focus wohnobjekte gewinnt gegen FOCUS Immobilien

Gericht

Deutsches Patent- und Markenamt


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

17. 01. 2013


Aktenzeichen

30 2011 050 761.9 / 36


Tenor

Auf den Widerspruch aus der Marke 306 35 548 wird die Marke 30 2011 050 761 gelöscht.

Entscheidungsgründe


Gründe

Der gegen die für die Dienstleistungen

Klasse 36:
Immobilienvermittlung, Immobilienschätzung, Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in finanzieller Hinsicht

eingetragene Wort-/Bildmarke 30 2011 050 761

aus der für die Dienstleistungen

Klasse 36:
Immobilienwesen, insbesondere die Vermittlung von Miet-, Pacht- und Kaufverträgen von Immobilien sowie insbesondere Immobilien- und Hausverwaltung

Klasse 37:
Reparaturwesen, nämlich Reparatur und Instandhaltung von Gebäuden; Innen- und Außenreinigung von Gebäuden

Klasse 44:
Gartenpflege

eingetragenen prioritätsälteren Wort-/Bildmarke 306 35 548

erhobene Widerspruch ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen eine Verwechslungsgefahr gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht, die zur Löschung der angegriffenen Marke führt, § 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG.

Die Eintragung einer Marke kann insbesondere dann gelöscht werden, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, Tz. 18 - PICASSO; GRUR 1998, 387, Tz. 22 - Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2008, 258 – INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH GRUR 2009, 772, Tz. 31 - Augsburger Puppenkiste; vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rdnr. 40 - 44).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begegnen sich die Vergleichsmarken im Bereich identischer Dienstleistungen.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Dienstleistungen ist zu prüfen, ob die beteiligten Verkehrskreisen der Auffassung sein könnten, dass die beiderseitigen Dienstleistungen - bei Unterstellung einer Kennzeichnung mit identischen Marken und größtmöglichem Schutzumfang der älteren Marke - üblicherweise von denselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen erbracht werden. Hierbei sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis der beiderseitigen Dienstleistungen zueinander kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre wirtschaftliche Bedeutung, also Art und Zweck der Dienstleistungen, der Nutzen der Dienstleistungen für den Inanspruchnehmenden sowie die branchenmäßige Nähe der zu vergleichenden Dienstleistungen (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rdn. 109).

Nachdem Benutzungsfragen hier nicht einschlägig sind, ist für die Frage der Ähnlichkeit der Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen. Die in der Klasse 36 beanspruchten Dienstleistungen "Immobilienvermittlung, Immobilienschätzung sowie die Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in finanzieller Hinsicht" sind in dem Oberbegriff "Immobilienwesen" der Widerspruchsmarke enthalten, so dass von einer Identität der Dienstleistungen auszugehen ist.

Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke und somit der zu dieser Marke einzuhaltende Abstand jüngerer Marken hängt von ihrer Kennzeichnungskraft ab. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke setzt sich aus der originären Kennzeichnungskraft und der nachträglich erworbenen Kennzeichnungskraft zusammen. Bei der Feststellung einer Steigerung oder Schwächung der Kennzeichnungskraft werden Kriterien wie die Unterscheidungskraft, die Anlehnung oder Nähe des Zeichens zu beschreibenden Angaben, die Verkehrsbekanntheit, benutzte Drittzeichen und sonstige Drittzeichen sowie die beschreibende Verwendung des Zeichens oder eines Zeichenbestandteils berücksichtigt (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage 2010, § 14 Rdn. 497 ff.).

Die Widerspruchsmarke in Form einer farbigen Wort-/Bildmarke weist eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Das Wort "Focus" mit den Bedeutungen "Brennpunkt, Krankheitsherd" hat keinerlei beschreibende Bedeutung zu Dienstleistungen des Immobilienwesens (vgl. BPatG, 29W(pat)137/06, 04.05.2007, FOCUS MONEY = FOCUS) und wird von den Verkehrskreisen aufgrund der farblichen und grafischen Hervorhebung und in Verbindung mit den weiteren Zeichen- und Bildbestandteilen spontan als Herkunftshinweis auf einen Anbieter aufgefasst werden. Sonstige Anzeichen für eine gesteigerte oder verminderte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liegen nicht vor.

Angesichts der zwischen den Vergleichsmarken festgestellten Dienstleistungsidentität muss die angegriffene Marke zu der widersprechenden, mit normaler Kennzeichnungskraft ausgestatteten Marke einen deutlichen Abstand einhalten, damit Markenverwechslungen im Verkehr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden können.

Diesen erforderlichen Abstand halten die Vergleichsmarken allerdings nicht ein.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, (Schrift-)bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die angesprochenen Verkehrkreise in klanglicher, (schrift-)bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Um die Markenähnlichkeit zu bejahen, reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus (vgl. BGH, I ZB 40/03, 22.09.2005 - coccodrillo sowie Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rdn. 224).

Stellt man die Vergleichsmarken in ihrer Gesamtheit gegenüber so unterscheiden sich diese sowohl durch die verschiedenen Wortelemente "FOCUS Immobilien" in der angegriffenen Marke und "FOCUS Wohnobjekte" der Widerspruchsmarke als auch durch ihre insbesondere farblich deutlich unterschiedliche grafische Ausgestaltung hinreichend voneinander.

Eine hochgradige Zeichenähnlichkeit besteht jedoch aufgrund des Gesamteindrucks, den die beiden Wort-/Bildmarken in klanglicher Hinsicht vermitteln.

Bei mehrgliedrigen Marken kann ein Markenbestandteil eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung haben, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rdn. 327). Eine Prägung des Gesamteindrucks einer Marke durch einen einzelnen Bestandteil kann aber nur angenommen werden, wenn die übrigen Markenteile diesem gegenüber im Gesamteindruck zurücktreten (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rdn. 332, 335). Dabei treten kennzeichnungsschwache Elemente gegenüber kennzeichnungskräftigeren Elementen regelmäßig zurück, weil sich die Aufmerksamkeit der Verkehrskreise auf letztere konzentriert (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rdn. 336 ff.). Da die Vergleichszeichen über Wort- und Bildbestandteile verfügen, handelt es sich bei den gegenüberstehenden Marken um mehrgliedrige und damit prägungsfähige Kombinationsmarken.

Soweit sich - wie im vorliegenden Fall - die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet ausreichend voneinander abheben, so kann hier trotzdem eine Verwechslungsgefahr bestehen, wenn der in beiden Marken übereinstimmende Bestandteil "FOCUS" den Gesamteindruck der jeweiligen Kombinationsmarke alleine prägt und umgekehrt die übrigen Zeichenteile ("Immobilien" bzw. "wohnobjekte") einschließlich die grafischen Elemente für den Gesamteindruck vernachlässigbar zurücktreten.

Dies ist vorliegend der Fall, denn der klangliche Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken wird jeweils von dem in beiden Zeichen identisch enthaltenen Wortbestandteil "FOCUS" geprägt, die übrigen Wort- und Bildbestandteile der beiden Marken treten diesen gegenüber im Gesamteindruck zurück.

Beim Ähnlichkeitsvergleich von Wort-/ Bildmarken in klanglicher Hinsicht ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass die Verkehrkreise dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung zumessen (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rdn. 391 ff.). Folglich werden die Bildelemente nämlich die jeweilige Farb- und Schriftgestaltung sowie die zweizeilige Anordnung der Zeichenbestandteile "FOCUS" und "Immobilien" in einem zweifarbigen Rechteck mit Umrandung auf Seiten der jüngeren Marke und die Farb- und Schriftgestaltung sowie die verfremdete Darstellung von Häusern und/oder Immobilien in einem Kreis auf Seiten der Widerspruchsmarke bei einer klanglichen Wiedergabe außer Acht gelassen, schon deshalb weil eine Artikulation von Schriftanordnungen, Farben und sonstigen grafischen Ausgestaltungen nicht praktikabel ist. Die jeweils in den Vergleichszeichen weiteren enthaltenen Begriffe "Immobilien" (prioritätsjüngere Marke) im Sinne von "unbewegliches Gut, unbeweglicher Besitz; Grundstücke" und "wohnobjekte" mit der Bedeutung "Wohnimmobilien, -grundstücke oder Häuser" (Widerspruchsmarke) treten aufgrund ihres jeweils glatt beschreibenden Charakters für die beanspruchten Dienstleistungen in einer Weise zurück, dass sie für den Gesamteindruck der Vergleichszeichen vernachlässigt werden können (vgl. Kirschneck Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9, Rdn. 332). Bei den in beiden Marken identisch enthalten Wortbestandteil "FOCUS" hingegen, handelt es sich um einen kennzeichnungskräftigen Wortbestandteil, da diesem - wie bereits zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgeführt - insoweit ein konkreter Sachbezug zu den Dienstleistungen der Klasse 36 fehlt und dieser somit als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird.

Folglich wird sich der Verkehr bei den sich gegenüberstehenden Marken jeweils auf den identischen Bestandteil "FOCUS" konzentrieren und ausschließlich dieses Element als für den Gesamteindruck prägend sehen.

Damit ist zumindest im Bereich der mündlichen Benennung die Gefahr von Markenverwechslungen gegeben.

Die Löschung der angegriffenen Marke 30 2011 050 761 ist daher aufgrund der festgestellten Verwechslungsgefahr anzuordnen (§§ 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen besteht kein Anlass (§ 63 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

Auf die nachstehende Rechtsbehelfsbelehrung wird hingewiesen.


Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann gemäß § 64 Markengesetz (MarkenG) der Rechtsbehelf der Erinnerung eingelegt werden. Die Erinnerung steht den am Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt Beteiligten zu. Sie hat aufschiebende Wirkung.

An Stelle der Erinnerung kann gemäß § 64 Abs. 6 MarkenG auch das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 66 MarkenG eingelegt werden. Die Beschwerde steht den am Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt Beteiligten zu. Sie hat aufschiebende Wirkung.

Die Erinnerung und die Beschwerde sind innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich beim Deutschen Patent- und Markenamt einzulegen. Die Anschriften lauten:

Deutsches Patent- und Markenamt, 80297 München
Deutsches Patent- und Markenamt, Dienststelle Jena, 07738 Jena
Deutsches Patent- und Markenamt, Technisches Informationszentrum Berlin, 10958 Berlin

Die Beschwerde kann stattdessen auch in elektronischer Form eingereicht werden (§ 95a Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 MarkenG i.V.m. § 130a Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO), § 12 der Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMAV), §§ 1 ff. der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Deutschen Patent- und Markenamt (ERVDPMAV)). Die näheren (technischen) Voraussetzungen sind in der ERVDPMAV aufgeführt.

Innerhalb der Erinnerungsfrist ist die Gebühr für das Erinnerungsverfahren (Gebührenverzeichnis zum Patentkostengesetz Nr. 333 000 = EUR 150,00) auf das Konto der Bundeskasse Halle/DPMA für das Deutsche Patent- und Markenamt zu entrichten. Wird die Gebühr für das Erinnerungsverfahren nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt die Erinnerung als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2 Patentkostengesetz).

Innerhalb der Beschwerdefrist ist die Beschwerdegebühr (Gebührenverzeichnis zum Patentkostengesetz Nr. 401 300 = EUR 200,00) auf das Konto der Bundeskasse Halle/DPMA für das Deutsche Patent- und Markenamt zu entrichten. Die Beschwerdegebühr ist für jeden Beschwerdeführer gesondert zu zahlen. Wird die Beschwerdegebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt die Beschwerde als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2 Patentkostengesetz).

Für den Fall, dass in einem mehrseitigen Verfahren von einem Verfahrensbeteiligten Erinnerung und von einem anderen Verfahrensbeteiligten Beschwerde eingelegt wird, kann der Erinnerungsführer ebenfalls Beschwerde einlegen (§ 64 Abs. 6 Satz 2 MarkenG).


Hinweise:

Bei der Zustellung durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe gilt dieses am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass das zuzustellende Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 94 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG)). Bei der Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein gilt diese an dem Tag als bewirkt, den der Rückschein angibt (§ 94 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG)).

Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde ist der Tag der Zustellung auf der übergebenen Abschrift der Zustellungsurkunde oder auf der übergebenen Sendung vermerkt.

Bei Zustellung ins Ausland mittels eingeschriebenen Briefs durch Aufgabe zur Post gilt dieser zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG i.V.m. § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Der Erinnerung/der Beschwerde und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


Markenstelle für Klasse 36

Rechtsgebiete

Markenrecht