine entsprechende Einigung nicht; dementsprechend sei ein Wegerecht auch nicht im Grundbuch eingetragen worden.

Sie beantragen,

die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Hagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanz­lichen Vortrag. Die eingetragene Grunddienstbarkeit umfasse nicht nur eine Duldungspflicht betreffend der Garage sondern auch der “Funktionsfläche“. Es sei nur versäumt worden, dies in die schriftliche Urkunde aufzunehmen.

Die Parteien haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat Licht­bilder der Örtlichkeiten vorgelegt. Aus diesen und den Angaben der Parteien im Rahmen ihrer Anhörung ergibt sich, dass etwa 1/3 der Garagenzufahrt auf dem Grundstück der Beklagten liegt. Die Einfahrt hat in etwa die Breite der Garage und ist ca. 4-5 Meter lang.


II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagten aus keinem Rechtsgrund zu.

1.

Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass sich der begehrte Anspruch nicht aus einem Notwegerecht, § 917 BGB, ergeben kann. Einem Wohngrundstück fehlt die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg im Sinne der vorzitierten Norm, wenn es nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad über eine öffentliche Fläche erreicht werden kann; in diesem Fall kommt ein Anspruch des Grundstückseigentümers gegen seine Nachbarn auf Duldung der Benutzung ihrer Grundstücke zum Befahren mit Kraftfahrzeugen in Betracht, damit er mit diesen sein Grundstück erreichen kann (BGH, Urteil v. 12.12.2008, Az. V ZR 106/07). Unstreitig liegt das klägerische Grundstück unmittelbar an der T2 “I-T2“ und kann daher mit dem Pkw erreicht werden.

Der Umstand, dass sich auf dem Grundstück der Kläger eine Garage befindet, die nicht unmittelbar an der T2 liegt und nur unter Benutzung des Grundstücks der Beklagten erreicht werden kann, begründet für sich allein kein Notwegerecht. Dieser Zustand ist die Folge persönlicher Bedürfnisse der Kläger. Objektiv ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen in einer Garage für die ordnungsgemäße Benutzung des Wohn­grundstücks nicht notwendig (BGH, Urteil v. 12.12.2008, Az. V ZR 106/07).

2.

Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus der eingetragenen Dienstbarkeit. Der Inhalt und der Umfang einer Grunddienstbarkeit ergeben sich aus der Eintragung im Grundbuch und den Urkunden, auf die dort Bezug genommen wird (vgl. BGH, Urteil v. 27.01.1960, Az. V ZR 148/58). Umstände, außerhalb dieser Urkunde dürfen jedoch insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhält­nissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, Urteil v. 03.07.1992, Az. V ZR 203/91). Ein entsprechendes Recht, die Zufahrt zur Garage mit einem Pkw zu befahren ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Eintragung noch aus dem der Bewilligung. Sowohl der Wortlaut der Eintragung als auch der der Bewilli­gung beziehen sich ausschließlich auf die Duldung eines Überbaus in Form der Garage. Mithin könnte sich nur aus dem Begriff “Garage“ eine Inhalts- und Umfangs­beschreibung der seitens der Kläger begehrten Art ergeben. Denn eine Garage hat meist auch eine Garagenzufahrt und dürfte in der Regel dem Abstellen und Parken von Pkw dienen. Aus dem der notariellen Urkunde angefügten Lageplan (Bl. 9), auf welchen im Rahmen der Bewilligung Bezug genommen wird, ergibt sich jedoch nur die Lage der Garage. Ob diese eine Zufahrt hat und wo diese verläuft, wird daraus nicht ersichtlich. Für einen Dritten ist mithin eine weitere Belastung des Grundstücks der Beklagten, über die durch den eingetragenen Überbau Bestehende hinaus, nicht erkennbar.

Eine Erweiterung des Umfangs der eingetragenen Dienstbarkeit ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Kläger und Herr T2 jun. sich im Zeit­punkt des Abschlusses der notariellen Vereinbarung darüber einig waren, dass auch die Zufahrt zu der Garage gewährleistet und von der Dienstbarkeit er-/umfasst sein sollte. Diesen Vortrag der Kläger haben die Beklagten nicht bestritten, so dass von einer entsprechenden Vereinbarung auszugehen ist. Diese Vereinbarung ergibt sich jedoch weder aus der Eintragung noch aus der in Bezug genommenen Bewilligungs­urkunde oder anderen, für jedermann ohne weitere erkennbaren Umständen. Mithin wirkt diese nicht gegen die Beklagten als Rechtsnachfolger des T jun. sondern führte nur zu einer Bindung der damaligen Vertragsparteien.

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass sich ein Dienstbarkeits­umfang nachträglich, über den aus den Urkunden und/oder der Eintragung ersicht­lichen hinaus, erweitern kann. Denn für den Umfang der Dienstbarkeit ist das jewei­lige Bedürfnis des Berechtigten maßgebend. So kann sich, wenn dieses Bedürfnis nachträglich wächst, dadurch der Umfang der sich aus der Dienstbarkeit ergebenden Rechte und Pflichten erweitern, sofern sich die Steigerung in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des dienenden Grundstücks hält und nicht auf eine unvorhergesehene willkürliche Änderung in der Benutzung des herrschenden Grundstücks zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urteil v. 03.02.1989, Az. V ZR 224/87). Diese Konstellation – auf welche sich die Kläger im Termin zur mündlichen Ver­handlung vor dem Senat berufen haben – ist vorliegend nicht gegeben. Denn die hier eingetragene Dienstbarkeit betrifft die Duldung eines Überbaus. Das diesbezügliche Bedürfnis der Kläger hat sich nicht verändert. Die Kläger haben lediglich darüber hinaus und zeitlich vor der Bestellung der Dienstbarkeit, die Garagenzufahrt mit ihrem Pkw genutzt, also ein Wegerecht in Anspruch genommen. Ein solches stellt jedoch inhaltlich eine seiner Art nach andere Nutzung dar, als eine Nutzung durch einen Überbau.

3.

Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 912 BGB. § 912 BGB findet in der dem streitgegenständlichen Sachverhalt zugrundeliegenden Konstellation entsprechende Anwendung, da ursprünglich ein sog. Eigengrenzüberbau vorlag (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 71. Auflage, § 912 Rdn. 14). Denn die Grundstücke waren bereits im Zeitpunkt der Errichtung der Garage geteilt, standen aber beide im Eigentum des T2 sen..

Die Zufahrt als solche stellt keinen Überbau dar, denn ein Überbau i.S.v. § 912 BGB kann nur ein einheitliches Gebäude sein. Ein Gebäude in diesem Sinne ist ein Bau­werk, das durch räumliche Umfriedung gegen äußere Einflüsse Schutz gewährt und den Eintritt von Menschen gestattet (Palandt-Bassenge, BGB, 71. Auflage, § 912 Rdn. 4).

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil unter Bezugnahme auf die Ent­scheidung des OLG Brandenburg vom 19.01.2005 (Az. 4 U 189/03) ausgeführt, dass die Duldungspflicht auch die Funktionsfläche, also hier die Garagenzufahrt, ohne welche die zweckentsprechende Nutzung des Überbaus nicht möglich sei, erfasse. Wegen des Inhalts der zitierten Entscheidung des OLG Brandenburg wird auf diese Bezug genommen. Nach Ansicht des erkennenden Senats können die Argumente, die die vorzitierte Entscheidung tragen, nicht auf den streitgegenständlichen Sach­verhalt übertragen werden. Zwar ist dem Landgericht insoweit zuzustimmen, als dass die Garage ihrer Eigenschaft als solcher beraubt wird, wenn man diese mit dem Auto nicht mehr erreichen kann. Ohne Zufahrt könnten die Kläger die Garage nur noch als “oberirdischen Kellerraum“ benutzen. Dass die Zufahrt so umgestaltet werden könnte, dass diese nur über das Grundstück der Kläger erreichbar ist, kann anhand der Schilderungen der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat und den im Termin vorgelegten Lichtbildern nicht angenommen werden. Die Garage würde zwar im Hinblick auf ihre bauliche Substanz nicht angetastet, ihrer Funktion wäre sie jedoch beraubt und damit auch ihres “Nutzungswertes“ für die Kläger.

Andererseits würde eine Erweiterung der Duldungspflicht “Überbau“ dahingehend, die Zufahrt bzw. deren Nutzung durch die Kläger mit einem Pkw in diese einzu­beziehen, im Ergebnis zur Einräumung eines Geh- und Fahrrecht führen. Das Eigentum der Beklagten würde mithin eine weitere, ihrer Art nach andere Einschrän­kung erfahren.

Grundsätzlich darf der Eigentümer, wie dies § 903 BGB formuliert, mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder die Rechte Dritter entgegenstehen. Diese grundsätzlich freie und ungebundene Stellung des Eigentümers erfährt eine Einschränkung nur, wenn (a) ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Eigentümers an der Durch­setzung seiner Rechte nicht besteht oder (b) die Interessen des in den Eigentums­bereich Einwirkenden erheblich überwiegen oder (c) die Einwirkungen ihrer Art und ihrem Umfang nach das Grundeigentum aller Eigentümer eines Gebiets gleicher­maßen treffen (vgl. Baur/Stürner, SachenR, 18. Auflage, § 25 Rdn. 1).

Eine Einschränkung der hier seitens der Kläger begehrten Art, nämlich Duldung des Befahrens eines fremden Grundstücks, eröffnet lediglich die Norm des § 917 BGB. Dass die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, wurde bereits fest­gestellt. Nach Ansicht des Senats kann aber eine nach § 912 BGB bestehende Dul­dungspflicht nicht derart ausgeweitet werden, dass im Ergebnis eine Einschränkung nach § 917 BGB, die der Gesetzgeber vom Vorliegen enger Voraus­setzungen abhängig gemacht hat, gegeben ist, obgleich der Anwendungsbereich dieser Norm gerade nicht eröffnet ist.

Diese Rechtsauffassung wird von folgender Überlegung gestützt: Angenommen, die Garage läge nicht wie im streitgegenständlichen Fall im vorderen, sondern im hinte­ren Bereich der Grundstücke mit der Folge, dass die Strecke, die über das Grund­stück der Beklagten führen würde, sich erheblich verlängern – und ggf. auch ver­breitern – würde. Die Argumentation im Hinblick auf die Funktionsfläche einer Garage würde dann im Ergebnis auch diesen Sachverhalt erfassen. Dies macht aber deutlich, dass eine generelle Erweiterung einer nach § 912 BGB bestehenden Dul­dungspflicht um eine Funktionsfläche, die einem Wege- und Fahrrecht gleichkommt, nicht möglich sein kann. Die Eingriffe, die ein Eigentümer in sein Eigentum zu dulden hat, müssen klar eingegrenzt und erfasst werden können. Eine Ausweitung der zu duldenden Einschränkungen über die durch den Gesetzgeber normierten Fälle hinaus ist nur in Einzelfällen bzw. in den durch die Rechtsprechung entwickelten Fällen (vgl. nachfolgende Ausführungen zum nachbarlichen Gemeinschaftsverhält­nis) vorzunehmen.

4.

Auch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 242 BGB) kann der geltend gemachte Anspruch nicht hergeleitet werden. Aus den unter den Begriff des nach­barlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefassten Auswirkungen der Anwendbarkeit des Grundsatzes aus Treu und Glauben auf die §§ 905 ff BGB ist in der Rechtsprechung des BGH eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme her­geleitet worden. Danach kann unter gewissen Voraussetzungen die Ausübung eines an sich bestehenden Rechts, so auch des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB, unzulässig sein. Eine derartige Einschränkung muss aber, so der BGH, mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine aus zwingenden Gründen gebotene Ausnahme bleiben und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Anspruch der widerstreiten­den Interessen dringend geboten erscheint (BGH, Urteil v. 17.12.1999, Az. V ZR 144/98).

Zwar kann sich die Duldung eines Wegerechts auch aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses ergeben. Dies muss jedoch, in Anwen­dung der zitierten Rechtsprechung des BGH, eine aus zwingenden Gründen gebotene Ausnahme bleiben und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreiten­den Interessen dringend geboten erscheint (OLG Hamm, Urteil v. 28.08.2000, Az. 5 U 96/00). Eine solche Ausnahmesituation ist vorliegend nicht gegeben. Es sind keine zwingenden Gründe dafür ersichtlich, den Klägern außerhalb der Vorschrift des § 917 BGB ein Wegerecht zu gewähren. Dass den Klägern mit dem Verlust der Zufahrt zu ihrer Garage ein schwerer finanzieller Schaden entsteht, dessen Ausmaß es drin­gend gebietet, an der bestehenden Zufahrtsmöglichkeit festzuhalten, ist weder dar­getan noch den Umständen zu entnehmen. Desweiteren fehlt es bereits an der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes durch die Beklagten. Anhand der mitgeteil­ten Umstände kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagten durch ihr Verhalten einen Vertrauenstatbestand der Kläger auf Beibehaltung der zunächst gegebenen Situation geschaffen haben könnten. Der Umstand, dass den Klägern durch die Rechtsvorgänger der Beklagten die Nutzung über Jahre hinweg erlaubt wurde, bindet die Beklagten nicht. Für eine solche Bindung hätte es der Einräumung einer entsprechend ausgestalteten Dienstbarkeit und deren Eintragung ins Grund­buch bedurft. Letzteres ist, wie bereits festgestellt, nicht erfolgt.

5.

Das Eigentum unterliegt in seiner Ausübung denselben Schranken wie jedes andere Recht. Unzulässig ist daher seine Ausübung, wenn sie lediglich den Zweck hat, einem anderen Schaden zuzufügen, § 226 BGB (Schickaneverbot).

Ein solcher Verstoß ist vorliegend nicht ersichtlich. Denn Voraussetzung wäre, dass die Beklagten allein aus dem Motiv heraus handeln, die Kläger zu schädigen. Dem Vortrag der Beklagten ist zu entnehmen, dass sie zumindest auch mit dem Willen handeln, für sich selbst einen Vorteil zu erlangen, nämlich ihr Eigentum in eindeutiger Abgrenzung ungestört nutzen zu können. Mithin kann ein Verstoß gegen § 226 BGB nicht festgestellt werden.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 BGB.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gem. § 543 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16.09.2003 (6 U 58/03) zugelassen worden.

Vorinstanzen

LG Hagen, 6 O 28/12

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

§§ 912, 917 BGB