Blockheizwerk im selbstgenutzten Einfamilienhaus: Energieerzeuger gilt umsatzsteuerrechtlich als Unternehmer
Gericht
BFH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
12. 12. 2012
Aktenzeichen
XI R 3/10
Erzeugt der Betreiber eines Blockheizkraftwerks in einem Einfamilienhaus neben Wärme auch Strom, den er teilweise, regelmäßig und nicht nur gelegentlich gegen Entgelt in das allgemeine Stromnetz einspeist, ist er umsatzsteuerrechtlich Unternehmer.
Hat der Betreiber den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Blockheizkraftwerks geltend gemacht, liegt in der Verwendung von Strom und Wärme für den Eigenbedarf eine der Umsatzbesteuerung unterliegende Entnahme. Dies gilt nicht für die aus technischen Gründen nicht zur Heizung nutzbare Abwärme.
Bemessungsgrundlage der Entnahme von Strom und Wärme für den Eigenbedarf sind die für die Strom- und Wärmeerzeugung mit dem Blockheizkraftwerk angefallenen sog. Selbstkosten nur dann, soweit ein Einkaufspreis für Strom und Wärme nicht zu ermitteln ist.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt seit 2002 in dem von ihr und ihrer Familie bewohnten Haus ein sog. Blockheizkraftwerk. Die Anlage produziert unter Verbrennung von Erdgas gleichzeitig Strom und Wärme (sog. Kraft-Wärme-Kopplung). Dabei wird mit einem Verbrennungsmotor zunächst mechanische Energie erzeugt und diese dann durch einen Generator in Strom umgewandelt. Die anfallende Abwärme des Generators und des Motors wird unmittelbar vor Ort zum Heizen des Gebäudes und für die Warmwasserbereitung in dem Gebäude verwendet. Der selbst erzeugte Strom wird in der Regel insoweit in das öffentliche Netz eingespeist, als er nicht in dem Gebäude verbraucht wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 2008 V R 80/07, BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292).
Aus dem Erwerb der Anlage hatte die Klägerin den vollen Vorsteuerabzug erhalten.
Im Streitjahr 2006 betrug die produzierte Stromenergie 26 118 kWh. Davon wurden 7 835 kWh für den privaten Bereich verwendet und der Rest in das öffentliche Netz eingespeist. Als Bemessungsgrundlage für die Verwendung von Strom und Wärme für den Eigenbedarf setzte die Klägerin einen Betrag von ... EUR an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) führte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Dabei wurde Einigkeit dahingehend erzielt, dass sich die gesamte Wärmeerzeugung im Streitjahr auf den doppelten Betrag der gemessenen Stromerzeugung in Höhe von 26 118 kWh, also auf 52 236 kWh belaufen habe, sodass insgesamt von einer produzierten Strom- und Wärmeenergie von 78 354 kWh (= 100 %) auszugehen sei. Der Prüfer nahm an, die gesamte erzeugte Wärme sei für den außerunternehmerischen Bereich verwendet worden. Zusammen mit der privat verbrauchten Strommenge betrage die dem nichtunternehmerischen Bereich zuzurechnende Energie insgesamt (7 835 kWh + 52 236 kWh =) 60 071 kWh, also 76,67 % der insgesamt erzeugten Energie. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) seien insoweit die Selbstkosten anzusetzen, die im Streitfall 10 % der Anschaffungs-/Herstellungskosten sowie der laufenden vorsteuerbelasteten Kosten ausmachten. Hieraus ermittele sich eine Bemessungsgrundlage von ... EUR. Das FA setzte diesen Betrag in dem Umsatzsteuerbescheid vom 26. Juni 2008 an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur in geringem Umfang statt. Die Entscheidung ist abgedruckt in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2010, 1386.
Da die Klägerin das Blockheizkraftwerk vollständig ihrem Unternehmen zugeordnet habe, sei die Abgabe von Strom und Wärme an den privaten Bereich gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. Für deren Bemessungsgrundlage seien gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die vom FA --in unstreitiger Höhe von ... EUR-- ermittelten Selbstkosten heranzuziehen, weil es für die Klägerin keinen von ihr zu zahlenden Einkaufspreis für Strom oder Wärme gebe.
Zur Berücksichtigung der nicht zur Beheizung des Hauses geeigneten Abwärme sei jedoch ein Abschlag vorzunehmen. Im Ergebnis schätzte das FG den Anteil der unentgeltlichen Wertabgabe auf 70 % der gesamten produzierten Energiemenge und gelangte damit zu einer gegenüber dem Ansatz des FA um ... EUR verminderten Bemessungsgrundlage von ... EUR und einer Herabsetzung der Umsatzsteuer um ... EUR.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, als Bemessungsgrundlage für die selbst genutzte Energie bestehend aus Strom und Wärme sei gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG der Einkaufspreis für gleiche oder gleichartige Gegenstände anzusetzen. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach den Selbstkosten erfolge nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erst dann, wenn ein Einkaufspreis nicht ermittelt werden könne. Nach Abschn. 155 Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) entspreche der Einkaufspreis dem Wiederbeschaffungspreis. Dieser Wiederbeschaffungspreis sei sowohl für den selbst verbrauchten Strom bei Elektrizitätsversorgern wie auch für die selbst verbrauchte Wärme bei Fernwärmeversorgern unschwer durch entsprechende Anfragen festzustellen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer in der Weise festzusetzen, dass die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe nach den jeweiligen Einkaufspreisen ermittelt werde.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es hält im Streitfall den Ansatz der Selbstkosten für zwingend geboten, weil die Klägerin Strom und Wärme nicht eingekauft, sondern selbst hergestellt habe. Stattdessen in derartigen Herstellungsfällen allgemein auf dem Energiemarkt angebotene Preise anzusetzen, widerspreche dem Sinn und Zweck der Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe. Diese solle den vom sich selbst versorgenden Unternehmer vorgenommenen Vorsteuerabzug in der Weise neutralisieren, dass dieser hinsichtlich der entnommenen Gegenstände wie ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Privatkonsument behandelt werde. Setze man für die Klägerin die am freien Markt von leistungsfähigeren Unternehmern angebotenen günstigeren Preise an, führe dies nicht zu der bezweckten Korrektur des ursprünglichen Vorsteuerabzugs, vielmehr verbleibe ihr aus dem bereits gewährten (relativ höheren) Vorsteuerabzug ein gleichheitswidriger Vorteil. Die Argumentation der Klägerin führe zudem dazu, dass der Tatbestand der Selbstkosten in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG ins Leere laufe.
Außerdem lägen keine Einkaufspreise für ausschließlich mit Blockheizkraftwerken erzeugten Strom und Wärme vor, weil diese am Markt nicht angeboten würden. Die günstigeren Marktpreise basierten auf der Herstellung von Energie mit konventionellen Kraftwerken, die umsatzsteuerrechtlich nicht mit der von der Klägerin mit dem Blockheizkraftwerk erzeugten Energie vergleichbar i.S. des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG sei. Die Produktion von Energie durch den Betreiber eines Blockheizkraftwerks mittels Kraft-Wärme-Kopplung sei zudem deshalb nicht mit der Energieerzeugung durch ein Versorgungsunternehmen vergleichbar, weil sie nur auf Grund der hohen Subventionierung wirtschaftlich möglich sei. Im Übrigen sei die Ermittlung von Einkaufspreisen mit einer Vielzahl klärungsbedürftiger Fragen verbunden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat als Bemessungsgrundlage der Entnahme von Strom und Wärme für den Eigenbedarf der Klägerin zu Unrecht --ohne die vorrangige Prüfung, ob ein Einkaufspreis für Strom und Wärme zu ermitteln ist-- die für die Strom- und Wärmeerzeugung mit dem Blockheizkraftwerk angefallenen sog. Selbstkosten angesetzt. Die Sache ist nicht spruchreif, weil weitere Feststellungen zu treffen sind.
1. Die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, wird nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, sofern --wie hier-- der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG). Eine Entnahme liegt nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG auch dann vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand für eigene nichtunternehmerische Zwecke entnimmt und somit keinem Abnehmer --wie von § 3 Abs. 1 UStG vorausgesetzt-- Verfügungsmacht verschafft wird (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721).
a) Das FG hat die Klägerin stillschweigend und in Übereinstimmung mit den Beteiligten zu Recht als Unternehmerin angesehen. Sie ist dadurch, dass sie den in ihrem Blockheizkraftwerk erzeugten Strom gegen Vergütung an ein Stromversorgungsunternehmen geliefert hat, als Unternehmerin i.S. von § 2 Abs. 1 UStG tätig geworden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.2.).
Die Klägerin konnte das Blockheizkraftwerk vollständig ihrem Unternehmen zuordnen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.3.; vom 19. Juli 2011 XI R 21/10, BFHE 235, 14, BStBl II 2012, 434, unter II.2.a cc), auch wenn sie von Anbeginn eine zum Teil private Strom- und Wärmenutzung beabsichtigte.
b) Zu Recht hat das FG ferner angenommen, dass sich die Verwendung der 7 835 kWh Strom für den privaten Bereich sowie die Nutzung der produzierten Wärme für die Heizung des Hauses als Entnahmen von Gegenständen darstellen, die gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichzustellen sind. Elektrizität und Wärme gelten als Gegenstände im Sinne des Umsatzsteuerrechts (Art. 5 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG--).
Soweit bei der (Elektrizitäts- oder Wärme-)Energiegewinnung aus technischen Gründen nicht zur Heizung nutzbare Abwärme angefallen ist, sind diese Energiemengen --wie das FG bereits zutreffend erkannt hat-- nicht unter § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG zu fassen, weil insoweit keine (willentliche) Entnahme aus dem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, gegeben ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 3. November 1983 V R 4-5/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169).
2. Dem FG kann aber nicht gefolgt werden, soweit es bei der Bemessung des Umsatzes der Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG von den Selbstkosten der Klägerin ausgegangen ist.
a) Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG --also auch bei Entnahmen von Gegenständen aus dem Unternehmen für eigene nichtunternehmerische Zwecke des Unternehmers-- nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes, bemessen.
b) Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG ("mangels eines Einkaufspreises") sind die Selbstkosten nur dann anzusetzen, wenn ein Einkaufspreis für den (entnommenen) Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand nicht zu ermitteln ist (vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 821; Probst in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 10 Rz 344; Abschn. 155 Abs. 1 Satz 3 UStR; Abschn. 10.6. Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--; a.A. Slapio in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 118 Rz 101). Maßgebend ist gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG mithin primär der Einkaufspreis; die Selbstkosten sind nur subsidiär anzusetzen.
c) Dies entspricht entgegen der Auffassung des FA auch dem Sinn der Besteuerung der unentgeltlichen Wertgabe durch Entnahme.
aa) Grundsätzlich soll der Unternehmer, der einen Gegenstand aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG), mit der Umsatzsteuer belastet werden, die im Zeitpunkt des Verbrauchs tatsächlich auf einem derartigen Gegenstand oder einem gleichartigen Gegenstand anhand der aktuellen Marktsituation lastet (vgl. Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 10 Rz 501/8, 501/12; Wagner in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 10 Rz 339). Die Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG knüpft an den jeweiligen Gegenstand und dessen aktuelle Bewertung an. Der sich selbst versorgende Unternehmer wird damit systemgerecht nicht wie ein Verkäufer, sondern wie ein sich fremd versorgender Käufer --allerdings auf der Handelsstufe des Unternehmers-- behandelt, der den (je nach Marktsituation niedrigeren oder höheren) aktuellen Preis bezahlen würde bzw. müsste (vgl. Lippross, a.a.O., S. 821; s.a. Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 10 Rz 398, 398.5, und Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 10 Rz 347). Dieser --fiktive (Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 10 Rz 338, 340)-- Einkaufspreis entspricht in der Regel dem Wiederbeschaffungspreis zum Zeitpunkt der Entnahme (vgl. Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, a.a.O., § 10 Rz 501/10; Widmann, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 13; Abschn. 155 Abs. 1 Satz 2 UStR; Abschn. 10.6. Abs. 1 Satz 2 UStAE).
bb) Soweit sich das FA auf die Rz 31 ff. des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. September 2006 C-72/05 --Wollny-- (Slg. 2006, I-8297, BStBl II 2007, 32, UR 2006, 638) beruft, ergibt sich hieraus nichts anderes.
Nach dessen Rz 31 und dem dortigen Verweis auf Rz 8 des EuGH-Urteils vom 27. Juni 1989 C-50/88 --Kühne-- (Slg. 1989, 1925, UR 1989, 373) folgt lediglich, dass Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG die Nichtbesteuerung eines zu privaten Zwecken verwendeten Betriebsgegenstands verhindern will, sie besagt aber nichts zu der im Fall der Entnahme eines Gegenstands nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG maßgeblichen Bemessungsgrundlage. Das gilt auch, soweit der EuGH in Rz 32 seines Urteils --Wollny-- (Slg. 2006, I-8297, BStBl II 2007, 32, UR 2006, 638) ausführt, mit dieser Regelung (Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) solle die Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen mit dem Endverbraucher gewährleistet werden, indem verhindert werde, dass der Steuerpflichtige einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber dem Endverbraucher genieße, der einen Gegenstand kauft und dafür Mehrwertsteuer entrichtet. Rz 35 des EuGH-Urteils --Wollny-- (Slg. 2006, I-8297, BStBl II 2007, 32, UR 2006, 638) bezieht sich auf die hier nicht einschlägige Regelung der Berichtigung eines Vorsteuerabzugs nach Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG.
cc) Das vom FA ferner angeführte BFH-Urteil vom 12. August 2004 V R 49/02 (BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090) betrifft einen anderen Sachverhalt und nicht die Frage der Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG.
d) Auch bei im eigenen Unternehmen hergestellten Gegenständen ist nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich der (fiktive) Einkaufspreis maßgebend. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG differenziert --entsprechend etwa den Regelungen in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 UStG und in § 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 UStG ("Anschaffungs- oder Herstellungskosten")-- nicht zwischen Anschaffungs- und Herstellungsvorgängen. Ist der hergestellte Gegenstand dagegen eine Sonderanfertigung, für die kein Marktpreis ermittelt werden kann, oder lässt sich aus anderen Gründen kein solcher Einkaufspreis am Markt für einen gleichartigen Gegenstand ermitteln, kommt die Bemessungsgrundlage der Selbstkosten zur Anwendung (Lippross, a.a.O., S. 821; Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 10 Rz 351 f.).
Dafür, dass stets die Selbstkosten anzusetzen sind, wenn der Unternehmer Gegenstände entnimmt, die im Unternehmen selbst hergestellt wurden (so Slapio, a.a.O., § 118 Rz 101; vgl. auch Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 10 Rz 402; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, a.a.O., § 10 Rz 501/12), geben weder § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG noch der im Streitjahr 2006 geltende Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 74 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1--) etwas her.
Nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ist in den Fällen des Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG, in denen die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird, die Besteuerungsgrundlage "der Einkaufspreis für die Gegenstände oder für gleichartige Gegenstände oder mangels eines Einkaufspreises der Selbstkostenpreis, und zwar jeweils zu den Preisen, die im Zeitpunkt der Bewirkung dieser Umsätze festgestellt werden". Auch nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ist demnach der Umsatz grundsätzlich nach den --aktuellen-- Einkaufspreisen zu bemessen, die im Zeitpunkt der Bewirkung dieser Umsätze am Markt für gleiche oder gleichartige Gegenstände festzustellen sind.
e) Da die Klägerin die entnommenen Gegenstände --die im eigenen Blockheizkraftwerk erzeugte Elektrizität und Wärme-- nicht eingekauft hatte, gibt es für diese konkreten Gegenstände zwar keine Einkaufspreise in dem Sinne, dass sie von der Klägerin für diese bezahlt worden wären (in diesem Sinne auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 27. September 2007 16 K 12/07, Haufe-Index 1849610). Darauf kommt es aber nicht an.
Denn wenn das Gesetz auf die zum Zeitpunkt des Umsatzes feststellbaren Einkaufspreise für gleiche oder gleichartige Gegenstände abstellt, können dies naturgemäß regelmäßig nicht die Preise sein, die für die entnommenen Gegenstände bei deren Einkauf bezahlt worden sind (vgl. Tehler in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG § 10 Rz 399). Dies wäre allenfalls dann möglich, wenn die angeschafften Gegenstände unmittelbar nach ihrer Zuführung zum Unternehmen wieder entnommen werden.
f) Entgegen der Ansicht des FA scheitert der Ansatz von Einkaufspreisen im Streitfall nicht daran, dass keine Einkaufspreise für die von der Klägerin produzierten Wirtschaftsgüter Strom und Wärme vorlägen, weil ausschließlich mit Blockheizkraftwerken produzierter Strom und produzierte Wärme am Markt nicht angeboten würden.
Denn die im eigenen Blockheizkraftwerk erzeugte (in kWh gemessene) Wärme und Elektrizität ist in physikalischer und technischer Hinsicht gleicher Art wie die in anderen Kraftwerken erzeugte Wärme und Elektrizität. In welchem Produktionsprozess sie geschaffen wurden, ist bei vertretbaren Gütern grundsätzlich unerheblich.
Im Rahmen des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG ist ausreichend, dass ein Einkaufspreis "für einen gleichartigen" Gegenstand ermittelt werden kann; schon dann besteht der dargelegte Vorrang vor einem Ansatz von Selbstkosten.
3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Sache an das FG zur Nachholung der notwendigen Feststellungen zurückzuverweisen.
a) Nachdem das Haus der Klägerin an das Elektrizitätsnetz angeschlossen war, konnte sie jederzeit Strom aus diesem Netz beziehen und die Eigenproduktion unterlassen. Es war danach grundsätzlich möglich, zum Zeitpunkt des Umsatzes --hier der Entnahme-- den Einkaufspreis für gleichartigen, von dem Vertrags-Energieversorgungsunternehmen der Klägerin erzeugten Strom zu ermitteln. Das FG wird die notwendigen Feststellungen nachholen müssen.
b) Hinsichtlich der von der Klägerin zur Beheizung des Hauses genutzten Wärme dürfte es hingegen bereits an "gleichartigen Gegenständen" fehlen, für die Einkaufspreise ermittelbar wären. Feststellungen hierzu hat das FG indes nicht getroffen.
Soweit die Klägerin im Klageverfahren hierzu vorgetragen hat, die unentgeltliche Wertabgabe könne gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG bspw. anhand der Preise bemessen werden, für die die Stadtwerke Münster Fernwärme anböten, könnte das allenfalls dann in Betracht kommen, wenn sie an deren Fernwärmenetz bereits angeschlossen war. Denn von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann nur dann als "gleichartiger Gegenstand" im Sinne der Vorschrift angesehen werden, wenn sie für den jeweiligen Verbraucher (hier die Klägerin) zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Nur dann kann die Klägerin im Zeitpunkt des Bedarfs die selbst erzeugte Wärme durch eine gleichartige, einzukaufende ersetzen und den Einkaufspreis ermitteln, den sie einem fremden Anbieter für den Gegenstand "Wärme" zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlen müssen (vgl. Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, a.a.O., § 10 Rz 501/10).
Auch eine Bemessung des Umsatzes nach den Einkaufspreisen anderer Energieträger wie Heizöl, Gas oder Elektrizität dürfte schon deshalb ausscheiden, weil eine Wärmeerzeugung auf deren Basis weitere aufwändige Investitionen voraussetzen würde.
Einer Besteuerung der selbst genutzten Wärme steht auch nicht entgegen, dass, wie die Klägerin im Klageverfahren vor dem FG vorgetragen hat, das Hauptinteresse am Betreiben des Blockheizkraftwerks in der Stromerzeugung bestehe und die dabei entstehende Wärme lediglich ein Abfallprodukt sei. Soweit sie die erzeugte Wärme aus ihrem Unternehmen zur Heizung des Hauses und damit für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen, wird dies gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG vom Gesetz einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, deren Bemessungsgrundlage sich aus § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG ergibt.
4. Der Senat weicht nicht von dem BFH-Urteil vom 10. März 1994 V R 91/91 (BFH/NV 1995, 451) ab, das zu der anders lautenden Fassung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 ergangen ist, nach der die Entnahme von Gegenständen aus einem Betrieb mit dem Teilwert oder dem gemeinen Wert der Gegenstände anzusetzen war. Zwar hat der BFH in dieser Entscheidung ausgeführt, die Entnahme von Wasser durch eine Stadt aus ihrem Wasserwerk sei ein umsatzsteuerpflichtiger Eigenverbrauch, der nach den Selbstkosten (Selbstkostenpreis i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG) zu bemessen sei. Aus der Entscheidung ergibt sich aber nichts dafür, dass die Stadt das benötigte Wasser von einem anderen Anbieter als dem eigenen städtischen Wasserwerk hätte beziehen können. Der BFH ging dementsprechend davon aus, dass sich der Umsatz nur nach den Selbstkosten bemessen lasse. Die Klägerin hatte im Streitfall dagegen die Möglichkeit, die Elektrizität von einem anderen Versorger zu beziehen.
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